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.Hist-Eils- Hishi-listi-
Berlim den 18. Mai 1907.
Pot-1uck.
Rabbi Cohn.
SmHerbstdesJahres1905erhieltderjungejüdischeTheologeDr.Emil
)CohndenAuftrag,als Vertreter desbeurlaubtenProfessorsSchnei- der denjüdischenSchülerndesberlinerFalk-RealgymnasiumsReligionstun- den zugeben·Ueber dasPensum hatteersichmitSchneiderverständigtTer wußte,daßseinVertreter auchüberdenZionismussprechenwürde;undbil- ligtedieseAbsichtWasdieZionisten wollen,lehrtdasvorzehn Jahrenin Basel, auf ihrem erstenKongreß,verkündeteProgramm.»Der Zionismus erstrebt fürdasjüdischeVolkdieSchaffungeineröffentlich-rechtlich-gesicher- tenHeimstätteinPalästan fürdieJuden,diesichnichtassimilirenkönnen oderwollen.Zur ErreichungdiesesZielesnimmtderKongreßfolgendeMit- tel inAussicht: erstensdiezweckdienlicheFörderungderBesiedelungPalästi- nasmitjüdischenAckerbauern,HandwerkernundGewerbetreibenden;zwei- tensdieGliederungundZusammenfassungderJudenschaft durchgeeignete örtlicheundallgemein-eVeranstaltungennachMaßgabederLandesgesetze;
drittensdieStärkungdesjüdischenSelbstgefühlesundVolksbewußtseins ; vier- tensvorbereitendeSchrittezurErlangung derRegirungzustimmungen,dienö- thigsind,umdasZieldesZionismuszuerreichen.«Stattdesschwerzuerlangen- denHeiligenLandesistvonderkonservativenRegirungGroßbritaniensspäter UgandaalsSiedlungstätteempfohlenworden. DieGeschichtedieserBewegung, derenLeiterinWesteuropaderwienerFeuilletonistTheodorHerzlwar,hatHerr Dr.Cohn seinenSchülernkurzund(wie nichtbestrittenwird)objektiverzählt.
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224 DieZukunft.
JnderselbenZeitwurdeihmgemeldet,einchristlicherLehrerdesFalk-Real- gymnasiumskränke diejüdischenSchülerdurchAnwendungdesGhettojar- gons.Die ElternkonntensichzueinerBeschwerde,derenFolge vielleichteine Antisemitendebattegewesenwäre,nichtentschließen;sie dachtenshylockisch:
sukferance is thebadgeofallourtribe;undriethendenKindern, dieleisen Hiebegeduldighinzunehmen.Dafürwar auchder gegen denAntisemitis-
musvornan kämpfendeRechtsanwalhanden Dr.Cohn sichgewandt hatte.
Waswarzuthun?Cohnwollte wederdieUngebührduldennochzum De- nunziantenwerden.Er erbatvondemchristlichenKollegeneineAussprache, diehöflichgewährtwurde unddiegewünschte,,Remedur«brachte.Baldda- nachwurdedemAushelfervondemDirektordesFalk-Realgymnasiumsge- kündigt.SchonvorderUebernahmederVertretunghatteDr.Cohnsichum dasAmt eines Rabbiners derberlinerJudengemeindebewarben Trotzdem derVorstand wußte,daßderKandidat überzeugterZionistsei,wählteerihn;
gab freilichderErwartungAusdruck,daßCohn nichtalsAgitatordesZio- nismusaustretenwerde. DerjungeRabbiantwortete, füreinen»Kuhhan- del«,einenGesinnungschacherseiernichtzuhaben;dieKanzelunddie Ka- thederwerdeerunterkeinenUmständenzurPropagandamißbrauchen;«auch habeereinentiefenWiderwillengegen dasAuftreteninVolksversammlungen.
Doch dieZeitenkönntenfichändernundihnin dieAgitationdrängen;deshalb dürfeersichdurchkein anderesVersprechenals dastaktvollenAuftretensbin- denundmüsse,auf jedeGefahr,lautsagen,daßermit ganzemHerzenbeider zioniftifchenSacheseiund bleiben werde.SeineArtikel übernationaleFragen derJudenheithatteervorgelegt.Und wurdedennochfasteinstimmiggewählt.
ImJuli1906wurdeeraufgefordert,bei einer(nichtnurvonZionisten veranstalteten)Trauerfeiereine RedeüberHerzlzuhalten;undsagtezu.Erst amTagderFeier ließderGemeindevorstand ihnwarnen. Antwort: Nicht um zioniftischePropagandahandeltsichs,sondernum dieWürdigungeines inderGeschichtederJudenheitwichtigenMenschen,den,alsergestorbenwar, einRabbiderberlinerGemeindeinderAmtstrachtgefeierthat;undeine in letzterStundeerzwungeneAbsagewürdemichlächerlichundverächtlichmachen.
Die Rede wurdegehalten.AlsihmoffiziellderTad el desGemeindevorstan- desausgesprochenwordenwar,wollteCohndasManuskriptderRedevor- legen,um zubeweisen,daßernichteifernd fürdenZionismus geredethabe.
DieserBeweisantragwurdeabgelehnt;und esblieb bei derRüge.Amsieben- tenJanuar 1907ging Cohnzu dem DirektordescharlottenburgerMomm- sen-Gymnasiums(derihnalsKnabenJahrelangunterrichtethatte),um zu
Pot-luck. 225
fragen,oberalsLehrerderjüdischenReligionandieserSchuleangestellt werdenkönne.Darüber,sagtederDirektor, stehtnichtmir dieEntscheidung zu,sonderndemcharlottenburgerMagistrat,derfürdie dreistädtischenGym- nasien übrigensnur einenLehrerjüdischerReligion anstellt.Damitwar die Frageerledigt;denneinberlinerRabbiner kannnichtinjeder Woche acht- zehnStunden fürSchulunterrichtverwenden. Die beiden Männerplauder- ten danndreiStunden langüber diegroßenLebensfragendesJudenthumes.
Den älteren ManninteressirtedieEntwickelungdesjüngeren,seinesSchülers;
ernannte sicheinenPhilosemitenundsprachdieHoffnung aus,dievöllige Assimilation derJudenheitinDeutschlandnochzuerleben.DerRabbi glaubt sichverpflichtet,seinWollenundDenken dem altenLehrerzuenthüllen.Er bekenntsichalsZionisten.Sagt,ererwarte nochvielvondemJudenvolk,das nichtwegen andererKonfession,sondernwegen andererStammesart gehaßt werdeundsich,umdiesemHaßzuentgehen,wieder einNationalgefühlund eineStaatsgemeinschafterwirkenmüsse.DasauserwählteVolk;Einheitvöl- kischerundreligiöserUeberlieferung;starkerStammesinstinkt,derden deut-
lchenJudenbestimme,in demrussischenoderrumänischenden Bruderzu lieben,derihm, schonalsin derDiasporavereinsamteynäher steheals der deutscheChrist. AlsonichtAssimilation, sondernstolzePflegedesStammes- bewußtseinsund, alsZiel,Sicherungeinesneuen jüdischenStaatsverbandes.
DerVersuch«sichdeutschemWesenanzupassen,kannnichtgelingenundsteigert denantisemitischenHaß.Wer inderJudenheitanderszu denkenbehauptet, täuschtsichselbstoderwill,umnicht lautesAergernißzugeben,denThatbestand übertünchen»Ichliebe diedeutscheKulturüber Alles kann dasWirken Goe- thesundSchillers nichtausmeinerEntwickelungstreichenunderfüllegerndie PflichtendesdeutschenStaatsbürgers,nehmeaber dasRechtinAnspruch,als JudemeinStammesbewußtseinzuerhaltenund zupflegen.DenmeinerOb- hutanvertrauten Kindern werdeichstetsdiePflicht einschärfen,ihrVater- land zu lieben unddessenStaatsgesetzin Treuezugehorchen;sieim natio- nalenGeistdesDeutschthumeszuerziehen,ist nichtdieAufgabedesLehrers jüdischerReligion.«DenDirektorgrausets;ernotirt,alsCohnfort ist,in kurzenSätzendenInhaltdesGesprächesundfragtdenamMommsen-Gym- nasiumangestelltenjüdischenOberlehrer,oberauch sodenke. Derist nicht minderentsetzt,wehrtsichgegendenVerdachtsolcherAnschauungundbespricht denFallmit dreiGlaubensgenossenundKollegen,die demSchulvorstande derberlinerJudengemeindeangehören.Die dreiHerren schickenschnelleine BeschwerdeschriftandenGemeindevorstand,schildern(nichtnachdirekter An-
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226 DieZukunft.
gabeeinesOhrenzeugen)denGangdesGesprächesundforderndiezustän- digeBehördeauf, »demTreiben desHerrnDr.Cohnein Endezumachen«.
DerAngeschuldigtewirdamletztenJanuartag aufdasGemeindebureau ge- rufenundVondemVorsteherund demSyndikusderGemeinde,denHerren Julius JacobyundJustizrath Lilienthal,vernommen. DieNotizdesGym- nasialdirektors (der, aufdie BitteseinesjiidischenOberlehrers,den drei Män- nern desSchulvorstandeseineAbschriftgegebenhat)wirdihmvorgelegt.Was dasteht,sagter,ist nicht falsch,doch auchnicht richtig;werdenInhalteines dreistündigenGesprächesinzwöleeilenwiedergiebt,muß aufalle Nuancen verzichten;icherkenne meineGedanken,finde siein dieserabgekürztenWieder- gabeaberverzerrt. »Sie sindeinFanatikerundhabensichinverrückteJdeen verrannt«:alsosprichtderSyndikus;und derdreiundachtzigjährigeVorsteher (dersichvorhergerühmthatte,erwissemitRabbinern umzugehen):»Sie sind bei unsinLohnundBrotundhaben unsereAnschauungenzuvertreten.«Der SyndikussetzteinProtokol auf;darin erklärtHerrDr.Cohn: »DieNieder- schrift(desGymnasialdirektors)enthältinhaltlich,nichtaber in derFormmeine Ansichten-Hätteichgewußt,daßessichnichtumeineintimePrivatunterhaltung handelte,sohätteicheinesolcheUnterhaltungnichtgeführt.Manchesist(inder Wiedergabe)besondersbetont,wasichnichtbetonthabezundumgekehrt.«Nun wurdeihm mitgetheilt,erseivomAmtsuspendirtznochamselbenTagerhielt auchderDirektordesMommsen-Gymnasiums dieseNachricht.Amdreizehnten Februar(die StrafsachewarinzwischeneinerKommissionüberwiesenworden) schriebCohnandenVorstand,ermüssedieProtokolunterschriftzurückziehen, weilreiflichereUeberlegungihnerkennengelehrt habe, daß seineAnsichtin derNotizdesDirektorsallzuungenau wiedergegebensei. »Ichbeantragte, mir dieNiederschriftdesDirektors auszuliefern;mirlagdaran,sieSatzvor Satzschriftlichzu erläutern und damitKlarheitüber denGangdesGesprä- cheszuschaffen(Jch erhieltkeine AntwortaufdenBrief«Amneunzehnten Februar schriebichnocheinmal.DieNiederschriftwurdemirverweigert.Am zweiundzwanzigftenFebruarbatich nocheinmalmündlichdarum.Siewurde mir abermals verweigert-«Warum? Weil,sagtder Syndikus,»derVorstand sichnichtfürberechtigtansah,eineAbschriftzugeben.«AmdreizehnteFebruar hatteCohngeschrieben:»MirliegtAllesdaran,daßman erfährt,wasichge- sagthabe. Jchwillgehörtwerden;vonAllen,die indiesemFallmitzureden undmitzustimmenhaben,willich gehörtwerden.DasisteinRecht,aufdem ichstehe-«AuchdieserWunschwurdenicht erfüllt.Nurfünf seinerRichter habendenAngeschuldigtengehört;vierzehnihn nichteinmalmehr gesehen.
Pot-luc.k. 227
UmdieSachegeräuschloszuverscharrenzempfahlman demRabbi, selbstzu kündigenoder mitärztlichemAttestin eineKaltwasserheilanstaltzugehen;
wenn erdann, nacheinemhalben Jahr, wiederkomme,könneman sagen,er seiin derZeitdesGesprächesmit demGymnasialdirektor»geistiggestört«
gewesen,nun aber wieder normal.Darauf ließCohn sichnichtein.Amneun-
undzwanzigstenMärz beschlossenVorstandundRepräsentanten,HerrnDr.
CohnausdenAecnterndesPredigersunddesLehrerszuentlassen.Erstam fünfzehntenAprilwurdeihm,dermehrmals Bescheiderbetenhatte,derSpruch mitgetheilt;auch,daßihmfürdie Dauerderim VertragfestgesetztenZeit(bis zumersten April 1909)derBezugdesGehalteszustehe.PredigerundLehrer derReligionaber könneerfortan nicht sein:dennerhabe »derAchtung,des AnsehensunddesVertrauens,dieseinAmterfordert-,sichunwürdiggezeigt.«
Wirklich?Mirscheint,erhat-redlichundtapfer gehandelt. Daßer Zionist sei,wußtenseineBrotherren;daßershehle,durften sienichtwünschen;
nur,daßernicht öffentlich,agitire,nichtKanzelundKathedermißbrauche.Er hats nicht gethan; ist stillgeblieben,wieerversprochenhatte. Daßman ihm diesesVersprechenzumuthete,war schonnichtschön;nichtim SinnderPro- phetenundRichterdesAlten Bundes. DieGemeindemußtesicheinesPre- digersfreuen,dernichtumdesBrotes willenseigeKonzessionenmachte,Schwie- rigkeitennicht scheuausbog, sichnichtwie einenEommisbehandelnließ.Das Gesprächmit demGymnafialdirektoristkaumderRedewerth.Einfünfund- zwanzigjähriger,ganzvonderheiligenPflichtseinesBekenneramteserfüllter RabbisiehtseinenaltenLehrerwieder,wird zurErörterungderihmwichtigsten Fragen gedrängt,läßt sichvonhitzigemJugendeiferfortreißenundsagt wohl mehr,alsersagenwollte.Warum nicht?Ersprichtnurfür dasOhrseinesLehrers (demervielleichtmiteinerstarkenProbeselbständisenDenkensimponirenwill) undmuß annehrnen,daßkein WortdiesesintimenGesprächesdurchdieZim- merwand hallt.Wirdermißverstanden?Erkanns morgenaufklärenHatein Einwurf,einWiderspruchihnzu weit vorwärtsgetrieben?DerRückwegbleibt ihm offen.Einjunger,begeisterterDienerJahwessagt: »WirJudensind einVolk;sindnichtnureineBekenntnißgemeinschaftStammesempsindenund Glaubesindunsuntrennbar. Wirmüssendieeuropåi«cheKultur munsauf- nehmen,alsStaatsbürgergewissenhastunserePflicht thun,bleiben aberauch im Staat derWirthvölkerstets Juden,wenn wirnichtGlauben undStam- mesartablegen.DaswirdnurWenigengelingen.DieMeistenmachtderAn- passungversuchlacherlichoderwicbtihnen Haß.Wirsollenund wollenauch nichtals Volkuntergehenoderin andere VölkerausgehenGotthatunsaus-
228 DieZukunft.
erwählt;unddasZiel,daserunsgab,ist,nachJahrhundertenschwererPrüfung undschlimmenJrrens,nochlangenichterreicht.Nichtverbergensollenwirunser Judenthum, sondernesftolzjedemBlickzeigen;nichtscheinenwollen,waswir nichtsind:Deutschevonnichtkatholischer,nichtevangelischerKonfesfionzson- dernuns alsJudengeben,dieinDeutschlandleben,daswirthlicheLandlieben undseinGesetzachten,ausderHoffnung aufeineneigenennationalenStaat abernichtgeschiedensind.Dannwirdman unsnichtkomischer,nichthassens- werther findenalsandereMenschenfremden Stammes,die imDeutschen Reich heimischgewordensind.«So(ungefähr)sprichtderjunge Rabbi. Jst erdarum derAchtungunwürdig,dieseinAmtfordert?Erhat diesesAmt nach bester Kraftbetreut;im Amtnie dasGefühleinesGlaubensgenossen verletzt;nurim Privatgesprächein demGemeindevorstandunbequemesWol- lenentschleiert.DenndieserVorstand hältanderFiktion fest,nur durchdas BekenntnißunterscheidedersemitischesichvondemarischenBürgerdeutscher Staaten. Werdiese Fiktion ablehnt,giltihmalsErzfeind,aufdendie An- tisemitenparteisichberufenkann,undwird aus derGemeinschaftderReinen gestoßen.Groß ists nicht; dochbegreiflich.DieseMenschen,in denendasBe- wußtseinlebt,derHeimath jede Pflichtschuldgezahltzuhaben, sträubensich gegen dengefährlichenArgwohn,ihrGlaubeseiihnen mehrals der Roms demKatholiken,derLuthersdemProtestanten: seidasGehäuseinesbeson- derenNationalempfindensDieFormdesRechtesabermußtederVorstand wenigstenswahren.WollteerdasPrivatgesprächzumGegenstandeinesDis- ziplinarverfahrensmachen,danndurfteerdiekurzeNotizdesDirektorsnicht für eine getreueJnhaltsangabedreistündigenGedankenaustauschesnehmen.
DannmußteerdenVerfasserderNotizhörenundvor allen zumSpruchbe- rufenen Richterndem Rabbigegenüberstellen.Dursteerander(sichernicht vonAngstdiktirten)Deutung,dieCohngab, nichtzweifelnnochmäkeln. Ein Mann,dem dasAmt desPredigersundJugendbildnersanvertraut ist, darf Glaubenheischen,biseralsLügnerentlarvt ward.Darf auchdasRechtfreier VertheidigungundmündlicherHauptverhandlungfürsichfordern.
WenneinkatholischerTheologe,weilerdasinJahrhundertenbe- wåhkteDogma,denTrostunddenStabderMiiysäIigen,bekkittetthat,aus RomeineRügeerhält,wenn einevangelischerPfarrer,weilerdenWortlaut desApostolikums,dieJungfernschaftderHeilandsgebärerin,dieGottheitdes Christus nichtgelten lassenwill, hartangefaßt,vielleichtgar entamtet wird, giebtsin dervon(gläubigenodergottlosen)JudenbedientenPresse stetsein lautes Gezeter.DierömischeTyrannei,heißtesdann,ist beinahe nochärger
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als dierussische;undin denKonsistorienistvondemfreien Geistlutherischer Duldsamkeitnichts mehrzuspüren.Unddoch handelt sichsbeidiesenKon- fliktenum Männer,dienachgewandelterpersönlicherUeberzeugungdie alte Lehrefärbenundändernwollten.Wie warsdennimFall Fischer?D.Fischer, PfarreranSanktMarkus inBerlin, hatteimProtestantenverein die Jesus- anbetung bekämpftundgesagt,Gott, nichtderChristus, müssedasCentrum evangelischerTheologiesein. Solches,erwiderndiePositiven, dürfeeininder LandeskirchewirkenderPfarrer nichtsagen.Stoeckerspricht: »Jn unserer Kirchenordnunghabenwir dasMittel,einenPfarrer,derdiejungfräuliche Geburt,dieAuferstehung,dieHimmelfahrtJesuleugnet, abzusetzen.Das wollen wirnicht.Waswirwollen, ist:zeigen,inwelchemZustandwirleben.«
ElfLaienmitgliederdesGemeindekirchenrathesvonSankt Markusprotoko- liren dieErklärung:»Wirverstehennicht,wie einGeistlichersolcheAnschau- ungen mitseinemAmt und mitseinemOrdinationgelübdeinEinklangbrin- gen kann.«FünfzehnhundertMenschenvereinensichzu deröffentlichenAus- forderung,D.Fischer mögeausdemPfarramt scheiden.Kirchenältesteder ErstenberlinerSynodeschicken,als einendringendenMahnruf,einenBericht überdieseProtestversammlungandasbrandenburgischeKonsistorium.Das sendetdemAngeschuldigtendieBeschwerde,fordert ihnzurRückäußerung aufund verurtheiltdann,dadieRechtfertigungnicht ausreichendscheint,Inhalt undFormdesVortrages.JnderKonsistorialverfügungstehendieSätze:
»Siekonntensichkaum verhehlen,daß IhreAusführungenin dem in Rede stehendenVortragdasreligiöseGefühlallerbekenntnißtreuenGemeindemits glieder aufdasTiefste verletzenund einweithingehendesAergernißverur- sachenwürden. Dasieaber den Eindrucknichtnur mangelnderBesonnenheit, sondernauchunzulänglicherchristlichtheologischerDurchbildung,Klarheit undReife machen,soglaubenwir, annehmenzudürfen,daßSiesichnochin einemEntwickelung-undUebergangsstadiumbefinden,auswelchemesIhnen mitGottesBeistandgelingenkann,sichzu einerErfassungdeswahren Wesens derchristlichenReligionhindurchzuarbeiten.Sollten Sie imGegentheilsichend- g«ltigaufdemgegenwärtigenStandpunktbefestigen,somüssenwirerwarten, daßSie dieFolgerung ziehenundJhrAmt in einerKirche,derenGlauben undBekenntnißSienichtnur nichttheilen, sondernsogarbekämpfen,frei- willigniederlegen Jedenfalls gebenwirJhnenzubedenken,daßwiresnicht duldenwürden,wenn Sie inIhremamtlichenWirkenähnliche,demallge- meinen Glauben derChristenheitwidersprechendeBehauptungenzum Aus- druckbringenwürden,undmachenIhnenzurPflicht,Alles zuvermeiden,
23 ) DieZukunft
wasgeeignetist,dasreligiöseGefühlderinkirchlichemGlaubenstehenden Gemeindezuverletzen.«DieseVerfügungwurdedamalsallzuhartgenannt;
LaienundPastorenentschlossensichzuoffenemProtest; sogarderberliner Magistraterhobgegen dasUrtheil Beschwerde;undinunzähligenArtikeln wurdedasKonsistorium schroffgetadeltodergrausam befpöttelt.So wars auchimFalldesgreifswalderPfarrers Heyn,dem »wegenmangelnderRecht- gläubigkeit«dieBestätigungseinerberlinerWahl versagtwurde. Undim weltlicherenFallEurtius? Als derKaiser neulichinStraßburgwar, wurde HerrDr.FriedrichCurtius,derPräsidentdesOberkonsistoriumsderKirche AugsburgischerKonsession,nicht,wie ersnachalterSittegewohntwar,zur Hoftafel befohlen. AufdievonzwölfMitgliederndeselsässischenOberkon- sistoriums eingereichteBeschwerdekamvon dem Statthalter Fürstenzu HohenloheLangenburgdie Antwort: »HerrDr.Curtius istdurchSeineMa- jestätdenKaiservon derListeder zurTafelEingeladenen gestrichenwor- den:nichtinseinerStellungalsPräsidentdesDirektoriums derKircheAngs- burgischerKonfession,sondernalsHerausgeberder,Denkcvürdigkeiten«des FürstenChlodwigzuHohenlohe,inwelchenJndiskretionenveröffentlicht wurden, welcheSeineMajestätverletzenmußten. Jch mußesdemTaktge- fühlderMitgliederdesOberkonsistoriums, welchedieEingabe unterzeich- nethaben,unddesderzeitigenPräsidentenüberlassen,ob aus einersolchen UebergehungdesPräsidentenweitereKonsequenzenzuziehenseinwerden«
DerPräsidentwurdealso öffentlichaufgefordert,in denRuhestandzutreten;
dasOberkonsistorium,ihnzudiesemSchrittzu drängen.Wiedergabs heftigen ProtestundjüdischeJournalisten fragten empört,wasdie privateHeraus- geberarbeitdesKonsistorialpräsidentendennmitseinemWirken im Amts- bereichzuthunhabe.Nur imFall CohnbleibtAlles mäuschenstill.Derjunge RabbiisteinerVerletzungderAmtspflichtnichteinmalbeschuldigtworden.
Erhat auf derKanzel verkündet,auf derKathedergelehrt,waserverkünden undlehrensollte,undseineUeberzeugungwedergehehltnoch geändert.Ober alsLehreramFalk-Realgymnasiumrichtigoderfalschgehandelthabe,konnte undmußtederGemeindevorstandfeststellen,bevorerihnwählteundinPflicht nahm.DieRedeüberHerzlwardurchdieRügegesühnt.DieWiedergabedes PrivatgesprächeshatCohn nichtalsgetreueDarstellungseinerGedankenaner- kannt.JnderWahlderVertheidigungmittelsahersichbeschränkt·DerHaupt- zeuge,dereinzige,wurdeihmnichtgegenübergestelltnoch auchnur vernom- men. DerAngeklagtehattekeinenAnwalt;konnteauchnichtdurchdirekte Rede aufseineRichterwirken.WelchenLärm würdenwirhören,wenn dieRegirung
Pot-Iuck. , 231.
einenBeamten,derOberkirchenratheinenPfarrerwegen einesPrivatgesprä- ches,dessenJnhalt nichtfestgestelltist, vielleichtnichtmehrfestzustellenwar, ausdemAmt gejagthätte!DerVorstandderberlinerJudengemeindehats gethan;unddarfmitseinerToleranznunnicht mehrprunkensDerBiblio-.
thekarDr.Fromerwurde ausdemGemeindedienstgeschicktund vorsHunger- tuchgesetzt,weiler(ineinemhier veröffentlichtenArtikel)gesagt hatte,das Judenthum seiallzu sehrvonethischenBedenkenangekränkelt,dasjüdische müsseraschundrestlosinsdeutscheVolkaufgehen.Der RabbinerDr.Cohn wurdeentamtet,weilerinstillerPlauderstunde seinemLehrergesagthat,das JudenvolkdürfeseinWesennichtdemTrugbildederAssimilationopfern,müsse seineSeele mit nationalem Stolzerfüllenund mitstaatbildenderKraftseine Zukunftals dervonGott auserwähltenStammesgemeinschaftsichern.Dieser Gemeindevorstand istunduldsameralsirgendwoeine andereBehörde;er muthetdenvonihm gemiethetenRabbinernmehrFügsamkeitzu alsStUmm einstseinenArbeitern. Die demjüdischenInteressedienstbarePresseschützt ihnvorAnfechtung.DieFischer,Heyn,CurtiusundGenossensindnochim Amt.
DerjungeRabbi Cohn,demseinPredigerberufheiligsteHerzenssacheist, findetimBereichdeutscherJudenheitkaumjewieder eineWirkensstätte.
Would you behold her tupp’d?
DerDeutscheReichstaghatnie einenPräsidentenvonüberragendem Wuchsgehabt.EduardvonSimsonwirdsehrgerühmt.Darfman der Bot- schaftglauben?»UnsereLiberalenfind gräßlichdankbar. Werfür ihre Farbe gefochtenhat,isteinesfortwährendenLobgesangessicher.Nochheutepreisen sie VirchowundMommfenalsgroßePolitiker.Mommfen, dessenpolitische RednereiundSchreibereiumso komischerwirkte,je mehrdieBerserkerwuth denHistoriographenRomsübermannte;undVirchow,der,wenn ernichtFra- genseiner-Wissenschafterörterte,zumSchwadroneur wurde,zumPrototypus desMannes,derwähnt,diepolitischeArbeitkönneeinschwerBelasteter noch nebenbeileistenundfürRath, Warnung,Lehredannebensoviel Autorität fordernwieEiner,derseinLebenandieseArbeitgesetzthat«WennausBis- marcksMund eineMeinungüberPathologischeAnatomiegekommenwäre, hättederGelehrtedenBanausenamBundesrathstischausgelacht;daßerdas Staatsgeschäft,nationales undinternationaleszmindestens sogutverstehe wie derKürassier,dervonOlmütznachSedan geführthatte,wardemZellen- professorniezweifelhaft.DennochlebterimReichsheldenlied.Daserweist dieNothwendigkeit,dieHerkunftliberalenRuhmesgenau zuprüfen.Sim-
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