• Nie Znaleziono Wyników

Die Zukunft, 19. Mai, Jahrg. XXV, Bd. 99, Nr 33.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Die Zukunft, 19. Mai, Jahrg. XXV, Bd. 99, Nr 33."

Copied!
36
0
0

Pełen tekst

(1)

xxv.qukg. Dante den19.Rai 1917. ges-e

M

Jahrgang 25

je Zukunka

Herausgehen

Maximilian Hardew

Inhalt-

-Srite

wahlrtforin und soslalpvlijili. Voncuio Brentano .....·...175 Diehulkutpolitksche Bewegung inDemereirlpVonRobert Scheu. ...191 Belbstanzekgem VonLinde-welcher uiid Alexander Mosskowiks ..191

EinRückblick au- der.3u1(unft. VonMoriq cesser . .·.. 1972

Uachdruck verboten.

f

ErscheintjedenSonnabend- PreisvierteljährlichZ Makk,hieeinzelne Nummer 50 Pf.

H-

Brrlkw Verlag der Zukunft.

WilhelmstraßeZa»

l»l?.

(2)

stleitsige

sazeigetsssaaslnns

elerWochensehrift

asie

Zukunft«

nur

eures

lIlsx

sit-Stein«

Berlin

ZWEI,

Markgrafenslr.

IS.

Fernspreeher

Amt

Zentrurn

10 809

u.

10810.

shoaaementsssssels

olerlelfllsrlleh

IsNummern)

Il.s.--,

sre lehr

M.

TI.-;

unter

streute-ne

bezogen,

Deutschl-net

unsceeterreieh

I.

s.65,

pro lehr

Ill.

22.sll;

Aueltnl

I.

s.ss.

sre lehr

M.

25.2tl-

seitellungen

nehmen

IlleIuehhsncllunsen

Post-nennenuncl

entsesen

sowie

der

VIII-sc

III

status-IX

IIIUN

ZW.

Os,

Wilhelmetr.

se,

Fernspr.

Lfltzew

7724.

OklllnuaktrlllllllIEILII I

ZADENsSADSN

unclsein neues. vornehmes Familienhotel an tlerLiehtentaler Allee

,,ZIIENNEÆS NEUEK REFUND-F

FRIEDRICHSTRASSE ECKE FRANZOSISCHE sTRAsSE

verbunden mit erstklassigstem Weinrestaurant

Vornehmste Kaffeegedecke

5-Uhr- und Abendkonzerte Beisammcnsein erster

Familienkreise

R.IC H A D

... ...

Eintritt fteil Neue Leitungl

egenMagen-,Darm-,Leber-.Nieren-.Slssenleitlen fcellensteine fzuckerlcrankhelt f

stehtfflheurnstisrnus fkatarrh ·l-Erholungnach Kriegsverlctzunpem Krceqskraakheiten undderenFolgezusiänukm

Trink- und Thermal-Badekur.

Wohnunglrn

KURHOTEL

uncllnvielenandren Rates-,Penslonen untlPrinthiiuserm KURHOTEL, einzlsesErwelterungshsuhetelmltTherrnslhjclernmitallenEinrichtungenaus senlslellsuellenderlistelltunetdessue-, grosser

Vers-nd clesNeuen-Ihrer sprudel- naeh neuemfilllverlahrem

Werbeechrlften und slle Auskunfte umsonst und portofrel durch clle

Kutsdlrektjon Bad Neuen-Inn Rhelnland.

(3)

gis « l(

"«IIII-«lm """««· · · · « « « - --,« ssK--7«-N «·««·"T«.«""·«":«I'.'(sIsv---l-;:’s:ls'l«

i«is-s---ss-«---xsi-s.».·«-iifis-·st..-i--isss-:iss-Hsss»stxEli-is: T .Jst--Its--s-»H-si«-.---s-s-·»».--«---s---i-i--jfsss--Is- ll il s»l««

s..-

»t« f-. «l-«..» « .. . Instsssi

II..·!IF!I1·If-I-.!EZIHi·«!:l·""·"-!"-«- «-»,, —«»-1llss!!xi·«l«JIHFIIHIIIUHIILIcl

sillllsszjsil»um«-Lins-IEIJYK,,-,-«;;·;IZ « ,·Jlllszzzl«. "l:

III«,-· X-»:-.-J·;"«-s»-IÅ(U!»IX Ls .- 0 «

- .-: . Ä-

-««-«-«

-«-· TDteZukunft. -— . --

Ililllki« an «-.«-«.««.· M

?«I-")l»..F I«l,-list-0,·»i««i«·ll-1-..JIls ««:«.-Illl·:;llvl"l"lkalsql

L ,1..«»zs:«l»«.Ys-«filsz.» .e«.-;·«;, »Oui«-.-Hilf-if

,:HE-.sit:xsäiiIFITEEspisIItEgExLIHEZEIIL2sxxxsjIstsbis-IFEilEsIIIIisissssgxgiisttsssi

.-,»s.(:-,- T «-

Berlin, den 19.Mai 1917.

- JW A

Wahlreformund Sozialpolitik

WerKrieg, der alle unsere auswärtigen Beziehungen auf

neuer Grundlage ordnen wird, hat auch gewisse Verfas-

sungfragen, die längstder Erledigung harren, in Fluß ge- bracht;infastallen deutschen Landen,inPreußenund Mecklens butg,aber auchinSachsen,Bremen, Hamburg und nichtmin- der in Bayern sindlangeunterdrückte Aenderungen der Ver- fassung unaufhaltsam geworden. Ja, über diedeutschenGren- zen hinaus, in Ungarn und selbstim Musterland aller Ver- fassungen, in Großbritanien und Jrland, machtdie Wirkung des Kriegesaufdie Neugestaltung der Verfassung sich fühlbar.

Dagiltesvor Allem, sichsdarüber klarzusein,.was denn fürein Land seine Verfassung bedeutet. Es ist Aufgabe der Verfassung, dieMachtvertheilung zwischenderNegirung eines Landes und der regirten Bevölkerungund zwischenden einzel- nen Gesellschastklassen,zuregeln. Aber nichtswäre verkehrter-, ,als zuglauben, daß für diese Machtvertheilung allein dasfor- male politischeRechteines Landes maßgebend sei. Das ge- sammte sozialeund geistige Daseineines Volkes übtdaraufviel größeren Einfluß; und das formale politische Rechtistnur iUspfernvon Bedeutung, als es,um wirksamzusein,mitder ganzen Empfindung- und Denkwseiseeines Volkes überein- stimmen muß. Dieseaber istverschieden je nachderEntwicke- CllUgstUfe, auf derein Volksteht, jenach seinen religiösenAn-

15

(4)

176 DieZukunft.

Ichauungem jenach- seiner Wirtschaftorganisation,jenachder Ordnung seinerVerwaltung und seiner Heeresverfassung Diese Momente bestimmen den Gebrauch, welcheneine Bevölkerung von den ihrrechtlich zustehendenpolitischen Befugnissen macht;

und es ist somit selbstverständlich,daß je nachderdurch sie her- vorgerufenen Empfindung- und Denkweise beidenverschiedenen Völkern trotzgleichem Verfassungrechtdie thatsächliche poli- tischeMachtvertheilung verschieden sein muß.

"

So pflegtin einem Lande, indem die große Masse von Jugend auf die Regelung ihres VerhältnissesZUGott den Priestern überläßt,beigleichem VerfassungrechktdieGeistlichkeit ein viel måchitigerer politischer Faktorzu sein als in einem puritanischen Lande,in dem von Kindheit an jeder Einzelne in seinemVerhältnißzu Gott auf sich-selbst gestellt ist. Eben soübt das allgemeine gleicheWahlrechtganz andere Wirkun- gen ineinem Lande,wo derGroßgrundbesitzdieVerwaltung in Händen hat,als in einem kleinbäuerlichenLand mit bürger- licher Beamtenverwaltung oder Selbstverwaltung durchBauern.

Von durchschlagender Bedeutung fürdie thatsächliche»Macht- vertheilung aber istdie vorherrschende Wirthschaftorganisation.

So war zur Merowingerzeit das Königthum rechtlichAlles, thatsächlichnichts;der Grund lagindervorherrschesndenNatu- ralwirthschaft. Der König konnte seinen Willen nur durch Beamte zur Geltung bringen, denen er als Lohnfür ihre- DiensteLand verlieh;siemachtenaus demzum«Lohn verliehe- nen Land erblichen Besitz,das Amt zueinem Attribut dieses Besitzes und usurpirten sodie königlicheGewalt. Dagegen hatdie kapitalistischeWirthsichaftordnung, indem sie die Ver- waltung belehnter Vasallen durch die mit Geld gelohnter, technisch geschulterBeamten -ersetzte,zurabsolutistischen Fürsten- herrschaftgeführt. Jn einem Lande, in dem der Grundbesitz fideikommissarisch gebunden und der ganze Gewerbebetrieb in Kartellen und anderen monopolistischen Organisationen konzen- trirt wäre, würde trotz-der größten formalen Freiheit und rechtlichen Gleichheit die große Masse der Bewohner sichin dergrößtenAbhängigkeitvon einigen wenigen Magnaten be- finden. Und, umgekehrt,würde in einem Staatswesen, indem alle Vroduktionmittelder Gesammtheit gehören,dieganzePro- duktion von einer Centralgewalt geleitetwird und jeder Ein- zelne an dem· Gesamtprodukt den Antheil erhält,den ihm dieseGewalt, jenach seinender Gesammtheit geleistetenDien- sten, zuweist,-jeder Einzelne vielleichtrechtlich frei seinund

(5)

Wahlreform undSozialpolitik 177 von Rechtes»wegenabsoluteGleichheit herrschen, thatsächlichaber wäre Jeder ingrößter Abhängigkeitvon derCentralverwaltung

DiesenZusammenhang von Vertheilung der wirthschaft- lichenGüter und Vertheilung derpolitischen Machthat schon im siebenzehnten Jahrhundert James Harrington in seiner ,,Oceana« ausgesprochen Das Verhältniß des Vermögensbe- sitzeszur Staatsverfassung haterBilanz genannt. Maßgebend fürdie wirkliche Verfassung eines Landes, also fürdie poli- tische Machtvertheilung in ihm, seiin Agrarstaaten die Ver- theilung des Grundbesitzes, in Handelsstaaten, wie Holland und Genua, die Vertheilung des Geldes. Er hatdann diese Erkenntniß aucht aus das Machtverhältniß der verschiedenen Staaten zueinander ausgedehnt und daraus denSchlußgezo- gen, wenn ein Staat eine günstig-e,einanderer eineungünstige Handelsbilanz habe,sei jenemauch-das politische Uebergewicht überdiesensicher. Das war freilicheinJrrthum. Aber indem Maß,indem dieWirthsschaftderStaaten aus einer Aatural- wirthschaftzueiner Geldwirthschaftwurde, habendiepraktischen Staatsmänner diesen Jrrthum sichs angeeignet und nacheiner günstigen Handelsbilanz als der Vorbedingung der politischen Unabhängigkeit,«Freiheitund Macht der Staaten gestrebt.

Ganzanders dieliberale Doktrin, dieimachtzehntenJahr- hundert das politischeDenken zubeherrschen begann. Jhr Jdeal istdieenglisch-e Verfassung gewesen. WährenddieFreiheit fast aller übrigen europäischenVölker der Willkür absoluter Fürsten erlegenwar, hatte sichsdas englischeVolkinzähemKampfmicht nur die Freiheiten erhalten, die es seinen Königen abgerun- gen, sondern auchimmer neue hinzugefügt:und sowar eszu einer thatsächlichenSelbstregirung gelangt, welchedie größt- mögliche Entfaltung aller Anlagen der Einzelnen zuverbürgen schien.Jn«der französischen Charte und der belgischen Konsti- tution hatt-eman diese Verfassung nachgeahmt. Daraus ent- standderGlaube, wenn man eine diesen Versassungen ähnliche Konstitution einführe,werde man auchdie in diesenLändern bestehendeMachtvertheilung zwischen Fürstund Volk und zwi- schendeneinzeln-en Gesellschaftklassenbewirken. Daher dieEin- führungvon Versassungen nach- diesem Muster inden verschie- densten europäischenLändern und nachdem Muster der Ver- fassungderVereinigten Staaten indenRepubliken Mittels und Südamerikas. Da in diesenLändern eine ganz andere Emp- findung- undDenkweiseundvölligandere Wirthschaftverhältnisse als inGroßbritanien und indenVereinigten Staaten herrschte, mußtendieVersucheFiasko machen. Die politische Machtvcrtheis

» s,

(6)

178 DieZukunft.

lunginPortugal oder Griechenland mußteeineandere sein als in England;und die selbe Verfassung, dieinNordamerika zu hoher Blüthetrieb, führteSüdamerika inAnarchie.

Die Erkenntniß der-Unwahrheit des Glaubens an die seligmachendeKraftdes formalen politischen Rechtes hatsich zuerstdem realistischenBlickder Konservativen erschlossen.Sie kannten die »gottgewolltenAbhängigkeiten«,wie siedieererbte Empfindung- und Denkweise, die vorwaltenden religiösen·An- schauungen, die Verwaltungorganisation,die Heeresverfassung und besondersdie Wirthschaftverhältnissemit sich brachten,und

waren deshalbvollVerachtung fürdiegeschriebenen Verfassun-

gen. Herrvon Vismarck handelte in der Zeitdespreußischen Verfassungskonfliktes nach dieserErkenntniß Auf seinerSeite war eine der Zahl der Abgeordneten nach damals kleine, aber vermöge jener Abhängigkeitverhåltnissemächtige Partei der Großgrundbesitzer,Militårs und Beamten. Jhnen gegen- über standdie weit überwiegendeMehrheitder Abgeordneten.

Das waren die Doktrinåre,die an die Allgewalt desformalen

.Verfassungrech«tesglaubten. Als sichVismarck über die Vor- schriftender geschriebenenVerfassung hinwegsetzte, erhoben sie den Ruf: Rettet die Verfassung!

Das hat 1862, aufdem HöhepunktedesKonfliktes, Lassalle den Anlaßgegeben, in seinem Vortrag ,,Ueber Verfassung- wesen« darzulegen, daß,wo immer ein solcher Angstruf er-

schallt,er ein sicheresund untrüglichesZeichen ist, daßdie geschriebene Verfassung eines Land-es seinerwirklichen Ver- fassung Uichitentspricht. Denn, sagteer,was istdieVerfassung?

-Ein Gesetz,aber nichtnur ein Gesetzwie ein anderes auch-, sondern das Grundgesetzeines Landes, das in anderen ge- wöhnlichen Gesetzen fortwirkt, die thätige Kraft, welchealle anderen Gesetzeund rechtlichen Einrichtungen, die in einem Lande erlassen werden, mit Avthwendigkeit zu Dem Macht- was sie sind,so daßin diesemLande gar keine anderen Ge- setzeals eben dieseerlassen werden können. Diese thätigs Kraft sind die thatsåchilichenMa-chtverhältnisse.Sie sindes, welchealle Gesetzeund rechtlichen Einrichtungen einer Gesell- schaft so bestimmen, daß sieimWesentlichengar nichtanders seinkönnen,als sieeben sind. Ein solches Mach-tVekhåItMß schafftdem König die Armee,die seinemWillen unbeschränkt zu gehorchen hat,fernerder Großgrundbesitz,der Einflußbei Hofund folglich auf-den Willen desKönigs giebt,derBesitz von Fabriken, durchderen Schließenman Tausende von Arbei-

(7)

Wahilreform und Sozialpolitik. 179

tern brotlos machenunddamit Einfluß aufdieEntschlüsseder Regirenden gewinnen kann,die Verfügung über Kapital, das die Banken den anleihebedürftigen Regirungen vorenthalten können, das allgemeine Bewußtsein, das die Alenscheneher zum Widerstand treibt, als sich Widerstrebendes gefallen zu cafer, die Macht der Arbeiter, die organisirt auftreten. Eine wirkliche Verfassung, fährt Lassalle fort, hat jedes Land zu jeder Zeit gehabt. Der modernen Zeit eigenthümlich istnur die geschriebene Verfassung. Die verlangt man, wenn in den wirklichenMachtverhåltnissender Länder eineBlenderungeinge- treten ist;gut aber ist sienur, wenn siemitder wirklichen,den realen im Lande bestehenden Machtverhältnissenin Einklang steht.Wo diegesichriebene Verfassung der wirklichen nichtent- spricht,kommt es-zuKonflikt,in demdie geschriebene auf die Dauernothwendig erliegenmuß.

Damit war die Bedeutung des formalen politischen Rech- tes nichtuntersch-ätzt,sondern nur in das rechte Licht gesetzt.

Die Meinung, als obes eine-Verfassung geben könne,diefür alle Völker gleichmäßigdie beste sei,war damit allerdings ab- gethan;aber, was wichtiger ist,es istdamit auchdieUnhalt- barkeit von Verfassungen erwiesen, dieden Kreisen,in denen jeweils der Schwerpunkt des Lebens eines Volkes liegt,nicht auchden maßgebenden Politischen Einfluß zuweisen. Solche Verfassungen führen, sobald Diejenigen, welche nachdem for- malen RechtdieMacht in Händen haben,den Klassen,welche die thatsächlichiwichtigsten sind, Gewalt anthun, zu inneren Erschütterungen,diemanchmalalles Bestehende umstürzen.Das Beispiel-das Jedermann kennt, istdas der FranzösischenNe- volution. Als essich1788 darum handelte, den verschiedenen Ständen die jedemgebührende Zahl von Vertretern zuzuwei- sen,schriebder Abbe GrafSieyes seineberühmte Brochure:

»Wasistderdritte Stand?« ThatsächlichisterAlles, rechtlich ister nichts,war die Antwort. Aber das Parlament wollte nicht hören,bis die Revolution mitelementarer Wucht seinen Widerstand und nochvieles Andere über den Haufenwarf.

Die selbeErfahrung hatsich seitdeminallen Ländern wieder- holt, so oftden Klassen, welche vermögeder gesammten Emp- pfindung- und Dsenkweiseund der bestehendenWirthschaftords nung über eine ausschlaggebendeMacht verfügten,der ihnen zukommende Einfluß durchdas geltendeWahlrecht vorenthalten wurde. Dagegen hatderKriegvon heutedieglänzendste Recht- fertigung des Neichcstagswahlrechtes gebracht. Wo wären wir

(8)

180 DieZukunft

geblieben, hätte nichtdas allgemeine gleiche Wahlrecht den Klassen,welchedie Hauptlast der Steuern tragen und unseren Heereskörper bilden,die Gelegenheitgegeben, am vierten Au- gust1914 dieKriegskredite zubewilligen, und damit denKrieg zum Kriege desgesammten deutschenVolkes gemacht!Hättedie organisirte Arbeiterschaft sich nichtin ernster Pflichterfüllung am Kriegbetheiligt, so hättebei Ausbruch des Krieges,ohne Einspruchder Gewserkschaften,die Mehrzahl der Nüstungarbei- ter die Arbeit versagt und wir wären sogleich besiegtworden.

So aber ist,im Sieg-enan der Front wieimDurchhalten und Entbehren daheim,dieser Kriegein Kriegder breiten Massen desdeutschenVolkes geworden; und schondeuten ernstzuneh- mende Zeichen darauf hin, daßwir nachdem Scheitern der Friedensversuche unserer amtlich-en Organe ihren Führernauch die Vermittelung des von der Menschheitheiß ersehnten Frie- dens verdanken sollen. Statt der Diplomaten sehe-nwir jetzt sozialdemokratische Vertrauensleute hinund herreisen,um unter hoher obrigkeitlicher Genehmigung Friedensgespräche einzusä- deln· Es wäre eine der Jronien der Weltges-chiichte,wenn es noch hieße: »Der Stein, den die Vauleute (lies: diezünftigen Staatsmänner) verworfen haben, deristzum Eckstein geworden.«

Damit sindaber auchAlle widerlegt, diederEinführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechitesin Preußen bisher widerstrebt, ja, sogar gelegentlich fürdieWahlenzum Reichstag ungleiche Rechte empfohlen haben. Wsas sind ihre Argumente?

Natürlichwerde ich michnur mit denen der hervorragendsten Gegner des allgemeinen Wahlrechckes befassen.

Da finden wir beiVielen diein einer großen Zahl poli- tischerLehrbücherherrschendeTheorie, die den Staat als ein Ganzes betrachtet,das aus ungleichenTheilenbesteht,die,wie die Gliedes-' des menschlichenOrganismus, einander ergänzen Und,indem sie harmonisch zusammenwirken, eine höhere Einheit bilden,inderauchdieuntersten Theilezuhöherer Entwickelung wiebei völliger Gleichheit gelangen. Das imStaat organisirte .Volkerscheint hierals eine selbständige Persönlichkeit, verschie- den von der Summe aller Einzelnen, die ihm«angehören,und feineVertreter haben als Vertreter der Gesammtheit desVol- kesin seiner Mannichfaltigkeit szuhandeln. SolcheVertreter, sagtmanz werden beiallgemeinem und gleichemWahlrechtabek nicht gewählt.Bei ihm liegederSchwerpunktinderMasseIdek Dummen und Ungebildeten. Sie habenfürdas Interesseder Gesammtheit,als Einheit betrachtet, kein Verständniß,viel-

(9)

Mhlreform und Sozialpolitik 181

mehr immer nur ihrnachstliegendes Sonderinteresse im Auge und würden durchi Abhängigkeit und Leidenschaft bald dahin, bald dorthin getrieben. Iebreiter dieWählermasse,um sotmehr ein launenhaftes Schwanken von einer Richtung zur anderen.

Dabei ließenweder das Interesse desStaates alsselbständige Person, noch- auchOrdnung, noch auchFreiheit sich- wahren.

Die Ideeist also, daßderAbgeordnete einMann sei,deriweder das Interesse eines Landesthseilsnochauch-einer Klasse,weder das eines Verufes nochgar ein persönliches Interesse, sondern nur die Interessen der Gesammtheit zuvertreten habe. Daher esauch nicht angehe, ihn durch Instruktionen seiner Wählerzu binden. Das entspricht ganz dem Gedankenkreise der deutschen Philosophen, die den Staat als die Wirklichkeit der sittlichen Idee bezeichnethaben und denen der Staat nichtda istlzur Glückseligkeitder Einzelnen, sondern denen die Einzelnen da sindzum geistigen, sittlich-enund wirthschaftlichen Wohlbefins den des Staates.

Wie aber stehtsin der Wirklichkeit? Da findenwir, daß sichdieEinzelnen immer des Staates als der Hauptmaschsine bedient haben, um ihre Sonderinteressen zu fördern. Ins- besonderetritt uns überall entgegen, daßdieverschiedenen Per- sönlichkeitenund Klasse-n,die jenachdem konkreten Wahlrecht den vorherrschenden Einflußim Staatsleben üben, diesenEin- flußauch;aufdas Wirthschaftleben erstrecken.

Nehmen wir einmal England. Es war seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts zum überwiegenden Theil Indu- strie-sund Handelsstaat; aber vor 1832 waren im«Parlament fastausschließlichdie Grundbesitzer vertreten. Was war die Folge? Die Kriegegegen dieFranzösische RepublikundNapos leon hatten den englischenLandwirthenaußerordentlich hohe Getreidepreisegebracht. Da sankenschonvor Ende des Krie- gesinFolgeeiner überreichenErnte diePreise; dazukam dann nochderSturz Aapoleons und damit dasEnde derKontinen- talsperre. Die Getreideeinfuhr drohte, freiund damit das Ge- treide noch billigerzuwerden. Wie aber LordByron spottend sang: »Patriotismus, zartgesinnter, reiner, wird, wenn die Preisesinken,immer kleiner.« Nicht umsonst hattendie Grund- besitzerdieKlinke zur GesetzgebunginderHand. 1815 machten siezum Gesetz, daßkeinKörnchenGetreide nach Großbritanien eingeführtwerden dürfe, so langeder Getreidepreis unter 36 Mark fürden Doppelzentner stehe. Die ganze Welthandelss stellungEnglands wurde durch-die Bestimmung bedroht;denn

(10)

18 2 DieZukunft.

wenn dieEnglander denübrigenVölkern nicht abkauften, konn- ten auchs diese nichtvon ihnenkaufen. DerAbsatzall-erIndu- strieprodukte geriethins;Stocken, riesige Waarenvorråthe häuften unverkåuflichisichan und namenloses Elenddes Volkes war die Folge. Aber erst mußtedie Wahlreformvon 1832 demBürger- thumdieMehrheit geben, bevor an dieAbschaffungderKorn- gesetzezu denken war. Seitdem erzeugen Großbritanien und Jrland allerdings nicht mehrgenug Getreide für ihren Be- darf; aber erstdurch-.die Zollfreiheit istder wirthschaftliche Aufstieg möglich geworden, derheute45Millionen aufdenJn- -selnzuleben erlaubt, wsovorher nur 25Millionen leben konn- ten; und außerdemwurden Millionen und Millionen zur Be- setzungderfernstenWelttheile hinausgeschickt (wodurch England unser gefährlich-ster Gegner im,heutigen Kriege geworden ist).

Seit 1867 haben dann auchdie englischenArbeiter das- Wahlrechterlangt. Eine Arbeiterschsutzgesetzgebunghatesschon früher gegeben;aber bisdahinwar sie wesentlich durchdieAb- neigung der Agrarier gegen die Industriellen getragen; von daab beruht sie aufdemWerben von Konservativen und Libe- ralen um die Gunstdes Arbeiters ;und ohnedieweitere :Aus- dehnung des Wahlrechtes im Jahr 1884 wäre das Gesetzüber Arbeitstreitfragen von 1906 niemals erlassen worden-

Oder sehenwir nach Vselgien. Seit es als selbständiger Staat besteht, habendort Liberale und Katholiken inderBe- herrschungdesStaates gewechselt;aber solangedas Wahlrecht durcheinen hohenCensus bestimmt war, gabes indiesemin- dustriellsten Lande des Kontinentes keine Arbeiterschutzgesetze- DerGrund: so schroff sichLiberale und Katholiken auch aufan- deren Gebieten gegenüberstanden,Beide waren Vourgeois Erst seitdiebelgischenArbeiter das Wahlrechthaben, sehenwirauch Belgien aufdem Wege der sozialen Reform.

So istsin allen Ländern. Ueberall istes inerster Linie diewsirthsichaftlicheund soziale Gesetzgebung,diedurchdieJn- teressendermåchitigstenWählerklasse bedingt wird. So beson- dersauchinDeutschl-and. Welcher Gegensatz zwischenfdemsozialen Geistzderden Deutschen Reichstag,und dem,der den Preußi- schen Landtag beherrschttDas hat auch deutlichdas Verhalten des Reich-stages zur Arbeiterschutzgesetzgebungund des Land- tages- zur Reform des Vergrechtes gezeigt;« jenes ist reform- freundlich, dieses reaktionår gewesen. Daher denn auch-die heiße Sehnsuchtder rechts sitzenden Parteien nachBeseitigung des allgemeinen gleichen Wahlrechtes fürden Reichstagund

(11)

Wahlreform und Sozialpolitik 183

Aufrechterhaltung desDreiklassenwahlsystems in Preußen;und daherihr heißes Bemühen,nochraschvor Thorschlußdas Fi- deikommißgesetzunter Dach und Fachzu bringen. Glaubten sieehrlich, was sieuns über die Landwirthschaft als den Jungbrunnen der Gesellschaft erzählen, so müßtengerade sie das Fideikommißgesetzmit größtem Eifer bekämpfen; denn dann müßten gerade sie darauf aus sein,daßeine möglichst großeund stets wachsende Zahlam landwirthschaftlichnutzbaren Boden Antheil erlange, während durch FideikommissedasLand inwenigen Händen sich anhäuft. Aber eskommt ihneneben nicht darauf an, daßeine möglichst große Zahlim Jungbruns nen der LandwirthschaftihreKraftern-euere, sondern darauf, den politischen Einfluß,den der Großgrundbesitz giebt,in der Handweniger aristokratischen Familien zuerhalten.

Da man nun nicht offen sagen kann,man verabscheuedas allgemeine gleiche Wahlrecht, weilman sich,wo es gilt, nicht des Staates zur Wahrung derSonderinteressen einer Minder- heitbedienen könne, holtman sich Argumente von den sonst so verachtetenJdeologen. Nachdem das Klassenwahlsystem un- heilbarem Mißkredit verfallen ist,hofftman, Ersatzdafürim Pluralwahlrecht zu finden. Man sprichtvon der Dummheit und Unbildung dergroßen Masseund von ihrerAbhängigkeit und Launenhaftigkeit; daßes ungerecht sei,solchenMinder- werthigen den gleichen Einflußaufdas Staatsleben wie den geistigHöchststehendeneinzuräumen;wo immer Interessen«des« Staats als eines Ganzen in Frage kämen, seien siebeiallge- meinem gleichem Wahlrecht gefährdet. Daher-bedürfeeseines Korrektivs; jenachdem Maß der Schulbildung, das Einer aufweisen könne,oder jenach seinemAlter,jenachdem,ober verheirathet istoderim Heere gedient hat, je nach seinemBer- mögenoderBerufsolldemEinzelnen das Recht,einegrößere oder geringere Stimmenzahl abzugeben, verliehenwerden. Als ob Dummheit, Unbildung, Abhängigkeit, wankelmüthiges Schwanken von einer Politikzur entgegengesetztendas Privi- legeinerKlasseodereines Alters,eines Familien-sodersBerufss standeswären oder durch Erfüllung oder Nichterfüllungder Wehrpflicht bedingtwerde!

Da hat schonvor vielen Jahren der Franzose Gustave Le Von eine »PsychiologiederMassen« geschrieben,ein Buch,das in fastalle modernen Sprachen übersetztworden ist. Le Von istsehrantidemokratisch, trotzdemaber keinGegner desallge- meinen gleichen Wahlrechtes. Er ist nämlichder Meinung,

Cytaty

Powiązane dokumenty

allen seiner Gesinnung Verwandten, das einzige demokratische Organ angreift, dem wir Achtung schulden und das die Agrars frage so beantwortet hat, wie gerade von der

Der Geist, in welchem die tressliche Schauspielerin Madame Un- zelmann die einzelnen Rollen bearbeitet und sich für eine jede umzuschassen weiß, die Besonnenheit ihres Spieles,

Und ahntnicht, sdaßein verlorener Mann ist, wer sichvertheidigen muß,nicht, auf die Länge, durch seine Lebensleistung selbst schweigend für sich

Eine Kon- junktur schafft man durch allerlei schlaue Manipulationen, für die ein besonderes Haus, die Börse, erbaut worden ist, oder auch durch Riesenjahrmärkte, die sie

Das Brjtish Empire könnte weiterkämpfen, auch wenn die Aussen oder wenn die lateinischenWestmächte sich in Sonderfrieden ent- schlössen. Ohne Englands See-, Finanz- und

Amerikas Eintritt in den Kampf ist das seit dem viertenAugust1914 verhängnißvollsteEreigniß ; für den Krieg und dieFriedensgestaltung viclwichtiger noch als die- Nussenrevolutiom

Der von einer erstaunlich kindlichenPsychologie zeugende Gedanke, das gegnerische Ausland werde vor Deutschland zu Kreuze kriechen, wenn es sehe, daß die Deutschen einmüthig hinter

war es immer urdemokratisch, urchristlich kommuniftisch.Nur für den rusflschenBauer konnte das Wortgebild ,, revolutionärer Kon- servatisrnus« ersonnen werden.Nur dort