xv. Jahrg. xrrlw,»den-11.Mai1907. . Alt-.32.
Herausgehen
Maximilian Isardem
Inhalt:
. Seite
Dichte-TA.....·...........................193 KHQ Vmisarqumptecht ........ ............... U7 derStahljverkverband. Mark-Laden ............-......220
Uachdruck verboten.
v
Erscheijttjeden Sonnabend-.- Preisvierteljährlich5Mark, die einzeln-Nuymicr50Pf.
H
Berlin.
Ver-lag der Zukunft.
Wilhelmstraße3 a.
1907,
ist«-«
sten-
Pesszay
Flei-
znlcimft Bei-Fin,
Woclcecmsnsasso
Bei
sowie
ezm
clc
stcspssiekzcolve
Anna-wen-Ewøseslstmuen
»Ja
leih-»Es- Ist-ernten- Jmmleme
Eis
»
Zözkivfmåzaun
«
Tennis, schwimmbad sk
—Bürgerliohe Preise «-s-
Kommanclitgesellsohaft
max a cos- zquktig-1»
Bankgeschäft,Beklin'sW.11, Königgrätzerstr.45.
Fett-sprechenAmt Vl- Plagt-stumm litt-Leus-
No. 675Direktion.
» 7913Kasse a.Effektenshtellaus- Kelchsbank-Olko-l(onto.
Ausführung aller lasBankkach elns schlageaden Geschäfte.
spezla1-Ahtcllaak filt-lcuxeundannotierte Werte.
0—1and8—5Uhr.
kvKuxeanbtellanD
Des-exFässka
f"««
Grobstädtisohek Komkokt igss Js-sk-
Weissets lslisssoli
F N
BERLIN DER KAlSElIlslcF
DAsGRössTEUNDsclslödlsTELUXUs-HOTEI.DER WELT GRAND REsTAURANT kAlsERlslllF Smthoom kAIsEnHoF FIEsTsÄLEKAssERIsloF
W -
enossE HAI.I.EkAtsEnIsIor Mann-H s
—-—J
»Herz«-schuhe
Berlin W»Friedricbstralse 70
E.
Neuheit 1907
»Aristoltkat« J
Berlin W» schillstkalse lla
Emil Jacoby NachdrueJt
verboten-
f
isikiisislls«I:7-Iiisssiisåäs"ssi"
»in-si;stiegst-sti-..·«·mk,»lllz»..sstil-lAtust-Yseh-«·«-».ls ssl
»Ist-Ett-its-Isi-«';k«Iltiiijsiiis«;1isiis5"!««"..
skzgzzzs...Eis--!sssss;;;:stkkss-«·
.«!l,
Jlsmtstsgxslsxsssti
.
»Isthu
llIlj El
W-
-7·(
:
-I-:--i---«--i-
I
»Hul-« ,,
Hut .l.
lit«llss(- .-tllll«l, I
«·s-ls«X ·.-·ts·l--I.
sIstlsIHssql -..-ls«
i Illsl
. l SIEIII
tl —s-s. -- ,.
IFHllsiZU g «·lsl ,- » I
k.i..tiiss-!iiists-!-.·ilIltsxs--«..s!sFIII---..Pr.-,
,- ,- ---·!..·ilsIslsslikssssssiisxxxitsssssss,
Berlin, den 11.Mai 1907.
f
DULXC f
Dubiosa.
Puttkamer.
BTsideuzmJanuardesGouverneurssvon Kamerun, nach1906wurdeHerr JeskovonPuttkamerBerlin-gerufenausBuea,BereitetderRe- oder nicht,zugehen:ermußtevorseinemRichter stehen.Vordemzuständigen HiichteyderpotsdamerDisziplinarkammerfürZReichsbeamtesZNoch nicht.
ZunächstvordemThingdervomVolkAbgeordneten.DieseWürdigenhatten denAnklägergehört(einenNegerlümmel,dersichdenPrinzentitel verliehen hat, sichden»BevollmächtigtenvonBonambela-Duala-Kamerun« nennt undvondemimLokalanzeigergesagtward,ersei,,ganz modernerzogenund führeeineanregendeKonversation«)undbrauchtennun,umdasUrtheil-zusin- dlen,denAngeklagtennicht erstzuhören.DersolltedieAmtsgewaltgröblich mißbraucht,durchunzüchtigenWandeldasSchamgefühlweißerundschwar- zerMenschenbrüderverletzt,nachwüsterTyrannenwillkürimDualalandeges haust,einenPaßgefälschtund,gegenEntgelt,einePlantagengesellschaftwider PflichtundRechtbegünstigthaben.VergehenundVerbrechenimAmt,die nachdemReichsstrafgesetzimZuchthauszusühnenwären.Tagelangwurde imParlament,alsgebeesimarmen ReichgarnichtsWichtigereszuthun, der Quarkgepeitscht.Die VertreterdeutscherNationfanden namentlichdie SexualkapiteldesAnklageromansungemeinanregend;und dasM.d.R.Julius Kopsch,derRektor einerberlinerGemeindeschule,wecktemitseinenJnvektiven mehrals einmal,,stürmische.Heiterkeit«.Der Gouverneur standamPranger;
schutzlos,wehrlos.Nureinunbeliebter,ungeschickterHerr,dessenvomHirn 16
194 DieZukunft-
schlechtbedienterEifer nochjedemKlienten geschadethat,tratfürihnein.
ErbprinzAkwavonBonambela-Bonaku hatte ihnangeklagt.ErbprinzErni zuHohenlohe-Langenburgvertheidigteihnnicht. DieserdemenglischenKö- nigshaus verschwägertePrinz,dernachheröffentlicherklärthat,erkönnenicht ohneVorschuß,wollenichtohnedenTitelund dasGehalteinesStaatssekretärs dieKolonialgeschäftedesReichesführen,meinte,derSchein sprechegegen den Gouverneur.DaßnichtderBeschuldigteseineUnschuld,sondernderAnkläger dieSchulddesAngeklagtenzubeweisenhat,muß jeder Referendar wissen;
wußtedieserStellvertretendeKolonialdirektor nicht(derseitdemalsKolonial- sachverständigerindenReichstaggewähltworden,zu derAbstimmungüber dasReichskolonialamtaber,amdrittenMai1907,nichtin dasHohe Haus gekommenist).Damals schriebich:,,DerunverheiratheteHerrvonPuttkamer hateineLiebstegehabt,dieihm nachKamerunnachgereistund drei Monate beiihm gebliebenist.Erwußte,daßsie ihm nichtverwandt ist,gabsieaber, um lautesAergernißzumeiden,für seineEousineaus. Erglaubte, siesei eineFreiinvonEckhardtstein,undhattewederdiePflichtnochauchnur die Möglichkeit,festzustellen,obsiewirklichdieser(nichtgeradeuraltadeligen)Fa- milieentstamme.Als dasGetuschelhörbarwurde, schickteersieweg. Meldet sichKeiner zu demBeweis, daßderPaßinrechtswidrigerAbsichtausgestellt ward, so istdieBeschuldigungniederträchtigundfrivol.DasHistörchenhat sichvorzehnJahren abgespieltundistdamalsbisandenThron getragen worden. Jeder,dershörte,hatdarübergelachtunddenpommerschenDon JuanumseineUnverwüstlichkeitbeneidet.DeristnuneinGraukopf;undtrotz allerAnfeindung(diemeistausderHeimath,dochauchausderMissionkam) haben,nochalservorsGerichtgerufenwar,dieKolonistenunddiehamburger Großhändlervonihmgesagt:DerbesteMann,denwirdraußenhatten.Er mußwiedernachBuea· EineNiggerintriguedarfdenRepräsentantendes Reichesnichtstürzen.SonstkannsamKamerunflußkommen wie imHerero- land.Sonst machtliebergleichdenBevollmächtigtenvonBonambe la-Duala zumStaatssekretärdesneuenKolonialamtesReden kann er, kleidetsichelegant und einErbprinzisterschließlichja auch.«Manchemklangsdamalsparadox.
NachfünfzehnmonatigerVoruntersuchunghatdieDisziplinarkammer
nunihr Urtheilgefällt.DasbestätigtdenimMärz1890hier veröffentlich- tenThatbestand.Erklärtaber, HerrvonPuttkamersei verpflichtetgewesen,
«
vorderAusfertigungdesPassesfestzustellen,ob die inseinHausaufgenom-
meneDamewirklichFreifrauvonEckhardtsteinsei.AnseinemgutenGlauben seinichtzuzweifeln;strafbarnurdieFahrlässigkeit.(NachzehnJahren noch?
Dubiosa. 195
Schwerer Diebstahl,Meineidsogarwäre indieserZeit verjährt.)Strafbar fernereinallzu burschikoserBrief,denderGehetzteinBerlin andiegegenihn aufgebrachteDamegeschriebenhat.Und zurügenendlichdieFormeiner Akten- notiz,die(nachgerichtlicherFeststellungoptimaHdeundimInteressederKos lonie)einen derLandessitteunkundigenRichtervorMißgriffenwarnenfollte.
Verweis undtausendMarkGeldstrafe.FürsdiebehaupteteUrkundenfälschung ist nichtderwinzigsteBeweiserbrachtworden;underwiesenist«daßderGou- verneur wedereinePlantagengefellschaftwiderPflichtundRechtbegünstigt nochgarvoneinermaterielleVortheilegehabthat.»DerGerichtshofhatbeider ErwägungdesStrafmaßesdenGedanken,denAngeschuldigtenmitderEnt- lassungausdemReichsdienstzubestrafen,weitvonsichgewiesen.»DerAnge- schuldigtehateinundzwanzigJahrelangunterschwierigenVerhältnissensein ganzesWissenundseineganzeKraftin denDienstdes Vaterlandes gestellt.Er istwederkriminellnochdisziplinarischvorbestrastundseineArbeitistvonden verschiedenstenSeitenmitZustimmungund Vertrauenbegleitetworden. «Wo istnundasScheusal,das,imMärz 1906,die VertreterdeutscherNationin die Wolfsschluchtwerfenwollten?Jch seheeinen ganzenKerl,derauchnachden Jugendeseleien nochoftunvorsichtigundmanchmalrechtinkorrekt war, in ein- undzwanzigjährigerTropenarbeitsichaberfürsReichgeschundenunddemReich genützthat; mehrgenütztals dieihmvorgesetztenHerren Stuebel,Richthofen, Bülowund andereeiusdem t«arinae.ErhatdieKolonie vorwärtsgebracht, Kapitalins Land desKrebsflussesgezogenundist,miteinerSchutztruppe vonsechzehnhundertMann(vondenenkaumje mehralshöchstensdreihundert GewehrezurascherVerfügungwaren), aufeinemGebietvomUmfangdes DeutschenReichesalsHaupteinesHäufleinswehrhafterWeißenmit vier Millionen schwarzerGentlemenohne Orlogausgekommen. Dasdünktmich wichtigerals dieFragenach den(inzwischenwohlbescheidenergewordenen)Be- dürfnissenseinervitasexualis.»Der öffentlichkontrolirbareEhrbegrifsreicht nur bisandenNabel;wasweiter untengeschieht,gehtrechtsundlinks keinen Fremdenan. DieSucht, jedenillegitimenGefchlechtsverkehrwie eineTod- sündezuahnden,kanninunsererKulturzonenur wiePharisäerheucheleiwir- ken. Wer kennt dennauchnur einDutzendMenschen,ausderenmonogamis schenWandelerschwörenmöchte?UnsereAfrikanerabersollenstetswie dem AsketeneidgehorsameMöncheleben;inFieberlöchern,unterheißererSonne, täglichdenTodnahvorm Auge.Keinschwarzes,keinweißesLiebchen.Laßt, JhrOtterngezücht,dochJedenseinesWegesgehen;kümmertEuch nichtum dieSpermatozoologiedesSchwarzenErdtheilesundseidzufrieden,daßJhr
1.6-!«
196 DieZukunft-
MetropolundApollo,dieFriedrichstraßeunddieFleischlieferantinnenin der NähehathdergebtdieKolonienauf,indenenKastratenundOnansenkel nichts Nützlicheszeugen werden.«VonZeitzuZeitmußmans wiederholen..UndPutt- kamersLohn?Den Kronenorden ZweiterKlasseträgt auch MonsieurRaoul Gunsbourg,derTingeltangelsängerundManager,aufderHeldenbrustFiinF zehnMonate lang istderGouverneur mitKothkliimpchenbeworsenworden.
»DermitderEousine!DerdenPaßgefälschtundvoneinerPlantagengesellschast Geldgenommenhat.«Woersichsehenließ,wardsgezischelt.FünszehnMonate langstanderamSchandpfahlzuntereinemHagelvonSchimpfartikelnund Schmähliedern.DieihmvorgesetzteBehörderührtesichnicht.That,alsseiin Buea derhöchsteSitzleer,das Amt des Gouverneurs zuvergeben.Ehe nochdie Voruntersuchunggeschlossen,dieAnklageerhobenwar. Und nun?Seitdem fünfundzwanzigstenAprilistdasUrtheilgefällt.Jch habegewartet.Jrgendwo, dachteich,wirdnun dochzu lesensein:»WirhabendemMannUnrechtgethan.
AufseinerEhre istkeinFleck.Wirbedauern, daßwir unsdurchfalscheAngaben täuschenließen.« Jchwartenochimmer. DieDame,die inpartibusjnti- deliumFreisrauhießund diein derpotsdamerHauptverhandlungdurchun- noble undunklugeJnjurienzumAeußerstengereiztwordenist, hateinenBrief veröffentlicht,in demsiedie altenAnschuldigungenerneutundverstärktund dessenInhaltnurerweislichwahrseinkönnte,wennzweiKammergerichtsräthe demklarstenPflichtgebotnichtgehorchthätten.EinenBrief,dernur erkennen lehrt, daßdergehetzteMann denKopfverloren,seinehübscheMaryabernoch dans le sanghatte.Dertrotzdem,wie ein alsBeweismittel brauchbaresDoku- ment-,abgedrucktwird.KeinarmesWort desBedauerns.JmReichstaghatHerr Bebelgesagt,imDisziplinarverfahrenseiderAnklägerzumVertheidigerdes Angeklagtengeworden;derAnkläger,der demGerichtshofempfohlenhatte, aufEntlassungausdemReichsdienstzuerkennenDieTerritionbeginntwieder.
Und dieSittenschniiffler,dieauf dieFolter wohlnurungernverzichten,fordern, daderSchuldbeweisnicht gelungenist, mindestensdieVerdachtstrase.
HerrvonPuttkamer (den ichnie als denFibelritterinblitzblankerRü- stungunterschneeweißemHelmbuschsah,dochals EinenvonderSorte,die in die weiteWeltpaßtunddie wirdraußenbrauchen)wirdaufdem vonschwarzen undunsauberenHändenangezündetenFeuersachtverbrannt.Cui bono?Nicht demReich.Demhättedie lauteAnerkennunggenützt,daß inKamerun nicht tyrannischeNiedertracht regirt hat.Dasnur war dieFrage.Nicht,ob eine elendePaßgeschichtenachderSchnuroderinkorrektbehandelt wordenist. Jn Englandwürde esjeder Straßenbummlerverstehen.Wo abersindbei uns
Dubiosa. 197
diePolitiker, die,ohnesichvonderaura populnristreibenzulassen,nurden VortheildesReichesbedenken?Dieendlicheinsehen,daßOefsentlicheMein- ungennichtalsUrtheileletzterInstanzzuachtensind? StaatssekretärDem- burgwirddieVerleumdungwehrloserReichsbeamtennichtdulden.DerKanz- ler desReiches hat sie geduldet. Fand sievielleichtebenso opportunwie die Hetzengegen dieExcellenzenMiquel,Holstein, Podbielski,Lucanus, Posa- dowsky,Stadt, Rheinbabenund andere,,verehrteFreunde-C BegreiflichBü- lowAfricanuskonntenichtandershandeln.ErhatalleBeschwerden,obsie ausTogooder ausSamoakamen, unbeachtetgelassen.Warschuld daßdersüd- westafrikanischeBahnbau verzögertwurde,dersüdwestasrikanischeKriegin derHeimathund inderKolonie so schlechtverbreitetwar. HatdemGeneral- lieutenantvonTrothadie Arbeiterschwertundverbittert undihn während desKampfeszumWiderrufeinesErlassesgenöthigt.Jst nichtnur formell, sondernauch durch sein UnterlassenundThun verantwortlich dafür,daßdie Kolonialabtheilung völligversagte,dasOberkommando derSchutztruppen dieorganisatorischeAufgabeernsterStundennichtbewältigenkonnte,Dutzende deutscherMillionen fremdenSandbaden düngtenundDeutschlandfasteine halbeMilliarde opfern mußte,um mitHottentotenundBantunegernfertig zu werden.Als dieFrage derVerantwortlichkeitgestreiftwurde,kam dieAnt- wort: »Wermit Arbeitso überlastetistwieich, kann sichdochwirklichnicht auchnochumdieStiefelderSoldaten kümmern.«DasgenügtedemReichstag.
DerunbequemeSohnRoberts vonPuttkamer muß,mitzernarbtemFell,mit denWundmalen oftimDickichtverirrter Menschlichkeit,aufdenScheiter- haufen.Aus Kamerun bringtdiegouverneurloseZeitlängstwiederHiobs- posten. Thut nichts.DerRuhmdesReichskanzlerserlebt einenneuen Lenz.
Zwischenspiel
JmfünftenBand vonTreitschkespädagogischemLebenswerkstehendie Sätze: ,,FriedrichWilhelmderVieitebliebachtJahre hindurchderManndes SchicksalsfürDeutschland;dieKräfte,dieerweckte,undweitmehr nochdie Gegenkräfte,dieerwidersichausrief,triebenunserVolkderRevolution ent- gegen.FrjedrichWilhelmglaubteaneinegeheimnißvolleErleuchtung,dieden KönigenvorallenanderenSterblichen durchGottesGnade beschiedensei.
EineWeltherrticher PlänehatteersichmitkünstlerischerPhantasieschonaus- gesonnen; und nun, daerderHerrwar,drängteihn seinliebevollesGemüth, dasüberallaugenblicklichFreude bereiten,iiberallglücklicheGesichterum sich sehenwollte,sie aller verwirklichenDer veränderteCharakterdesneuenRe-
158 DieZukunft.
gimentesoffenbartesichauchinderunruhigenReiselustdesneuen Herrschers, der gernunterwegswar,soweit es diemangelhaftenVerkehrsmittelirgend erlaubten.Den breslauerStadtbehördenließersagen,daßervonihnenweder einFest nocheinenfeierlichenEmpfangannehmenwolle,weilsiebeimschle- fischenLandtagdieBerufungderReichsständebefürwortet,also,offeneOppo- sition«getriebenhätten.Die Breslauer antworteten ehrfurchtvoll,Dasseiihr gutesRechtgewesen;undalssiedannnochmals durchAbgesandteeinluden,ließ derZärnende sichbesänftigen.Erwurdeglänzendempfangen,freutesichtief- bewegtdespatriotischenJubelsseinertreuenSchlesier,diezugleichdenhundert- stenJahrestagihrerVereinigungmitPreußenfeierten,undbezaubertewie- deralleHerzen,alserzumAbschiedinbegeisterterRededer altenStadt,noch tausendJahrewiediesehundertc wünschteDenStadträthenabersagteer in einerAudienz:wasihmeinefünfundzwanzigjährigeErfahrungalsun- zweckmäßiggezeigt,Daslasseersichdurch keineMachtderErde abzwingen;
siesolltensichhüten,derZeitvorzugreifen;waskommensolle,kommedoch.
SoverlangteerunbedingtesVertrauenaufPläne,deren Sinn Niemandent- räthselnkonnte...DieneueZeit,dieso oft verkündete,zeigtesicheinemJeden handgreiflichin dergeschmackoollenPrachtdesneuen Hofes.DerKönig liebte,inreichen,vier- odersechsspännigenWagen daherzufahren;ergabder Hofdienerschaftschönesilberne,mitschwarzenAdlerngestickteKragenan ihre Uniformen,denPagenwieder diemalerischerotheTrachtausdenZeiten FriedrichsdesErsten,denMarschällenderLandständeMarschallsstäbe,den ProfessorenderUniversitåtenwürdigeTalarezdieRittervomSchwarzenAdler ließerimKapitelwieder dierothenOrdensmåntelanlegenund dieRichter desRheinlandeswollteernichtandersalsinderfeierlichenRobe derfranzösi- schenMagistraturvorsichsehen.DasAlleswarihm mehrals Form;er hieltsich verpflichtet,dasKönigthumv onGottesGnadensowiealleseineDiener wieder instandesmäßigemGlanzaustretenzulassen.DaßindiesenachtJahrenvon bleibendenKunstwerkenwenigerzuStandekam als weiland unter demnüchter- nenaltenHerrn,ließsichnichtverkennen.DiekrankhastaufgeregteTadelsucht spottete,dieseRegirungseiauchdarumechtmodern,weilihrengroßeanten- tionendieverkümmerteAusfiihrungniemalsentspreche».Umdenchristlichen Charakter seinerRegirungfeierlich.zubekunden,wollte derKönigalledie Vereine,die,dasChristenthumdurchLebenund Thatbeweisen«,zu einer großen,monarchischgeleitetenGesellschaftverbinden.Darum beschloßer, den längstverschollenenSchwanenordenzu erneuern, einefreiegeistlicheGenossen- schaft,welcheseinAhnherrKursürstFriedrichderZweite oorgeradevierhundert
Dubiosa· 199
Jahrengestiftethatte.Der edelgedachtePlanwarleidernureinunreiferEin- fall; undererregteeinen Sturm derEntrüstungin derOeffentlichenMeinung.
AlleAusländer trauten demberlinerHofeinenEhrgeizzu, derihm durchdie GeschichtedespreußischenStaatesgeraderaufgezwungenwurde undgleich- wohldemsanftenGemüthdiesesKönigsganzfern lag.EineRegirungohne StolzundThatkraft, welchegrundsätzlichnie dasSchwertziehenwill,kannsich vielleicht,durchdieMachtalterTraditionen, nocheineZeit langeintüchtiges Heer bewahren; ihr AuswärtigesAmtabermuß schnellentsittlichtwerden.
WelcheinenjämmerlichenAnblick botdochdasDiplomatischeEorpsdesvier- tenFriedrichWilhelmnebenjenenkühnen,kriegerischenGesandten,dieeinst dieBefehledesgroßenKönigshandfestvollstreckthattentDer alteKönighatte nachderJulireoolutionfastseinganzes HeeraufKriegsfußgesetzt,umDeutsch- lands Neutralität zuschützen;derSohn wagte fürdieneuenburgerRoya- listen nichteinmaleineBrigade aufzubietenundjammertedannnochüber seineOhnmacht.LänderverlusteundLändervertauschungenhattePreußen,wie jedergroßeStaat,in denWirrenschwererKriegszeitenschonmehrmalser- tragen müssen.Das aberwarneu,daßeinHohenzollernsichmitten imFrieden einschönesLandvonmeineidigenEidgenossenundeinemHaufen Aufriihrer ungestraftraubenließ,daßersichundseineKroneeiner verdientenVerachtung aussetzte,dienochheuteindenHohnredendersieglosenSieger fortlebt.Wieoft hatte dieserKöniginüberschwänglichen,fast lästerlichenWortenseinen Unter- thanendieangestammteTreuegepredigt!Und was boterselbstdenTreuesten seiner Treuen inihrerTodesnoth?BittenundKlagen, zerknirschteBriefe, unfruchtbareVerwahrungen, phantastischeTräume europäischerReaktion- politik; doch wahrlichnichtdieschlichteTreue desdeutschenMannes,nichtdie TreuedesKönigs,derdenDegendesgroßenFriedrichsführte...Also mißrieth diesemKönigAlles; auchdieRuhigenkonntensichderbangenAhnungnicht mehr erwehren,daßeinGewitter dieschmüleLuftdieserTagereinigenmüsse.
WieeinstderdritteFriedrichWilhelm durch alldielöblichenPläne seiner erstenRegirungjahredenTagvon Jena nicht hatteabwenden können,so mußteauchsein Sohn erfahren, daßVorsätzeundEntwürfein demharten HandwerkderPolitikgarnichtsbedeuten. Preußenstandin derdiplomati- schenWeltsovereinsamtwieseitJahren nicht.SeinKönighatteverstanden, inkurzerZeitdiealtenFreundeOesterreichundRußlandmitMißtrauenzu erfüllen;erhattemitseinenFreundschaftwerbungeninEngland wenigAn- klang gefunden.Und kaumwar dieKriegsgefahrvorüber,sobemerkteman bald, daßPreußenjetztauchandenkleinen deutschenHöer weniger geachtet
200 DieZukunft.
waralseinstunterdem altenKönig.DieruhigeWürde des Vaterserweckte Vertrauen,diebeweglicheGeschäftigkeitdesSohnes ZweifelundArgwohn.
FünfSätzeausdenGedankenundErinnerungen«: »Die Minister- stellunglagdamals(unterFriedrich Wilhelm demBierten)außerhalbmeiner Wünsche.Jchwarüberzeugt,daßichdemKönigegegenübereinefür mich haltbare Stellung nicht erlangen würde.Ersahinmir einEi,waserselbst gelegthatteundausbrütete,und würdebeiMeinungverschiedenheitenimmer dieVorstellunggehabt haben,daßdasEiklügerseinwolle als dieHenne. Daß dieZielederpreußischenauswärtigenPolitik, welchemirvorschwebten,sichmit denendesKönigsnichtvollständigdeckten,war mirklar;ebensodieSchwie- rigkeit, welcheeinverantwortlicherMinister diesesHerrnzu überwindenhatte beidessenselbstherrlichenAnwandlungenmitoftjähemWechselderAnsichten, bei derUnregelmäßigkeitinGeschäftenund bei derZugänglichkeitfürunbe- rufeneHintertreppeneinflüssevonpolitischenJntriganten,wiesie-vonden AdeptenunsererKurfürstenbisaufneuere Zeiten-in demregirendenHause, sogarbeidemstrengenundhausbackenenFriedrichWilhelmdemErsten,8u- trittgefundenhaben:pharmacopolae,balairones,hoc genus omne. Die Schwierigkeit,gleichzeitiggehorsamerundverantwortlicherMinisterzusein, war unterFriedrichWilhelmdemViertengrößerals unterWilhelmdemEr- sten«.Und ausBismarcksBrieeranGerlach: »Ichwünschte,daßunsereBe- werbunginLondonetwasspäterersolgte,nachdemEnglandGelegenheitgehabt hätte,dievielenRoheiten,die esinPresse-,Parlament undnamentlichin der Diplomatiegegen unsverübthat,etwas wiederinVergessenheitzubringen.
SympathienundAntipathieninBetreffauswärtigerMächteundPersonen vermagichvormeinemPflichtgefühlimauswärtigenDienstmeinesLandes nichtzurechtfertigen,wederanmirnochanAnderen;esistdarin derEmbryo derUntreuegegen denHerrnoder dasLand,demman dient.DieInteressen desVaterlandes demeigenenGefühlvonLiebeoderHaßgegenFremdeunter- izuordnen: dazuhatmeinerAnsichtnachselbstderKönignichtdasRecht.Unser
Ansehenist heuteinEuropa nichtdasselbewievor1848;wirmüssensagen wiederSchäferinGoethes Gedicht: ,Jchbinheruntergekommenundweiß dochselbernicht,wie«.WirhabendieWahrscheinlichkeiteinesBündnissesnur mitDenen,derenInteressen sichmit denunserigenamMannichfachstenkreu- zen undihnenwidersprechenWollenwirso isolirt, unbeachtetundgelegent- lichschlechtbehandeltweiterleben,so habe ich freilichkeineMacht,es zu än- dern.Wirsindeine eitleNation;esistunsschonempfindlich,wennwirnicht renommiren können,undeinerRegirung,die unsnach außenhin Bedeutung
-Dubiosa. 201
giebt,haltenwir Vieles zu Gut undlassenunsvielgefallendafür-,selbstim Beutel. Aberwenn wir unsfürs Jnnere heutesagenmüssen,daßwirmehr durch unsereguten SäftedieKrankheitenausstoßen,welche unsere-ministe- riellenAerzteunseinicnpfen,alsdaßwirvonihnengeheiltundzugesunder sDiätungeleitetwürden,sosuchtman imAuswärtigenvergebensnacheinem TTrostdafür.Können Sie mir einen Verbündeten nennen, aus welchenwir zählenkönnten,wennesheutegeradezumKriegekäcne?Oesterreichkann uns keineBedeutunginDeutschlandgönnen,EnglandkeineChancenmaritimer EntwickelunginHandeloderFlotteundist neiidischauf unsereIndustrie.
sEinepassivePlanlosigkeit,diefroh ist,wenn sieinRuhegelassenwird,kön- nenwir in der MittevonEuropa nicht durchführen;siekann unsheuteeben ssogefährlichwerden,wiesie1805war,undwir werdenAmbos,wennwir uichtsthun,umHammerzuwerden...EsisteinemiserablePosition,daßwir stetsin derDesensivegegen allerleiZumuthungenunddabei inVerdacht sind, daßwir unsschließlichdochmitsaurem Gesichtfügenwerden. Jch kannte eineFrauinPommern,diesichhuren ließund,wennihrMann dar- übertobte,zusagenpflegte:,Latemman;heigift sik.«DaßVieleglauben, Preußenwerde,sichgeben-,machtdiePositionlocker.Ichglaubeesnicht;
7«ichdenke,wirhalten fest.Aber wir können darüber zuFall kommen,daß die AnderennichtanunsereFestigkeitglauben. Gelingtesuns, den Eindruck izumacheiidaßwirunerschütterlichsind,sobleibt Alles nied- undnagelfest.«
Diplomachie.
Lohnts,über dieReichstagssitzungvomletztenAprilnachmittagaus- führlichzusprechen?AlsSchreiberkönnteicheinTriumphliedchenträllern -(wennmirdanachzuMuth wäre);denndaswinzigeHäufleinderverschrienen SchwarzseherhatsichseitdemNovemberdochnichtganzvergebensbemüht.
-DieBequemlichkeitunsererLageund dieVortrefflichkeitderGeschäftsführung wagtenureinAbgeordneternochlaut zurühmen:FürstHermannzuHatzseldt, HerzogzuTrachenbergDermeinte,in denbürgerlichenParteienwünschekein EinzigereinenPersonalwechselinderLeitungderinternationalenPolitik(ich
«-könnteihm Manchennennen, derdiesenWechselwünscht;würdeJedem,der Botschafteroder garKanzlerwerdenwill,aberempfehlen,zusprechenwie dieserArminiusausMilitsch,dersvomKammergerichtsreferendar,natürlich
s-nurdurchTalentleistung,bis zumOberpräsidentenundOberstschänkenge- UbrachthatundnunvielleichtanderLeiterzurhöchstenMachtsteht).Derfordert,
’".Deutschlandmüssesogerüstetsein, daßesmitjederKoalition fertigwerden 17