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Die Zukunft, 14. Januar, Bd. 26.

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o -- -·I« s-Von

Berlin, den H.Januar 1899.

sk- -:s IT

Lülülü

. erfrommeFreiherrvonMirbach,derOberhofmeisterderKaiserin,

. hat sichumseineminderhochbetiteltenLandsleute einbeträchtliche-s Verdienst erworben, gewißnichtdaserste,denndurch seine Rührigkeit, dieselbstzumHerrnSingerdenweitenWeg nicht scheute,ist für zahllose KirchendasnöthigeGeldzusammengebrachtworden,diesmalabereins,das nach langer Fastenzeit endlichauchdenPolitikerwiedereinmalerfreuenkann.

DerFreiherr,derschonfrüherliterarische Dilettantenneigungen enthüllte, hatdenZeitunglesernvondemsogenanntenKreuzzuginsHeiligeLandeine Schilderunggeliefert,die zwarnichtdieZufriedenheitdesKreuzfahrtmana- gersCookerregen«wird,allepatriotischundalsogut türkischEmpfindendenaber imInnersten froh stimmen muß.WieeinimHofdienstsachtherangereiftes,in denAntichambreseinBischen oerstaubtes Mannes-gemüthein Stückgroßer Natursieht,wie dastüchtiggedrillteTemperamenteinespreußischenKirchen- frommenimHeimathlandedesErlöserssvergebensKommißwundersucht und,weilessienicht findet,inbeinahe unfrommemZorn erglüht:Dasist ein garlieblichesSchauspielundverräthwohl eher nocheinKollektivgefühl als einenpersönlichenEindruck.AußerdertürkifchenPolizei, diemiteisernem Besenalles Elend ausdenFeststraßenin diedunkelstenWinkelgekehrthatte, UdeaßesdemAugeder unterdemSchirmdesSultans genGolgathaWan- delndennichtetwawidrigsei,»hatdemFreiherrnvonMirbachimJudäer- landenichtviel einenfrommen Schauder erregt. Sogar währenddes»Ein- nges« dasfrüherfastimmernurbeiderHeimkehrglücklicherSiegerge- brauchteWort wirdjetztjagernfürallerleileereFesttagsvergnüglichkeit

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verwandt— inJerusalem,derin einesChristenSinn dochdiestillsteStunde innererSammlungbedeutensollte,denkt derhösischerzogeneundgewöhnte Herrzunächstandie»fröl)lichen,jubelnden Menschenmassen«,dieaufBefehl desGroßherrnin denStraßenundamJaffathorBegeisterungfür denGast desPadischahs mimen,undseinesonstnüchterneRedefärbtsichbeinahe hym- nisch,daerberichtendarf:»AlsdieMajestätendenEinwohnern freund- lich zuwinkten, erschollvondenDächernhervondenFrauenein ununter- brochenlang anhaltender hohermetallischerJubelton:Lülülül Essollder alteUrsprungdesHallelujasein,den wirvereinzeltwohl,abernochniemals voneinersolchenMengevonFrauen gehörthatten.«Füreinengelehrten Etymologenwill derOberhofmeisterwohlnichtgehaltenseinund wirbrauchen ihm aufdasnächtigeGebiet derfemitischenSprachen deshalbnichtzufolgen.

Daßeraber einfeiner,ein imnietzschischenSinn zeitgemäßerPolitiker ist, muß Jeder merken,derin desBusens Tiefe jemals erwägen konnte, welche BedeutungderAnblick»fröhlicher,jubelnder Menschenmassen«unddas

»ununterbrochenlang anhaltende«Lülülü derDachgafser fürdie neueste EpochedeutscherGeschichteseitein paarJahrengewonnenhat.Nuristes, umdiefeBedeutungzuwürdigen,nichtunbedingtnöthig,bisnachJerusalem zureifen; solcheKenntnißkannman auchmitgeringeren Kostenerwerben.

WennderFreiherrvonMirbach sichzu einemGang durchdieunheiligen Stätten derReichshauptstadt entschließenwill,wirderandemLülülü,das ihmim Orient so sehr gefiel, auchimlieben Vaterlande vonfrühbisfpät dasPatriotenohrunddasHöflingsherzlabenkönnen.

EinKaffeehausVieleZeitungenmit vielen Artikelnüber denBun- desrathsbeschlußin derlippischenSache.Warum nicht? Fleischnoth,Miti- tärvorlageundAusweifungen langweilen, DreyfusundKirschnerkönnen alleinaufdieLängedieSpalten nicht füllenundmit denewigenWahrheiten desLiberalismus kannman nachNeujahrdenLesernnicht mehrkommen.

Alsowieder einmalLippe.DerBundesrath hateinenBeschlußgefaßt,der imOesterreichRechbergsundProkeschs vielleichtbewundert worden wäre, derimLande Bismarcks aberzutrübsäligerErinnerungan verklungene Herrlichkeitstimmen sollte, einenBeschluß,derbedenklichnachder Schwarzen Küchederältestenundimpotentesten Diplomatieschmeckt.Er solldenRückngPreußens decken,aberseine ärmlichePhraseologiekann die befchämendeChamade nichtübertönen und dieThatfache, daßderzweitgrößte deutscheBundesstaattrotzallemMühennicht dazugebrachtwerdenkonnte,an demOrakelfpruch mitzuwirken, ist wichtigerals derBlickausdentastendge-

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Lülülii. 5l fundenen Nothausgang Indenmeisten Zeitungen stehtdavonkein Wort- AuchdieFrage suchtmanvergebens,obesnöthigwar, denRegentenvonLippe zu brüskiren und dieBewohnerdesteutoburgerLandes zuärgern, dadochjeder nichtganzKurzsichtigelängstmerkenmußte,daßfürdiereichenSchaumburger dasSpielverlorenwar. Manchenmagesja gefreut haben, daßden dem deut- schenHeer angehörigenLipperndieErlaubniß,eineErinnerungmedaillezu tragen, vorenthaltenblieb unddaßderBiesterfelderimvorigenSommerden Rennplatzverlassenmußte,weil dieanwesendenOffiziereihn nichtbeachteten.

SolchesAmufement istabermit einerunverhüllbarenNiederlagePreußens undmit derVerstimmung Bayerns docheinBischen theuer erkauft, so theuer, daßder demflüchtigenBlickwinzig fcheinendeVorganggenügt hätte, einen Bismarck zumVerzichtauf seinAmt zu treiben. DiePressemüßteüber. diesesVerfallsfymptom sehr deutlichsprechenundsichmit demVriefwechsel zwischendemRegentenvonLippeund demDeutschenKaifer gerade jetztsehr ernsthaft beschäftigen...DerOberhofmeistermagruhig fein:keinanstößiges Wörtchenwirdseinen Seelenfrieden stören.»Der Kaiser hat, getreu seinem Grundsatz,daßRecht dochRechtbleibenmuß,in bekannterGroßmuthfeinen berechtigtenGrollunterdrückt und imInteressedesReiches nachgegeben.

DieseranAugustusundMarcAurelerinnernde Zug erhabener Geistes- größezeigtvon Neuem..Das Jaffathor thut sich auf:Lülülü!

Ein anderesBild. Jnderberliner Bellevuestraßesind Künstlerzu einem Festmahl vereint,umSeineExeellenzHerrnDr.11.c.AdolfvonMen- zel,denneuen RitterdesHohenOrdens vomSchwarzen Adler,zufeiern.

Der chemnitzerKellner,deramfiebenundzwanzigstenJanuardieGeburts- tagstafelimKaiserfchloßmit einerausServietten geformten Portraitbüste WilhelmsdesZweiten schmückensoll, istleidernichtgeladen.Wohlaberist HerrvonBoetticher erschienen,dereinstzumEhrenmitgliededesVereins Berliner Künstlerernannt ward, wahrscheinlich,weilerin einerSchick- saksstundedascharakteristische,jedem Künstler schmeichelndinsOhrklin- gende Wortgesprochenhatte, zwischenStuckundechtemMaterial vermöge

erkeinen Unterschiedzu entdecken.AuchHerrAntonvonWerneristanwe- send,denExcellenzvon Menzel füreinenMeisterderKunstzuhaltendie gnädigeNachsichthat,undirgendworaunt sicherderheisereAntikünstler UndProfessorPietschgesalzeneWitze.An tönendenRedenfehltesnicht.

Wir sind unterKünstlern.Wartet nur: gleichwirdEineraufstehen,anden

Champagnerkelchklopfenundalso sprechen:»Es ist sehrfreundlichvondem

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Kaiser-daßerunseremMenzeldenhöchstenpreußischenOrden verliehen 4k

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hat.Erhatdamitim Sinn seinesGroßonkels,FriedrichWilhelmsdesVier- ten,gehandelt, der,umKünstlerundGelehrte würdigehrenzukönnen,die FriedensklassedesOrdens pourle måriteschuf,underhat diesenBeweis freundlicherAnerkennungeinemMeistergewährt,der unsklarer alsvorihm irgendeinAnderergezeigthat,wieGroßesmandurchVerstand, Selbstdis- ziplinirung, FleißundtechnischeSicherheit auch ohne starkeEmpfindung erreichenkann.Ichbin weder einSchmeichler nochein Narr undwill des- halbdenimedelstenWortsinn tüchtigenMenzelnichtdem TitanenGoethever- gleichen.Dasnurmöchteichsagen:wirsindinPreußennun glücklichdahin gelangt,woman voretwahundertundzwanzigJahrenin Weimar stand.

AlsGoethedamals vomHerzogdasAdelspatent erhielt, schrieberanFrau vonStein: ,Jchbinsowunderlich gebaut, daß ichmirgarnichtsdabei denken kann.« Undungefährumdieselbe Zeit pries SchillerdenMann, dem dasHerzhöherschlagendürfe,weilerselbstsichdenWerth schuf,und sangdenRuhmderfreien Kunst,dieihre Blüthe nichtamStrahlderFür- stengunstentfalte.Sollen wirheutejubeln,weil einvierundachtzigjähriger Künstler-,derseineStoffe merkwürdigoftderHohenzollerngeschichteent- nahmund denman auchanderFarbealsPreußenerkennt,einerAuszeich- nungwerth gefundenwird,dieMinister, Generale, Oberpräsidentenundan- dereEintagsmachthaber sichthatenlos ersitzenunddiehalbwüchsigenPrinzen undZufallsbegleitern reisender Potentaten, ohne daß sie jeEtwas geleistet haben, bewilligtwird?Sollen wir unsgeehrtfühlenoder garvomAnbruch einesneuen augustischenAlters träumen,weilEinervonuns künftigdas Orangeband tragen dars,dasdieBrustdesHerrnvonBoetticherund der Rudini oderGiolittischmückt?Odersollen wiretwaglauben,deralteMenzel werdesichExcellenznennen lassenund das veralteteWörtlein,von«vorseinen weltberühmtenKünstlernamen setzen?Nein:unser greiser Meisterdenkt sicherüberdiese Dingewie der wackereJakob Grimm,der in der berliner Akademieeinst sagte:,Nichteinmal dreivolleJahrevorseinemTode wurde SchillernderAdel zuTheilundseitdemerscheintdereinfache,schondemWort- sinnnachGlanzstreuendeNamedurcheinsprachwidrigvorgeschobenes,von«

verderbt.Kann denneinDichtergeadeltwerden ? DemunerbittlichenZeitgeist erscheinensolcheErhebungen längstunedel,geschmacklos,ja,ohneSinn. Ein Geschlechtsollaufseinen Stamm,wieein Volkauf seinAlter undseineTugend, stolz sein.Das ist natürlichundrecht; unrechtaber scheint,wenn einvor- ragenderfreierMann zum Edlen gemachtundmitderWurzelausdem Boden gezogenwird,derihn erzeugte, daßergleichsamin andere Erde über-

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geht, wodurchdemStand seinesUrsprungesSchmachundBeeinträchtigung widerfährt.Odersoll derfreie Bürgerstand,aus demnun einmalGoethe undSchiller entsprangen, aufhören,siezubesitzen?AlleBeförderungenin den Adel werdenungeschehenbleiben, sobald dieserMittelstandstolzund ent- schlossensein wird, sie jedesmalauszuschlagenHSeitdemTage,dainBerlin dieseRedegehaltenward,findabermals vierzigJahre verstrichenundich bingewiß,daß Menzel, der,trotzdemihmimWappendieLyra fehltunder neben Rembrandt undBoecklinerbleichenmuß,docheinstarker,eines perga- mentenen AdelsbriefesnichtbedürftigerKönnerist,heute mitnicht geringerem StolzalsdamalsGrimm fragenwird:Kann denneinKünstlergeadeltwerden?

Er wird mitunsAllen demKaiser fürdieguteAbsichtdanken,dieAuszeich- nung aberehrerbietigablehnenundsichnichtdazu bequemen,inseinenletzten LebensjahrendasfeierlicheGewand einerverschollenenPrunkzeitmitsich herumzuschleppen,dasihnkleiden würdewie einen modernen Elektrotech- niker dasFellunddie Keule desHerkulesWirwollen, ohnedemGeheulder Demagogenzulauschen,dem Militäradel und derBureaukratie ihreüber- liefertenSitten gern gönnen:inunserenReihen vollziehtdieAuslese sich nachGesetzen,dienichtvomThron herabdekretirtwerdenkönnen,undunsere feinstenMeisterwerdenin denKapitelsälenderFeudaltage niemalsheimisch fein.Die,RepublikderGeister«hatgegenTalleyrand selbstBonapartever- theidigt.SollderamusifcheKorfe deutscheKünstler beschämen?«

DerOberhofmeisterwirdauf feinem Sitzunruhig;amJaffathor warsihm behaglichenEr magsichtrösten:in derberlinerBellevuestraßeward sOschlimmeRedenichtvernommen. Von·der»unerhörtenEhrung«des KünstlersundvondemgroßartigenEdelsinndesKaiserswurdeviel ge- sprochen,ExcellenzvonMenzelhieltallenläppifchenVerhimmelungenStand undmeinte,derihm gewährtenAuszeichnungmüssedie ganzeGildesichnun Capable zeigen,in denToasten hattedasKaiserhaus stets,wiesichsgehört, denersten, dieKunstdenzweitenPlatzundschließlichwurdeineinem Dank- telegrammdemKaiser, »demhohenBeschützerdeutscherKunst,derAusdruck jubelnderHuldigungzuFüßen gelegt.«Diejubelndenjerusalemitischen Menschenmassenwaren ersetztunddurchdiePrachträumedesKünstlerhauses tönte,demSchwerhörigenselbstvernehm«lich,diesüßeSultanatsweise:Lülülü!

Einhelles Gehörkannsie heutzutagein allenGassenderReichs- haUPtftadtvernehmen.WennderKaiserdenfranzösischenBotschafterbe- sucht,liestman,seingenialerBlickhabe rechtzeitigdieStunde erkannt,wo eineVerständigungmitFrankreich auf Englands Kosten möglichwerden

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.könne, als ob derErsteunter dendeutschenFürstendarandenkendürfte, allein, ohne MitwirkungderverantwortlichenBerather, nach plötzlichen EingebungenimheikelstenGeländePolitikzu treiben.Wennerin denHau- fen preußischerGardistenoderpotsdamer Schulknaben Geldstückewirftund sichander daraus entstehendenBalgerei ergötzt,wirdin denhöchstenTö- nenseineLeutseligkeitunddieunvergleichlicheFrischeseinesHumorsgerühmt.

UndwenneinMonarch,demvonfrühbisspätsoderWonnechorvonseiner Gottähnlichkeitvorgesungenwird, auf einsamer Höheschließlichwähnte,die Weise dringeausdemtiefstenFühlenderVolkheitans Licht:werwollte im Ernstmitihm hadern? Jede Regung seinesbeweglichenTemperamenteswird wie einHeilandswunderbestaunt, jedesZufallswörtchenals eineAeußerung genialischenTiefsinnes gefeiert;undesist sterblicherMenschen, auchder ge- krönten,Art, daßsiedemBeifall gläubigerals dem Tadellauschen.Jneinem Landevonderpolitischen Reife Großbritannienswundert keinmündiger Menschsichdarüber, daß sogareinemHistrionenundThespiskärrnerwie HenryJrvingderTitel»Sir« bewilligt wird;man gönntderMimeneitel- keitsolcheLabungundsprichtvonernsthaften Dingen.BeiUnsentstehtein -Jubelgetöse,weil einunlyrischer,aberkräftigerKünstler,weil derExponent derdurchdie NamenSchadowundChodowieckibezeichnetenKunstepoche,die hinteruns liegt,anseinemLebensabendso »hochgeehrt«wird wieirgendein Herrvon Hahnke.Das geschiehtamgrünen Holz, im Kreise schaffender Künstler.-WirmüssendemKaiser wirklich nochdankbar dafür sein, daßer sichvon dem übelduftendenWeihrauch,deraus derTiefe steigt,denSinn nicht völligumnebeln läßt.Und wirdürfennichthochmüthigaufdasbraune Gesindelherabsehen,das, sobaldderSultan winkt,sein-Hallelujastammelt.

...DerfrommeFreiherr vonMirbachwirdvordenRundgang durch dieunheiligenStättenderReichshauptstadt befriedigt heimkehren.Was ihnimLande desErlösers so innig rührte,war,daßdieMenschenmassen einenUnbekannten,von dessenWesenundWollensie nichtdasGeringste wußten,jubelnd begrüßten, nur,weilereinKaiser ist.Erbraucht,um solcheFreudezuerleben, künftignicht mehrüber dasWasserzureisen, son- dernnur diehöfischgeschultenOhrenzuspitzen:dann kann er,so oftdie GestaltdesMonarchen sichtbar wird, auchvondeutschenDächern herab, undsogarvonMännerstimmen,sein LieblingsgeräuschLülülühören.

OF

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Einitalienischer Sozialist. 55

Ein italienischerSozialist.

Æskannnichtnur alsEinleitungdesnachfolgendenReferatessondern auchalseineAntizipirungdergeschichtlichenBelege fürdasGrund- themadienen,wenn ich daraufhinweise, daßesnatürlichmitdenmitth- schaftlichenZuständenItaliens zusammenhängt,wenn hier diesozialistische Bewegungnoch nichtüber dieAnfänge hinausgekommenist,dieOrganisation derArbeiterklassenochindenKinderschuhenstecktund sowohlüber Grund undWesenwieüber Mittel undZielederproletarischen Agitation noch großeUnklarheit herrscht.So langeJtalien einweitüberwiegendaekerbau- treibendes Landbleibt,so langedieIndustriesich nichtweiter entwickelt und diebeträchtlicherenAnsammlungengewerblicherArbeitermassen sich aufwe-

nigeOrtebeschränken,wirdselbstverständlichdieOrganisirungdieserArbeiter AlsKlassenpartei nichterheblichvorschreitenundderSozialismus wenigprak- tische Bedeutung erreichenkönnen. Der Verlaufder von gänzlichuner-

fahrenenundvisionärenSozialaposteln geschürtenBewegungdesLandvolkes und einzelner ArbeitergruppeninSizilienund dieleichteLahmlegungder Noch gebrechlichenVereins-Organisationund-Thätigkeitin Ober-undMittel- italiendurchdiecrispinischen SozialistengesetzehabendenBeweisgeliefert,daß fürjetztderbürgerlichenStaats- undGesellschaftordnunginItalienvonder ArbeiterklassekeineGefahr droht.

Umsolebhafter istdiekritisirendeundnegirendeThätigkeitaufdem geistigenGebiete. DiesozialistischePresse hateinen,namentlichinAnbe- trachtderäußerstgeringenmateriellen Mittel sehr beachtenswerthenUmfang UndEinfluß erreicht;die binnenwenigen Jahren aufdiedreifacheZahl jetztfünfzehn angewachsenensozialistischenDeputirten lassenesinder Kammer,inVersammlungen,in derPresseundLiteratur nichtanrücksicht- loferundvolltönenderVerkündungdesneuen Evangeliums,auch nichtanAuf- stellungweitgehenderForderungenzuGunstenderEnterbten fehlen, fürdie sichauchdie Stimmen Vielererheben,dienichtdirektzu dersozialistischen Fahne geschworenhaben.Unter derstudirenden JugendderUniversitäten hatderSozialismus zahlreiche begeisterteoderdoch laute undungestütne AnhängergefundenundaufdenLehrstühlenwird er durchMänner ver- treten,dieanBegabung, sittlichemErnst, UeberzeugungtreueundEifer nicht dieLetztensind. JstesimAllgemeinenamPlatze,denbedeutenden geistigen

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undmoralischenStrömungen,magman sie billigenodernicht, Aufmerk- samkeitzuschenken,fowirdDasum so mehrzurPflicht,woes»sichum diewichtigstenFragenderstaatlichenundgesellschaftlichenZukunft,"dieschwie- rigstenKulturproblemeunddieernstestenLösungversuchehervorragenderKöpfe handelt.

ZudenernstestenVorkämpferndes»wissenschaftlichenSozialismus«in Jtaliengehörtder denLesernder»Zukunft«bekannteNeapolitanerAntonio La- briola, derseitJahrenanderrömischenUniversitätüberPhilosophiederGeschichte, Staats- undGesellschastwissenschaftliestundneben demfozialistifchenJuristen EnricoFerrizudenbeliebtestenLehrern gehört, bisherabernur Weniges veröffentlichthat.Seitdemvorigen Jahr liegendie beidenersten Sammlungen einerReihevon Esfays »ÜberdiematerialistischeGeschichtauffaffung«vor, von denendererstesichmitdemmarx-engelsfchen,,KommunistischenMani- fest«vomFebruar1848 beschäftigt,derzweitediematerialistifcheErklärung derGeschichteals dieeinzig richtigeundfruchtbarezuerweisen sucht· Zwi- schenbeidenEssays bestehtein engererZusammenhang,alsesscheinenkönnte;

denndas»KommunistischeManifest« ist,wieunserAutornichtmüde wird, zubetonen, wedereinAufrufzursozialen Revolution, nochderEntwurf einerneuen Staats-— undGesellschaftordnung,nocheineUebersichtüberdie EntwickelungdesSozialismus, nocheinVersuchderAussöhnungderKlassen- interessen, sondern »seinKern bestehtinderneuen Auffassungdergeschicht- lichenEntwickelung«,nachwelcherderKommunismus als dasuothwendige undunabweisbareErgebnißderdurchdiebisherigenFormenderProduktion hervorgerufenen Klassenkämpfeerscheint.Das Manifeststelltsichnur die eineAufgabe:an derHanddergefchichtlichenThatsachennndderherrschenden Zustände nachzuweisen,daß»aus der unabweisbar revolutionärenThätigkeit desmodernen ProletariatesmitNothwendigkeitderKommunismus hervor- gehen müsse«.DasMittel zudiesemNachweifeliefertedenbeidenFührern deslondoner »BundesderKommunisten«dieVerbindungdesvon Feuer- bacherneuerten wissenschaftlichenMaterialismus mitderdeutschenhistorischen PhilosophieundDialektik,wodurchesmöglichwurde,»diegeschichtlicheBe- wegung in ihrentiefsten,bis dahin unerforschten,weillatenten und schwer entwirrbaren Ursachenzubegreifen.«EswarimBeginndervierzigerJahre begriffenworden,daßderSozialismuseinnothwendiges Ergebnißdervor- angegangenen und fortschreitendenwirthfchaftlichenEntwickelung sei;die Sozialisten schöpftenaus demEinblickindie Art undRichtung dieserEnt- wickelungdieUeberzeugung,derMarxund Engelsim»Kommunistischen Manifes« denklassisehenAusdruck gaben, daßdasmoderneProletariat einnothwendigesProduktderGesellschaftseiunddieMission habe,an die Stelle derBourgeoisiezutreten und neue Formendesgesellschaftlichen

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Einitalienischer Sozialist. 57

Zusammenlebensheraufzuführen,diedenKlassengegensätzeneinEndemachen sollten. Das abstrakte hegelscheGesetzvom historischenWerden aufdem WegederAntithesenwurde durch MarxundEngels aufdieKlassenkämpfe angewandt,indenensiedaseigentlichBewegende,vielleichtdieEssenzaller Geschichte,erkannten; sie bestand ihnen nicht mehr,wie demHegelianismus, imUebergangeaus dereinenineineandereJdeenform,sondern imWechsel dersozialenStruktur, mitanderenWorteniimUebergangeaus einerin die andereProduktion-nndWirthschaftform, einem derUebergänge,fürdie wegen derErschütterungenundgewaltsamenOperationen,mit denensiestetsverbunden waren, derName Revolutionen nicht unpassend ist, ohnedaß dabeinoth- wendiganpolitischeUmwälzungenzu denkenwäre· So ist auchdie kom- munistischeRevolution, die das,,Manifes«alsnothwendigundbevorstehend ansieht, nichtalsDas aufzufassen,was imJahre1870 inParis verwirk- lichtwerdensollte, sondernalsdasErgebnis;einer durchdieinneren Ent- wickelungsgesetzebeherrschtenwirthschaftlichenPolitik,die wedervonderBour:

geoisienochvomProletariat mehr geändertodergehemmtwerdenkann,son- dern mitNaturnothwendigkeitderErneuerungderganzenGesellschaftdurch dasProletariat zustrebt.Denn »die kapitalistischeGesellschaft muß sichvon selbst auflösenundals-Produktionformhinfälligwerden, weilsichinihrem eigenenSchoß fortwährenddieRebellion derProduktivkräftegegendierecht- lichenundpolitischenBeziehungenderProduktionneu erzeugt undweilsie nicht bestehenkann, ohne durchdieKonkurrenz, welchedieKrisen erzeugt, unddurchdieSchwindelerregendeAusdehnung ihrer Aktionsphäredie inneren Bedingungenihres unvermeidlichenUntergangeszuvermehren, so daßder Todauch hier einfacheinphysiologischerFall wird.«

Jn dem1.859inBerlin erschienenen,als Vorläuserzum»Kapital«

zubetrachtendenBuche: »ZurKritikderpolitischenOekonomie«hat Marx schonmitgroßerKlarheitundSchärfedenKern dermaterialistischenGe- fchichtauffassungdargelegt,derenRichtigkeitundFruchtbarkeitLabriola im zweiten seiner Essays nachzuweisenunternimmt. Deshalb,undweil die GrunddogmendeswissenschaftlichenSozialismusnirgends knapperundbe- stimmter ausgesprochenworden sind, mageinekurze WiedergabederBe- trachtungvon Labriolas Ausführungenvorangestelltwerden.

NachMarxens Ansicht,dem dergesammteernsthafteSozialismus hierin folgt,können dierechtlichenBeziehungenunddiepolitischenFormen des Staa- tesüberhauptnicht verstandenwerden,wenn man sienuraussichselbstoder aus derAnnahmedersogenannten allgemeinen Entwickelungdesmensch- lichenGeisteserklärenwill; sie haben vielmehrihre Wurzelnin denmateriellen Lebensbeziehungen,so daßdieAnatomie derbürgerlichenGesellschaftin derVolkswirthschaftzusuchenist. Wennsie erstinirgend welchesozialen

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h8 DieZukunft.

Beziehungenzu einander getreten sind,werdendieMenschen,unabhängigvon WahlundWillen,durchdie Formenihrer Produktion, diesichnachdem Grade derEntwickelungdervorhandenenProduktivkräfterichtenundden thatsächlichenUnterbau derGesellschaftbilden,zurallmählichenErrichtung einesOberbaues von rechtlichenundstaatlichenFormengeführt,demdann auch bestimmte Anschauungformenentsprechen.DieArtderErhaltungdes physischenLebens, d.h.dermodernen Produktion, bestimmtinersterLinie densozialen,politischenundintellektuellen LebensprozeßNichtdasBewußt- seindesMenschen bestimmt seinSein,sondern gerade umgekehrt:das ge- sellschaftlicheSein bestimmtdasBewußtsein.JmLausderFortentwicke- lung gerathendiesichändernden Produktionformenimmer mehrinWider- spruchzu denfestgelegtenundsanktionirten rechtlichenBeziehungen—dem Eigenthumsrecht—- unddenSitten undAnschauungen,dienun ausSchutz- und FortbildungmittelnzuHemmnissenderEntwickelungder Produktiv- kräftewerden. ErreichtdieSpannungeinengewissenGrad, sosuchendie gebundenenKräfte sichdadurch freizumachen, daßsiedie veralteten hemmenden Formensprengen.Es kommtzuRevolutionen undBürgerkriegen,wenn nichtdie«vorhermitderVeränderungderProduktion eingetretenelangsame Wandlungdespolitischen,philosophischen,religiösen,ästhetischen,moralischen Bewußtseins ihnen vorbeugt.DiepolitischenunddieIdeen-Revolutionen lassen sichstetsausdembezeichnetenGegensatzerklären. EinsozialesGe- bilde geht nichtunter, bevoresinfeinemSchoßealleproduktiven Kräfte, fürdieesRaum hat,entwickelthat;neue Produktion-Beziehungentreten nicht auf,wenn nicht vorherdie materiellen Vorbedingungengezeitigtworden sind-.DieProduktionformenAsiens,derklassifchenWelt, der Feudalzeit unddermodernen Bourgeoisiekönnen alsEpochenderWirthschaftgeschichte betrachtet werden;diebürgerlicheProduktion istdieletzteForm desAntago- nismus zwischendenProduktivkräftenund ihrer rechtlichenundstaatlichen Regelung.Aberschon sinddieKräfte somächtiggeworden,daß sie die herrschendenFormenzersprengen müssenund eine neue Gesellschaftim Werden ist,mitderenAuftreten »diePrähistoriedesMenschengeschlechtes abschließenwird«.

Das durchdiebürgerlicheund kapitalistischeWirthschaftweise groß- gezogene, zurUmwälzungder herrschendenProduktion-und Gesellschaft- formengedrängteundsich rüstendeProletariatistindemzu einerWissen- schaftgewordenen»kritischenKommunismus «seines Ursprunges, seiner KräfteundZielesichbewußtgeworden.Seine DemokratifirungundOr- gaisirung, sein reißendschnellgewachsenerpolitischerEinfluß,der den anderen KasseneineKonzessionnachderanderen abgerungen hat,rückenseinenun- vermeidlichenSiegimmer näher. »Der kritische Kommunismus«,Das

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