Die Zukunft-Es
Herausgehen
Maximilian Hardew
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KrlxkunddreigigllerBand.
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Berlin.
Verlag der Zukunft
1902.
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Inhalt
Alt-Heidelbergs.Theater 495.
AnalysederEmpfindungen. .·199
Aera,eineneue? ...·... 97
s.a.Notizbuch 256. Akte-sLiberales ........418
Aerztliche Ethiks. Ethik· Aufbau, der,dereuropäischenGe- schichte.........·.. 55
Aufsichträthe.......... 13
Bankbilanzeu .........253
Bauernfeld...........136
Begriff f. Theorie. Bismarck, Roland ......·514
Brotwucher... ..«.....223
Brüsseler Zucker s· Zucker. Carriåre, Eugone.......151
Darwinismus s. Krisis. Dichters. Schaffen. Differenzeinwand........ 42
Diplomatie, moderne......341
Duellfrage s.Notizbuch376. — Eddy,Mrs...........263
EinstundJetzt........205
Empfindungen s.Analyse. Erziehung undErzieher....155
Eslebedas-Leben!s.Theater 330 Ethik, ärztliche.........397
Eulenburg,FürstPhilipps.No tiz- buch257. Falkenhagen s.Notizbuch 378. Feldgeschützs. Notizbuch 46. Feuernoth...........285
Frauenfrages.Mutterrechte. « s.a.Webb. Garten derRosen.·.....231
Gelsenkirchen..........132
»Generalbilanz,die.......484
Geschichtes.Aufbau. GeschichtlicheGesetzmäßigkeiten s· Gesetzmäßigkeiten. Gesetzmäßigkeiten,Geschichtliche107,159 Gesundbetens. Edd y. Gott hats verziehen......358
GroßherzogundGenosse....456
Gykia............. '25
Hochbahn,die.........326
Hugo,Victors.Theater 490. Ideale,die.......... 1
Journalisten,die........381
Kaisers Geburtstag s.Notizbuch 256 Kanonenfabriken·.......248
s·a.Notizbuch 374. Kleinbahnen....·.....414
Kochs Hoffnung........ 94
Kohlenbergwerke.s.Gelsen- kirchen· Kollegin,dies.Theater 496. Konduitenliste s. Diplomatie. Krisis-, die,desDarwinismus .269 Krüger, Präsident s. Notizbuch 179. Kuhlenkampffs.Notizbuch178. Kunst,moderne»........ 78
Kunst,neue s.Ideale. s.a.Notizbuch 48,"259,s. a.Arres. Lebenf. Es. Leidenschaft s.Theater 497. Licht,dasgroßes. Theater 495. Lobau.............320 MagistratvonBerlin s.Notiz-
buch181.
MajestätderKönig...... 34
Majson moderne,Ia......279
Meteora ............301
Minenschwindel........368
Möller,Handelsministers.Notiz- buch370. MoritzundRina .......137
Münchhausens. Theater 497. Musik s.Pangermanismus Mutterrechte..........183
Nacht,dietausendundzweite.. 74
NapoleonsLimonade......435
Nase,die nobilitirte ......126
Notizbuch..46, 177, 256, 370,530 PädagogischePsychologie s-«Psy- chologie. Palmarum ..........459
PangermanismusinderMusik.476 Pierson, Geheimrath,s.Notiz- buch379. Plastik;neue«.....»....438
Poststeuer............289
Praterverwüstung..H.... 88
Prinz HeinrichsAmerikareise s.Meteorens.a.Journa- listen,s.a.Saturnalien. Professores .......... 49
Psychologie, Pädagogische.... 99
Publikum,das......·..428
Pußs.Theater 498. Raritätenbetrug........ 29
Rechtsstudiums. Reform- Reform,die,desRechtsstudiums390 Reichsanleihen.........170
Rom,woliegt?........505
Saturnalien ..·.......421
Schaffen,das-,desDichters..-348 SchillerpreissArtes. Seele,die moderne ......243
Selbstanzeigen 92, 130, 175, 215,246 293, 324, 365, 406, 445, 488,524 Sezession und-Sezessiönchen..409
s.a.Arres. Soldaten,deusche,imFeindesland465 Sozialdemokraties. Einst, s.a. GroßherzogundGenosse. Staatsanleihen, drei......527
Stadtfinanzen .........220
Sternennacht.........237
Stunden,lebendige.......535
Tagebuch, Venezianisches....499
TausendundzweiteNacht,die s.Nacht. Theater......... 330,490 TheoriedesBegriffs......233
Thronredes.Aera. Tirpitz’ Erlaß s. Notiz- buch258. Traumnacht..........364
Treberprozeß.......·.296
Tribunal undSzene......402
Turnstunde,die.......«.211
Velsen, Lieutenant .... 519
Venedig s.Tagebuch. Vereinsrecht......·...123
Verse............. 11
Volksaufklärung s.Theater 498. Webb,einedeutscheBeatrice ..307
Wreschener Politik.......218
s.a.Notizbuch48,371. Zechenpolitik..........449
Zolltarifkommissions.Notiz-« buch180, 370, s.a.Brotwucher· Zucker...........·..452
Zucker,Brüsseler........479
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Berlin, den 4.Januar 1902.
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Die Ideale.
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geehrterHerr,habenSiemichnicht überzeugt.Aberauch« garnicht. Jn JhremArtikel über diedeutscheMuse nämlich.Manch- malgelingtesIhnen,trotzdem ichüber diemeisten Dingeganz andere Meinungen habe, michzu demBekenntnißzubringen:Wasersagt, könnte, daersnun einmalvondieserSeitesieht,Einiges fürsichhaben.Diesmal gelangesnicht.WollenSie denn imErnst behaupten,esseieinGlück,daß derKaiserdieneue Kunstnicht protegirt? Daßesnicht besser,nichtherrlich wäre,wenn Klinger,Hildebrand,ObristundKünstler ähnlichenWesens fürdiePuppenallee gearbeitethätten, stattderarmen Epigonen?Wenn Liebermann demMonarchen sonah stündewiejetztleider Anton vonWer- ner?WennHerrscherportraitsvonLepsiusgemalt, FestsälevonHofmann, BrandenburgoderCorinth geschmückt,JagdrevierevonLeistikow,Meeres- stimmungenvonJakobAlbertsdargestelltwürden?WennHauptmann,nicht Wildenbruch,denSchillerpreis erhielte, stattdes,Eisenzahns«unddes ,GroßenLichtescJbsens Baumeister Solneß selbst aufdieHofbühnekäme undderDombauvandeVelde anvertraut worden wäre? Das könntederKunst, demReich,demVolkdochnur nützen,nur dahin führen,daßdieKultur, nach desKaisers Wunsch,bis in dieunterstenSchichtendurchdringt.Siesprechen ja selbstvondenMedici,dienur gute,nurdieallerbesteKunst fordertenund derenProtektiondenKünstlern wahrlichnicht geschadethat.Nein:ichver- steheSiegarnicht. SchonderTitelscheintmirfalsch.Warum denn,Die deutscheMuse«?InderenHerrschastgebietbraucht dochnichtMittelmäßiges
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2 DieZukunft.
undSchlechtesnur zuentstehen.UnddannJulian!Dahat Jhr Gedächt- nißSiewohlimStich gelassen? DurchJulians Gunst hatdasChristen- thum dochnichtdenSiegerrungen. Geradeerhat jadieneue Lehreleiden- schaftlichbekämpftundSieselbsthaben mehrals einmal hiervom Kampf desKaisersgegen den Galiläererzählt.Indervorigen Wochemeinten Sie wahrscheinlichKonstantinunddachtenandasKonzilvonNicaea.Daswäre nichtweiterschlimm;wenn nur JhreganzeDarstellungdertraurigenAn- gelegenheit,so sehrichJhr Urtheilüber dieSiegesallee billige,mirnicht so falschschiene«..·Angenehm ists nicht, zwischenWeihnachtenundNeujahr solcheBriefezubekommen;abernützlich.Manlernterkennen,wie das ge- druckte Wortwirkt, welcherMißdeutungesausgesetztist,von welchemWall ehrwürdigerZwangsvorstellungenesabprallenkann. Undman erwirbt
·dasRecht,einwichtigesThemainRuhe nocheinmal zubehandeln.
Zuerst alsoderTitel. Sprach Lassalle wahr,alsersagte,über der DeutschenHäupterseiendiegroßenGeisterwie einKranichschwarmhinge- zogen,ohneim SinndesVolkes dauerndeSpurzulassen? JstSchiller sogar schonvergessen?Derschriebunter den Titel»Die deutscheMuse«dieVerse:
KeinaugustischAlterblühte, KeinesMedicäersGüte
LächeltederdeutschenKunst;
Siewardnicht gepflegtvomRuhme, SieentfaltetedieBlume
NichtamStrahlderFürstengunst.
VondemgrößtendeutschenSohne, VondesgroßenFriedrichThrone
Ging sieschutzlos,ungeehrt.
Rühmend darssderDeutschesagen, Höher darfdasHerz ihmschlagen:
SelbsterschufersichdenWerth.
Darum steigtinhöhermBogen, Darum strömtinvollernWogen DeutscherBarden Hochgesang Undineigner Fülleschwellend UndausHerzens Tiefenquellend,
SpotteterderRegelnZwang.
DieBehauptung,derTiteldieses noch heute nichtveraltetcn Ge- dichtespassenicht füreineBetrachtungderkaiserlichenKunstproklamation, wirdderBriefschreiberselbstimAergerkaumhaltenkönnen.
UndJuliunP Daß nichter,sondernKonstantin offizielldasChristen- thum zur Staatsreligion machte, istmirnichtganz unbekannt. Nichtihm
DieJdealez Z
aber,nichtdemJahr324undnichtdemimnächstenJahr nachNicaeabe- rufenen ökumenischenKonzildanktdieGaliläerlehredie dauernden Sieg sicherndeMacht.NachwievorNicaearauftenArianer undAthanasianer, lähmten siediePropaganda;unddasneue RegimederDuldsamkeitwar derSachederChristenheit nicht nützlicheralsdasheidnischeWüthender Maximinus, Decius,Diokletian. DieEinheitdesFühlens,dieErlösung aus dumpferSektenengewar nochnicht erreicht; diesen werthvollstenGe- winnkonnte diejungeGemeinschaft,"dernoch soweniggemeinsamwar,erst ineinemletzten,entscheidendenKampf erstreiten. Wohl durfteGibbon sagen, jederSieg Konstantins habederKircheirgendeineErleichterung oderWohlthat gebracht,aberauch: »Schlau hielterFurchtundHofs- nungseinerUnterthanenimGleichgewicht;so erließerin demselbenJahr zwei Edikte,von denen daseinediePflichtzurFeierdesSonntages -einschärste,dasandere dieregelmäßigeBefragungderHaruspicesvor- schrieb.«Vonihm, dessenGebet mitheißesteranrunst Phoebus Apollo, denStrahlenden,im Gewölksuchte, stammtdieBezeichnungdesRuhe- tagesalsdesdiesSolis; »seineFreigiebigkeitstelltedieTempelderalten.
Götter wiederherundbereichertesie;dieMedaillen,dieaus derkaiser- lichenMünzehervorgingen, tragendieGestaltendesJupiterundApollo, desMars undHerkulesundseine kindlicheLiebevermehrtedenRathdes Olympos durchdiefeierlicheApotheoseseinesVaters Konstantius«.Gali- läergeistsprichtnichtaus solchemHandeln.DasMotiv,dasKonstantins Bekehrungwirkte, ist nochheute nichtganzentschleiert.Vielleichtwares, wie Gibbon sagt: »SeineEitelkeitwurdedurchdieschmeichelndeVersicherung gefesselt,daßervomHimmel auserwähltsei,umüber die Erde zuherrschen;
derErfolg hatte seinRecht aufdenThron bestätigtunddiesesRechtgründete sich aufdieWahrheitdergöttlichenOffenbarung«»«.Vielleichtwirdseine Stimmung richtigmit dem Wortangedeutet,dasderehrfurchtloseSatiriker ihm aufdieLippe legte:Lessaints autels n’åtaient ä«mes regards qu’un marchepiedauträne des Cäsars.DasBündnißvonThronund Altar hatderSohndesKonstantius geschaffen;die innereKraftderChristen- sheitabererwuchs erstin demKampf,den derApostat gegensieführte.Nur ein Jovian,defsenVorgängerJulianwar, konntewirken,sichoffenzuAthanasius -"bekennen,denGlaubenanGriechenlands Götterentwurzeln.Fastmöchteman dieApostasiefüreinklug ersonnenesMittelpolitischerTaktikhaltenund meinen,der feineGeist Julians,desintellectuel, dersogern inParis lebte, lthabebewußtdurchdie SelektioneineshartenKampfesdiezerfahrene,zank-
Isi-
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süchtigeSchaargestählt,die denMeistennochimmernur einejüdischeSekte war. DemManne,deraufdemTigris seineganzeFlotteverbrennen ließ, um denTruppendieHoffnungaufeinenbequemenRückzugabzuschneiden undsievordieWahl zwischenSiegundTod zustellen,wäresolchesBegin- nen wohl zuzutrauen. Jedenfalls hater,bewußtoderunbewußt,fürdas ErstarkendesChristenthums mehr gethanalseinandereerperator. Da- rinstimmen,seitdieschrillen AnklagerufeGregorsvonNazianzverhallt sind, beinahealleBeurtheilerüberein.SchonGibbonmeinte,derTriumph desChristenthums sei »in gewissemGrade«Julian zuzuschreiben.Renan, derinTheodosiusdenerstenKaisereineschristlichenReiches sieht, sagt,die innige,liebevolleChristengemeinschaftseierst nachdemKampf,den dieGa- liläer unter Julianzubestehenhatten, möglichgeworden.UndStrauß schließtseine oft geschmähteSchriftüber den Romantiker aufdemThron derCaesarenmit demSatz: »Unfehlbarmuß jederJulian— Dasheißt:
jeder auch noch so begabteundmächtigeMensch,dereineausgelebteGeistes- undLebensgestaltwiederherzustellenodergewaltsam festzuhaltenunter- nimmt—— gegen den Galiläeroderden Genius derZukunft unterliegen«
Der Titel und dieErinnerunganJulian stimmen,wennsieManchem auchnicht gefallen mögen,imSinnwenigstens also zusammen.Ueber den Gedankenläßtsichnatürlichstreiten; immerhin sollteihn Jeder nachdenken, eheerihn verwirft.Wäre eswirklichbesser,»wennKlinger,Hildebrand, Obristund KünstlerähnlichenWesens für diePuppenallee gearbeitethätten«? AehnlichenWesens! Jedenderangeführten,jeden selbständigschaffenden Künstlertrenntvondemanderen,magerauchThüranThürmitihm hausen undin demselbenSaal ausstellen,eineWelt,eineWeltanschauung.Das- lehrteinBlick in die SälederBerliner Sezesfion,woKlingerjetztneben Hofmannzusehenist. Diese Künstler müßteneinenTheil ihrer Persönlich- keitopfern,um fürdasHausHohenzollernarbeiten zu können.Klinger dürfte seinenBeethoven nicht aufeinenThron setzen,derjanur legitimen Herrscherngebührt.LiebermanndürftefürPrunkgemächerdenKaiser nicht malen,wieerdenhamburger BürgermeisterPetersen gemalt hat,denja sogardiebürgerlicheSenatorenfamilie schon,,scheuslich«undderKunsthalle unwürdigfand. LepsiusmüßteaufdiefeineKunftdesunerbittlichenPsycho- logen,Alberts aufdenleisen Reiz frommer Jntimität verzichten.Viele brächtendasOpfergern;derLockungeinesgroßenAuftrages,dernichtnur Geld undRuhm,deroft überhaupterstdieMöglichkeitvollerBethätigung verheißt,widerstehtseltenEiner.DieanfehnlichereStandbilderreihe,die wir
DieIdeale. 5
dannimThiergarten hätten,wäre aberrecht theuer bezahlt. DerVorschlag, HenryvandeVeldefür Preußens Hauptstadteinen Dombauenzulassen, klingtwie einWitz.DemBelgier, dessenleidenschaftlicheLogikalleaustoten Kulturen stammendeTraditionalsunbrauchbar bekämpft,istderBaueiner KirchesicherkeinHerszensbedürfniß;ermüßtesein eigenstesWesenaufgeben, wenn erfürdenSummus episcopusderpreußischenLandeskircheeinen Dombauenwollte. UndwennderKaiser sagt, ,,jedes Kunstwerkmüsseimmer einKörnchenvondemeigenenCharakterdesKünstlersinsichbergen«,so werdenVielesichnichtmit solchemKörnchenbegnügen,sondern fordern,das Kunstwerkmüsse,jeder Theilundjedes Ornament,dasdemerstemBlick unverkennbare GeprägederPersönlichkeittragen,die esschuf.In derSieges- allee wirdman dieProfessoren BegasundBrütterkennen;dieNamender anderen Bildhauerwirdnur derin berlinerAteliers Heimischeerrathen.
Unddochsind KlassizistenausderRauchschule,mitSchaperundSieme- ringanderSpitze,BarockplastikerundangeblichModernedarunter ; Und dochsagtderKaiser,erhabe ihnen ,,absolutesteFreiheit«gelassen. Freiheit inGrenzen,dieJedervonihnenkannte,aufdieKeinersiehinzuweisenbrauchte; Freiheit,diesichmitdenUeberlieferungendesHohenzollernhausesverträgt.
WelcheErwägungendamitwirkten,beweisteinewahreGeschichte.Als einem derHofbildhauergesagt wurde,erhabe seinen PreußenköniginKopfund HaltungWilhelmdemZweiten aussallend ähnlichgemacht,antwortete er, mitüberlegenemLächeln:»Daswollteichja!« ObVasari,alserLorenzo, Bronzino,alserGiovannideiMedicimalte, auchsolcheRücksichtenkannten ? DieMediciwaren nicht angestammteHerrscher,sondern Großkapitalisten, Parvenus,Ahnenhöchstens,nichtEnkel. SieschlepptennichtdiegüldeneLast dynastischerUeberlieferungenmitsichundhatten,ehesieeinenKünstlerwähl- ten,nicht erst langezufragen,oberauchschlichtundfromm seinachaltem Brauch.Jhr SchicksalwiesihnendenWeg,den derneueGeist beschritten hatte.Alssie Päpste gewordenwaren, hättensieeinemKünstler, dessen AtheismusinRombekanntgeworden wäre, wahrscheinlichkeinenAuftrag mehr gegeben.Damals aber,vordemneuen Masseneinbruchin dasFeld derGeschichte,that zwischenBesitzundBildung sichnochkeineKluft aufund unmöglichwareinZustand,wieHerrvonWildenbruchihnin einemwun- derlichenArtikel über denSchillerpreis jüngstprophetischverkündete:»Dann kommtDas,wasFeindeundBöswillige ersehnenundwasich,weilich es alseinnationales Unglückbetrachte,mit allenKräften verhindernmöchte, dann entstehtaufdemGebiet,woDeutschlands edelsteGeistessrüchtege-
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deihen,einetiefe,allesgegenseitigeVerständnißausschließende,vielleichtnie- mehrzu überbrückendeKluft zwischendemKaiserundseinemVolk.« Kein VolkhatteinMedicäerplänehineinzureden,keinKünstler standvorder bangenWahl,oberdemHofdienenwolle oder demDemos. Sohochwie heute wagtederEhrgeizderKünstler sichauchkaum. Siefühltensichals- Handwerker— dasPortrait Michelangelos zeigtdenTypusdesHand- werkers, freilicheinesvomDämon besessenen— undsetztenihren Stolz darein, ihreArbeitbesserzumachenals derNachbarundmindestenseben so gutwie der Konkurrent aus Venedig, SpanienoderHolland.Daher kommtvielleichtdieberuhigendeEinheitinmanchenRäumendesPalazzo Pittiund derUffizien,das überlebende Sinnbild einheitlicherKultur. Diese Männersprachen,wiesiedachten,malten undmeißelten,wiesie empfunden, undbrauchten nichtszuopfern, nichts ihremWollen anzuflicken,wenn sie einesFürsten Auftrag ansführten.UnddieklügstenFürstenkonnten dem Künstler getrostdieAusführung überlassen,weilsie wußten,derMann werdenichts liefern,wasinihre Säle, Gärten, Grüfte nicht passe.
Dasistnunandersgeworden. Nichtseitgestern, nichtdurchdieSchuld derFürsten,nichtnurinMonarchien·Als Overbeck mitseinenJüngernim römischenKlosterSaanidorofaß,trennteihnschoneineWeltvonCanovaund Rauch, die, nichtweitvonihm,unter demHimmelderselbenStadt antiker Skulptorenkunstnachzuschaffenversuchten.Undum wieviel breiternochwar dieKluftzwischendenKünstlern,dieLudwigs,desBayernkönigs,Walhall- traum inStein metzten,und William Türner,dervonderLandstraßeaus dasWunderwerk entstehen sahundnur dieStimmung,dasFarbenspiel desLichtesderWiedergabewerth,zurDarstellung reizend fandl«Leer und leerer wardsseitdemüber denWolken;deralteGlaubewar verbrauchtund dennochwurdedieNatur wie einefeindliche,desBändigersspottendeBeftie
vomMenschenneidgehaßt,vomMenschenhochmuthverachtet. Mußte siefür alleZeiten gehaßtundverachtet,konntesienicht, gerade sie,zu derneuen Gottheit werden,die dasSehnenimDust suchte?-«Goethehat1812 die kranke Epocheverhöhnt,»wo Staat undSitte,KunstundTalentmit einem namenlosen Wesen,dasman aberNatur nannte, ineinenBreigequirlt ward.«DreißigJahre vorheraberhatteerdasHoheLiedgesungen,dasuns heute klingtwie derunsichtbare, geheimnißvolleChorausderDichtersage:
»DieNatur spritzt ihre Geschöpfeaus demNichts hervorund sagt ihnen nicht, woher siekommen, noch, wohin sie gehen.Siesollennur laufen;die Bahnkenntsie.SieistAllesSiebelohntsichselbstundbestraft sichselbst,
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erfreutundquältsichselbst.Sieistrauhundgelind, lieblichundschrecklich, kraftlosundallgewaltig.Allesistimmerdainihr. Ich preisesiemitallen ihrenWerken.Sieistweiseundstill.Manreißt ihrkeineErklärungvom Leibe,trutzt ihrkeinGeschenkab,dassienicht freiwillig giebt.Sieist listig, aber zugutemZiele;undamBesten ists, ihre List nichtzu merken.Jedemer- scheintsieineinereigenenGestalt.AllesistihreSchuld,AllesistihrVerdienst.«
SolcheWorteverhallen nichtundkeinGreisenspottverwischtihre Spur.Wie dieAnkündungeinerneuen SchöpfungsgefchichteschlagensieanunserOhr.
HerrschtnurdieNatur gleichmüthignoch allein, istAllesihr Verdienst,ihre Schuld,dannmußderMenschzuihreinneuesVerhältnißsuchen;derMensch undderKiinstler,der denStummen,Tauben, Blindendie Welt zu deutenver- mag.Jhm istderOlympos versunken, istdasLeben in derZeitlichkeitauch nicht mehrbestimmt,zu reinerenDafeinsformenheranzuläutern;under kannnicht länger mystischeVorstellungen fertigaus demWaarenlagerder PhilologenundAntiquare beziehen.Das thaten auchdie Altennicht;auch ihrePhantasiewarddurchdasMühendesMenschen befruchtet,deseigenen WesensArt und die dunkleRäthselweltsichselbstzu erklären.Nicht anders wirdderVorgangin der SeeleeinesModernensein,dersich,inbewußtem Gegensätzezu denTheisten,einenNaturalistennennt. LichtundLuft, Alles, wasihndasWalten derNatur,derschaffendenund derleidenden, enträth- seln,erkennenlehrt,wirdihn schöndünken undderDarstellung werther als derGlanz pomphafterStaatsaktionen undderGespensterkultvorAl- tären, die keinerMenge Inbrunst mehr umfleht.Erwird die Altenehr- fürchtiglieben undvonihnen lernen, nichtaberihrGebetnachbeten,nicht mit der SeeledasLand derGriechen suchen,in demerewigeinFremdling bliebe, sondernin derHeimath,amhellenTag,dieSchönheitmitinnigem Werbenumklammern.Ueberallkann ersiefinden:amödestenStrand, aufdem sandigstenBoden,in desBergesdunklemSchacht sogar,woMenschenunter Qual undLebensgefahrden WärmespendendenStein-aus Höhlengängen ansTageslicht fördern.Alle Stätten wirderauffuchen,woihmverwandte Menschenathmen,und keines ElendsAnblick,auchdes,,scheuslichen«nicht, wirdihn schrecken.Denn erkommtnicht,umseinAugeanReizen zuwei- den,dievorihmHunderttausendenschönschienen,sondern,alseinfurcht- loferEntdecker derHeimathnatur,umin derMenschlichkeitGröße,in der GrößeMenfchlichkeitzufinden undAnderesehenzulehren,wieaufder ärm- stenScholle,in derfchmutzigstenHütteNatur undMenscheinander be- kämpfen,einanderertragen.SohatMilletundMeunier uns sehengelehrt;