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Die Zukunft, 28. Januar, Bd. 26.

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Berlin, den 28.Januar 1899.

F szs II-

Eine Festredeks

Watriotische

Feste, hochgeehrteGästeundliebe Kommilitonen, sindEr- innerungtage.IndemwirheutedenGeburtstagdesDeutschenReiches begehen,freuenwiruns nichtblosseines Bestandesundseiner Achtungge-

ch)AmJahrestagederReichsgriindung hatKarlLamprechtvordenleipziger StudenteneineRede gehalten, vonderschonBruchstückeveröffentlichtundglossirt wordensind,dieabernur alseinGanzes richtig verstandenwerdenkann und die Aucheinemweiteren Hörerkreise,alssie ihnin dersächsischenUniversitätstadtbei einemKominers erreichenkonnte, mitgetheiltzuwerdenverdient. Gedanken,wie Lumprechtsieaussprach,dämmern imDeutschenReichheutzutageinmanchen ernsten Mannes Sinn; dochnichtJeder vermagihnendasrechteWortzufinden.

Vor Anderen ist dazuderHistorikerberufen,dersichtbarGegenwärtigesFrüheretn DergleichenundBortheilewieGefahreneinespolitischenZustandesanden vom Laien allzu leicht vergessenen—- LehrenderGeschichtemessenkann. Selten sind fröhlichzechendenMusensöhnen,statt schnellverhallender Phrasen, so ernste Mahn- 1Mgen vorgetragenworden:daß sie Gehör fanden, isteinerfreulichesZeichen.Nach LamprechtsAnsichtistesnöthig,unseren politischenFesteneinenreicheren,tieferen Jn- klaktzuschaffenundsieausPhrasenparadenundKneipenfeierninwahrhaft festliche TagedesRückerinnernsanstolze,aberauchantrübeZeitendervaterländischenGeschich- teumzuwandeln. DieserWunschistin denletztenJahren auchhierhäufigausgesprochen worden;undnoch öfter der,dieVerehrungfürBismarck nichtnutzlos dadurchzu be-

Fhätigethdaßman jedesZufallswortdesGroßenandächtigstammelnd nachbetet, IOUderndadurch,daßman, wieer,sichdiegeistige Freiheit wahrt unddenin

wEsthselndenGestaltungenderAnsprücheundBedürfnisseauftauchendenProblemen Wtvffenein AugedieLösungsucht... AufdenGeburtstagdesReichesfolgt derGeburtstagdesjetzigen Kaisers,demwirAlleeinefesteGesundheit,treue UndfUrchtloseBeratherundeinstetiges,demVolk gedeihlichesRegiment wünschen;

möchteauchin dieFeierreden dieses Tagesundindie Stimmung derihnenLau- schendenEtwasvomGeist dieserungewöhnlichenFestrede dringen.

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bietendenStellungunter denReichendesErdballes Vielmehr,wieesjeder ernste MenschanseinemGeburtstage thunwird,lassenwirdie Blickeauch rückwärtsschweifenindieVergangenheitdesGeburtstagskindesundsuchen ausdemeindringendenundkritischenVerständnißderArt,wieesgeworden ist, zubegreifen,was esist,undSchlüssezuziehen aufDas,wasessein kannund vielleichteinmalseinwird. Jndiesem Zusammenhange liegtes begründet,daß derAusschußdesFestkommerseseinenHistoriker aufgefordert hat,hiervom ReicheundaufdasReich-zureden. Denn dieAufgabedes Historikerskannesnichtsein,indenbloßenJubeldesTages einzustimmen, auchwenn er nochsoberechtigtsein sollte,odervom Standpunktedieses Tagesausdienächstliegenden,,,aktuellen«VorgängederPolitikzu beleuchten.

Der HistorikeristkeinPolitiker,wieman sooft gesagt hat:geradeneuere Vorgängehaben deutlichgenug gezeigt, daßer seinemBerufuntreu wird, wenn ergegenüberjeder MaßregelderTagespolitikStellungzunehmen sucht.

DerHistorikerkannvielmehrdasLebenderGegenwartnur indemSinne unmittelbar zufördern suchen, daßeresalleininseinenallergrößtenZügen begleitet,injenen Zügen,die einendeutlichen, sichunwidersprechlichklarauf- drängendenZusammenhangmiteinerweitenVergangenheit aufweisen.Jn dieserHinsichtaberistesfür ihn auch Pflicht,zureden;gleichsamsoller derAtchivarder Nation sein,derinLebensfragendernationalen Gesellschaft, dererangehört,dieAktenherbeiholtundaufschlägtundihren Inhaltreden läßt,—- unbekümmertum denWogenschaumderTagesmeinungen, der rechts undlinksvonihm aufspritzt.

Die europäischenNationen, deren geschichtlichesLebensichunter den ungeheuren AnforderungenderKultur desneunzehntenJahrhunderts noch alsdauerhaft erwiesenhat,habenindenletztendreibisvierJahrhunderten ihres Daseinsallezwei großeEntwickelungfaktorenin sichgetragen:die MonarchieunddasBürgerthum;baldinFeindschaftgegeneinander,bald engzugemeinsamemWirkenvereint, haben diese Faktorendie inneren und auchdieäußerenGeschicke,vor AllemEnglands, FrankreichsundDeutsch- lands,bestimmt.Vonihnen istdieMonarchiederältere. Diefrühesten, räumlich noch sehrkleinenStaatenbildungen auf germanischemwieromant- schemBoden waren monarchischoder trugendenKeimzurEntwickelung derMonarchieinsich.Unddiese Monarchie hat, durchalle dieverschiedenen Wandlungen hindurch,diesiein eineranderthalbtausendjährigenEntwickelung durchgemachthat, dochdie eineTendenz festgehalten:die derVergrößerung desStaatsgebietes. WelcherMonarch auch nochderGegenwartwürdenicht denedlenEhrgeiz haben, seinem NachfolgerdasErbe der Väternichtblos innerlichbereichert,nein,auch äußerlich,demRaumenach, vermehrtzuhinter- lassen?DiegroßenStaatsgebildedesfrühenMittelalters habendieserNeigung

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EineFestrede. 139 ihr Entstehenverdankt,obgleichdie Kultur dieser Zeitan sich großeReiche als dauernde Grundlagen politischen Daseins noch nicht zuließ.Ebenin diesem Punkte aber trittnun dieengeBerührungdesBürgerthumesmit derMonarchieein. GegenüberdemaufsEnge begrenztennaturalwirthschaft- lichenZustandedesfrüherenMittelalters, demnur räumlichkleineStaaten- gebildevölligentsprachen, gingendieAbsichtendesBürgerthumesvonAnfang

Un aufsräumlichWeite: hierher wiesenHandelundGewerbe,diewirth- schaftlichenDaseinsgrundlagendes neuen Standes, sobalder,lebensvoller feitdem elftenbisdreizehnten Jahrhundert,emporkam.Dies räumlich Weite aberwar auchdasJdealderMonarchie;esistdarum keinZufall, wenn sich schonindenKämpfen Kaiser HeinrichsdesBierten gegenRom uuddie lokaleAbgeschlossenheitderSachsenundanderer deutschenStämme dieBürger,zumerstenMale inderpolitischenGeschichtederNation er-

scheinend,alsbald enthusiastischaufdieSeitedesKaisers,auf die Seite der großenEentralgewaltdesReiches schlugen.Das politischeZiel,dasdas BürgerthumvonAnbeginninsAuge fassenmußte, daseszuerstrebenin seinengroßenZeitenniemals müdegeworden ist,ging mindestens aufdie Wirthschaftliche,womöglichauchaufdiepolitischeZusammenfassungderNation.

Und sogab dieses BürgerthumerstdemErweiterungstrebender«Monarchie denrechten festenGrund: mehr persönlicheBestrebungen erhieltendenUnter- baugroßer,unabweisbarer und mitderstetigenKraftvon Naturgewalten wirkenderKulturzufammenhänge.

JchkannimknappenRahmeneinerFestrede nicht verfolgen,wiediese Verbindungvon MonarchieundBürgerthuminEnglandund Frankreich gewirkthat; selbst für unsere eigene Entwickelung muß ich michmitAn- deutungenbegnügen.Genug, daßinFrankreichundEngland schließlichdas Bürgerthum,wieesdietieferetreibendeKraftdieserganzenBewegung ist, il)sich auchinderGestaltungderäußerenThatsachenalssolche erwiesen hak; Englandist Scheinmonarchie,FrankreichgarfchließlichRepublik geworden.

L

Beiuns haben sichdieDingeanders entwickelt. Wirhabenim vier- zchtitenbissechzehntenJahrhunderteineneisteu, außerordentlichenAufschwung unseresBürgerthumeserlebt;eswar derFallineinemZeitalter schonbe- trächtlicherSchwächungder altenkaiserlich:monarchischenIdee. TiesBürger- thUM istdann,vornehmlichinFolgederAblenkungdesWelthandelsandie atlantifchenKüsten nachderEntdeckungderNeuen WeltundinFolgeder unSchemen VerwüstungendesDreißigjährigenKrieges, gleichzeitigmit- der alten

kaiserlichenMonarchieinderMitte dessiebenzehntenJahrhunderts 10·’lc

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zusammengebrochen;nurinwenigenperipherischgelegenenStädten, wie Bremen, Hamburg, Frankfurt, Straßburg,Zürich, bestehteinZusammenhangzwischen demaltendeutschenBürgerthumund dem modernen. Eswar einZusammen- sturz sondergleichen;keineandere europäischeNation hatetwas Aehnliches erlebt;indasbitterste UnglücksahdieNation dieeinstigenVortheile ihrer großenmitteleuropäischenStellunggewandelt.

-Damals,in denZeitendesaufsteigendenpolitischenAbsolutismus, hat dieMonarchie auf deutschemBodendieVerdiensteerarbeitet, diesichheutein ihrer fürEuropa unvergleichlichfestenStellung wiederspiegeln.Die Territorial- fürsten,nunmehrzurSouverainetät emporsteigend,habenbeiallemFütter- glanz,densiegelegentlichwohlihrer »Reputation«schuldigzusein glaubten, dochfast durchweg,undvorAlleminihren mächtigstenVertretern, mitun-

unterbrochenemFleißdaran gearbeitet, diese zerschlageneNation zutrösten undzurSelbstbestimmungundwomöglicherneuten Selbstachtungemporzu- heben.UndnichtzumGeringstengalten ihre BestrebungenderForderung einesneuen Bürgerstandes.Es ist nichtzu vielgesagt,wenn man die An- fängeeinesneuen BürgerthumesindenerstendreiGenerationen nachdem DreißigjährigenKriegezumgroßenTheilalsfürstlicheSchöpfungbezeichnet.

Abernun wurdediesesBürgerthumselbständig.Undwunderbar unddoch nachderArtseinerEntstehungwiederum nichtwunderbar —: zu- nächstnichtauf seinem eigenstenGebiete.FürdasEmporblühenderKommerzien undManufakturen hattendieFürsten gesorgt: hierblieb derBürger noch biszumSchlußdesachtzehntenJahrhundertsvonihnen abhängigundviel- facheinKostgängerdesStaates. Selbständigaberwurde eraufeinem ganz anderen Gebiet: demgeistigen. Hierwurde er,wirthschaftlichsorglosund doch nicht üppiggebettet,zumTrägerallerhohengeistigenBestrebungen,deren Pflege nicht allzu reichematerielleMittel erforderte:zumTrägerdaher nicht derKunst, wohlaberder Literatur,derPhilosophie,derWissenschaft Durch AufklärungundEmpfindsamkeit,durchSturm undDrangundKlassizismus, durchRomantik undliterarischenundwissenschaftlichenRealismus hindurch wuchs jenesVolkderDenker undDichter heran,dasdieNationen der Welt inderersten Hälfte unseres Jahrhundertsbewunderten.

AberdasBürgerthum,dereigentlicheTräger dieser Bewegung,ander auchbaldandere Ständetheilnahmen,triebdochnichtnur dieseneinenZweig seinerEntwickelung. JndemesdenweitestenHorizontgeistigenLebensbe- herrschenlernte, gewannesEinfluß auch aufdieFeststellungdermateriellen ZieledesStaatslebens: dieaufgeklärteMonarchieistschon erfülltvonbür- gerlichenJdeenundbezeichnetalssolcheeinen halben SiegdesBürger- thumes.Undschon beganndasBürgerthum,auchunmittelbar politischzu denken;diesechziger,siebenzigerundachzigerJahredesvorigenJahrhunderts

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habenbeiuns dieersten Anfängeeinernationalen politischenLiteratur ge- sehen.VorAllemaber: diesBürgerthumgewannallmählichdieeigentliche wirthschaftlicheGrundlage seines BerufeszuvollerSelbständigkeitWie blühtedoch schonum die WendedesachtzehntenJahrhundertsderVerkehr empor; welchenUmschwungerlebtenIndustrieundHandel schoninder erstenHälfte unseres JahrhundertslUnd wasdieEmanzipationder bür- gerlichenBerufeausdemGängelbandederfürstlichenFürsorgebedeutete diese Berufe stellten jetztdieihrerLebensart undihrem Lebensbedürfnißent- sprechendenpolitischenForderungen: sieerstrebtendiewirthschaftlicheundpoliti- scheEinheitderNation. Sohaben offeneKöpfeschonimvorigenJahrhundert voneinerHansa deutscherFürstenim Sinne desspäterenZollvereines geträumt;

sostelltensichdieBürgersöhnedesNordens begeistertdemgroßenKampf umdie nationale EinheitundFreiheitzuBeginn dieses Jahrhundertsund dergrößteSänger dieser unvergeßlichenJahre,Körner,swar einBürger- licher; sowurde dasBürgerthumzumTräger jener Einheitidee,dieihre VerwirklichungimJahre1870gefunden hat.

Aber einglücklichesGeschick! diese Verwirklichungderna- tionalenEinheit ist nicht eingetreten ohne starkeBetheiligungdergroßen und kleinenmonarchischenGewalten desVaterlandes;diestarke Rolle, welchedieMonarchie währenddessiebenzehntenundachtzehntenJahrhunderts iM LebenunseresVolkesgespielt hat, ist nichtaufgegebenworden. Esist dasGebiet, ausdemvorAllemdieVerdienstedesFürstenBismarck liegen.

Nichtumsonstwar ereinLieblingundFreund deredelsten Fürsten unseres Vaterlandes.ErhatindemAugenblick,dadieZieledesBürgerthumesins Republikanischeumzuschlagendrohten,zurGeltung gebracht,wasderandere großeFaktor unseres historischenLebensbedeute. ErhatDaszunächst—ein Andereswar nicht möglich alsPreuße gethanundderWeg unsererna- tionalenEinigung hat durchdieharte PrüfungeinesBruderkriegesund, VergessenwirDasnicht, durcheinenVorgangderVerstümmelungdesna-

tivnalen KörpersimAusschlußderheute schwerleidenden österreichischen Brüder geführt. NachdemaberdiesePolitikdesBlutes undEisens durch- geführtwar, hatBismarck sichdengroßennationalen Strömungen,wiesie 111demVerlangendesbürgerlichenLiberalismus nach Einheit gegebenwaren, Untergeordnet, soweitDas zumAusgleichgegendasmonarchischePrinzip nöthigerschien.AlsPreuße wohl noch isterindenKriegvon 1870 ge- ZVAEUZals ein immermehrdeutschwerdenderMann kehrteerzurück.Wohl UUJahre1873 hater einenRückblickauf seinepolitischeLaufbahnmit dembedeutsamenMottoVersehen:unda fert. nec regitur, dieWelleträgt, abersieläßt sichnichtlenken. EsistdieAnerkennungDessen,wasdie in derbürgerlichenKulturgeeinteNationfürdiepolitischeEinheit gethan hat;die

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AnerkennungDessen, daß,wiederFürstesein anderesMal angedeutet hat,der Staatsmann wohl,wie einguter Förster,denWald schlagenkann, wenn erreif ist, nichtaber sein Wachsthumhervorzurufenoder auchnur zubeschleunigenvermag.

Warum abererzähleichJhnendiesAlles, meineHerren? Jchdenke, dievertiefte Betrachtung einiger wichtigsterStrömungenunseresVolkslebens undeiniger hervorragenderBedingungen unserer Geschichtehatuns unmittel- barbisindieGegenwartgeführt.Denn diesegroßenEntwickelungrichtungen sindindasReich herübergenommenworden unddauern inihm,wenn auch unter gewissenAenderungen,fort. DermonarchischeGedankehat schonda- durcheineaußerordentlicheStärkungerfahren, daß sichdieEinheitderNation inihm verkörpertzdasBürgerthumhat zunächstinseinem eigentlichenBe- rufskreiseausderpolitischenEinheitallediewirthschaftlichenKonsequenzen gezogen,die in demaußerordentlichenAufschwungunserer Industrieund unseres HandelszuTagetreten· Jstaber indiesem AufschwungdasVerhältniß beiderFaktorenzu einander,vom Standpunktdernationalen Zukunftaus betrachtet,einganzbefriedigendesgeworden? HiervorAllemliegtderPunkt, derbei einerernstenGeburtstagsfeierdesReicheszueingehendsterUeberlegung ausfordert·Sollten dieTrägerdesmonarchischenGedankenssichnicht fragen, oballeihreHandlungen danach eingerichtet sind,diegroßennationalen Strömungen,wiesienun einmaleinenwesentlichbürgerlichenCharakter haben, zubegünstigen?UndistdieentschiedenwirthschaftlicheWendungderbürger- lichen BerufsthätigkeitnichtvoneinerUnterschätzungder imweitestenSinne geistigenSeite desLebensgefolgtgewesen? Hat nichtdasöffentlicheLeben einenZug steigenderCharakterlosigkeiterhalten,wieerinByzantinismus nach oben, inRücksichtlosigkeitnachuntenzuTagetritt? Habenwirunsnichtzusehr den Denkensentwöhnt,des Denkensauchüberunsere eigenenAngelegenheiten?

HabenwirnichtnachaußenhinzumTheileinenideenlosenChauvinismusentwickelt undstehennichtunsere Anschauungenüber die innerePolitik jetztgeradebei natio- nalgesinntenMännern inhöchstbetrübenderWeiseunterdemZeichenderIdeen- losigkeit?Jstesnützlichundfördernd,statt eigenerGedanken, stetsnur Gedanken desFürstenBismarckzuwiederholenundsichdamitzumgeistigenSklavendes Mannes zumachen,der, wiejede,so auchdieseSklavereiverachtethabenwürde unddessenEhrfurchtgebietenderGestalt jederDeutschesichnurinfreierBewunde- rungnahen sollte?DassindFragen,diesichumDutzendevermehrenließen.

Sie aber,meineHerren, sindvor Allemberufen,dieFreiheitdes

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EineFestrede. 143

Denkens,dieIhnenJhreungebundenesoziale Stellung gewährtund die IhnenvonderHochschulealseinweitüber allembloßenWissen stehendes kostbaresGuteuropäischerCivilisationvermittelt wird,in sichmitreinem Herzen aufzunehmen,zuwahren,zumehrenundhinauszutrageninalle Lande als dasPalladium unserer Zukunftgeradeinheutigen Zeiten.

DenndieseZeitensindnichtleicht;undsiewerdennoch schwererda- durch, daßinderäußerenPolitik Gefahren drohen,die,weilelementaren Charakters, unvermeidlichsind. Gewiß giebteshier Lebensseitender Nation, dieuns fastnur von derSonne bestrahltundheiterundglücklicherscheinen können.Unsere letztvergangeneguteZeit wirftuns nochimmerreicheGaben in denSchoß:wie einePflanze,die,untergünstigemHimmelzukräftigerBlüthe entfaltetund zurFrucht gereift,nun ihrenSamen inalle Landestreut, so erfüllt unserewirthschaftlicheEntwickelungdieWelt und derdeutscheNameertöntseiteini- genJahrzehntenanniemals zuvoraufgesuchtenKüsten.Aberdanebensehen wir, wie in einemNachbarlandedieDingeeinerKatastrophezutreiben,bei der wirnicht gleichgiltigbleibenkönnten,selbstwenn essichnur um einfache Nachbarn handelte.Nun aberist nichtvondiesendie Rede,sondernviel- mehrvon lieben Freundenund stammverwandtenBrüdern· Wie werden diese Dingeenden? Sind wirgerüstet?Jchmeinenichtnur: diplomatisch gerüstet. JstJedervonuns gerüstet?Sind wir,wenn esnoihthun sollte, bereit,einengesundenLeib undeinekräftige,freieSeele indenDienstdes Vaterlandes zustellen?...Jeder lege sichdiese Fragevor undbeantworte fie, einerlei,wasdieZukunft bringen möge,inenergischerPflichterfüllung undklarerSelbsteinschätzungzu Dem,was erbeiäußersterAnspannungder Kräfte sichundseinemVaterlande seinzu könnenglaubt.

DasseidieStimmung,meineHerren,mitderwirdenheutigenTag feiern·Das seiderErnst,indemwiruns anschickenzudemRufe:Gott fegne unser theures Vaterland;erschützeKaiserundReich;erschützeseine Fürstenundseine freienStädte!

Leipzig ProfessorDr. Karl Lamprecht.

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Anfängemoderner Kunst.’«)

Goethe

gabinden»Propyläen«desJahres1801 über dieKunstin

«Deutschlandeine»flüchtigeUebersicht«,inderermitwenigenWorten denStand derLeistungenindenverschiedenenHauptstädtendesSchaffens darzustellen bestrebtwar. Man kann,bei allerVerehrung fürdenGroß-

«meister,dergeradedamals durchdiePropyläenans Werkherangetreten war, derdeutschen Kunsteinenneuen Mittelpunktzuschaffen, sichdes Staunens darübernicht erwehren,wiearm,wie»flüchtig«dieseUebersichtist.

Siehat ihm bösesBlut von verschiedenenSeiten eingetragen; namentlich von Berlin. Dort schien GoethederNaturalismus mitderWirklichkeit- undNützlichkeitforderungzuHaufezufeinundderprofaische Zeitgeist sich

amMeistenzuoffenbaren. Poesie, sagter,wirddurchGeschichte,Charakter undJdealdurch Portrait, fymbolischeBehandlung durch Allegorie,Land- fchaft durch Aussicht,dasAllgemein-Menfchlichedurchs Vaterlandifchever- drängt. Vielleichtüberzeugeman sichbald,daßeskeinepatriotifche Kunst undpatriotifcheWissenschaftgebe.Beidegehören,wieallesGute,der ganzen Weltanundkönnennurdurchallgemeine,freieWechselwirkungallerzugleich Lebendeninsteter RücksichtaufDas,wasuns vomVergangenenübrigund bekanntist, gefördertwerden.

WenmeinteGoethemitdiesenAusfprüchen?BernhardRode,Fritsch, Meil, Darbes, WeitfchundwiedieMaler derberlinerAkademie allehießen?

Esistin demAuffatze hiervon nichts gesagt. Wohlaberantwortete Einer derBesten,dieBerlin besaß,derBildhauer Gottfried Schadow·Fürihn isteinNaturalistDer,dereineKunsttreibt,ohne sievoneinemMeister (Profefsor)oderineinerSchuleerlernt zuhaben.EinsolcherwarDaniel Chodowiecki,dernachderWeisekeinereinzigenSchulezu Werkeging, auch nieeinenLehrmeisterhatte.Oberdeshalbabergeringerzuschätzenfeials Anderesdienichtszusehenund zu arbeitenvermöchten,außerdurchdieBrille irgendeinesMeistersoder einerSchule,feinoch nicht ausgemacht. Schadow freutesichderArbeit,dietreu undehrlich nacheinemvorliegenden Muster abgebildetsei; daßjedesKunstwerk in Berlin behandeltwerdewie einPortrait oderKonterfei;er freute sichdescharakteristischenKunstsinnes,wenn auch dieserindenPropyläen aufdieniedrigste Stufe gestelltwerde: er seider einzige, durchden wirDeutschedahin kommen,Kunstwerkehervorzubringen, in denenman uns selbst sähe.Anstattzugebenundauszubilden,wasin

dsc)EinFragmentausdemWerk»Die deutsche Kunstdesneunzehnten Jahrhunderts«von Cornelius Gurlitt,das, alszweiter Band desSammel- werkes»Das neunzehnte JahrhundertinDeutschlands Entwickelung«,inderzweiten FebruarhälfteimVerlagvonGeorgBondiinBerlin erscheinensoll-

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Anfänge Inoderner Kunst-

uns ist,quälenwiruns,hervorzubringen,wasdemvonFremdenGemachten ähnlichsei. Man begründedieKunst nicht aufdieVerhältnisseimBau

-desKörpers, sondern ausdasliebeJGefühl;man strebeimKunstwerknach- Endreimen,indemman über demWeichen,Fleischigen,Punktirten, Geschabten, Vertriebenen, Malerischenunddemeleganten Vortragdiewahre Gestalt, CharakteristikundFormderDinge vergesse.Werrichtigundtreunachmache, seiaufdemrechten WegederSchönheit.Umdenuns bekanntenlebenden

"Menschendarzustellen,getreu, als einenSpiegelderNatur,bedürfeeseines unbeschreiblichrichtigenAuges,einergeübtenHand,einesehrlichen,treuen Sinnes, bestimmtenhandwerklichenWissens. Nichts sei geeigneter,einenjungen Künstlerirrezusühren,alserträumteundvermeintlicheVollkommenheit Hin- sichtlichderLandschaftsagt Schadow,inderNatur gebeeskeinenallgemeinen Baum, sondernnur bestimmteBaumarten, undwer einenBaum abbilde, müssesagenkönnen,welcherArtersei.DiealtenHolländer,obgleichsie langeinJtalien studirten, hättensich durchdie»Poussinaden«nichtirr Wachenlassenunddaher schätztensiedie Jtaliener noch heute;nur durchtreue NachahmungderNatur lassesichetwas Eigenthümlichesschaffen.Das Allgemein:Menschlicheliegeeben imVaterländischen:geradedie Statuen der Altenhättenihre bestimmtePhysiognomie,ihre Verhältnisse,ihreMerkmale- AberdieKöpfe, Hände, FüßedesPietrodaCortona und seinerSchule, Also derBarockmeister,wiejenedesBerliners RodeunddesLeipzigersOeser, Müssenwie dieGesichterunserer SchauspielerzujederRolleherhalten. Besäßen wirnur dieGeschicklichkeit,Vaterländisches,Eigenes darzustellen,wieunsere Altväter,sowürdenwireineSchule haben,derfremdeVölkerihreSamm- lungenöffneten.DieGeschicklichkeit,dieArtundWeise fremder Meister Imchzuahmemhätteuns diesenicht erschlossen. Homeridezusein, auchnur alsletzter, istschön, habe Goethe gesagt: »Homeridseseinwollen«,sagt Schadow,»wennman Goethe ist! Hätte ich dochdieMacht,dieseunver- zejhlicheBescheidenheitzuverbieten!«

Die beidenAufsätzeerwecktenvor hundert JahrenAufsehen: siekönnten hleutegeschriebenwerden. Nur wäreDas, was GoethealsderVertreter einer kommendenKunst sagte, heutedenVertretern derälterenRichtungzu- gefallen UndSchadow,derdamals freilich auch erst achtunddreißigJahre Fltwar,vertrat die Alten, dieAbsterbenden,eine endendeKunst. Man hat Ihn lange Zeit fastganzüberThorwaldsenundRauch vergessen.

Die beidenGegner habendenKampfdesJahrhunderts gekennzeichnet,

opgleichdasspäterso oftverwendete WortJdealismus indenbeidenAuf- satzkn nichtvorkommt. Sein Gegenspiel,der Naturalismus, erscheintdafür.

Undesist durchaus bezeichnend,daßGoetheundSchadoweinandernichtver-

standen,alssiedasWortverwendeten, daß Jederetwas Anderesdarunter

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verstand.DennGoethemeintedochsicherunter9«iaturalisn1us,wieerselbst sagt,eineKunst, welchedieWirklichkeitUndNützlichkeitzuihrer Forderung mache, nichtdievoneinemungeschultenKünstler hervorgebrachte,von einem solchen,dernur aus seinerNatur herausschaffe.DiesMißverstehenistein zweitesMerkmalunseres Jahrhunderts,trotzseinerphilosophischenSchulung.

WerheuteüberJdealismus, Realismus,Naturalismus spricht, thutimmer nochgut, zuvorsichdarüber zu erklären,was erdenneigentlichunter den armen, zuTodegemartertenFremdwörternverstehe.

GoethealsKämpfer.fürdasAllgemeingiltige!Wieherrlich hatteer sicheinMenschenleben früherganz inSchadowsSinn geäußert:»Die Kunst istlangebildend,ehesieschönist,unddoch so wahre, großeKunst,sa,oft wahrerundgrößer alsdieschöneselbst... LaßtdieBildnerei desWilden aus denwillkürlichstenFormenbestehen, sicwirdohne Gestaltungverhältniß zusammenstimmen;denneineEmpfindung schuf siezum charakteristischen Ganzen. Diese charakteristischeKunst istnun istdieeinzig wahre. Wenn sieausinniger, einiger, eigener, selbständigerEmpfindungum sichwirkt,un- bekümmert,ja unwissendallesFremden,damag sieausrauherWildheit oderausgebildeterEmpfindsamkeitgeborenwerden: sieistganz undlebendig!«

Auchdamals,auf seinen Aufsatzüber dasMünsterzuStraßburg,hatte ihm einKünstlervon Namen, einbewährterLehrer,derdresdener Akademie- professor Friedrich August Krubsacius, geantwortet. Wieerden»witzigen Schwätzer«vonobenherab behandelt, nachdenneuestenUntersuchungenüber dieBaugeschichtederJrrthümer überführt!DaseisamBesten,wenn man allenUnterricht,alleGrundsätzeundRegelnindenKünsten verwerfe,denn so könneman ohnevielStudiren, wenn man nur Mutterwitz habe,mit leichterMühebei allenUnwissendeneingroßesGenieheißen.Wenn Goethe mitseiner Begeisterung für charakteristischeKunst sagenwolle, einjeglicher Künstler müssefähigenGeistes seinzuseinerKunst,oder, wasdasSelbe ist,ermüsseGeniedazu haben,sohaterdamit etwassehrGemeines und Altesgesagt;undwas konnteersonstdamitsagenwollen? Sie verstanden einander nicht,die beidenKämpfer,abersie hätteneinander dreißigJahre späterverstanden;denn inzwischenwar GoethedenWeggezogen,dendie deutscheVölkerwanderungseitdenTagenderCimbern undTeutonen breit- getreten hatte,über dieAlpen.ErhattedasZiel erreicht:Rom!

Er, der großeHeide,war indieHauptstadtderPäpste gewandert,

um einetiefe Herzenssehnsuchtzubefriedigen,einescheinbar unauslöschliche indeutscherBrust. SieAllesind nachRomgezogen,dieFürstenunddie Völker,diederaltenKirche Gläubigenund deren Gegner. Goethezog dahinalsSchüler Oesers,desMalers, alsSchülerWinckelmanns, des Kunstgelehrten; nachdemesihmdieGewalt derAntike, zuerstinde:·mann-

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