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Die Zukunft, 26. Januar, Bd. 34.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 26.Januar 190t.

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GoetheUnd diegroßenDenker.

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ichimabgelaufenenJahr aufderGeneralversammlungderGoethe- Gesellschaftüber,,GoetheunddiePhilosophie«sprechendurfte,hatte dieErörterungindembesonderenZweckeinefesteäußereGrenze. Namentlich hätteesdamals vielzu weitgeführt,Goethes BethältnißzurGeschichteder PhilosophieundseineBeziehungenzudeneinzelnengroßenDenkernirgend zubeleuchten. DieserGegenstandhatabereineneigenthümlichenReiz: nicht nur läßtermitbesondererKlarheiterkennen,wasGoethebei derPhilosophie suchtundwasihmbeiihralsgroßgilt:erspiegeltüberhauptseine Art, MenschenundDingezunehmen,inhöchstcharakteristischerWeise,erbelehrt zugleichmitdeutlichemFingerzeigdarüber,wiewirselbstuns zuGoethe zu stellenhaben,wenn Das seinereigenen Denkart gemäßgeschehensoll.

EinenkleinenBeitragzudiesemProblem möchtendiefolgendenZeilenbieten.

Wirwissen,daßGoethesGedankenwelt sich nichtimAnschlußan einphilosophischesSystemund überhauptnichtvon derPhilosophie her gebildet hat, sondern daß sieausden innerenNothwendigteitenseiner eigenen NaturunddenErfahrungen seinesLebenshervorging.AbersolchesJnsich- lelbstgegründetseinbesagteschon deshalbkeinestarre Abschließung,weilGoethe sichselbstimmer alseinenWerdenden gefühlthat;alseinSolcherkonnte erzugleich.dieAufgabedesLebensdarin setzen,mehrund mehrmitsich selbstEinszuwerden undEins zubleiben,undfüralleFörderungoffen, lÜkalleHilfedankbar sein. Die FreiheitvertrugsichhieraufsBestemit anlichtigerPietät gegen dasGroße, »dasuns überuns selbst hinaushebt Unduns vorleuchtetwie ein Stern-« DiesGroßeaberfandGoethe,wie übekhauphso auchin derPhilosophie,vornehmlichbei den leitendenPersön-

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lichkeiten,die miteinemausgeprägtenGanzendesWesensvorseinemAuge standen.Was erbeiihnen sucht,istaberniebloßeBelehrung,sondern eineBelebungundSteigerungdeseigenenThuns;dasVerhältnißhateinen durchaus persönlichenCharakter,indem nur Das am Anderen beachtet, ergriffen,angeeignetwird,wasdeneigenenLebensprozeßzufördernverspricht- Jnsofern istGoetheeinEklektiker. Abereristesin demSinn, dener selbst diesem Begriff verleiht,wenn erals einenEklektiker Denbezeichnet,

»derausDem,wasihn umgiebt,ausDem,wassichum ihn ereignet,sich Dasjenige aneignet,was seinerNatur gemäßist«.NunhatteGoethevon·

Anfangan einedurchaus eigenartigeNatur einzusetzen,dieihn sichervor allemcharakterlsosenHin-undHerschwankenbewahrteundihn auchbei der AufnahmedesFremdenvorAllemseineigenes Wesen entfalten hieß.Es war ebenjenes AufnehmenbeiGoethenie blospassiverArt. Wieesihm alscharakteristischgilt fürdielebendige Einheitder»Entelechie«,daß sie

»nichtsaufnimmt,ohnesichsdurchs eigene Zuthat anzueignen«,-so ist ihm auchalles Anerkennen fremderGedankeneinUebersetzenin dieeigeneSprache, damitabereininnerlichesUmwandeln.

Dieser persönlichenArt seines Verhältnisseszu dengroßenDenkern warsichGoethe völlig bewußt;er wolltenicht sowohl schildern,wasdie Denkeran sich,alsbekennen,was sie ihmwaren; erhatnieverlangt, daß diebesondereWeise,wiesiesichinihm spiegeln, fürAndere maßgebend sein solle;erhatzugleichsichselbstdie volleFreiheit gegenüberdenDenkern vorbehaltenundeine blindeUnterwerfung stetsmitgrößter Entschiedenheit abgelehnt. Schien ihm dochüberhaupteinvölligesVersteheneinesAnderen inseinem eigenenSinn durchaus unmöglich. SolchenGesinnungenhat Goethebei derihmeigenenKlarheitübersichselbst oftAusdruckgegeben.

Inderner,zumBeispiel,mitdankbarerVerehrunganerkennt,waserSpinoza schuldet,verwahrtersichzugleichdagegen,dessenSchriften unterschreibenund sichbuchstäblichdazubekennen zu wollen. ,,Denn, daßNiemandden Anderen versteht, daßKeinerbei denselbenWortendasSelbewasderAnderedenkt, daßeinGespräch,eineLecture beiverschiedenenPersonen verschiedeneGedanken- folgen aufregt, hatte ich schonallzu deutlich eingesehen;undman wirddem VerfasservonWertherundFaust wohlzutrauen,daßer,vonsolchenMiß- verhältnissentief durchdrungen, nicht selbstdenDünkelgehegt,einenMann vollkommenzuverstehen.«Auchvon Kant,derGoethe nach anfänglicher Zurückhaltungmehrundmehr beschäftigte,heißtes: »Ich sprachnur aus, was in miraufgeregtwar,nicht aber,wasich gelesenhatte.«

Man könnte meinen, beisolcherpersönlichenArtderAneignunghätte Goethedie innereGemeinschaftmit den Anderenaufgegebenund dieWahrheit hättesichihmin eineunbegrenzteAnzahlsubjektiverSpiegelbilder aufgelöst-

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GoetheundviegroßenDenker· 147 Dasaberwar durchaus nichtseineAbsicht;undseine Grundüberzeugungen botenihminWahrheit einen festenHaltgegeneinensolchen zerstörenden Relativismus. Denn sein ganzesLebenundSchaffenwar durchdrungen vonderUeberzeugung,daß,wiealleFülleindividuellerBildungenvon einem Alllebenumfaßtsei, so auchalleVerschiedenheitindividueller Fassungeneine gemeinsameWahrheit nicht aufhebe, sondern sie vielmehr bestätige.Jndem JederdieWahrheitinseinerSprache aussprichtundüberhauptsie sichindi- viduellaneignet,bleibtesdieselbeWahrheit, innerhalbderer wir Allestehen und derwirAlledienen. So gerathen Individualitätund Allgemein- giltigkeithier nichtineinenWiderspruch,es»kannJeder seineeigeneWahr- heit habenundesist dochimmerdieselbige«;so läßt sichderGedankedes Anderen mitvölligerFreiheitin dieeigeneSprache übertragen,ohne daß sein Wahrheitgehaltaufgegebenwird.

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EinanschaulichesBeispieleinessolchenVerwebens vonfremdenund eigenenGedanken bietet dieBehandlungdesAesthetikersHemsteihuis »Hemster- huis’Philosophie,dieFundamentederselben, seinenJveengangkonnteichmir Nichtanders zueigenmachen,alswenn ichsie.inmeineSprache übersetztr.

DasSchöneunddasandemselbenErfreuliche sei, sosprachersichaus, wennwirdiegrößteMengevon VorstellungenineinemMoment bequem erblicken undfassen; ichabermußtesagen:dasSchöne sei,wenn wirdas gesetzmäßigLebendigein seinergrößtenThätigleitund Vollkommenheit schauen,wodurchwir, zurReproduktiongereizt,uns gleichfallslebendigund inhöchsteThätigleit versetzt fühlen.Genau betrachtet, istEins und eben das Selbegesagt,nur vonverschiedenenMenschenausgesprochen.« viel Mehrhat hier GoetheausHemsterhuisgemacht,wiesehrhaterdasSchul- Mäßigeseiner LehreinsReinmenschliche,dasblosJntellektuelleinsAllge- meingeistigegehoben!Unddoch isteinegewisseVerbindunggewahrt,das Gemeinsameaus allerVerschiedenheitherausgesehen-

Solche persönlicheund individuelle ArtderBehandlung hatunver-« kennbar ihre Schranken.Sie belehrtuns im Grundewenigerüberdie AnderenalsüberGoethe, sie ergiebtkeinzusammenhängendesBildder GeschichtederPhilosophie, sie stehtin derGefahr,voneinzelnenhinreißenden EindrückendergroßenPersönlichkeitenher Gesammtbilderzuentwerfen,die den Kernnicht treffen.Dasgiltvon derberühmtenSchilderungundVer- gleichungvonPlatoundAristotelesinderGeschichtederFarbenlehre.Wenn Goethehier Plato,dentemperamentvollstenundkampsesmuthigstenwohlaller Denker,sichzurWeltverhalten läßt ,,wieeinseliger Geist,demesbeliebt,

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einigeZeit auf ihrzuherbergen«,undwenn ervonAristoteles,demSchöpfer dersystematischenMetaphysik,dem»MeisterDerer,diewissen«,sagt: »Ari- stoteles stehtzu derWelt, wie ein Mann. einbaumeisierlicher.Eristnun einmalhierundsoll hierwirkenundschaffen.Ererkundigtsichnach dem Boden, abernichtweiter, als biserGrund sindet.Von da bis zum Mittel- punktederErdeist ihmdasUebrigegleiebgiltig«,so sind dieseBilder nicht etwablosinEinzelheitenderAusführung,sondernin derGrundanlagever- zeichnet,—·so verzeichnet,daßnur derleuchtendeGlanzihrerFarbe einiger- maßen verstehenläßt,wiesieselbstinHandbüchernderPhilosophieeine Auto- ritätbehauptenkonnten.

Solche Irrungenaberentstandenim Grundenur dadurch, daßGoethe selbstdasGebietseinerStärkeverließnndlehihaft auftratzwoersichin seinenGrenzenhältund dieDenkernur inDem voisührt,was sie ihm persönlichsind,dahatereinenvöllig sicherenBoden unddabieteteruns Etwas,dasunvergleichlichwerthvoller istalsAlles,wasdieüblicheMatt- heitdesDenkens undLibensalsObjektivitätzupreisenpflegt.Seine Be- ziehungenzugroßenDenkern sindin ersterStelle Entwickelungenseines eigenenSeins, Bekenntnisfeübersein eigenesStreben. Wir sehendie Gedankenkreisesich berühren,SynthesenvonWesenzuWesen entstehen,Leben vonhier nachdortüberströmen.DieEigenthümlichkeitdergoethischenDenk- weise wird hieran einembesonderen Gegenstande saßbar.Aberauch die anderenDenkererschließensichunsinderBerührung.WennGoethesBlick immer aufdasWesentliche,Fruchtbare, Reinmenschlichegeht,wenn seinSehen einHerausfehen«dereinfachenGrundzüge,sein Schildernein inneresBeleben ist, so mußvonderSpiegelunginseinemklarenundgegenständlichenGeist helles Licht auf sie zurückfallen,so müssenauch sieuns ingroßenund reinen ZügenvordieAugentreten. Sehenwir,ob diethatsächlicheBehandlung derDenker,diefür Goethebesondersvielwaren, solcheAnnahmebestätigt.

Goethes SchätzungdesGriechenthurnsmußteihm,wieüberhauptdie altenDenker,so namentlichDiejenigenunterihnen werthvollmachen,welche dasEigenthümlichedesklassischenGeisteslebensinGedankenzufassenver- standen.Sokrates, Plato,Aristoteles,unter ihnenwieder Plato voran, traten damitin denVordergrund. NamentlichinzwiefacherRichtungfühlte Goethe sichzuihnen hingezogenunddurch siegefördert.Zunächstwar es diegrößereEinheitundEinfachheit gegenüberderVerzweigungundVer- wickelungdesmodernen Lebens,diejede Annäherungan jenedreiHelden desGedankens alseinEreignißbegrüßenließ,»was wir am Freudigsten empsindenundwasunsereBildungzubefördernsichjeder Zeit kräftigerweist.«

Ja,alseineRettungaus dergrenzenlosenVielfachheit,Zerstückelung,Ver- wickelungder modernenNaturlehrekonnte dieFrage erscheinen: »Wiewürde

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GoethennddiegroßenDenker-. 149 sichPlatogegendieNatur, wiesieuns jetztinihrer größerenMannich- faltigkeit,beiallergründlichenEinheit, erscheinenmag,benommenhaben?«

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EinZweites,dasGoethemit denAltenverbindet, ist ihre synthetische Art, namentlich,wie sie in der engenZusammengchörigkeitvonMenschund Welt zum Ausdruck kommt. JenesberühmteWort,dasAuge müssesonnen- haftsein, damit wirdasLichterblickenkönnten, hängtnichtnur äußerlich mitPlato zusammen:esistdieplatonischeUeberzeugungvon derWesens- verwandtschaftzwischenSeeleundWelt,voneinemWiederzusammenkommen Beider in derErkenntniß,die auchGoethesDenkenbeherrscht.Jndem hierGoethe den Altenfolgt, vollziehterzugleicheineBekräftigungseineseigenstenWesens.

Langemüssen wirdurchdieZeitenwandern,um zu einem Denkerzu gelangen,derGoethe sovielwarwiePlato;habenwirihnaberinSpinoza gefunden,soist zugleichderHöhepunktdesGanzen erreicht.Denn nirgends hat sicheinso inning Verhältnißgebildet, nirgends hatder Andereeineso unmittelbare GegenwartimeigenenLebensprozeßgefunden,wieeshierge- schieht. Mehralseinmal hatGoethebekannt, daß,wasihnzuSpinoza zog,vornehmlichdiefriedliche Wirkungwar, dieer von ihm empfing,die Friedensluft,dieihnvon dortanwehte.Eswarnichtnur«eineVerstärkung, eswar aucheineErgänzung.dieihmdaraus zuging.Denn erempfand, namentlichinderEpochedes Sturmes undDranges,dieausgleichendeRuhe SpinozasalsdenwohlihäiigstenKontrastzu demeigenen,Allesaufregenden Streben;aberauch späterrettete ersichgernvordemGewirr des Lebens undvorunangenehmenEindrückenfremdartigerDenkweisenzujenem »alten Asyl«. Hier fandersichunterstütztindemVerlangen, aller partiellenRe- signationüberlegenzu werden durcheinruhigesundreinesResignirenim Ganzen,hierfesselteihneinegrenzenloseUneigennützigkeitderGesinnung, hier saherdieWeltbegriffeabgelöftvonderKleinheitdesMenschen, hier fanderalleMannichfaltigkeitvon einemgroßenAlllebenumfangenundsah sichzugleichin derihm so tief wurzelndenAnschauungweisebestärkt,das Göttlichenicht in die Weltvon draußen hineinkommenzulassen, sondern Gottin derNatur,dieNatur in Gottzusuchen.WasdagegenanSpinoza dereigenenNatur fremdartigwar, Das konnteGoethe, unbeschadetaller Verehrung,einfachabstreifenundauf sich beruhen lassen.Sodiemathe- matische Einkleidungder Gedanken,so überhauptdasschwerfälligeRüstzeug derBeweisführung,ferner Alles,was hierderSelbständigkeitdesIndivi- duumsundderFreiheitderBewegung entgegenwirkt.WennGoethedie großenJntuitionen Spinozasreinheraushebtundsichalleindaranhält, so

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giebt seinBildallerdingsnur denSpinoza Goethes, nichteinenAllerwelt- Spinoza;aberistvielleichtnichteben damit,wasinJenesLebensarbeitan

unvergänglicherWahrheitsteckt,mitbesonderer Klarheitherausgestellt?

GegenSpinozatritt Leibnizsehr zurück.AberGoethe erwuchs nicht nur ineinervon leibnizischenGedankendurchdrungenenZeit: auch seine eigeneNatur enthielt Annäherungenan dengroßenMonadologen.Vor Allemistin derJdeederIndividualitätund desBeisichselbstseinsdesInnen- lebens einZusammenhangunverkennbar. Weranders hatdemGedanken Bahngebrochen,daßindenMenschen nichtdasMindestevonaußen hin- einkommenkönne,da einmal»dieMonaden keineFenster haben«,daßviel- mehralleBewegungeineEntfaltungvon innenherbedeute,daßderMensch

anersterStelle nichtdieDinge, sondern sich selbstin denDingen erlebe, alsLeibniz?Sohat sich Goethe auch sicherlichdurch feine Vermittelung denaristotelischenAusdruckderEntelechieangeeignet,derjener Ueberzeugung alsGefäßdienensoll. Gemäß seinerArt konnteGoethe jene Schätzung derIndividualitätundjene Vorstellungvom Lebensprozeßaufnehmen, ohne dadurchmitdemAllleben SpinozasinWiderspruchzugerathen. Nach andererRichtungverbindet ihnmitLeibnizdieHochschätzungdesPrinzips derStetigkeitinNatur undGeschichte.LeibnizhatmitbesonderemNach- druekdiesPrinzipalssein Eigenthum verkündet;mochte Goetheinder Durchführungnoch soweitvon ihm abweichen:imGrundgedankenblieber ihmeng verbunden.

Besonders anschaulichentfaltetdiegoethischeArtihre Eigenthümlich- keit indemVerhältnißzu Kant. Kants Denkweisekonntevon Hausaus Goethe keineswegssympathischsein;erhat sichtrotzdem, sobaldnureinPunkt fruchtbarer Berührunggefundenwar, insieeinzulebenundihrdasBeste abzugewinnengewußt. NachdemdieKritikderreinenVernunft,alsvöllig außerhalbdesgoethischenKreises liegend,keinestärkereWirkungerzeugt hatte, fand sichjener PunktmitderKritikderUrtheilskraft.Bei allerWahrungder Selbständigkeitkonnte eine innereGemeinschaftentstehen. »Wenn auchmeiner Vorstellungart nichteben immerdemVerfasser sichzufügenmöglichwerden konnte,wenn ich hieunddaEtwas zuvermissenschien, sowaren dochdie großenHauptgedankendesWerksmeinembisherigenSchaffen, Thun,Denken ganzanalog;dasinnereLeben derKunst sowie der Natur,ihr beiderseitiges WirkenvoninnenherauswarimBuchedeutlichausgesprochen.DieErzeugnisse dieser zwei unendlichenWeltensolltenumihrer selbstwillen dafein,undwas neben einander stand, wohl für einander,abernichtabsichtlichwegen einander.«

Nach solcherHerstellungeinesinneren Zusammenhanges ergab sich mehrundmehr aucheinpositiverAnblick der Gefammtarbeit Kants. Nicht nur inder Vernunftkritik, nichtnur inderNaturphilosophieward Ver-

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GoetheunddiegroßenDenker. 151 schiedeneslebhaft begrüßtund angeeignet; auchin demGanzenwarddie SteigerungdesVermögensdesGeistes freudiganerkannt. EineneueEpoche schiendamitbegründet,einegroßeBewegung begonnen,derenEinfluß sich kaumJemandungestraft entziehenkönne. Sowar auchDas für Goethe einpositiver Lebensfaktor geworden,was ihn zuerstalsfremdartig abstieß.

VondenNachfolgernKants standdemgroßenDichterNiemandnäher alsSchelling. Nichtnur rühmteer vom GanzenseinerArt »diegroße Klarheitbei dergroßenTiefe« eineSchätzung,dieheutenichtVieletheilen werden—, erhatnamentlichvon seinerNaturphilosophiestärksteEinflüsse empfangen.WenndemspäterenGoetheinseiner früherenNaturausfassung zufehlen schien »die Anschauungderzwei großenTriebräderallerNatur:

derBegriffvon PolaritätundvonSteigerung, jenederMaterie, insofern wirsie materiell, dieseihr dagegen,insofernwirsiegeistigdenken,angehärig«, sodürftezujenerFortbewegungNiemandmehrmitgewirkthabenalsSchelling.

AberauchdieGesammtartdergoethischenPhilosophie istderkünstlerischge- stimmten DenkweiseSchellingsverwandt. Denn dessenArt,dieGegensätze einandergegenüberzustellenund zugleichinlebendigerBeziehungzuhalten, begegneteinemtiefwurzelndenStreben desDichters,mitruhigererundum- sichtigererArtdieWirklichkeitineineReihevonGegensätzenauseinander- zulegen,dieverschiedenenSeiten deutlichzuentfalten,sie dannaber ineine fruchtbareWechselwirkungzubringen.Jn meinemVortragüberGoetheund diePhilosophie habe ich dieseArt,dieWirklichkeitineingroßesGewebe VonGegensätzenundErgänzungenzu verwandeln,näher dargelegt.Beiso vielpositiverBeziehungzuSchellingwirdAnderesinseiner Art,wasGoethe ebenso wenig sympathischseinkonnte wieuns Modernen,dieKeckheitseiner Spekulation,dasHastige,ja FlüchtigefeinerArbeit, ohneWeitereszurückgeschoben

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Ein Ueberblick überdiesemannichfachenVerhältnissedesgroßenDichters zU dengroßenDenkern ergiebt zugleicheinenGesammtanblickderGrund- liniendesgoethifchenDenkens. AusDem,was erbei den Anderen sucht, ersehenwirdeutlich,wasihm selbstdiePhilosophiealsGanzes ist.Sie bedeutet ihm augenscheinlichkein GrübelnüberverborgeneGründe derDinge, keinZurücktretenhinterdie Welt,um sievon einemüberlegenenStandort zUentwickeln, sondern sie ist ihmeinZurechtsindenin eineruns mituner- schöpflicherLebensfülle umfangendenWelt, sie isteine Klärung unseres Verhältnisseszuuns selbstundzurAußenwelt,sie istdamit unmittelbar Sitte

Steigerungdes Lebens. SolchemInhalt entsprichtdievorwiegendkünst- lerische,ja plastischeArtdesVerfahrens.ObdieserTypusdesDenkensnicht

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demGanzenderPhilosophiefruchtbareAnregungenundErgänzungenbringen, obernichtdieunerläßlicheWendung ihrerArbeitvom Schnlmäßigenins Reinmenschlichefördernkönne: Das ist heuteundhiernicht zuerörtern.

Wohlabermöchteich nochmiteinemWorteDessen gedenken,daß GoethesStellungzu dengroßenDenkern uns einleuchtendesVorbildfür unser eigenes Verhaltenzuihmbietet· Goethe hat sichmitdenAnderen nur befaßtimInteresse feiner eigenen Entwickelung,erhat sie nichtweiter- angeeignet,alssie seinemLebenFörderungversprachen,erhatsichmehran ihnenalsdurch sie gebildet,erhatalsdaskostbarsteder Güterimmerseine volleSelbständigkeitgewahrt«Dementsprechend,wollteer selbst fürdie Anderen keinMeister, sonderneinBefreier sein;erhat,indemersichda- für entschied,sicherlichseinWerknicht herabsetzenwollen. EinsolcherMann wirdnichtinseinem eigenenSinn geehrt,wenn erals eineallgemeineNorm undeinebindende Autoritätbehandeltundwenn damitverdunkeltwird,daß nach seinem eigenenWort diehöchsteWirkungdesGeistes ist,denGeist hervorzurufen,derEigenthümlichkeit,Eigenthümlichkeitzuerwecken. Nur dann alsobehandelnwirGoetheimSinn Goethes,wenn wirinihmvor AllemeinestarkeundunvergleichlicheIndividualitätanerkennenundzudieser IndividualitäteinselbständigesVerhältnißzugewinnen suchen,wenn wir ihnzurHilfe nehmen,umunsselbstzu einerausgeprägtenArtaufzuarbeiten.

Dazuaber müssenwiruns dieselbeFreiheit,dieersichg«gen Andere wahrteunddieer keineswegsalsein PrivilegiumdesGenies betrachtete, auch ihm gegenüberwahren.Nochimmer istdieMahnung nichtüber- flüssig,esmöchtewenigerGoethekult getriebenundmehr fruchtbareBeziehung zuGoethe, mehr FörderungdeseigenenLebensdurch ihngewonnenwerden.

Jena. ProfessorDr.Rudolf Eucken.

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EinSchopenhauer-Denkmal. 153

Ein Schopenhauer-Denkmal.

Wie

gewöhnlich,habe ich auch jetztwiederaufmeinerReiseinAfrika die WerkeArthurs Schopenhauerin meinerkleinenBibliothek. In derschwülenTemperaturderZambesigebiete,unmittelbar vorderRegenzeit, wodasThermometervon42bis-47 Gradc.imSchatten pendelt,wirkt diescharfe Verstandesklarheitdieses norddeutschenKopfes doppelt erquickend.

Aneinemderletzten Novembertagelasichdas,,LebensbildSchopen- hauers«,dasJulius FrauenstädtderGesammtausgabevorausgeschickthat, und fanddarin dasUrtheil,dasProfessorEduardZellerinseiner »Ge- schichtederdeutschenPhilosophie seit Leibniz«überArthur Schopenhauer gefällt hat. »Schopenhauernimmt nichtnur alsSchriftstellereinehervor- ragendeStelle inderphilosophischenLiteratur ein, sondernerist auchein Mann von ungewöhnlichgeistigerBegabungundvielseitigerBildung,den dieSchärfe seinesDenkens wiedieKraft seiner Anschauungzurphiloso- phischenForschung entschiedenbefähigte.Wenn er nichtsdestowenigermit Beneke dasSchicksalgetheilt hat, daßerlange Zeit fast unbeachtetblieb und daßsichihmdieAufmerksamkeit erstgegen dasEndeundnachdemEnde seines Lebensallgemeinerundeingehenderzuwandte, so liegtder Grunddavon theilweiseallerdingsin demeigenthümlichenCharakter seiner Philosophieund ihrem GegensatzgegendieherrschendeDenkweise, nichtzumkleinstenTheil aberauchinseiner Persönlichkeitund seinempersönlichenVerhalten.So tief sein wissenschaftlichesStreben,so lebhaft sein Gefühl fürdasSchöne, so ausgebildet fein Geschmack,so starkderidealeZug seinerNaturist, so unbändigist andererseits seine Sinnlichkeit, so maßlos seine Selbstüber- schätzungundSelbstanpreisung, so kleinlichseine Eitelkeit, sobrennendsein Ehrgeiz,so rücksrchtlosseineSelbstsucht. Unfähig,vonsichselbstzuabstrahiren UndsichdurchdieWissenschaftüber dieeigenenSchwächenerhebenzulassen, überträgteralleWidersprücheundGrillenseinerlaunenhaftenNatur insein System;...stattdieStellung,zu derersichberechtigtglaubt,ingeduldiger Arbeitzuerringen,ziehtersich,nach vorübergehenden-unstetenAnläufenzu einerakademischenThätigkeitinBerlin, seit1831 nach Frankfurta.M.in einenSchmollwinkel zurück.Bei einemsolchen Verhalten istesnichtzu VekW,Undern,daßerdieAnerkennung,dieerfand,nicht frühergefundenhat.«

SosprichtZeller. Schon Frauenstädt hatdenVorwurf ungerecht genannt,SchopenhauerhabedasVerdienstjedes zeitgenössischenPhilosophen alseinAttentat auf seineneigenenRuhm angesehen.Esgiebtkeinenauf- tichtigerenundbescheidenerenBewunderer Kants alsArthur Schopenhauer.

Ueber Hegeb Fichte, Schelling,SchleiermacherunddieDutzendevon anderen

»Philvsvphen«,die imUebrigenzugleichmitihm auftraten,aberurtheilter, 11

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wieheuteetwaneun Zehnteldesgesammten philosophischgebildetenPubli- kumsallerNationen übersie urtheilen. Das VerhältnißSchopenhauers zursogenannten ,,Universitätphilosophie«istbekannt. Esistbedauerlich,daß ersovielGalleundunnöthigenSarkasmus ansieverwendet hat. Aber man mußbedenken, inwelchemAnsehensiezuAnfang dieses Jahrhunderts inDeutschlandunddarüberhinaus stand.EsisteinsderunsterblichenVer- diensteSchopenhauers,dendeutschenGeistvondemEinfluß dieserTheoretiker befreitzuhaben. Dadurch haterunmittelbar anderWiedergeburtderdeutschen Weltmitgearbeitet.Ausderunklarensogenannten»Nationder Denker«hat erdasVolkvon Sadowa undSedan mitschaffenhelfen.

JnZellersKritikist besonderscharakteristischdieZusammenstellung SchopenhauersmitBeneke. WährendSchopenhauersNameneben demvon Richard WagneralsVerkörperungdes modernendeutschenGeisteslebensüber allefünf Erdtheile hinstrahlt, istderBenekes, wieich vermuthe,dennicht fachphilofophischGebildeten nichteinmal inDeutschlandbekannt. Ebenso komischberührtderVorwurf, daßSchopenhauerdieStellung,»zu derer

sich berufen glaubte«,nichtinstillerArbeitangestrebt, sondern sich »inden Schmollwinkel«nach Frankfurt zurückgezogenhabe. WelcheStellungmag Zeller wohl gemeinthaben?EtwadieeinesOrdentlichenProfessorsaneiner deutschenUniversität?Nunerklärt aberSchopenhauer selbstimmerwieder, daßersichzu einersolchenStellung absolut nichtberufenfühle.Erhält dieInstitutionvon Philosophie-Professorenüberhauptfür eineunmögliche undwunderliche. Jedenfalls paßteSchopenhauermitseiner weltmännischen internationalen Erziehungganzundgarnicht in diephilosophischeFakultät einerdeutschenUniversität.WassolldennaberdasGeredevom»Schmoll- winlel« inFrankfurt? Weshalb solleinPhilosoph nichtebenso gutin Frankfurta.M. wiein Berlin denkenundschreibenkönnen? DaSchopen- hauer finanziell völlig unabhängigwar, standesihmamEnde frei, sich seinen Wohnort nach seinem Geschmackzuwählen.AusZellers Urtheil sprichtebennochderProfessor,derdenGegnerder,,Zunft«,als deren Vertreter ersichfühlt,vorseinemRichterstuhlsieht.DieGeschichtewirdsein Urtheil demnachauch nichtalsdasletzterInstanz hinnehmen, so wenigwie siedasJgnorirenund Sekretiren Schopenhauersalsendgiltig betrachtethat.

Jch seheinArthur SchopenhauereinendergroßentragischenHelden derMenschheitgeschichte.Durch natürlicheBefähigungundseinenErziehungs- gangherausundemporgehobenüberseineZeitundseinVolk,mußteer doch die ganzeMiseredesengherzigenundzopsigenPhilisterthums,wiees bis1850 inDeutschland vorherrschte,an seinemeigenenLeibeerfahren.

DerVater,demeramzweiundzwanzigstenFebruar1788 inDanzig geboren wurde,war einreicher,vornehmerundstolzer hanseatifcherHandelsheryder

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