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Die Zukunft, 21. Januar, Bd. 26.

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Berlin, den 21.Januar 1899.

ff sxs Ass-

Der Klubder Harmlosen.

Iürchterliche

Mären werdenseitein paarWochenvonMund zu Mund k-« -gewispertzEinstweilennur gewispert;dennnoch weißman,wie der Berlinersagt, nichtsGewissesundeswärenichtganzungefährlich,alsGe- schichtenträgersichallzuweit vorzuwagen. Sicher istnur, daßessichum fürchterlicheDinge handelt. JmBerliner Tageblattkam dasGerüchtauf, sickertedannin allerleikleinereKanäleundbefruchtetnundieUnterhaltung ingetäfeltenSalons undanfettigenStammtischen. Zuerst hieltmans für eineErfindung,die über die leereZeit hinweghelfenundVordemQuartals- schlußdenLesernzeigensollte, daßsensationelleSachen nichtimmernurim Lokalanzeigerzufinden sind.AlsaberausderJerusalemerstraßein der Lülülü-TonartdieBotschaft kam,derKaiser habe sichüber dieVorgänge BerichterstattenlassenundHahnkedenBefehl gegeben,"»völligeKlarheitzu schaffen«,damußtenselbstdieZweifler wohlandenErnstderAngelegenheit glauben. Undseitdem gehts,wieesimmer geht:fama viresacquirit eundo;dergute Vergilkonntenichtahnen,wieschnelldiegeschwätzigeGöttin, diesichjetztnatürlichdermodernstenVerkehrsmittelbedient,zuwachsenver- mag.Zuerst hießesnur,in einem berlinerHotelseigespieltworden,zuhohen Sätzen,undunter denSpielern seien auch Offiziere gewesen.Entsetzlich3 werhätteje gedacht,daßLieutenants undRittmeifternachbeendetemDienst nichtsittigzuHausesitzen,mitihrenBurschendieAbendandacht halten,das

MilitärwochenblattoderdieFlugschriftendesHerrn Hüllelesenund,wennsie überhaupteine Karteberühren,zurAbwechselunghöchstenseinePatience legenR..KaumwardasStaunen darübergewichen,daßsolcheRuchlosig-

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keiten in derHauptstadtdesDeutschenReichesmöglichseien,dpperfuhrman auch schonneue gräßlicheEinzelheiten. Zwei Prinzenwaren dabeigewesen, leibhaftigePrinzenvonrosigemFleischundblauem Blut die Namen wurden und werdennurhinter verriegeltenThüren genannt—, nächstens wirdman vonVerhaftungen hören,»dieaufdieöffentlicheMeinungeinen geradezuverblüffendenEindruckmachenwerden«-,dieverspieltenSummen steigenhochin dieHunderttausende,ganzeAdelsgeschlechtersindruinirt und schlimmeWeiberwaren auchandemUnfugbetheiligt.Von Alledemwar freilichnichts erwiesen;eine Weile konnteman damit aberimmerhin wirth- schaften·OffizieremitAnimirdamen beimHazardspiel:Dasgiebteine ange- nehm kitzelndeMischungvonStallgestankundweichlichtosendenBoudoir- düften.Dergute Bürger verhülltzüchtigdasHaupt,sorgtaberdafür,daß erdasreizendVerruchte,dasgruseligOrgiastische,dasda zu erwittern ist, mitgespitztenOhrenundgeblähtenNüsterneinschlürfenkann.Sektpfropfen knallen, halbnackteHuldinnenschmiegenden mitKorylopsis parfumirten HalsandieBrust schmuckerKrieger,ganzeHaufengrauerScheinewerden mit einemhastigenGriffweggerafftundPrinzenvonGebliitpumpen,um weiterspielenzukönnen,im Korridor denOberkellner an. Wennsichdas Laster so schamloserbricht,kannsichdieTugendbehaglichzuTischesetzen.

Dasitztsienunundfreut sich,nachalterPharisäersitte;dennwieder ein- malhat sichgezeigt,daßdieBourgeoisiedochbessereMenschenhervorbringtals dieböseAristokratie.Waren inFrankreichdieArton,Reinach,Clåmenceau und Cornelius Herzauchnur halb soschädlichwiedieGeneraleBoisdeffreund MercierundHerrQuesnaydeBeaurepaire?Undsollman noch langevon den GebriidernSommerfeldund denHerrenWolffundLeipzigerreden,da in denhazardirendenLieutenants undJunkerndochvielschwärzereMisse- thäterzurStreckegeliefertsind?Zwarwerden dieDreißigtausendmarkpartien, diemanchmalüber dasSchicksaleinesangeblichApollounddenMusenge- weihtenHausesentscheiden,inbourgeoisenKlubsgespieltundderfrühere Direktor desHotels»DerKaiserhos«könntevielleichtinteressanteGeschichten vonverschwiegenenFesten erzählen,dienichtvonblaublütigenRittern, son- dernvon ehrbaren Kaufleuten gerüstetwaren. Wozu sichaber beisolchem Geträtschaushalten,mit dempolitischdochnichtszumachenistPJetztkonnte man sagen:Seht her, so sind dieseJunker. Erst verspielenundverprassen sieinunsaubererGesellschaftihr Vätererbe,undwenn siedann nichts mehrzuverjubeln haben,tretensiein denBund derLandwirthe,beschimpfen denruhig seinem redlichenGeschäftnachgehendenTerminhändler,leugnen

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DerKlubderHarmlosen 99

miteisernerStirn dieFleischnothundfordernvomStaatdieAblösungder Grundschuldenoder gar einGetreidemonopol.EinherrlichesKarnevals- thema, eins,dasauchnachdemAschermittwochnochwirken wird.Ists nicht schoneingefundenesFressen,daßdieSpielergenossenschaftunterdemNamen eines Klubs derHarmlosentagte? Für harmlos gabendiehochbetitelten Leutesichaus, die im DunkelderNacht ihr nochdunkleresWesentrieben!

Daran erkenntderBürgerin Stadt und Land diesatanischeJunkertücke.

...AberiftdieganzeschdneGeschichtenichtamEndedochnureinMärchens- Merkwürdig,daßmannochimmernichtsGewissesweiß;solangsampflegtdie Enthüllungmaschinesonstnichtzuarbeiten.SchonderName»KlubderHarm- losen«klingt recht sonderbar.UmendlichLichtzuverbreiten, habenwir ein Redakteurist bekanntlichstets:wir unserendiplomatischenRechercheurmit ErmittelungenbeauftragtundunterbreitenseinenBericht, fürdenwirihmna- türlichdie volleVerantwortung überlassenmüssen,demUrtheil unserer Leser.

InBerlinbestehtwirklicheinKlubderHarmlosen.ErtagtseitJahren in einemprächtigenPalast, dessenFassademitWappen,Gipspuppenund Sinnsprüchenreichgeschmücktistund derriesige,luxuriösausgestatteteRestau- rationräumeenthält.AuchSchreib-, Lese-undRauchzimmersindvorhanden undjedesMitgliedkannnachBeliebenBesucheempsangenundBriefbogenund Couvertsbenutzen.Dieses glänzendeKlubhaus ist UngefährachtMonatein jedemJahr geöffnet.Ueber dieAufnahmewirddurchStimmenmehrheitent- schieden.Damendürfennichtaufgenommenwerden undmüssensichbegnügen, insgeheimaufdie Sinne derMitgliederzu wirken.EsisteinDiskutirklub.

Jnden Nebenräumenwirdfreilichmancher FlaschederHalsgebrochen- siewerdenvondenKlubmenscherzhaftdeshalb Fraktionzimmer genannt undaucheinSpielchen sollschonmitunter gewagtworden sein;imHaupt- saal gehtesaberhöchsternstundsittsamzu. Dawirdnurgeredet,umdie heiligstenGüter derMenschheitgestrittenundabgestimmt;alleReden und Zwischenrufewerden,nebstdemErgebnißderAbstimmungen,in den Klub- protokollenverewigt,diefürdieMitglieder sauber gedrucktwerden.Richtig ist,daßunter denMitgliedernvieleAdeligeundeinigeHerren sind,die Uni- sorm tragen;aberauchdasbürgerlicheElementistinderStärke,dieseine Bedeutungfordert,vertreten. Richtigist ferner, daßschonungeheureSummen

—mansprichtvonvielenMillionen—imKlubpalastverlorengegangensind;die Verlustetrafenabernie dieMitglieder, sondernstetsdie misera contribuens plebsdraußenimLande ;daraufsindwohl auchdieGerüchtevomRuin ganzerAdelsgeschlechter·zurückzuführen.DieVersammlungensindöffentlich,

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undwerzumerstenMale den Redenlauscht,mußglauben, daßereinem Vor- gangebeiwohnt,derfürdieWohlfahrtdesdeutschenVolkesvongrößterWich- tigkeitist;erst spätermerkt er,daßessichumeinen inseierlicheGewänder ge- kleidetenSchlaraffenspaßhandelt.DieFormenwerdenmitäußersterStrenge gewahrt;eine nieverletzteBestimmungderGeschäftsordnungverpflichtet denKlubpräsidenten,jedes offeneWort einesRednerszurügen.DieSprecher sind beschränkt,aber dieWahlderThemata ist unbeschränktundesist nicht gestattet,dieSachverständigkeiteines einmalAufgenommenenanzuzweifeln; neulichsprachderVater derunseligentschlummertenHalbbatailloneüberFra- gen dermilitärischenOrganisationund dasHaushörteihmsoaufmerksamzu, als kündeteertiefedelphischeWeisheit.DerheiligeErnstbeimheiterenSpiel ist dascharakteristischeMerkmaldiesesKlubs,derfastvierhundert Mitglieder zählt.DaßdergroßeAufwandabernureinemharmlosenVergnügengilt, lehrt schoneinflüchtigerBlickaufdieVerhandlungvomletztenDienstag.Weil ge- radenichtsAndereszurVerfügungwar,wurdeüber denlippischenStreit geredet.DieErregung schiengroßundheftigeWortefielen; sogareinadeliger LandwehrofsizierverstiegsichzuderkeckenBehauptung,auchindenHändeln regirenderFürstenmüssedemRechteinegewisseRolleerhaltenbleiben. Da trat ein uralterkleinerMannauf, las, währendseinKöpfchenmüdauf dieSchulter sank,voneinem Blättlein einpaarSätzeab,deren SinndemVerstandderVer- ständigenebensodunkelwarwie demkindlichstenGemüth,undknickte danner- schöpftwiederinseinenSorgenstuhl. EinKlubfremdling,dem dieSache ernst erschienenwäre,hättegeglaubt,manwerdedemkleinenSpaßvogelmit der trüb- enMieneseinhohesGehaltstreichenundihnmitSpottundHohnnachHause schicken.DieHarmlosenaberwaren kreuzvergnügtundgingenzu einem ande- renGegenstandüber,densiebalddarausmit derselbenFeierlichkeitbestatteten.

Ob eswahr ist, daßdieKosten diesesimMonumentalstilerbauten VergnügunglokalesausderTaschederSteuerzahler bestritten werden,und obwirklichdieAbsichtbesteht,denKlubmitgliedernkünftigausStaatsfonds Taglohnzuzahlen:darüberkönnen wirheuteleiderunseren Lesernnochnichts Bestimmtesmelden.Bald, so hoffenwir,wird esmöglichsein,nähereDetails über dasWesendesKlubsderHarmlosenmitzutheilen;derKreisderLeute, dienochandenErnstderSache glauben,wirdvonTagzuTagkleiner.

Schonjetztaber könnenwir ausbesterQuellebestätigen,daßderKaiser sich fürdiehier enthülltenVorgängelebhaft interessirtunddenBefehl gegeben hat,über das tolle TreibenderHarmlosenvölligeKlarheitzuschaffen.

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Eindeutsch-dänischesBündniß. 101

Ein deutsch-dänische5Bündniß.

Mk

vielbesprochenenAusweisungenausNordschleswighabendieganze deutsch-dänischeFragewiedereinmalaufgerollt. JnDänemarkhat,wie nichtanders zuerwarten war, dieErbitterunggegen Alles,wasdeutschist, bedeutend zugenommen und auchin Deutschland hatdas scharfeVor- gehenderpreußischenVerwaltungKritikenhervorgerufen,andenenfreilich nebenhumanen RücksichtenauchdieoppositionelleBekämpfungvonRegirung- maßregelihren Antheil hat.

Ob derOberpräsidentvon Schleswig-HolfteinAussicht hat, aufdem eingeschlagenenWegediein derNordmark verbreiteten Sympathien für Dänemarkzuentwurzeln, soll hiernicht untersuchtwerden. Thatsacheist, daßvon deutscherSeite derstatus quo alsunerträglichangesehenwird;

und daran knüpftsichdieFrage,obnichteine andere,fürbeidebetheiligten Nationen vortheilhaftereLösungderSchwierigkeitenals durchdasSystem Köller denkbarwäre. Daß Deutschlandmitder lebendenoderspätestensmit dernächstenGeneration deretwa hundertundsechzigtausenddänifchenNord- fchleswigerfertigwerdenkann, ist sicher.Kommt esabernur daraufan?

UndistdieZwangsgermanisirungeinesunbedeutenden Landstreifens wirklich politischeroderwirthschaftlicherOpfer werth?

WirthschaftlicheNachtheilesindalsFolge wachsenderGereiztheitder DänengegenDeutschland heute schon eingetreten.DiedeutscheSchutzzoll- politikhältdiedänischeAusfuhr nach Deutschlandrücksichtlosnieder,ohne daßDänemarkbisherzuGegenmaßregelngegriffenhat. DiedeutscheAus- fuhr nachDänemarkbetrug bekanntlichimvorigen Jahr129,3Millionen Mark. Jetzthatdie Situation derletzten Wochen dazu geführt, daßin weitenKreisenDänemarks versuchtwird,bisherausDeutschlandbezogene WaarendurchdieProdukte andererLänder unddurcheinheimischeWaarenzuer- setzen. GelingtDasauchnurvorübergehend,soverliertDeutschlandbeträchtliche Summen. WeitgrößereBedeutunghat jedochderUmstand, daßDeutschlandbei eineretwaeintretendenStörungdes Weltfriedens dennördlichenNachbarnfeindlich gestimmt findenkönnte. JstdiemilitärischeMachtDänemarksauch gering, sobleibtKopenhagenalsFestung docheinfürallemalderSchlüsselzurOstsee.

Wie ganz andersistdieLage,wenn Deutschlandfürchtenmuß, daßdieThore VOUKopenhagensichbeidererstenGelegenheitseinen Feinden öffnen,als wennesin derdänischenHauptstadteinenStützpunktseiner eigenenmaritimen Vertheidigungliniehätte! DieseAlternative istmeinesWissens bisher nicht genügenderwogen worden. DieöffentlicheMeinunginDeutschland hat sich UUdieAnnahmegewöhnt,daßmit denftarrsinnigenDänennichtsanzufangen sei,und hat sich vollständigdamit abgefunden, sichDänemark als stets

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bereitenGehilfen füreine gegen diedeutschenKüstenoperirendeFlottevor- zustellen. AuchdieausdrücklichenNeutralitäterklärungenderdänischenRe-

girung habendarannichts geändert. «

VergesseneGedankensindneue! Wir erfahren jetztaus Bismarcks Memoirert,«daßschonderverstorbeneFeldmarschallvon Moltkesichmitder Ideeeines deutsch-dänischenBündnissestrug. Man darf vermuthen, daß gerade ihn strategischeRücksichten SicherungderEinfahrtin dieOstsee, besondersmitRücksichtaufden damals schonprojektirtenNordostseekanal inersterLiniebestimmthaben.AberauchhandelspolitischeundkulturelleVor- theile fürbeide Völker würdedieVerwirklichungseinerJdee mitsichbringen«

Jede gesunde Politik beruht heute aufdembewährtenPrinzipdes Spruches:doutdes.DanachhängtdieMöglichkeiteinerfreundschaftlichenAn- näherungzunächstvonderFrageab,wasDänemark bieten kann undwases alsGegenleistungfordern muß.Dann kommtdieFrage: WelcheBedenken stehendemeasus foederis entgegen? Zuletzt: WelcheGarantien sind für dieErfüllungvonLeistungundGegenleistungdenkbar?

Jch gehedavonaus,daßDeutschlandsichfürdenFalleinesKrieges mitRußlaudundFrankreichdieUeberlegenheitzur SeedurchdasBündniß mit Dänemarksichernwürde. Das baltischeMeer würde eindeutschesmare clausum werden. Dank demNordostseekankalwürden die beidendeutschen Geschwaderin derNord- undOstseesichinjedem beliebigenAugenblick vereinigenund diegetrennten feindlichenFlottenschlagenkönnen. Kopen- hagenwürde dieOperationbasis füralle maritimen Unternehmungenwerden unddiedeutscheNordgrenzegegen alleAngriffegeschütztsein.Dasfranzösische Vorhabenvon1870,einigeDivisionenandiejütischeKüstezuwerfenund, verstärktdurchdiedänischeMacht,von daaus inDeutschland einzufallen, würdefürimmer unmöglichsein.Undauch fürdieFriedenszeitwürden sichnützlicheFolgen ergeben; denndiedeutscheMarine könntesichdanndarauf beschränken,jeeinem derbeideneventuellen Gegner gewachsenzubleiben FreilichwürdedieseKombination darauf beruhen,daß DänemarkseineStreit- kräftezurSee weiterentwickeltundschlagfertigerhält.

Handelspolitischwürde derAnschlußDänemarks anDeutschland dessen Jndustrieeinen wichtigen Absatzmarkt verbürgen.Ja, wenn man den altenPlan der vierziger Jahrewieder aufnähme,würdedempolitischen Bündnißeine Zollunionhinzugefügtwerden können, dieder deutschen Waare einehöchstwerthvolleNachfrage verschaffenkönnte,währendDäne- markErsatz fürDas,was seine Industrieverlöre, invermehrtenVerkaufs- möglichkeitenseinerlandwirthschaftlichenErzeugnisse findenwürde, noch dazuindiesemFallohne SchädigungdeutscherAgrarinterefsen.

AuchideelleRücksichtensindnichtganzvon derHandzuweisen.

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Eindeutsch-dänischesBündniß. 103

Es sind sehrengeBerwandtschaftbande,diediedänischeNation mitder deutschen, besondersmitdemnorddeutschenVolksthum, verknüpfen;ähnelt dochder ganzegeistigeHabitusdesDänen, trotz demsprachlichenUnter- schiede,demeinesNorddeutschenmehralsdemeinesSchweden. Deutsche Kultur hatinDänemarkimmer,vorderZeitdergrenznachbarlichenKon- slikte,sorgfältigePflege genossen; durch HerabsetzungdesgeistigenAus- tauschesleidetdieVolkskultur aufbeidenSeiten.

DieGegenforderungDänemarks dieeinzige,aberfreilichkeine ge- ringe würdedieGrenzregulirungderNordmark sein,damit dervom nationalen Körper abgerisseneTheildemOrganismuswiederangeschlossen würde. DieimMaiundJuni1864 also auch nachderErstürmungder DüppelerSchanzen von denpreußischenBevollmächtigtenzurlondoner KonserenzgebilligtenVorschläge,diebisher durchdieUnschlüssigkeitderVer- treter derdänischenSache nicht verwirklichtwordensind,könntenwohlzum Theilwiederaufgenommenwerden. DieSchwierigkeitliegtaberdarin,daß einescharfe Sprachgrenze—- so,wieetwa inderUmgegendvon Metz nicht vorhandenist unddaßindenStädten seitdemPrager Frieden große Bevölkerungverschiebungenstattgefundenhaben. Unumgänglichwäreimmerhin, daßalleausschließlichdänischRedenden undzugleichdänischGesinntenaus deutscherReichsangehörigkeitentlassenwerden«Vollständigfreivondeutschen Elementen istnur dieGegend nördlichvon einerLinie,dieman zwischen HaderslebenundTondern ziehenkann. Sollte eineschiedlicheLösungder FrageinderArt,daßdie inHadersleben ansässigenDeutschensür ihrBe- sitzthumangemessenentschädigtwürden, ganzaussichtlos sein?

...Die Bedenkengegendas Bündniß entspringenzumTheilder po- litischenGesammtlage,danngewissenImponderabiliendesGesühlesinbeiden Ländern. Einedeutsch-dänischeKoalition,die überKopcnhagenalsFestung und eine zurSperrnngdesgroßenBelts ausreichendeMarine verfügt, könntegefährlichfürdasGleichgewichtimnördlichenEuropa scheinenund des- halbvonEnglandundRußlandmitscheelenAugen angesehenwerden. Aber dieenglischenInteressenimbaltischenMeere sindunbedeutend. Undwenn Rußlandauch stärkerbetheiligtist, so dürfteinRücksichtaufdenDefensiv- charakterdesBündnissesauchvondieserSeite einernsthafterWiderstandum sOwenigerzufürchtensein,alsdierussischeDiplomatie heute dochkaum in derLage ist, ErwägungenfürdenKriegsfallindenVordergrundzustellen.

Weit größereBedeutung haben,wiemirscheint,dieanderen Be- denken.JnDeutschlandwirdman sagen, daßderkleinste durch deutsches BlutgewonneneStreifenLandeseingeheiligtesGut derNation sei, daß einsolcherVertragmitDänemark demEingeständnißbegangenenUnrechtes glicheunddaßderSiegersichkeineBedingungenvomBesiegtenvorschreiben

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lasse.Man kann diese Gefühle vollan würdigenunddochderMeinung sein, daß siegegenüberdeninAussicht stehenden militärischenundökonomi- schenVortheilen, besondersabergegenüberderwerthvollenAnnäherungzweier stammverwandten,kulturellblühendenNationen undderFörderungdesgroßen ZukunftgedankensdesPangermanismus zurücktretensollten.

AuchinDänemarkfpricht heutedieStimme derLeidenschaftlauter alsdie Stimme derVernunft. Mancherwirdesvielleichtals eineunerhörte ZumuthungIbezeichnemdaßDänemarkdenersten Schritt thun soll,undso langebeiunsdieWogenderErregung nochhochgehen,werdendiechauvinist- ischenDeklamatoren dasFeld behaupten.Aberdiese Wortheldensolltendas WortdesDichters beherzigen,dasichmireinkleinWenigzuänderner- laube:»Gefühlist mächtig,mächtigerdieNoth.« Handeltessichdoch für die ganzedänischeNationalitätum eineLebensfrage.

Auch istesfürDänemark leichter,den ersten Schrittzu einerAn- näherungzuthun,alsfür Deutschland.DiedeutscheDiplomatiekannsich derMöglichkeiteinerabschlägigenAntwortnicht wohl aussetzen;wirDänen unternehmenbei einervorsichtigenSondirungdesTerrains keinerleiWagniß Jchkomme zurFragederGarantien. Esliegt aufderHand, daß dieForderung hinreichenderGarantien nur anDänemarkherantreten würde;

dennDeutschland hättesofortzuleisten, währendDänemarksichfürdieZu- kunft verpflichtenwürde.

Die stärkstenpolitischenGarantien bietenwederVertragsdokumente nochdiplomatischeAbmachungen,sonderndaseigeneInteressedesVerpflichteten, einzuhalten,waserversprochenhat. Ich glaube, dieses Interessewürdefür Dänemarkdasdenkbarstärkstesein. AlsBundesgenosseDeutschlandswird Dänemarkinjeder KonstellationdereuropäischenMachtverhältnissezu ge- winnenundnichtszu verlierenhaben. Selbstwenn Deutschlandineinem Zukunftkriegeüberwältigtwerdensollte,würden seine Feindeesschwerlich füropportunhalten,dennördlichenNachbarnleschwächen.Diesesargu-, mentum ex tuto bietetdiebesteGarantie fürdiedänischeBundestreue.

Jch habedenGedankeneinesdeutsch-dänischenBündnissesin seinen Grundlinien zeichnenwollenunddeshalballeEinzelfragen unberückfichtigt gelassen.Sollte derEine oder der Andere unter meinenLandsleuten daran Anstoßnehmen,daßichindiesemAugenblickaußerordentlicherVerbitterunghervor- getretenbin,sowillich sieandenbewährtenSatz erinnern,daß,werkeinen Sinn fürRealitätenhat, Gefühlspolitiktreibt;wer wahres Gefühl besitzt, treibtRealpolitik. EchterPatriotismus bewährtsich,nachmeinerMeinung, nichtinunfruchtbaremWiederkäuen derVergangenheit,sondern dadurch,daß wirdenForderungenderGegenwartzugenügen versuchen,auchwenn es uns durchdieVorurtheilederMasse schwergemachtwird.

Dr.Johann Oestrup, DozentanderUniversitätKopenhagen

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DasDeutschthumindenVereinigtenStaaten. 105

Das Deutschthumin den VereinigtenStaaten.

chonimsiebenzehntenundachtzehntenJahrhundertwaren vieleDeutsche

-nachNordamerika gekommen.DieEinwanderung ließamEndedes achtzehntenJahrhunderts nachundesfolgteeinePausebis1821. Es wird behauptet,diesePause habeesverschuldet,daßdasDeutschthumin den Ver- einigtenStaaten damalsuntergingunddieDeutschenfast vollständigmit den Anglo-Amerikanernverschmolzen.Vondenfrüher eingewandertenDeutschen sindkaumnochResteerkennbar. Allenfallserinnern daran nochStädtenamen wieGermantown inPennsylvanien,das dieerste größeredeutscheNieder- lassungindenVereinigtenStaaten war undvon einigen krefelderFamilien imJahre1683 gegründetwurde. Auch einzelnePersonennamen icher- innereandenSeemann Schley weisenaufdiefrüherendeutschenEin- wanderungenhin. Die GeschichtebeweistdieBedeutung,diedasDeutsch- thum fürNordamerika schon früher hatte.Esseiennur einigeFeldherren desnordamerikanischenFreiheitkrieges,Kalb, Steuben undMühlenberg,ge- nannt. Es seiandasAufblühenderTextilindustrieinPennsylvanienund an dieEntwickelungderLandwirthschasterinnert,die imvorigenJahrhundert ohne WiderspruchaufdieEinwanderungenderDeutschen zurückgeführtwurde.

Aberdiese Deutschen sind,wiegesagt,indenfrüherenJahrhunderten fast ganz imAnglo:Amerikanerthumaufgegangenund nur durch genealogische Forschungenkannman imAllgemeinenihre Nachkommenheute finden.

Vieldeutlichererkennbar istderEinfluß,den dieEinwanderungder DeutschenimneunzehntenJahrhundert geübthat. Hier handeltessichnicht nur um eineVermehrungderZahlderAmerikaner durchdieherübergekom- menen Deutschenund deren Nachkommen; vielmehr läßt sichandenver-

schiedenstenPunktenderEinfluß feststellen,deningeistiger,künstlerischerund industrieller,namentlichaberkultureller BeziehungdieDeutschengeübthaben.

Besonders sei hier jenerMänner gedacht,diedurchdieachtundvierzigerBe- WegungausDeutschlandvertriebenwurdenunddenendieVereinigtenStaaten Vieles verdanken. JndenverschiedenstenTheilendesLandes nehmen Acht- undvierzigerundderenNachkommenangeseheneStellungenein«Nichtnur inNew-YorkundEhicago, sondern auchviel weiter imWesten,inKalifornien undauchim Südenkannman sichdavonüberzeugen.HervorragendeKauf- leute, Landwirthe,Aerzte,Advokaten,Gelehrte,Architekten,Künstler,Musiker, auchOffiziereundSoldaten stammenzumTheilvonjenenAchtundvierzigern ab«Allerdingsmuß zugegebenwerden,daß nicht Alle,dieman inden VereinigtenStaatenfür Achtundvierzigererklärte, zudiesengehörten.Manche Abenteurerkamen zudieser Zeit herüberundgaben sichfür verfolgtePoli- tiker aus, weilsie dadurchin Amerikaleichterpopulärwurden. Man denke

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fernerdaran, daß gerade1848 und indenfolgendenJahrendiegroßen GoldfundeinKalifornien gemachtwurden,dieauchvieleDeutscheanlockten, unddaßvondiesenEinwanderern mancheralsverfolgterAchtundvierzigerauftrat.

Zum Unterschiedvonihnen wurdTUdiekalifornischenGoldsucheroftals Neunund- vierzigerbezeichnet.Außerdemmußman berücksichtigen,daßzudendamaligen Auswanderungen auchanderepolitischeVerhältnissemitbeitragen,dienur losemitderRevolution zusammenhingen.DieZahlderEinwanderer aus Deutschland betrug zwischen1830 und1840 jährlichwenigerals 15000;

1840 stieg sie,undzwar, nach AnsichtVieler, inFolgederpolitischenVer- hältnisseDeutschlands, auf fast30000zsie wuchsdannweiterundbetrug imJahre1847 schonüber74000. 1848 nahmdieZahlab,nachheraber stieg siewiederunderreichte ihren HöhepunktimJahre1854, wosieüber 215000 betrug.Obwirklich,wie angenommen wird,dieoffenen Sympa- thiendespreußischenHofesmitdemrussischenDespotismusdieHauptver- anlassung fürdieriesigeAuswanderungzifferindiesemJahrewaren, bleibe dahingestellt.Aberauchwenn man annimmt, daßder größereTheilder Auswanderer aus anderenGründendieHeimath verließ,bleibenimmernoch vieleübrig,die alsOpfer politischerVerfolgungenvor etwafünfzig Jahren ausDeutschland schieden. Zu diesenAuswanderern ausjener Zeitkommtnoch dergroße-SchwarmDeutscher,dietheilsvorderachtundvierzigerBewegung, theils späterbaldingrößeren,baldinkleinerenSchaarenNordamerika auf- suchten,um hiereineneue Heimathzufinden.DergroßeAufschwung,den dieVereinigtenStaaten imLaufederletztenJahrzehntegenommen haben, istinhervorragendemMaß aufdieEinwanderungderDeutschenzurückzu- führen.Dasistumsobemerkenswerther,alsdieseMännerfastnieführendepoli- tischeStellungeninNordamerika hatten.Unter denPolitikernundbesonders unter denKongreßmitgliedernfindenwirauch heute noch verhältnißmäßig wenige Deutsch-Amerikaner.Man istaberüberrascht,imNordenundim Süden, imOstenund imWestenderUnion diereichenFrüchtezusehen, dieNordamerikadiesen eingewandertenDeutschenverdankt. DerReichsdeutsche, derheuteindenVereinigtenStaaten reist, muß magerwelcherPartei immerangehören Schmerz empfinden,wenn ersieht, welcheSumme von Energie, GeistundCharakter durch diese Auswanderungen unseremVater- landeverlorenging.Denndarübertäuscheman sichnicht, daß diese deutschen ElementefürdasDeutscheReichzumgrößtenTheilverloren sind. Höchstens übensieeinengewissenmoralischenEinflußzuGunsten Deutschlandsaus.

Diemeistenunter ihnen bewahreneinegewisseAnhänglichkeitan ihraltes Vaterland, dieihnen auchdannnichtverloren geht,wenn sieamerikanische Bürger geworden sind, einUmstand,der nichtganzohne Einfluß auf diePolitikderVereinigtenStaaten seinkann. Aberwirbrauchenunsgar

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