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Die Zukunft, 23. Januar, Jahrg. XXIII, Bd. 90, Nr 17.

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(1)

XXIILJahrg.-Ettlin,den23.Januar1915.

Hex-ausgeben

Maximilian Kardm

Inhalt:

Seite

Hüdfesniosew Vonwerner von der Schvulenbutg ......... 95

KriegundKunst. VonGeorg Göhler ... ...........103

Unkkigm vonxkirsch,Hcrqzcöwensteimvlei ........I.108 solicited-statt VonStefån Zweig ........ ·........111

Dievesterreicher. VonHugoSaluz ........ ........117

Stattssmauxen imKrieg. VonCadon J.... . .121

IeiseschreikendieToten. Vonlecodor Susc ............124

Uachdrnck verboten.

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Erscheint jeden Sonnabend.

Preisviertetjiihrtich 5Mark,diekiuzkcueNummer50 Pf.

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Berlin.

Verlag der Zukunft««

Wilhelmstraße3s..

1615.

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Wolmirsledt (Bez.Magdeburg),Wurzen S., Zeiiz.Kommendite i. Aschekslebem

—- Ausfijbkaak alles-bsglcgcschäftllchea Tkaasslctloaem

Zur gefl. Veachtungt

Diejenigen Abonnenten, welchedie»Zukunft«beiderPostabou- nirt habenoder durchPostüberweifungerhalten,wollen sichbeiAus- bleiben oder beiverfpäteterLieferung einerNummer stetsan den Briefträger oder diezuftändigeVestellsPostanftalt wenden. Erst wenn NachlieferungundAufklärungnichtinangemessener Frist erfolgen, schreibeman unter Angabederbereits unternommenen Schritte anden

Verlag der Zukunft.

Berlin sW.48, Wilhelmstr. Zit.

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Berlin, den 23.Januar 1915.

· --c-UIV F

Südfranzosen.

Mutdreiundzwanzigsten Juli 1914 reiste ich durchsPontarlier

... nachder Schweiz und erfuhr dort von dem durchseine kulinarischen Künstebedeutenden Bahnhofswirth, daßl ein mir bekannter hoher französischerBeamter mit seinerGattin vordrei Tagen von seinem Sommersitz plötzlich nach Paris abgereist sei.

»Warum?« »Geschäfte!« Jchbedauerte den Armen, aber ich vertiefte michin Gedanken weiter in meine frühisienesischen Maler,in denKreis umSimone Martin:i,·.ohnezuahnen, daßmir der Name diesesKünstlers späterzurLebensgefahsrwerden sollte.

JnDijongedachte ichderKriegsthiaten meines Vaters. Hier interessirte nichtnur dieprachtvolleGemäldesammlung, sondern eben sodasSchlachtfeld,wodieEinundsechziger gekämpft hatten.

Am fünfundzwanzigsten Juliabend fuhr ichnachderFabrik,die derSohn Garibaldis vertheidigt und vor der mein Vater sich das Kreuzverdient hatte. Ein prahlerischer Denkstein standan derChaussee;"vorsichtigwar vermerkt, daß.dieFahnederEinund- sechzigerin das Machtgebiet (,,1e pouvoir«)der Franzosen ge- fallensei, aufDeutsch-, daß. sie diese Fahneunter einem Haufen von Leichen gefundenhatten. Jch sahüberdiesesschöne Land, sahdieendlose Kasernenreihean derLandstraße (Rue Garibaldi) und bemerkte erst nach einigerZeit, daß.einfranzösischerOffizier aufmichzuigalopirte, wohl,um mir Etwas zu sagen. Jm letzten AugenblickzügelteeraberdasPferd,rittum mich- herum und sprengtc dann nachder Kaserne zurück. Bedeutung legte ich diesemVorfall nichtbei. Am Abend erreichteich Paris, sprach Ilängere Zeitmit einpaar liebenswürdigen französischen

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96 DieZukunft.

Gelehrten,hattedieüblichen SchwierigkeiteninderVibliotheque Mationale und wurde Zeugeeiner großen Massendemonstration aufdem Boulevard desCapucines Aufder rechtenSeite der Straße gingenimGänsemarsch Tausendevon Menschen,dieim Takt schrien: »Vive1’armåel« Auf der linken Seite brülltew Tausendee »Abas 1’arm6et« Darunter waren viele Soldaten in Uniform Das Ganze: Paris, das kindisch-e Paris, das nichts zuthunhatmit der feinen Gelehrtenwelt, in dieicham Tag zuvor, imSchloßvon Versailles, geblickt hatte.

Man hörteWorte wie ,,Krieg«und »Mobilifation«.Seit Jahren hörteman sie.DieFrau meines französischenBeamten, den ichin diesemJahr nicht aufsuchen konnte,hattemir 1913 inihrem reizenden pariser Salon (natürlichLouis XVI.)ge- schildert,wie furchtbar Deutschlandzermürbt werde, hattemir von der Thätigkeit ihres Mannes in Petersburg erzähltund mir end-lich ihreProtektion fürden Fall der Besetzung von kBerlinzugesagt. Jeder ihrerspäteren Vriefe schloß: »Huzwei Monaten hab-enwirdenKrieg« Jchkannte diesesKriegsgeschrei Meine wissenschaftlicheArbeit war mir wichtiger. Jch verließ nachderErledigung desNöthigstendasungsemüthlichseParis und kamam sechssundzwanzigsten Juliabends inAvignon an.

Provence. Das Land meiner Träume. Ein altes deutsches Land. JnderKirche SaintsTrophime inArles wurde derRoth- bart gekrönt; sein Wappen istdort inStein gehauen. Noch- heuterufen dieRhonefischer einander zu: »A1 empeire!«und

»A1 realme!«, jell nachdem sie nachder Neichsseite oder nach der Königsseite ausweichenwollen. Das Land istGlanz und Farbe;esist griechischerals Griechenland; römischeralsRom.

Die folgende Nacht schlief ichimSchutzederMauern desPapst- palastes,ineinem Bett,indemRapoleon übernachtet hatte,und derweite Sternen«hsimmeldesSüdens lugte durchdieFenster.

Die Besuchebei den gelehrten Freunden waren rascher- ledigt. Das Wort -»1aguerre« summte nur wie eine ferne Fliege durchdas Zimmer. Sonst sprachenwir von Päpsten, vonFresken,von Restaurirungarbeiten Amnächsten Nachmittag arbeitete ichinden Palästenund am Achtundzwanzigsten früh kehrte ich ahnunglos an die Stätte meiner Arbeit zurück.Da versagte mir ein Wächter »den Eintritt. fo,Warum?« »Es ist Jhnen nichterlaubt.« Jch erhielt einen pfiffigen Provencalens blick. Der Wächter.izog an seiner wehenden Krawatte.

Jchging zunri!Maire. Der wiar nichtzu sprechen. Die Arbeit inden Palästen seimir jedochverboten.

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Sü.dsranzosen. 97 Als ichzueinem befreundeten Forscher gehenwollte und Die Place de l’horlogc überschritt, slegtemir ein großer Herr 1nit einem weißenKnebelbart dieHandausdieSchulter-. »Bitte, Sie sindverhaftet.«»Danke sehr;wollen Sie mich umsonstver- pflegen?« »KommenSie!«

Wir gingen überden PlatzindieAlairie, woman michin ein großes, leidlichmöblirtes Zimmer brachte.Vor einem schönen Kamisn mitPlastiken aus der Schsulevon -Pigalle standenein Tischund zweidünne,französische Holzstii«hle.DerBeamte, der Jnich verhaftet hatte,zogsichzurück. Ein zweiter Herr,inEivsil, mit dem bekannten Vändchenim Knopfloch, erschien, begleitet svon einem südfranzösischen Schreiber. Der HerrinEivil strich sseinen langen Schnurrbart wieeinKater und sprachmitpariser Mecent Er spracheinlanges A; er sagte: ,,cr6aaation««,»illu- straaation«. Aber er war dochein echter Proveneale.

,,0hrName ·

Ichantwortete. Der Schreiber notirte eifrig.

»Sie sind deutsch-er Offizier

,,"Nein.«

»AberSie waren es.«

»Ja.Nur lhsabeichalsGanzinvalide denAbschied genommen.«

»Siewollen mir dochnicht erzählen, daß.Leute,diesoaus- sehenwie Sie, ganz invalid sind

»Wir habeninDeutschland Menschengenug undbrauchen WirklichKranke nicht deshalb inder Armee zuhalten,weilsie gesund ausseh-en.«

Der Kater pfauchte. »Ah-l«Er trat ans Fenster,wandte sichabersofortwieder um und gingzum Angriffvor. Ersagte- ,,Wollen Sie bestreiten,daß.Sie zumilitärischen Zweckendie eEpapstpalästevermessenhaben Sehr energisch sagteerDas.

»Das bestreite ich allerdings.«

»Was habenSie denn indenPalästen gethan

»Ich habe Freskenstudirt.«

iDieseErklärunglöstebeimeinem Gegenübereinen plötzlichen kSturm der Heiterkeit aus: ,,Fresken! Fresken!«Und ineiner Lächerlichen Erregung riß.er aus seinem Aktenbündel einpaar Pläne und hiielt siemirvor dieAugen. »Leugnen Sie, daß.Sie sdiese Pläne gezeichnet s·h-aben? Daß,Sie hierdie Dicke der Mauern eingetragen hab-en? JstDas auchein Studium von

;Fresken?« Dazudieberühmte verfrühte Siegerpose.

»Vielleicht versteh-en Sie, daß.esfürdieBeurtheilung des Zustande-Zeiner Freske von Bedeutung ist,wenn man weiß,

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98 DieZukunft-

obsiedemWetter aufeinerdünnen oderaufeiner dickenMauer ausgesetzt war. Außerdem sindindenFensternischen selbstGe- mälde,deren Breite ichmir notirt hiabe.«

»Ah-!Und dierunden Kreise

»SindZeichnungen von Heiligenscheinen.«

»So!Wirnennen esArtilleriestellungen.«Dasklang herrs-

slich überlegen. Nun liefmir die Galle über. »GlaubenSie«,.

so fragteich-.»daß.wirdenPapstpalast nichtmit unserergewöhn- IlichenFeldartillerie niederlegen können? Dazu brauchenwir- wahrhaftig keine Spionage über Mauerdicke und Aehnliches.««

DerPariser aus Avignon wiegte den Kopf. »SagenSie- dochdieWahrheit! Wir haben Jhre Papiere inBeschlag ge-

nommen: und da stehstjagenau vsermerkt,wenn Sie Etwas-!-

direkt an den Deutsch-en Kaiser berichtensollten.«

Jchwar wievom Blitz getroffen. DerKater strahlte: »Siehst«

Du,« sagteerprovsencxalischzudem Schreiber, »derSchreck ist.

ein Vekenntniß. Schreibs auft«

»WollenSie mir gefälligstdieStelleninmeinen Notizerc zeigen, wo Das steht.«

»Erhieltmir das Notizbuch hin. »Hier, hier, hier.«

chh sah auffdie erst-eStelle. Ueber die Fresken inder Johsanneskapelle. Da hatteichvermerkt: »Nicht uninteressant fürS.Ni.« OTartarinI »Das heißt:Simone Martini.«

Man fürchtete ich, daß.meinem Kater die Luftausgehen werde. »BestreitenSie auch, daszSie vor acht Tagen diestra- tegischwichtige Ehaussee von Belfort nachDijon angesehen- haben? Aufder selbenStraße, aufder acht Tage früherzwei deutsche Spione verhsaftetwurden

»Ich lhabedieSchlachtfelder besehen, aufdenen mein Pater-·

gekåmpfthiat.«

»Gutvorbereitet istdiedeutsche Spionage: Das muß·man sagen. Aber mir entgehen Sie nicht. AufWiedersehen!«

Cartarint Der richtigeSüdfranzofe, dachte ich.Von Paris-

trennt Dicheine Welt. Der französische General, der überdie

Provence «berichtete:»DasLand istder Himmel und das Volk aus dserHölle,« dieserGeneral war Pariser. Aber jetzt hatte Tartarin dieMacht« Jch saß,vor einem köstlichenKamin, erhielt- einnach Knoblauch stinkendes Essen,einen herrlichenalten Noth-- wein und hatte zwei PostenalsEhrengarde vorderThür«Und, ich rauchtefranzösischeRegiecigarrem

Mein Wärter war ein Gemüth. Er versprach mir, zwei Telegramme zubefördern. Eins an denhohenfranzösischenVe-

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Südfranzofem 99 amten,dessen Frau mirihre Protektion fürBerlin versprochen hatte,einsan einen Freund, einen französischenMaler inArles.

Antwort erhielt ichvon Beiden nicht.Die Telegrammgebühren sscheintdas»Gemüth« ohneBedenken inseinenPriviatschatzüber- führtzuhaben.

Am folgenden Tag erschiender Kater wieder und sagte, jetztsei·die Sache reif. Das hieß- auf Deutsch: Jchkam von ein Kriegsgericht.

Am Nachmittag schrieb ichein dringendes Telegramm mit der Bitte um Hilfean die belgische Pianistin Juliette Wi«hsl, die seitJahren inBerlin lebt,inmeiner Familie verkehrtund von der ich wußte, daß sie währendder Ausstellung in Lyon Konzerte gab. Jch verspracheinem Bengeldrei Francs, wenn er smir den Empfangschein der Post bringen würde. Jn einer.

Stunde hsatte ichden Schein; am Abend kam Fräulein WihL Was Gründe nichtvermocht hatten, erreichte eine Frau.

Meine Retterin wußtedieSüdfranzosen zunehmen. Sie sprach von Kultur, von dem großen Künstler,der ein Buchüber die Provence geschriebenhabe,sie kämpftemit Worten und Augen; und amVormittag deserstenAugust erschieneinschlanker, junger Herr beimir,dermirsagte, daß.einbedauerlicher Uebereifereines Subalternen gewaltethabe;ich möchteausderSachekeineHaupt- und Staatsaktion mach-en;insbesondere meinen FreundinParis nicht benachrichtigen usw. Jch versicherte ihn,nachdemer mir meine Notizen und zPläne ausgeliefert hatte, daßl ich selten besserenund billigeren Rothwein getrunken habe,und verließ- meinen Kaminplatz mit demschönenBlick aufdienackten Damen aus derPigalleschule aufNimmerwiedersehen

NunzeigtesichtbieFreundlichkeitdergebildeten Südfranzosen.

Fräulein Wihl und ich hattennur deutsches Geld,das nichtge- wechselt wurde,und Kreditbriefe, aufdiekeineBank mehrEtwas zählte. JndieserLag-eborgteuns dieWitwe einesprovencalischen Dichters hundert Francs, trotzdemdie Dame uns nicht kannte, nur, weil unsere gemeinsamen Kulturgüter ifür sie bindende- Kräfte hatten,diederStammesunterschied nicht vertilgen konnte.

Avignon Ewarkopflos. Nicht mehr Imöglich,selbst französisches Geld zUwechseln. Aufder Bahn weigerte man die Annahme eines Fünfzigfrancsscheines Mit größter Mühe gelang mir, den Scheinzuwechseln;unddaFräulein Wihl inzwischenmeine Hotelrechnung fürdas Napoleonszimmer beglichen undmein Ge- Päck geholthatte, fuhren wsirnachArles ab,wo wir»vondem«

Maler weitere Hilfeerbitten und miteine111»Da1npfervon Mar-

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100 DieZukunftSt

seilleaus Italien erreichenwollten. Als wirinArles aufdemgt lBahnhof ankamen, hörtenwir,-daß.um fünf-UhrdiesMobilmachungk befohlenworden sei. Züge nach Marseille führen nicht mehr.

Miit Freund hattesichin den letztenJahren durch die»

Herstellung künstlerischerMöbel zu einem schönen Wohlstande- emporgearb-eitet. sBor derThür seines Hauseserwartete uns seine- Frau,inihrer kleidsamen arlesischen Tracht. "Monsieur seiindie-.

Mairie gegangen, um Befehlezuholen. Ermüsse nach Berdun,»

wo ereineEisenbahsnlinie zubewachen habe. Jetzt müsseerzwei.

Paar Stiefelkaufen.UndDas sei so schwer,denn alleMagazine- seienschonsleergekauft;esgebenur nochLackstiefeL Jch dachtean dieewigen, endlosenStiefelappells, diemichalsjungen Offizier zurVerzweiflung bringenkonnten und die mirtausendmal schlim- mer waren alsdiegrößten Manöverstrapazen.Aber hiier hörte ich im Geistganz plötzlich deutsche Siegesglocken läuten. Zwei Paar Stiefel ..U

Uns-er Freundwar dieGüte und Umsicht selbst.Erführte- uns sofortzudem ihm selbst snichtbekannten Unterpräsekten, deruns mitdergrößten Höflichkeitempfing,mir dieHandgab undmitvollendeter LiebenswsürdigkeitdenRath erteilte, Fräulein Wihslund ich möchten schnell nach Marseille a«bsreisen,daer morgen uns vielleicht nichtmeshr gefällig·«.seindürfe. Wenn- uns unterwegs aber irgendwas zustoß.e, möchtenwir uns auf ihn beziehen; man solltedann nur bei der PräfekturinArles antelephoniren. Ein Zug nach Marseille fahrenoch,man ver-s- heimlicheesnur, um den Andrang zuvermindern.

Wir gingen, durch Gruppen erregter Frauen, diemichmit bösenBlicken ansahen, indie Wohnung desFreundes zurück»

wodieAbendmahlzeit aufuns wartete. AmAbend derKriegs- erklärung speiste ichineinem französischen HausmitFranzosen undeiner Belgierin. Später erschien nochderBorarbeiter meines«

Freundes, einSüdfranzose,mitseinerFrau, einer Jtalienerin..

Der Mann war nachToulon beordert, aber erverschwieg seiner Frau denBefehlund sagte ihrnur, sie solle nach Italien reisen, er werde auf Alles achten. Ueber den Entschlüssen dieses- Menschen slag eine gewaltige, tragische Ruhe.

Mit desFreundes Hilfe gelanges uns nun sogar, ohne Verlust-.

Geld zuwechseln.Als wirnachdemBahnhos gingen, warf ich einen Blickaufeinen wunderbaren kleinen Palastundmachteeine Bemerkungdarüber. DerMaler lachte: »Dawürden Siemorgen wohnen,esistder alte Palast desKönigsvon Arles;jetzt das Gefängnis.« Mir erhielten durchdesFreundes Bemühungen

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.Südsfranzofen. 101

Fahrkarten,undnachdemerunsnocheinsehr freundliches Emp- fehlungschreiben gegeben hatte,fuhren wir mit zweiStunden-«

Verspätung nach Marseille ab. Aufdem Bahnhof wurde ein Regiment verlad·en. JchstanddenLeuten gegenüberund siemur- melten: ,,Preuß.ischer Spioni« SpätinderNacht erreichten wir die Hafenstadt.Uebserall nahmen Menschenvon einander Ab- schied;überall Stille, Würd-e. Südfrankreich ist nicht Paris·

Jm Hotel überdortheilteman uns nicht.Wir saßeninder Machtingroßen Klubsesseln, ineinem schönen, stillen Zimmer und tranken gekühltes Mineralwasser. Draußen herrschteeine unerträgliche Hitzeund das Rollen derGeschützedrang zuuns hinaufwieganz fernerDonner.

lAm nächsten "Morgen bekamen wir durch Zufall einen Wagen. Fünfzehn Francs bis an den Hafen. Die Linie Fraissinet fuhrnicht.Das Adriaburearu war geschlossen. Am HafenfandenwirnochleinSchiffderösterreichischenLinie»Adria«, einen elenden Kahn,.der für zwölf Personen eingerichtet war und aufdem schon dreihundertfünfzig aufdieAbfahrt warteten.

Wann man a'bfahsre? In einer halben Stunde. Aber unsers großes Gepäck sei nochan der Bahn. Dann solltenwiresdort lassen. AuchdenLeuten aufdemSchiff fei ihreganze Hab-ever- loren. Schadenfreude (g-egendie,,Besitzenden«)klang durch diese Worte.

Fräulein Wihl wußte, daßmeine Kofferdiewissenschaftliche Arbeit eines Jahres bargen, Photos, Vermefsungen, Notizen.

Sie sagtemirdaher: »Sie sprechen Jtalienisch; haltenSie den Kapitän zurück. NachdemVahnhof dürfenSienichtmitkommen- Man schlägtSie tot. Jch mache schonAlles.«

Dieser Wunsch gingmir gegen den Strich;dochder Ent- fichslußwar nothwendig. Größe 1,90m,blond, frische Farben, blaugraue Augen, fastzweihundertPfund Lsebendgewicht:wie konnte ichdamitalsFranzosegelten!?Meine französischaussehende- belgische Beschützerin freundete sich aufderWagenfahsrtmitdem Kutscheran. Derisagte: »Gut, daß.Sie Jhsrendicken Mann dagelassen haben. JsterPreuße»Gott bewahre.EristSüd- franzose. Die werden oft sodick.« »Aberersiehst fehr preußisch aus.« Am Vahinhof waren vonMitternacht bis morgens um sieben Uhr fünfzigtausend Stück Gepäck angekommen. Dort sollten unsereKofferzaufgefunden werden. Die Freundschaft zwischen Fräulein Wihlund dem Kutscherwar inzwischenaber noch festergeworden und nach zwanzig Minuten hatteerdas Gepäckh-erausgesucht.Das Handgepäckwurde aus demHotelge-

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102 DieZukunft..

holt;diejungeDamesetzte sichneben denKutscher aufdenBock, (,,Madame, tjrez unpeu votre jupe,on voitvos jambes!«)und die Fahrt gingwieder demHafenzu.

anwischen hatteichden slevantiner Kapitän mitden üb- lichenMitteln bewogen,dieAbfahrtzuverschieben. Wir hatten eine längere Auseinandersetzung, in deren Verlauf endlichin der Ferne der Kofferwsagenerschien. Fünf lJtaliener (dieje fünf Francs verlangten, sieaberzusammen bekamen)trugen-die Kofferan Bord. Wir stelltendas Koffergebirg sorgsaman der Reeling auf, denn diePumpe des Schiffes leckrebereits unsd dasVorderdeck war quatschnaß..Dort erhieltenwirjedoch unsere ,,Plätze«.Einen halbenQuadratmeter jede Person. Mein »Platz«

war vor einem Käfig mit dreihundert Vögean Und in der Tasche hatte ichein Lloydbillet ErsterKlassevon Neapel nach Antwerpen. Abfahrt am ersten September von Neapel. Was daraus wohlwurde!

( Als das Schiffsichin Bewegung gesetzthatte, schoßldas Wasserderdefekten Pumpe inStrömen über dasDeck.»Essen

,·,Ja, fünfMann aus einem Napf.« Fräulein Wihl wußteaber die Stewsards zubestimmen, uns an ihrer Tafel mitessen zu llassen.DerösterreichischeMaschinist,einnetter kleiner Kerl,ver- sorgte michmitTabak.· Nachts schliefenwiraufdem Fußboden der Kajüte Das war immerhin erträglich.

Vierundzwsanzig Stunden dauerte die Fahrt. Wir wußten nicht,obzwischen Frankreichund Oesterreich schonder Krieger- klärtwar. Wir sah-enalldieKriegsschiffevorToulon und Ville- franchemitprüfender Sorge an. Aber sie ließ-enuns passiven.

Südfranzosen.

. Am folgenden Mittag landeten wir inGenua, im Hafen einer verbündeten Macht. Und hierwandte sichall die Güte und Zuvorkommenheit der Feinde inBosheit. Nie habeich tiefereSeelenqualen erlitten als durchdieitalienischen Zeitung- berichte.»HamburgeinTrümmerhaufe« (dortwaren meine Frau und Kinder); »der Kronprinz ermordet«; »der Feindgeschlagen; glänzenderSiegderFranzosen.«Wir waren immer »der Feind«.

Jm. Lande der Verbündeten.

Eine Belgierin und Südfranzosen habenmein Lebenund meine Arbeit gerettet. Die belgischeNetterin istinBerlin vor derdringendsten Sorge geschützt.

Frankfurta.O. Dr. Werner von der Schulenburg.

W

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Kriegund Kunst. 103

Krieg und Kunst.

riegundKunst: GegensätzewsieNachtund Licht,wie Hölle HXOund Himmel,wieTodund Leben. Dort dieDomäne nüch- ternster, kältester,brutalster Realität; hierdasReichdichterischer, lebenswarmer, feinfühliger Phantasie. HöchsterWerth:dortMiemi schenmassen, Millionen, indenen dasEinzel-Ich untergeht; hier Ldie einzelneKünstlerpersönlichkeitinihrer individuellsten Eigenart.

Dort Alles gestellt auf äußere Kraft, auf Machtbehauptung;

hiervölligerVerzichtauf äußerlicheWirkung, tiefstes Versenken in reine Jnnerlichkseit.Dort dserdröhsnende Schritt ehernerVa- taillone unddesVranden undTosenderSchlachten; hierdiehei- lige Stille und weih-ev-olleFeierlichkeiteinsamer.Schöpferstunden.

Dort selbstbeieinigenKulturnationen dasfurchtbareAusbrechen bestialischer«Jnstinkte,djieHerrschaftvon Lug, Trug, Hab- und Mordgier; hiierder Drang, alles Menschlichezuveredeln.

Sie scheiden sichwieerisches und Göttliches,wieWasser und Feuer,wieMaterie undGeist. Jstes einWunder, daß.,wenn derKrieg sein Haupterhebtundmitgezücktem Schwert durchdie Welt schreitet,dieKunstdaserste Opferist,das seineehernenFüße zuBoden treten? Kann esanders seinbeidemvölligenGegen- satz,derindemWesenVeider tiefinnen begründet ist?Könnte man sicheinLand derKunst denken,einPhantasiereich, indem sieoberste Gesetzgeberin wäre,in demalle MenschenKünstler wären,alsokünstlerisch fühltenund lebten,und indiesemLande Raum und Möglichkeitfür Krieg? Giltnichtvon der Kunstwie von derFreude: AlleMenschenwerden Brüder,wo Dein sanfter Flügel weht?

Wie dieKunstkeinen KrieginihremLande dulden würde, soduldet derKriegunter seinemSzepterkeine Kunst. Brichtein Kriegaus,so lähmter allemenschliche Thätigkeit.Am Stillsten ists zunächstüberall da,woKunst gepflegtwurde. Siescheint völlig vernichtet. Und je intensiver einKrieg geführt wird, je tieferder Antheil an ihmalleSchichtendesVolkes ergreift,desto weniger istRaum fürdieKunst.Das ist natürlich,weil essichaus dem.i Wesen von Kriegund Kunst erg«·iebt.Das ist nothwendig. Ein Krieg brauchtdasganze Volkzunächstinungetheilter Hingabean seinenüchterne,brutale Wirklichkeit.

Künstler sindindiesenZeiten,dieganz unter demEindrucke der ungeheuren Gewalt kriegerischer Ereignisse stehen,dieüber- flüssigstenMenschen.Und geradedieechtestenunter ihnen,die nichtnur »in Kunst machen«(man-che »Groß.en«tunDas), sondern

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