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Die Zukunft, 22. Januar, Jahrg. XXIX, Bd. 112, Nr 17.

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X X IX . Jahrg. Berlin, den 22. Januar 1921 Nr. 17

Herausgeber

Maximilian Harden

IN H A L T

Seite

Torquatus*Feier ...* 89 Kalter und heißer O r ie n t...108 O b e r s c h le s ie n ... . 110 E n t w a f f n u n g ? ... m D eutschsirischer D i w a n ... 112 P o in c a r e ^ B r ia n d ... ...

N a c h d ru c k v e rb o te n

E rs c h e in t ie d e n S o n n a b e n d

P reis v ie rte ljä h rlic h

22

M k ., d a s einzelne H e ft

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M k .

BERLIN

V erlag der Zu ku nft

SW47, Großbeerenstraße 67 1921

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Regina - Palast am Zoo

Reeg & Arnold.Inhaber:

(Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche) Telephon: S tein p la tz 9955

Kurfürstendamm 10 und Kantstraße 167-169

Täglich nachmittags r r j t j s ~ \ r v

und abends: Erstes Intern. Kammer- Orchester

D irigent: O t t o H a r t m a n n . Konzertmeister: C. D a r ih o Idy.

Am Flügel: W. L a u t e n s c h l ä g e r

W ie n e r R e s t a u r a n t KSSSSf/ig R R Z I W A N E R

= — W e l t b e r ü h m t e K ü c h e

TELEPHON:

Z e n tru m 4 0 8 6

Pilsner Urquell

B e s t e s zur P fle g e

derZähne.

^iiiii'iiiiiiiiiiiiiiiiiM iiiiinniiiiiiM iiiiiiiiiim im niim iim iiiim iiim m m niinm iiiiiiiim i'i!iiiiiiiiiiiiii^

Bearbeitung

von Im- und Exportgeschäften und Finanzierung derselben durch die

Rheinische

IMIsseselbchiiftmlB

Düsseldorf, Oststr. 129

F e r n s p r e c h e r : 4410 u n d 44J1. T eleg r a m m -A d r esse : „V elox“.

n iiiiiiiu iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiriiiiiiiitu iiiiiiiiiü iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiilirs

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TorquatussFeier

T n dem berliner Staatsschauspielhaus w ollte ich unseren T o rq u a to T asso die W o n n e seines Leidens erleben sehen.

D a ß W ilhelm , d er A llversudler, Schinkels herrlichen Innen«

bau, den w ürdigsten Schauspielraum auf deutscher Erde, in eine B onbonniere, ein zu lupanarischem E rgötzen vollkom*

men geeignetes Sälchen verhunzen, verhüllsen ließ, em pfindet heute, da dieses H au s, an m anchem A b en d m it Recht, einen V orderplatz in unserer T h eaterk u n st heischt, d er Betrachter schm erzhafter als in den Jah ren der G eneralintendanz, deren (einstw eilen) letzter, schlim m ster u n d d rum von den Fergen Oeffentlicher M einung handfest a n sU fer d er in ewigem G lanz prangenden Seligeninsel g e ru d e rte rln h a b e r das A n sin n en ,d en T asso einzuüben, m it him m elan schw im m endem A uge u n d dem in dicke Z uckerkruste eingebackenen Satz des flachsten N icolaiten abgew ehrt h ätte: „ M it Jo eth en h a b ’ ick nischt im S in n l“ D u m uß t, K unstsucher, in dieses H au s spät kom m en, D ich des bequem en Sitzes freuen u n d ohne U m blick harren, bis aus D u n k el der Leib des G edichtes sich hebt. D iesm al ward er von braunen N ebelsträhnen un d Fetzen häßlichen G ew ölkes nicht frei. Ein Regisseur, dem vor ein paar W o ch en die rhyth*

mische u n d szenische G estaltu n g eines w irren, doch ver*

h eißungvoll schönen Jünglingw erkes zum Entzücken gelun*

gen w ar,hat das besondere W esen des Tassodram as, in H ö hen u n d Tiefen, völlig verkannt u n d ist aus sorglich ernster Vor*

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90 Die Zukunft

b ereitung in eine nirgends erfreuende, im G ro ß en u n d Kleinen verfehlte A u ffü h ru n g gestrauchelt. Schon der A u fb a u der Szene ist ärgerlich neum odisch; scheint bestim m t, des Lau­

schers A ufsehen zu erw inken. D as B ekenntnißdram a des D reißigers w urde von b e w u ß t w erdenden Sinnen in die alte Szeneform gegossen, gehäm m ert. D ie „V o rb ü h n e “ reiß t die M auer d er K onvenienz nieder, von d er es lebt. Ein Stück des Parkes vonB elrig u ardo , ein paar seiner Bäume, kann ich nicht entbehren, m it Bogen, Bänkchen, dürftigen Kissen, H orizont»

ausschnitt zwischen den B üsten Vergils u n d A riosts mich nicht begnügen; un d will den D ichter, der in gotthafter Frei»

heit zuvor du rch die G ärten Ferraras (m ehr schw ebte als) schritt, im festen G etäfel des Zim m ers, das ihn K erker d ü n k t, sehen, nicht au f dem vorgeschobenen Schaugerüst, das der T h eatero p tik grenzenlos scheint. D ie Erfassung u n d Durch»

Strahlung eines G edichtskernes soll m an H e rrn R einhardt abzugucken trachten, nicht, wie er sich räuspert und wie er spu ckt; die geistige A rch itek to n ik , nicht das m anchm al schrul»

lige Spiel m it Rahm en u n d Sockel. Schön und, was nicht im m er das Selbe ist, fein sind, au ß er T assos, die Gewän*

der. D ie schön feinsten tragen die Frauen; tragen u n d (alas!) raffen sie, freilich, d a ß Jed er m erken m üßte, wie ungew ohnt ih re r B ürgerlichkeit solche T rach t ist. H ier d arf der W unsch nicht un terd rü ck t w erden, die hübschfleischige Frau, die sich neulich fü r ein durch Sinnenbrand flatterndes Seelchen, gestern, hö chst emsig, für die G räfin von Scandiano ausgab, nicht wie»

der in die D arstellung ernsten G edichtes einzulassen. Appetit»

lieh, geschickt, m it sicherem A nschlag des gefällig „Effekt“

ein b rin g en d en T o n es: ein Leckerbissen für D as, was ich, nach den R eklam ebildern in unseren H au p tb lättern , m ir unter dem B egriff„R otter»B ühnen“ vorstelle; durchaus zu A b lösu ng der schon lange H o ld e n geschaffen, die zugleich Rücken u n d Odol»

zähne zu zeigen oder du rch V erschiebung der Pupille in die A ugenh öh lenw inkel verruchte Sexualität anzudeuten vermö»

gen. A lp h o n so d ’Este wäre in dieser G esellschaft asthm atisch gew orden u n d sein Staatssekretär hätte von dieses Lorchens ölig w ippender Rede, die d an n auch in A nm uthgem ächel u n d U eberlegenheitgethue p lantsch t, eine pelzige Z u n ge bekom»

men. D ieser M oritecatino hat, in K örper u n d Sprache, gute

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I ' o r q u a t u s - h e i e r 91 H a ltu n g ; bleib t aber klingendes Erz, en tw ü rd et die zärtliche In b ru n st der dichterisch beschw ingten, m ännlich gedäm pften H u ld ig u n g vor dem Steinbilde des M eisters Lodovico in die innerlich kalte, von außen m it T o rf geheizte Pathetik einer Tischrede „au f A riost, ü ber den ich einige W o rte aus dem Stegs reif zu sagen m ir vorgenom m en h abe“ , u n d hat die macchiavel*

lisch kantige Feinheit, die goethisch b lü h en d e u n d an Düf*

ten noch reichere Fülle der G estalt (die der richtig geleitete, hier also dem R uf der Seele w illiger als des V erstandes gehör*

same D arsteller w ohl um fangen k o n n te) kaum m it der Schulter gestreift. M enschliches, in Freiluft Lebensfähiges gab n u r der ju nge Spieler,dem der H erzog anvertraut war. Ein vornehm er N o rd italer. Ein A ltm essing«B londkopf, den der G reco, den n ochV anD yck eher alsB ronzino o der ein kräftiger V enezianer gem alt haben könnte. D och dieser H e rr L aubinger (d en ich nenne, weil ich ihn loben kann u n d, nach zwei grundverschie»

den getönten N achschöpfungen für nennensw erth halte) war, als M od ern er, also nicht Leichtgläubiger, d urch den herzog*

lic h e n W o rtb e h a n g m u th ig in A lphonsos H andeln vorgedrun*

gen, hatte es (so denke ich m ir) als ärm lich, unweise, rathlos verlegen erkannt: u n d glaubte sich deshalb verpflichtet, einen sonnenlos V ersonnenen zu spielen, dessen freundliche Ma*

jestät Sorgen einschleiern u n d der die F lugbahn nicht bis au f den O lym posscheitel zu dehnen wagt. G oethe hat aber keine G renzgem einschaft m it Ib s e n ; strebt nicht, wie der echte M agus aus N o rd e n von den W egen des Jarls Skule bis auf die des Bildners R ubek, in E n th ü llu n g des W o rttru g es, der K luft zwischen T h u n u n d R eden; will durchaus nicht m it B ew ußtsein offenbaren, wie schm ächtig das G efäß sein kann, aus dem desM elos üppige W o rtp rac h t tönt. U nzulänglichkeit im eigentlich D ram atischen nur, n ich t däm onische Spitz*

büberei, hat dem H erzog, wie dem der „ N a tü rlic h e n T o c h te r“

u n d dem von T oledo, geschadet. D as zeushaft, m indestens jovialisch heiter Erhabene, das (nach N ietzsches Liebling»

ausdru ck) M editerranische d arf A lp h o nso nicht fehlen. D er in klare Kürze genöthigte Regisseur m ußte dem klug beschei*

denen Spieler zurufen: „M eh r Egm ont, w eniger O ran ien !“

D er H err G eheim bderath, der seine T heaterstücke nicht so feierlich, als M onstranz, tru g wie unsere H au ptm än ner ihre

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92 Die Zukunft

(die sie dann, priesterlich stöhnend, doch in den die fetteste E in k u n ft verbürgenden Spielraum einpassen), hätte lächelnd erlaubt, einen kleinen M o n o lo g anzuflicken, in dem der Her*

zog „erklärt“ , w arum er, als dilettante, das W erd en der D inge ringsum betrachte, statt es gestaltend zu m eistern. W ird der L orenzo nicht sichtbar, der C osim o nicht fühlbar, dann ver*

fahlt die Farbe des G edichtes. O h n e H erzog kein H of. Im Staatsschauspielhaus der k ryptokaiserlichen R epublik w ar keiner; ging A lles m ittelbürgerlich form los zu. D ie Heim*

k u n ft des Staatssekretärs aus Rom, von einer Reise, die nicht belanglos wie Schw atzfahrten irgendeines Koch od er Simons war, schien R ückkehr von D evisenbesprechung in einer Syna*

goge von Berlin W - ; hatte n icht einen H auch von Hofcere*

m oniale u n d Staatsaktion. T assochen zeigte seinem Fürsten M in u ten lang den Rücken un d dessen Fortsatz; griff nach Leo*

norens Knie, statt „ ih r in die A rm e zu fallen u n d sie fest an sich zu drücken “ . U n d diese Prinzessin w ar ein gescheiter, em pfindsam er, tro tz dem zu breiten Schnabel lieblicher Wan*

dervogel; ein gutes, lebhaft u n d natürlich, hier allzu natür*

lieh fühlendes K ind, das eine K ostüm ballgrille in Renaissance*

kleider aus B rokat verm um m t hat. (D a ß Frau Sorma von der B ühne schied, ohne diese Rolle zu spielen, die n u r sie spielen k o n n te: eine der T o tsü n d en des T heaterdoktors Brahm .)

Sieht Euer Blick in hellem K o n tu r noch die zwei Frauen in B elrig uard o? Beide, des H erzogs Schwester u n d die G räfin von Scandiano, hören au f den Rufnam en Leonore un d Beide d ü rfen im Innersten (A llerheiligsten o d er U nheiligsten) der Seele, in das kluge D am en selbst dem heiß G eliebten nie den E intritt gestatten, sich für die zarten H eldinnen der Ge*

dichte halten, die aus dem d u n k len G rü n schlanker Bäume den G ru ß des G en iu s du rch die Schloßgärten seufzen u n d deren „G eg en stan d “ stets Leonore heißt. U ngleich ist ihres W esen s A rt; in W illen u n d V orstellung sind sie einander sehr fern. D ie G räfin ist G a ttin un d M utter, kerngesund, m it allen O rganen u n d N erven an des D aseins, des gesel*

ligen W irkens freundliche G ew o h n h eit geklam m ert. D iePiin*

zessin ward durch langes Siechthu n halb schon aufgezehrt,ins Kränkliche ve;geistigt; in ihr w eht A h n u n g des Schicksals als Ju n g ira u zu w elken; gern w ähnt sie sich einsam , feilt

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Torquatus-Feier 93 dem feinen K öpfchen zugeflogene D en k sp litter ins Senten- ziöse u n d h ü llt sich, w enn Frösteln au f ihrer d ü n n en H a u t die H ärchen sträubt, in das H ö h en b ew u ß tsein der stolzen Seelen. D ie G räfin h at ihren G rafen, die K inder, F reun­

d in n en u n d F reunde, in deren G esellschaft sie alle L ust eines nie von A lltagssorge um nebelten Lebens gen ieß t u n d deren E m pfindensw allung u n d G ed an k en sie, wie ein d ürstendes Pflänzchen den M orgenthau, m it allen Fasern aufsaugt. In den einer vornehm en D am e u n d eh rbaren G attin gezogenen Schranken verschm äht sie auch ein galantes Spiel nicht: denn sie p a ß t in die W elt, der sie du rch G e b u rt u n d E rziehung zugehört, u n d hat an M aecenatenhöfen, sogar im Florenz der M edici gelernt, d aß ein zieilich der P lu m p h eit ausbiegendes G etän d el m it geistreichen M änn ern den Reiz einer ju n g en M u tte r f ifnkeln läßt, nicht verstaubt. A us Blum en win d et sie vor unserem ersten Blick den Kranz u n d k rö n t m it ihm A riosto,

„dessen Scherze nie verblühen“ ; u n d sie entschw indet u n ­ serem A uge im H offen au f „ein glücklich W o rt“ . D iesem freundlich dauerhaften D aseinskind ähnelt kein Z u g in dem blaß kühlen W esen Leonores von Este. Die, schrieb H erm ann G rim m , Bettinas echter Sohn, „m acht uns den E indruck einer blühendenR ose, die, abgeschnitten in einem kostbaren K ristall­

glase stehend, den K opf zu senken beginnt. Ih r D u ft ist im G arten nie von Jem andem eingesogen w orden. N iem and hat sie gepflückt, weil er sie schön fand. D e r G ärtn er hat sie abgeschnitten. Ih r Los ist, au f einem goldenen Tische stehend, um sonst die Blätter zu verlieren.“ H ü bsch. A ber sah der D ichter nicht eine Lilie, die sich nicht in das Schick­

sal beschied, auf goldenem T isch in einem schlanken Kelch­

glase sacht zu w elk en? D as ruhige G leichgew icht beschei­

dener Seelen ist dieser Leonore versagt. U eb er den engen Pflichtenkreis der Frau, ü b er die zierlich geputzte N ic h tig ­ keit des Prinzessinlebens strebt sie h in au f, üb er G letscher- firnen zu den G efilden em por, wo der G enius th ro n t u n d in finsterer G ew ittern acht die g ro ße Leidenschaft in Blitz u n d D o n n e r sich zackig entlädt. D a n n schlottert unten im T h al den Schwächlingen das G ebein, sie löschen das Licht, das dem gefährlichen Feuer den W eg w eisen könnte, u n d w ickeln sich bis an die Stirn in die w ärm ende Decke. So

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94 Die Zukunft

th u n die der Schw achheit B ew ußten. D ie Schwächeren aber, die, weil sie die H errlichkeit der K raft sehnend em pfinden, sich stark w ähnen, springen in solcher Stunde vom weichen Lager, reißen die Fenster auf u n d starren verzückten A uges in das Feuerspiel der Elem ente: bis ein jäh niedersausender Blitz sie in D u n k e l zurückscheucht. Eleonorens Los. D e r E r­

w achsenden w ird die M u tter, weil sie vom rechten G lau b en gewichen war, entrissen. D as früh verw aiste Prinzeßchen kränkelt, kom m t nicht „in die W e lt", d a rf nicht einm al m ehr im G esang die F lu th ihrer M ädchen wünsche, Jungferplagen däm m en. Sie liest u n d lern tv iel,k an n , seit ihre G esu n d h eit sich m ählich festet, m itS taatsm ännern,K ünstlern,G elehrten verkeh­

ren, ih r,.b e d ü rfe n d H erz“ m it dem Fühlen u n d D enken A n d erer füttern u n d dem B ruder helfen, aus Ferrara ein Klein-Florenz fleckloser M edici zum achen. D och im m er b leibtsie, an W angen u n d Seele, b laß u n d entschält nie sich der Selbstsucht des K ran­

ken, der in zärtlicher Eifersucht seinen G lücksrest zu w ahren trachtet. Ein ru h lo s vibrirender G eist, schm achtende, vor allem d erb Irdischen schaudernde Sinne, die sich auf die steilste K lippe d er V orstellung wagen, deren Scheu aber nie­

mals der S prung au f den Fels des W illen s gelänge. D ie aus langer K rankheit dem Leben E rstandene, noch von W ä rte r­

sorge ängstlich U m hegte träu m t gern sich in den W irb e l der Leidenschaft, gern, wie Semele, in des gew altigen D o n ­ nerers A rm ; doch ihre verzärtelten N erv en erschreckt schon d er erste Schlag, ihr in S tubenluft w ehleidig g ew ordener Leib biegt sich furchtsam , wie einer ju n g en Pinie, beim N a ­ hen des Sturm es u n d der A u sb ru ch ersehnter Leidenschaft jag t die Entsetzte in d en dum pfen Frieden ihres Fürstin- gem aches zurück, w o schwere V orhänge den W id e rh all des G ew itters däm pfen u n d kein Spältchen dem pfauchenden A them der W in d sw u th E inlaß gew ährt. N ic h t a u f G letschern noch in T ro p e n g lu th kann die Lilie gedeihen; u n d w ar im Park, im kristallenen Zierglas doch vom Langen nach großem E rleb niß d u rch b eb t, D ie G räfin ist stark, weil sie froh sich in ihre Sphäre fügt u n d nicht m ehr begehrt, als sie erreichen kann. D ie Prinzessin ist schwach, weil auf selbst gebautem Luftschlosse sie der ^Schwindel befällt u n d ihre em pfindliche H a u t nicht den A nhauch des Feuers erträgt, das M ädchen-

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I oi quatus-Feier 9 5

m uthw ille entfacht hat, um nach allzu langem Frösteln, end*

lieh, zu erwärm en. D as M odell zur Sanvitale hieß G räfin Jeannette W erth ern , war die Schwester des Freiherrn vom Stein, der den Pruzzengeist in M enschheit zu retten suchte;

von ihr, der G oeth e „das G enie in der K u nst des Lebens“

zusprach, h at auch die G räfin des M eister*Rom ans die zarte Statur. D ie Prinzessin (schon w in k t der „G eb ild ete“ aus W issensüberlegenheit ab) ist Frau C harlotte von Stein, wie der von ihrer H in g eb u n g Beseligte, d ann E nttäuschte und, trotz der E nttäuschung, u n ter Schmerzen noch Liebende sie sieht. H e rr D r. Em il Ludw ig, dessen „G oethe (G eschichte eines M enschen)“ ich hier schon rühm te u n d der, n u n vollendet, den D ichter desD ichterdaim onionshöchstansehnlich(auchalsD ra*

m atiker, T heaterleute 1) klassirt, ist in der Tasso^B etrachtung etwas karg,hier,w o gerade er auf blühen m ü ß te, seltsam duftlos u n d „s’ächlich“ , wie Einer, der das G eheim fach im Herzens»

schrein zu entriegeln, den B ren n p un k t des W illen s zu offen»

baren scheut; schreibt ü b er die Prinzessin aber ein paar Sätze, die ich auch deshalb gern anführe, weil sie die glitzernde An*

m uth dieser ganz künstlerisch belebenden, gar nicht „bio*

graphischen“ D arstellun g ahnen lassen. „ H ie r ist C harlottens reife M elancholie, leidende Skepsis, ih r seelenvoller W u n sch nach dem F reu n de; doch hier ist auch C h arlo ttens W ille, den F reund allein zu besitzen, ihr spitzes M iß tra u e n , die larm oyante T h rän e der alternden Frau. Schließlich fü h rt Frau von Steins abgespiegelter U m gang m it G o eth e im zweiten A k t den K onflikt herauf: es ist.d ie gefährliche M anier, m it der hier u n d d o rt die unsinnliche F reu n d in d en M an n psy*

chisch anzulocken, dann w ieder physisch ab zu stoß en scheint.

A u f dem H ö h e p u n k t der L ockungen, au f den G oethes Briefe an die F reu ndin im m er w ieder schließen lassen, d reh t sie m it der gew andten W e n d u n g der k üh len , hier d urch R ang dop*

pelt geschützten Frau plötzlich um , w eist den M ann , den sie so heftig reizte, m it unerträglich lehrhaften W o rte n in die Schranken, w endet ihm den R ücken u n d läß t ihn so, m it einem letzten halben V ersprechen, d a ß er durch langes D ienen sie vielleicht doch erw erben könne, in voller Auf»

regung allein zurück. In voller U n sc h u ld , durch solche Lockungen erm uthigt, begehrt der D ich ter die Fürstin. D ie

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96 Die Zukunft

scheinbare K atastrophe, in die das Stück ausläuft, folgt aus dieser ersten Szene einer psyschischen V erführung, die im letz*

ten A k t in einer noch raffinirteren Szene geradezu d o u b lirt w ird .“ N ic h t jedes G lied dieser Sätze schm iegt sich in mein Em pfinden. D o ch in dem (ungepflegten) A u sdruck „schein*

bare K atastrophe“ u nd in dem unbefangen w ägenden Blick au f die Prinzessin w ird die richtige A uffassung des W erkes m erkbar. D em H o rizo n t des vom Strom h o her W u n d e r über*

q u ellend en G edichtes verhängt aus H irn d u n st entstandenes G ew ölk ju s t da die Klarheit, w o sie zu V ollw irkung unent*

behrlich ist. Folge der langen Pause zwischen Beginn und V ollen d u n g des D ram as. D er über die D reißigerschw elle G etreten e, der schon im w eim arischen G eheim en C onseil, in M inisterrang, sitzt, Lust u n d PJage des thätigen Staatsm annes im Engen fühlen lernt u n d stürmisch»still um die Frau des O berstallm eisters V on Stein w irbt, findet in H einses glühen*

dem A ufsatz den Tasso w ieder, dessen „Befreites Jerusalem “ d er K nabe verschlungen u n d als O rien tfrach t auf sein Puppen*

theater verstaut hatte. D e r S orrentiner erbte vom Vater, von dem E piker B ernardo T a sso , die L ust, zu fab u liren , von keinem M ütterchen die F ro h n atu r; auch er aber sollte Ju rist, sollte durchaus nicht „D ich ter w erden“ u n d seine einzige, ihm innig gesellte Schwester hieß, wie Jo h a n n W olfgangs, C o rn elia. A ls H ofkavalier in Ferrara h a t er die Prinzessin Lucrezia geliebt. G a b es für D en , der in d er dram atischen Dicht*

u n g „die causa finalis aller W elt* u n d M enschenhandel“ er*

kannte, edler tauglichen Stoff zu einem Bekenner*G edicht?

A b e r erst n eun Jahre später, im Som m er 1789," ist es voll*

en d et w o rd en ; als das Band, das ihn, den „L eibeigenen“ , an C h arlo tte gefesselt hatte, zerrissen war. D e r die Vermäh*

lu n g der Seelen, der Sinne m it allen Fibern E rsehnende sprach das erste W o rt; der nach langem Q uälspiel E rhöhte treib t den A u fb a u des D ram as höh er; schon zum Richtfest kränzt ein E nttäuschter das G ebälk. A us diesen K lüften steigt der D u n st, der, noch heute, in Fetzen ü b er dem W erk hängt. U eber einem G eniedram a, dessen H e ld keinen K redit begehrt.

N ic h t zu begehren brau ch te: weil er aus seines Schöp*

fers O d em das G enie, nicht eines N am ens K lang nur, emp*

fing. D a ß Schillers geistreich-sentim entalisch vor jedem Ent*

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Torquatus-Feier

schlu ß schw anker A strologe im K oller H eere geführt u n d Pom m ern erobert, d a ß sein w ortflinker O berprim aner im H irtin k itte l u n d Jungferharnisch O rleans gestürm t, im be*

freiten Reims den Könit; gek rö nt,d aß O ehlenschlaegersW eich­

ling aus Sundklim a Jo , Leda, den Jesu sk n aben zwischen M u t­

terb ru st und Birne gem alt habe, sollen w ir glauben, weil die D rei sich m it den N am en W allenstein, Jeanne d ’A rc, C o rreggio putzen. In fast allem G enieheldengedicht ist es so.

H ie r nicht. Ferraras G ast bringt keinen K reditbrief mit, der ihn als den Sänger der „G erusalem m e liberata“ beglaubigt.

D essen K reuzfahrerepos, Liebe zu Lucrezia d ’Este, der geilen H erzo g in von U rbino, V ersgetändel m it ihrer ins M ie d e r des K euschheitrufes geschnürten Schwester E leonora un d einer auf den selben Vornam en h ö ren den G räfin Scandiano, die inquisitorische B ehandlung des G edichtes, des D ichters E in­

kerkerung ins Franziskanerkloster, seine Psychose, Bettel­

gänge, Raserei m it Z unge und M esser, die vom achten P a p st Klemens (A ld o b ra n d in i) ihm ’ verheißene, durch neue E r­

k ran k u n g vereitelte L orberkrönung au f dem Kapitol, der T o d des E inundfünfzigers in einer röm ischen Klosterzelle: all D ies braucht uns kaum zu beküm m ern. Kaum . Einzelne*

h at sich aus tiefen G ed äch tn iß ru n en doch d urch das Lösch­

b latt gediü ck t, das alles Erinnern an das sechzehnte Italer­

ja h rh u n d e rt tilgen sollte; scheint, wenn Erfindersinn stockte, als Vehikel, Förderw äglein herbeigew inkt w orden zu sein.

Z w ei Leonoren; die Z ü ck un g blanken Stahls gegen einen H o fd ien er; S trafhaft; im Vornam en des Staatssekretärs A n to n io M ontecatino klingt der A ntonianos, des Inquisitors, nach»

d er das Jerusalem des Sorrentiners from m durchschnüffelte.

A lp h o n so hat, freilich, nichts von dem grausam en Ränke­

schm ied Este; hat viel (ob w o hl Herr L udw ig es bestreitet) von dem Karl A ugust, der in den un verjährbar noblen Brief an den M inister u n d N e id h a rtV o n Fritsch sch rieb:„E inen M ann von G enie n icht an dem O rt gebrauchen, wo er seine a u ß ero rd en t­

lichen T alente gebrauchen kann, heißt, ihn m ißbrauchen. Es ist, als wäre es Ihnen schim pflich, in einem C ollegio m it einem ju ngen fähigen M ann \*ie dem D o k to r G oeth e zu sitzen, welchen ich doch, wie Ihnen bekan nt ist, für m einen F reu n d ansehe u n d welcher nie G elegenheit gegeben h at,

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9 3 Die Zukunft

d a ß m an ihn verachte, sondern aller rechtschaffenen Leute Liebe v erdient. Sie sind H e rr u n d M eister, zu th u n , was Sie w ollen; ich hielte es für U ngerechtigkeit, es sei, w er es w olle, in so w ichtigen V orfallenheiten seines Lebens einzu»

schränken; aber wie sehr w ünschte ich, Sie besonnen sich a n d e rs l“ U n d an den K nebel, der sich zu D ienst in W eim ar n ich t m ehr tauglich fand: „Sind denn, die sich D einer Freund»

schaft, D eines U m ganges freuen, so sklavisch, so sinnlicher Bedürfnisse voll, d a ß D u n u r du rch G raben, H acken, Aus«*

m isten, A ktenverschm ieren ihnen nützen k a n n st? K önnen w ir keinen G e n u ß finden, w enn D u von de n Schm utz u n d dem G estan k des W eltgetriebes Reiner, D eine volle Z eit zu Schm ückung des G eistes anw endend, uns, die w ir nicht Z eit zum Sammeln haben, den Strauß von den Blum en des Le*

bens g eb u nd en v o rh ältst? D ie Seelen der M enschen sind wie im m er gepflügtes L and; ists erniedrigend, der vorsich­

tige G ärtn er zu sein, d er seine Z eit d am it zubringt, aus frem*

den Ländern Sämereien holen zu lassen, sie auszulesen u n d zu sä en ? “ D er übervollb lü tige Karl A ugust, Reiter, Sauhetzer, Soldat, hem m unglos der Lust an G elage u n d Jagd, der Wer»

thern, Jagem ann u n d ländlich plum perer W eibheit hingegeben, ist, gew iß, „sinnlicher B edürfnisse v o ll“ ; aber gegen Ver*

dacht der A ehnlichkeit m it einem deutschen H erzo g , der an d erth alb Ja h rh u n d e rt vo r W ilhelm s Sturz so schrieb u n d so handelte, brauchten Sie, lieber H e rr L udw ig, selbst den in jovialische H o h e it verklärten Este nicht zu vertheidigen.

D ieses Ferrara ist W eim ar, „w ie es der D ich ter w ünschte“ ; wie ers, vor u n d nach m ancher E nttäuschung, vor u n d nach d e m Sieg ü ber C h arlo tten s sp rö d knausernd en Schoß, sah u n d em pfand. „ E rla u b t ist, was sich ziemt. W illst D u genau erfah ren , was sich ziem t, so frage n u r bei edlen Frauen an.

D en n ihnen ist am M eisten d ran gelegen, d aß Alles w ohl sich ziem e, was geschieht. W o Sittlichkeit regirt, regiren sie, u n d w o die Frechheit herrscht, da sind sie nichts. W en n s M änner g ä b e , die ein w eiblich H erz zu schätzen w ü ß te n , die er*

kennen m öchten, welch einen Schatz von T re u u n d Liebe d er Busen einer Frau bew ahren kann, w enn das G ed äch tn iß einzig sch ö n erS tund en in E uren Seelen lebhaft bleiben w ollte, w enn der Besitz, d er ruhig m achen soll, nach frem den G ü te rn

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Torquatus-Feier 9 9

E uch nicht lüstern m achte: dann w ar’ uns w ohl ein schöner T ag erschienen, w ir feierten d ann unsere g o ld e n e Z e it. . . Viele D in g e sinds, die w ir m it H eftigkeit ergreifen sollen; doch andere können nu r durch M ä ß ig u n g u n d durch E ntbehren un ser Eigen w erden. So, sagt m an, sei die T u gend, sei die Liebe, die ihr verw andt ist. D as bedenke w ohl! Ich schone D ich, denn sonst w ü rd ’ ich D ir sagen: Ists edel, so zu denken, wie D u sprich st? Ists edel, n u r allein an sich zu denken, als kränk test D u der F reunde H erzen n ic h t? Ich m uß D ich lassen: u n d verlassen kann m ein H erz D ich nicht . . . W e n n ich D ich, Tasso, länger h ö ren soll, so m äßige die G lu th , d ie mich erschreckt.“ D a steht die kleine, im T anz grazile, höfisch behende D am e m it schm alen Lippen, dunklem Blick u n d H aar, die dem derb einfältigen O berstallm eister V on Stein sieben K inder geboren hat u n d die (w ah rh aftig ?) an den sieben Jahre jüngeren G o eth e schreibt: „V or einem halben J a h r war ich so bereit, zu sterben, u n d bins nicht mehr. D ie W e lt ist m ir w ieder lieb, ich hatte mich so los von ihr ge*

m acht, w ieder lieb durch Sie. M ein H erz m acht m ir V orw ürfe;

ich fühle, d aß ich Ihnen un d m ir Q ualen zubereite.“ D a steht sie, die im m er reizen, doch niem als gew ähren will. D ie auf einen die R ückgabe eines G edichtchens, n u r zu A bschrift, erb itten d en Z ettel kritzelt: „Ich gebe nichts gern w ieder, was ich von Ihnen h ab e.“ A b er alles je von ihrer H a n d an G o e th e G eschriebene, jedes Z u fallsp apier, zurückfordert, vernichtet u n d aus den anderth albtau sen d Briefen G oethes jed e Z e ile wegschnitt, deren heischende oder dankbare Eroten»

spräche sie, wärs n u r vor N ach weit, „k o m p ro m ittiren “ könnte.

D ie in seinem G artenhaus die einsam sanfte H erzogin Luise bew irthet, in seinem Stadthaus, d urch dessen G arten sie aus ihrem unbetnerkt zu ihm gelangen kann, die H ofgesellschaft em pfängt, dam it m an w eithin sage: „So offen w ürden die Zw ei es gew iß nicht treiben, wenn sie was zu verbergen h ätten .“

Edlen Frauen ist am M eisten dran gelegen, d aß Alles wohl sich zieme, was geschieht. „So, uncle, there you are!“ Schade, d aß Strindberg übep diese begehrlich Versagende, unsinn»

lieh Eifersüchtige, die so gern Schwesterchen u n d Brüder«

chen, auch w ohl ein Bischen H errin u n d Sklave spielte, nicht seines m ehr m ännernden als m ännlichen Z ornes Schale aus*

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100 D ie Zukunft

goß. Ihm hätte sie, von anderer Statur als die feisten Schem en der T h o ren b eich ten , in W in d e ln die Seele gedrosselt. D och schon w ar der goldene Tisch an einen B an k d irek to r, das alte Kelchglas ins K unstgew erbem useum verkauft. A u f dem E ßtisch aus der M ö b elab th eilu n g des W aarenhauses, zwi»

sehen billigem Porzellan, groben Bestecken u n d schmatzen^

den M ännern, stand n u n die bleicheL ilie in einer m itLeitung*

wasser gefüllten Zw eim arkvase. G riff sie ein kecker K nabe, d an n starb sie in schw üler Som m ernacht; langsam er sonst*, unbeachtet von Essern u n d T rin k e rn , u n d sank aus dem M ülleim er ins M assengrab. N o ch sucht Leonore das VVun<

derbare, die große, Flügel spendende Leidenschaft; seit a b e r die Schranke, die sie von dem G ew im m el schied, fiel, schau­

dern ihre em pfindsam en K rankensinne noch schm erzlicher vor jedem W in d h au ch , der j e tit üble D ü n ste herw eht, u n d vo n d er G isch tklip pe der V orstellung füh rt au f den Fels des W illens kein retten d er Steg.. Einzelne w agten den Sprung*

kam en keuchend d rü b en an, errafften von verw eibten Män#

nern das lange neidisch ersehnte Initiativrecht: un d w urden , w enn das Ewig»W eibliche sie in die erregende U nrein e d er M onatskrisis herabgezogen hatte, von einem klirrenden M onocle*Achill o d er jo b b ern d en Lackschuh»H olofernes aus»

geschlürft, in Spülicht gestoßen. D ie A nderen bew ahrten wei*

nen d die von keinem R äub erg efäh rd eteju ngferschaft oder kro*

chen in eine lustlose U nverm ögensgem einschaft, die der M a n n am Stamm tisch seine Ehe nennt. D ie Frau b etreu t ihre häus«

liehe Pflicht, nickt, w enn die M u tter den Segen so nett aus»

gestatteten U nterstand es preist, u n d stö h n t n u r ins O h r der einzigen F reu ndin das W eh , u nverstanden, u n befried igt zu altern. D ie den k t: „ N u n ist auch die arme Lore hysterisch gew o rden “ ; u n d w ird nächstens mal m it dem Ehem ann ein ernstes W o rt reden. Frau Leonore kauft heim lich die k lein e D am enausgabe des Z arathustra, legt sie, u n ter ihr W irth*

schaftbuch, ins Buffet; u n d träu m t vo n g ro ß er Gletscher*

stille, vom U eberm enschen, w ährend sie dem M ädchen f ü r die G roßw äsche Laken u n d H em den, Tisch» und M und»

tücher zuzählt; träu m t von N ietzsches tanzlustigen M ännern u n d gebärtüchtigen W e ib e rn , w ährend der Eheherr dem Spe*

zialarzt, der ihm eine Schw efelkur em pfiehlt, als mildernden«

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Torquatus-Feier 101

U m stan d zuraunt, seiner über Alles geliebten Frau habe der berühm teste Frauenarzt der H a u p tsta d t schon vor Ja h r u n d T a ? den Eierstock ausgeschnitten. Im Reich der D ichtung erinnerte Eine n u r an die Lilie vom gezeichneten Stamm der Este: die T ochter des G enerals G abler, die das quälende B ew ußtsein ihrer U n fru ch tb ark eit treibt, A llm acht über einen M ann zu erlisten, erlüsteln, m it feinen Krällchen ein Men*

schenschicksal zu zerzupfen. H e d d a G abler, die ihrem Dich*

tef den T o d „m it W einlau b im H aar, T o d in Schönheit“

w ünscht u n d sein W erk verbrennt, dam it er kein K ind hin*

terlasse, auch er u n fru ch tb ar scheine: hier sind Bleibsel aus C h arlo tten s schlechtestem Stoff. Ist n u r m ehr Saga?Furioso, B rünnhildendäm onie; d ru m gehts nicht so glatt aus wie in d er gem äßigten Z on e des Ilm hofes. W a r aber das Sudel*

dram a „ D id o “, w orin C harlotte ihren F reun d sagen läßt, er*

habene§ Em pfinden sei n u r die Folge von M agenschrumpf*

ung, den nach unendlicher Pein v o n ihr E rlösten in einen bockstinkig eklen, n u r schön gestrählten Faun verzerrt (u n d das der treulose Schiller „eines edlen G em üthes Bekennt*

n iß “ n en nt), ein hehreres W erk als H ed d asV erbrennung des H irn k in d e s? E rlaubt ist, was sich z ie m t. . . G o ethe war nicht S trindberg. W a r g eh ü rn t; un d hats überstanden. D as Jahr, in dem Tasso vollendet u n d A u g u st G o eth e geboren w ird, trä g t auf C harlottes G u t K ochberg den Brief, aus dem der Satz starrt: „Erfreue D ich D einer Einsam keit; es w ird nicht lange währen, so h a b ’ ich, wills G o tt, sie auch w ieder gew onnen, um sie nie zu verlassen.“ U n d schon sechs W o ch en nach seiner H eim keh r aus Italien hat die stolze Frau geknirscht:

„G o e th e hat mich a u f völlig frem dem F u ß entlassen.“ Bald w ar er ihr n u r noch „w ie ein schöner Stern, der m ir vom H im * mel fiel“ . C hristiane, A u gusts M u tter, stand zwischen ih n en ? N ein. Seit der E rh ö ru n g des langen W erben s (H e rr L udw ig hat Dieses fein nachgefühlt) verglomm, ganz sacht, die Flamme;

u n d die Siebenundvierzigjährige, die, noch immer, „goldene Z e it“ spielen w ollte, entrückte sich selbst dem nicht m ehr erotisch G efesselten. 1791, da er die Leitung des H oftheaters, wie „ ’e W e in “ , in Schlückchen genießt, schreibt sie: „D as M itleid bem ächtigt mich m anchm al ü b er ihn, d a ß ich w einen k ö n n te .“ 1825 läß t sie für C orneliens E nkel das Ju g e n d b ild

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1 0 2 Die Zukunft

„Ihres v o n uns so hoch verehrten lieben G ro ß o n k e ls“ ko- piren u n d freut sich, „d en Enkelneffen des alten F reundes vo r dem m ir bevorstehenden Salto M ortale noch kennen ge«

lernt zu hab en “ . G eistreich; am A usgang des dreiundachtzig«' sten Jahres, das die stets K ränkelnde noch um dreizehn Mo#

nate üb erleb t. A cht T age nach ihrem T o d e ist Q u a rte tta b e n d bei G o e th e ; der H au sh err m acht der M adam e Eberw ein artig den H o f u n d 's p ric h t, „höchst befriedigt“ , ü b er die K u n st der Sängerin u n d ihres M annes, der Diwan» Lieder w ü rd ig k o m p o n irt hat. Iphigenie, Leonore, C harlotte, N atalie: die Frau, deren W esenstheile solches Q u a rte tt schm ücken konn*

ten, lern t der Ferne, zu ihr, von ih r geneigt, nicht aus; u n d sie h at ihre Spur vorsorglich verw ischt, ihre Briefe vernich*

tet. D ie dem Einzigen „G lückseligkeit zu ungeheurer Sum m e“

(fü r ein W eilchen) häufte, m üssen w ir ehren. D o ch zu Liebe kann ich mich nicht zwingen. 'W ie h at sie ihren „H eilig en “ , wie erst den Liebsten gepeinigt, nicht n u r die W eiber, C o ­ rona u n d noch leichtere, nein, auch die F reunde ihm , herrsch-, seihet*, d ru m eifersüchtig, m iß g ö nn t, jede nicht von ihr be­

reitete Lust, w enigstens die R änder, benagt, wie engherzig den vom H im m el gefallenen Stern in ih r Seidenw estchen zu wickeln getrachtet, d aß er ja nicht etwa w eithin noch stra h le ! Sieben K inder aus den Lenden des Schlemmers, M arstall- m eisters, O chsenm ästers, Jeum achers Stein, danach so viel P arade m it Reinheit, sublim er Sittlichkeit, fest an T u g en d hängender Liebe: w ar dieses W e ib in G oeth es B lut n ich t doch, wie M iß trau e n in E gm onts, ein frem der T ropfen, den die „gute N a tu r“ herausw erfen m u ß te ? N ic h t w irklich, wie der noch U n erh ö rte aus A bendzw eifel einst schrieb , „ n u r das reine* G las, darin sichs so g u t bespiegeln lä ß t“ (w enn A nh auch u n d Speichel des letzten Kusses w eggeputst is t) ?

D a ß der T assodichter in tief zerklüfteten Stim m ungen C h arlotte sah, Leonore schuf, ist fü h lb ar geblieben. A u ch , besonders in der G estalt, H a n d lu n g u n d Rede des Staats­

sekretärs, der W a n d el des U rth eils ü b er W e rth u n d B edeu­

tu n g des staatsm ännischen, auf breiter Straße ins A llgem eine w irkenden u n d des leis den K ultu rg an g schleunigenden p o e ti­

schen Schaffens. D e r französische K ritiker A m p ere, sagt G oeth e, „ h a t richtig bem erkt, d a ß ich in den ersten zehn

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Torquatus-Feier 1 0 3

Jah ren m eines w eim arischen Hof« u n d D ienstlebens so g u t wie gar nichts gem acht, d a ß die V erzw eiflung m ich nach Italien getrieben u n d d aß ich d o rt, m it neuer Lust zum Schaffen, die G eschichte des T asso ergriffen habe, um mich von D em frei zu m achen, was m ir noch von m einen wei»

m arischen E indrücken u n d E rinnerungen Schmerzliches u n d Lästiges anklebte.“ D ieses A ltersw o rt ist m ir Schlüssel. Rom w ard D am askus. „ D a Saulus vom H eiligen G eist erfüllt w ar, fiel es wie Schuppen von seinen A ugen u n d er w u rd e w ieder sehend.“ A u s altenSchicksalsfragen e rb rü tet die Römer*

sonne A n tw o rt. Ist D ieser geschaffen, im G ed äch tn iß einzig schöner S tunden nie w ieder nach frem dem G u t lüstern zu w erden, bei der edelsten Frau zu erfragen, was sich zieme, der sechsundvierzigjährigen H o fd am e goldene Z e it vorzu*

zau b ern ? Ist n u r Staatsverw altung, Sorge fü r Ackers u n d Bergbau, feierliches G etuschel m it frem den M inistern u n d derV ersuch, die stets störrige M ähre eines Fürstengem üthes m it Sporn, Z ucker, Peitsche zurechtzureiten, ist all solcher Klein*

kram , den jed er Fritsch m eistert, nicht K ünstlersschöpfung, die T h at, die am A nfang w ar u n d in A eonen des Schöpfers Erdentag fortw ähren lä ß t? G lücklich ist, w er selbst seinem Streben die G renzen setzt. Stirb, fast n eidig den M onte*

catinos N achstrebender, u n d w erde: Tasso 1 E ntkette D ich der U n n a tu r dieses schleppenden V erhältnisses zu Einer, die D ir Fürstin, H eilige hieß, in deren D un stk reis D u „nichts Eigenes m ehr“ hattest, die D ich ganz in ihre Sphäre saugen will, un d sei w ieder: G o eth e 1 D a ist die U n terströ m u n g des D ram as. W e rs auf die B ühne (au f ders G o eth e nie voll*

stän d ig sehen m ochte, Frau vo n Stein nicht oft genug sehen ko n n te) bringen will, m u ß tief in das G ed ich t hin ein g elau srh t u n d , m uthig entschlossen, seine Stellung zu ihm gew ählt haben. Sonst v erd u n stet ihm der H o rizo n t. D e r Regisseur des Staatstheaters stellt seine fü n f Spieler g u t; h e b t sich selbst aber nicht aus Z w ielicht. Seltsam C osim eskes b raute schon in dem S tudentenstück um ihn. In dem thorenrein gefegten, m it Im portfrom m heit aus verschiedenen Schläuchen bespreng*

ten B ayreuth soll Isolde, auch K u nd ry gar, „ein K in d “ sein.

Befehl der M eisterin. Papa Liszt hätte listig*lüstlich ge»

sch n up pert: K inder giebt es von sehr verschiedener A rt. In

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104 D ie Zukunft

B elriguardo w ird die Prinzessin verk in det; so ll, ungefähr, Leonardos Lisa m it A chtzehn scheinen. D adurch kom m t, zu*

nächst, unsere b e w u ß t junge, gew ichtig m untere Sanvitale in den Paßgang einer D uenna, aus Erfahrungreife schelmisch (o wie schelmisch 1) h erab d roh en d en Palastdam e. V erschiebt sich bald auch Leonorens V erhältniß zu den drei M ännern ins u n h altb ar G run d falsche. Eines Prinzeßchens lehrhafte Alt*

k lu g h eit: überläufts E uch? O b en d rein ists, als habe der Schatten des süß berlinernden Erbgrafen H ülsen gelispelt:

„ N u , Bolz, ’t janze Licht auf Ihre H o h eit u n d ’n diskreten Strahl auf Frau Jräfin !“ Keinem Steinanbeter glaube ich, d a ß der D ichter die Frau, die dem von Schöpfers Q u al u n d W o n n e noch dam pfenden G enius V orlesungen ü ber Schick*

liches, Ziem liches, tugendsam e M äß igu n g der Liebe hält, ihr H erz m it ihm äugeln, ihm Seligkeit in ungeheuren Sum men verheißen läß t u n d sogleich danach das „H in w e g !“ (einer M iß ) ruft, bis ans E nde in G lanz u n d G lorie der H eiligen J u n g fra u sah. W as w ird, w enn sie in Prallsonne steht, aus d em G e d ic h t? D um m es Trauerspiel. V erdientes E rlebniß eines vom G lauben an seinen Liebreiz G efo pp ten, der sich nie aus seiner Papierw elt in Lebensluft wagen durfte. Schiff*

bru ch des ohne Senkblei, K om paß, W in d sw itte ru n g Ausge*

fahrenen an dem Fels noch, der ihn R ettung d ü nk t.

Stelzest D u , Regisseur, D ich in den R ang eines Gegen*

g o e th e ? D em A ntichristus, der den Evangelien nichts zu*

setzen, n u r „ ’t janze Licht“ auf H an ans H ohpriestersippe, a u f die Schriftdüftler u n d die von ihnen „conquistata Ge*

rusalem m e“ , zuletzt auf Ju d a s w erfen könnte, hinge die blö*

d este M enge n ich t lange an. A uch hier ist gew ollte Kreuzi*

g u n g u n d A ufersteh u ng. Ist nicht T ragoedie. D ie spielst D u . H a t vor D ir m ancher geistreich Blinde gespielt. D ein Stück w äre nach einer H a lb stu n d e aus, w enn der H erzog seinen Staatssekretär, nach dessen erstem W o rt eisiger A b w eh r des ih n m it W e rb u n g berennenden D ichters, beim O hrläppchen nähm e u n d spräche: „U n se r G ast ist nicht, wie D u w ähnst, ein spiegelsüchtiger G e rn g ro ß , aufgeblasenes D u tzendtalent, h a t nicht die G rim asse, so n d ern H e rz b lu t u n d A them der G en ialität u n d d a rf deshalb fü r G rille u n d U eberschw ang n o ch E hrfurcht fordern.“ W e n n A lp h o n so zu seinem M inister

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Torquatus-f'eier 1 0 5

redete, wie Karl A u g u st an seinen ü b er G o ethe schrieb. W eil ers nicht th u t, streckt u n d fältelt sich D ein Stück. W ir fürch«

ten das W iederaufklaffen des Spaltes zwischen den abgewei«

d eten R om antikergem einplätzen von „ H e rz “ u n d „ W e lt“, folgen gehorsam , weils „erstklassisch“ ist, w erden nirgends aber bis ins Innerste gepackt, riechen Lavendel u n d fragen uns, beinah respektlos, ob dieser sonderbare Schwärmer Tasso d enn so langgestilter Reden w erth sei. D einer nicht. Ein u nschön eifernder Ju ng m an n m it taktfest drückendem Kehl«

köpf, heftig schanzenden H alsm uskeln, ro then Klempner«

händen, der m it junkerlich knarriger, nicht unedler, doch glanzlos eintöniger Stimme seinen P art nicht schlecht, nicht kalt, nicht un k lu g aufsagt, noch öfter ausschreit. U n d genau so sprechen, brüllen, schluchzen w ürde, w enn er Einen zu mi«

m en hätte, dem der V ater gem ordet, die Schwester geschän«

det, das Liebchen u n treu gew orden ist. A ergere V erkennung w ar nicht ersinnlich. U n d D ieser ist lange schon in Ferrara, dem H erzog Labsal, den Frauen B lüthenjubel u n d Sturm«

gejauchz nie zuvor erblickten Frühlings, von A n tonios A uge o ft, ein ihm noch U n w äg b ares, gew ogen? W ir glaubens nicht. D ie Z w ei sahen einander niem als; auch m it dem Für«

sten, der Fürstin ist der ju n g e H e rr (A sta oder A dele in H am lets H o se ) nicht in atm osphärischer G em einschaft. Tasso ist von zwei Stellen aus zu greifen, zu gestalten. D ie erste:

„ H a b e n alle G ö tter sich versam melt, G eschenke seiner W iege d arzu b rin g en : die G razien sind leider ausgeblieben; un d wem die G ab en dieser H o ld e n fehlen, D er k ann zwar viel -besitzen, vieles geben, doch lä ß t sich nie an seinem Busen ru h n .“ D a s zielt au f M ontecatino (u n d , hoffe ich m anchm al, a u f M on a C h arlo tte vom M arstall). Versiechte D ir, Regisseur, A u g e u n d O h r? So seelisch steif u n d d ü rr D ein A n to n io ist: m it den G ab en d er h o ld en G razien w ard er viel reicher do ch gesegnet als der auch (w a ru m ? ) K ohlschw arze m it den früh gefurchten, tro tz dicker W e iß p u d e rsc h ich t schweißfeuch«

ten W ang en, an dessen knöchernem Busen sichs nicht weich ru hen mag. D ie zw eite Stelle (nach A lphonsens M ahn un g, den Schaffensdrang zu däm m en, in W eltgeselligkeit Zerstreu*

ung zu suchen, die aus V erlust des Poeten dem M enschen G ew in n m ü n zt): „ W e n n ich nicht sinnen o d er dichten soll,

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106 Die Zukunft

so ist das Leben m ir kein Leben m ehr. V erbiete D u dem Seidenw urm , zu sp in nen ,w enn er sich schon d e m T o d e n ä h e r spinnt. D as köstlichje G ew eb ’ entw ickelt er aus seinem In*

nersten u n d lä ß t nicht ab, bis er in seinen Sarg sich einge*

schlossen.“ D ie B illigung A m peres war der Schlüssel z u r K irchthür; aus den V ersen vom Seiden w urm w ird der zu r Sakristei. „Ich halte diesen D ran g vergebens au f, der T ag u n d N a c h t in m einem Busen w echselt.“ W ill ihn auch n ich t aufhalten. D e n n vor} ihm , d u rch u n d für ihn lebe ich. V on seiner G n a d e bin ich, d er ich b in : des ewigen Lichtes Brin*

ger, des A llum fassers, A llerhalters A postel, um nebelter Him»

m elsgluth K ünder, P h o sp h oro s, Luzifer, vom H eiligen G e ist Besessener, noch in K ram pfes Schrillheit Stimme des w anklos th ro n en d en H errn . U n d k o n nte h in ter dicken W ah n esb in d en m ich in den stäu b enden R uhm der „p rak tisch “ T hätigen sehnen 1 H ie r ist nicht T rag oed ie; nicht einm al, h o ld begab*

ter D o k to r L udw ig, „scheinbare K atastrophe“ (fü r B linde n u r scheinbare). „E in Schauspiel“ : steh t u n ter dem N a m e n des H elden. H a b t Ih r A u g e n ? H ie r ist K atharrsis, ehe Tra*

goedie w erden kann. Ist H eilu n g Eines, dem auch (ich wieder*

h o ls) L eidenserlebniß W o n n e war. D e r nicht um Ferraras K ro n k lein o d ien es je m issen m öchte. D ein T o rq u a to , Re*

gisseur, tru g die to rq u is, als w ärs das Stierjoch, das K um m et eingespannter Pferde, das ihn bis inV erröcheln w ürgt. G o eth es träg t sie wie der M anlius Im periosus, der T o rq u a tu s hieß*

seit er vo r seines H eeres A uge einen G allier im Zw eikam pf erschlug u n d des Erschlagenen goldene H alskette, auch eine to rq u is, als T rium pheszeichen um den eigenen H als schlang.

N ic h t ein von der Erinys, von der düsteren A lekto m it d er S chlangentorquis G ejagter tra t vor uns h in , klam m ert zu Rast sich spät an M o n tecatin o s Felsbrust. Ein G ekränzter, m it der E hrenkette B elohnter; zu kurzer Rast an die Steinm ole, gegen die sein Schifflein geschleudert w orden war. D as w ird schnell w ieder flott. W as h ieß D as für ein Leben fü h re n ? K leinstaatsdienst u n d H ofknechtschaft, Livree un d A kten.

Eine Eisfassade erw ärm en, der zierlichen R eifrockpuppe aus A ltm eißen, ein Pygm alion m it apollinischer Sangeskunst u n d A p h ro dites H u ld , Leben einhauchen, eine w eiße G alathea, d ie blasse Lilie in B lutsröthe küssen: D as lo h n t schon besser.

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Torquatus-Feier 107 W ie einer von Prinzen, Offizieren, R eitknechten, Pagenstand#

haftigkeit u n d K itzelk ü n sten g ierig A ltern d erü b ersatten D o n n a Ju a n a die V erfüh ru n g eines d ü ster strengen M önches. W ä re die Belagerung n u r nicht gar so langw ierig, das eroberte Ge#

lande noch nicht so herbstlich, die U eb erw u ndene ferner von H errschsucht, freier von d er A llure d er d urch ihr „ O p fe r“

zu A llm acht Berufenen; u n d : siebenundvierzig! V or u n d ü b er den in V enedig, Florenz, Rom , N eapel b lü h enden Leibern dran zu denken: V ision T iefurts in T aorm ina. T iefer be#

schäm end noch das E rinnern an fruchtlose Jahre. Fast nichts Rechtes geschaffen. Im versandeten B innenhafen scheitern?

Einem schw elgenden Fürsten w ü rd ig aufw arten, allerlei K unstkram samm eln u n d sichten, von anderen Enghöfen sich D osen, Sterne, auch w ohl ein K ettchen holen, das doch n u r de§ Z ugthieres gleißende H alsfessel w ird, u n d m it der

„lieben L otte“ , deren Jü n g ste r schon ein Kerlchen m it offenen A ug en ist, in H ochschranzentem po, insgeheim un d doch allzu ehelich sittsam (w ie n en n t m ans vor keuschem O h r ? ) der Liebe pflegen? C lavigo, der bei M ariens L ungenfäulniß versauert. N ein . T äglich Freiheit u n d Leben erobern. A uch Faust will gen Süd, zu H elena, dan n in Lebensweite, a u f dem M eer abgerungenes Freiland, das M illionen einst Heim*

statt w ird. M ah n en d pocht W ilhelm M eister. D e r Lyriker, E piker, Rom ancier, N aturfo rsch er schlief; ist nicht gestorben.

D as kränklich eintrocknende Pflänzchen d arf nicht der letzte D u ft solchen Lebens gewesen sein. Erst Vierzig! A us vielen Beeten ru ft ringsum W oh lg eru ch . C hristiane ist V ollnatur, drum auch der Frau A ja als „B ettschatz“ des Sohnes will#

kom m en , un v erk ü n stelt aus einem Stück u n d imm er voll d a n k b ar hegender L iebe; ü p p ig frische W e id e für Einen, der Jah re lang, zuerst unverdrossen, an zäher Speise gekaut hat. D ah in ter leuchtet der B lum enpfad von Rosen, Tulpen»

M oh n k o lb en , Kamelien, T ausendschön; bis in A bend röthe, zu M arianne, U lrike. N u r keine Zierlilie mehr! Keinen H o fro m an,k euch tT assos vernarbende Seele,m it einer kranken Prinzessin, der ü bersinnlich »sinnliches Lockspiel Zimmer#

gym nastik u n d K euschheit A n g stg eb o t ist. D o ch ihren Kranz, die grüne T o rq u is vo n Vergils Stirn, nim m t er m it auf den W e g zu seines W erk es V ollendung. H attet Ih r O h re n ? Selig

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108 Die Zukunft

war er, noch da er aus Q u al aufschrie. W eil unter stum m D u ld e n d e n ihm ein G o tt gab, „zu sagen, was er leide.“ W eil n u r von so reizbarer Sch w achheit, von so schnell beschw ingten, him m elhoch, höllentief tö n en d en Sinnen sein Jerusalem zu bauen war. F errara? Ein Rastort. E leonore? D ie adeligste, m odisch w underlichste W ie d e rg e b u rt A rm idens, die, aus noch derberem Stoff, zuvor Kirke hieß. A n to n io ? D er steingraue, ob en schön bew achsene M olo. A n ihm zerschellen? Schon b ad et die quillende T hräne ein Lächeln. W e r von Euch, Fein*

gebildete, w eltm ännisch u n d gütig W eise, hätte aus vier nie d ich t V erhängten, nicht schwer D u rchschaubaren die Euch entsetzlich frem de u n d in sich doch vollkom m en logisch ge*

regelte W elt zu schaffen verm ocht, die m einer von Schöpfung, von des Z eugens u n d G ebärens D oppelw eh w u n d en Seele hier zwischen zwei Sonnen au fg in g ? K einer. M ein in Vor*

stellungfesseln geschm iedeter W ille hatte Euch verzaubert.

Ih r wäret, wie R inaldo u n d seine G efährten, meine G eschöpfe ; spieltet, m it m ir, m ein D ram a. Spielte ichs nicht am B esten?

D ieses B ew ußtsein w ar in m ir: in W u th des G ekränkten, T linw eggestoßenen noch Jub el des Stolzen. N u n hat Euch der D ichter, nicht gnädig verschleierte H ofacht ihn, entlassen.

D e r D ich ter will sein W e rk ; w irkt dran, auch wenn ers Blinz*

lern in L ebensfluth u n d T hatensturm , in G etändel und Selbst*

zerfleischung vergessen zu h aben scheint; u n d seine Spieler, M itspieler sind, wie des g rö ß te n Z auberers, aus L uft u n d Lehfio, von eines A them s G lu th in Leben erhitzt. Er aber lä ß t von dem köstlichen G ew ebe nich t ab, „bis er in seinen Sarg sich eingeschlossen.“ E uer W a h n hat T ragoedie ge*

fü rch tet? Phantasie gab dem D ichter ein Fest.

N o t i z b u c h

K a l t e r u n d h e i ß e r O r i e n t

A us Baku, w o er viel sah u n d hörte, hat H err Radek einen A rtikel nach M oskau geschickt, der durchschim m ern läßt, was die B olschew iken von den O rien thän deln der Groß*

u n d K leinm ächte erhoffen. D e n Frieden von Sevres (Entente*

T ü rk e i) h ält er fü r abgethan, weil die h u n d erttau sen d Grie*

chen, die H e rr Venizelos gegen Kemal Pascha aufgestellt hat, n ic h t m ehr käm pfen w ollen. „V ersucht der brave K onstantin,

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