Axt-Jahrg.--»«w- Brrliikden.9. Mai1908.wV-.—.V.»M-.xJ-HWWMM Ur.32.»
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Nachdruck verboten.
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Berlim den 9.Mai 1908.
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Prozeßbericht
RöniglichesAmtsgerichtMünchenI.Mariahilfstraße;weitdraußenan der Au. EinnüchternesHaus. ThierschsJustizpalast hat mehr Phy- siognomie.DochanRaum,Luft, Licht fehlts hier nicht. GrundrißundAn- lagescheinendemBedürfniß fürs Erstezugenügen.Saal 5.Hell, groß,ein- sach. AusdemGerichtstischderKruzifixus;drüber derBayernkönigKein StücknochPutzgeräth(Kleiderhalter.KönntePreußens Justizetatdienicht
«»auchendlichleisten?) SchonsinddiemeistenPlätzebesetzt.Richter,Anwälte, Schriftsteller; auchNichtalsneugierige,die kamen»umdasRhinozeroszu sekhen«.Vorstellung,Händedrücke,nervösesGeplauder.»Wirds langedau-- ekkn?«KeineAhnung.»Mehrals einenTag?«Nurwenn FürstEulenburg s;.ch-alsZeugenmeldet;sonstnicht.DieBedeutung diesesGerichtstageskennt ,-·"er;hat aucheinenAnwalt bestellt,derihmausführlichberichtensoll und(der kleineHerrda drübenists)schonseinSchreibzeuginOrdnungbringt.Ganz fernklingtmir dasGesumm;wie dassinnloseRauschenauseinerMuschel.
Wieder in einemGerichtssaal·JmLaufevonsechsMonaten der dritteStraf- prozeßJn denPulsen pocht,injedemNervzucktnochdie-Erinnerungandas grotesk Ungeheuerliche,dasdie VierteStrafkammerdesberlinerLandgerich- tesmicherlebenließ. Jnderlangen, langenStille derKrankenstube hat je- desWortsich,jederTondenHirncentreneingeprägtundhundertmal istaus keuchenderBrust auf EissprosseudieFurchtin denKopfgeklettert,nichtzu dauern,bis all diesGrausig-SkurriledenMitlebenden erzähltist. Nochver- mochteichsnicht;undhättewohlklügergethan,imZustandreizbarerSchwäche
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190 DieZukunft.
neue Emotion zu meiden.Zuspät.Halte Dichnur inZucht,ruftsdrinnen;
wasDusprächest,klängegewißviel zuschrillundverriethedasLeidenderPhy- sis.Zwinge DichzurZurückhaltungEines,dernur kam,zuhören.Unser Platz istamFenster. Zwar hätteichhier nichtdieFratzenderPreßschakale (Canisaureus Lovy)vormir,die inMoabitdieVerurtheilungherbeiheul- ten undderenschmutziggraugelbeWangenThränenfeuchteten,wenn diean- noch pompösesteder trois soeurs demHohen Gerichtshof melodramatisch kam oderdas treueGemüthdesRobenlyrikersSellounterdemEisernen KreuzinunsäglichemWehauswinselte,wie inSternbergsTagen.Dochrücke ichdenStuhl so,daßdenZuschauerndieSpurder Erregungnichtsichtbarwird.
NeunUhr.DerGerichtshoftrittein und dasSummenverhallt.Die Schöffenwerdenbeeidet.BankoberinspektorMartinLindingerundChemiker Dr.KarlHeimGebildete Männer:eingutesOmen.EinMolkereibesitzerist ErsatzschöfseDerRichterrechnetalsomitderMöglichkeitlangerVerhandlung DerRichter:OberlandesgerichtsrathWilhelm Mayer,der demmünchener Schöffengerichtvorgesetztist. Endlichseheichihn also,vondemichsoviel ge- hörthabeund dendieZungeskeptischerAnwalte miroftpries;solchersogar, derenKlienten erhart verurtheilt hat. Groß,schlank,sehnig;einernstesAnt- litz(einesNiederdeutscheneheralseinesBayern),dochmit mildenAugenund einemMunde,derdasAllzumenschlichebelächelngelernthat.Pflichtbewußt- seinleuchtet,derstolzeGlanzeinerPersönlichkeitausdem über dieSchöffen herragendenHaupt;undderSchauerempfindet: Diesersuchtundbesinntnrr dasRecht. NachdemProzeßPetersnannte ichihn,vordemichnie alsPO- zeßparteistehenzumüssenglaubte,hierden bonjngcvonMünchen.Wid erauchheutedergute RichterderLegendesein? Schon mahnterdieZeugel zurWahrhaftigkeitDieSache ist besondersernstundanihrenGrenzenall- zu vielbeschwatztworden; nichts vonAllem,wasSiedarübergehörtundge- lesenhaben,darfSie jetztbeirren.DenfalschenEidahndetderHerrgott;und hienieden straft ihnderStaat. Kurze Sätze; männlichschlicht.Magnaud, derpariserbonjuge,hatnicht dieseWuchtderPersönlichkeit,diesegerma- nischevirtus, nichtdenstillen ErnstzurSache; schieltmehrnachderEffekt- möglichkeitundfreutsichzulaut,wenn seinbilligerSalonsozialismusden Kleinbourgeoisverblüfft.DiePersonalien desangeklagtenRedakteursAnton Städele ausAmberg sind raschfestgestellt.Erist fiirdenInhaltder Neuen FreienVolkszeitungverantwortlich;einesBauernbundsorganes(dasvon derstetswackerenJnfamiederKreuzzeitungmitschönerBeharrlichkeit,zum ZweckderStimmungmache,einsozialdemokratischesBattgenanntwird;eine
ProzeßberichL 191 vontausendLügendermitGott, fürKönigundVaterland fälschendenKi- nädenschutzleute,diewissen,wassiedenSchattenOhms,Gödsches,Hammer- steinsschuldigsind,undeifernd dafürsorgen, daßdiepapiernePreußenpest nachsechzigjährigerSchandgeschichteglorreichweiterwuchert).Währenddie beanstandetenArtikelverlesenwerden«kannichdenGegnerbetrachten.Wohl- genährt,jung,mit demklugenGesichteinesRedlichen,der gern was Gutes schmaustundmitmanchemkräftigenTropfendieKehletränkte. Erträgt -eineSammetweste.WerlöstdieRäthselwillkürlicherAssoziation?In dieser wichtigenStunde,vorderEntscheidungeinesKampfes,demseiteinemJahr all meineKrafthingegebenist,klammert derüberreizteSinn sichandieses gleichgiltigeKleidungstück;mußich,widerWillen,denken:SolcheWeftehabe ich auch;nndder Abendemicherinnern,daichsie, auf noch gesunderBrust, trug.Unbegreiflichdumm. ZolasSaccard fälltmirein, der, währendein BörsenorkanihnausBesitzundAnsehenfegt,derinseinemHoferfrorenen Kamelienachjammert (Eingarso schlechterPsychologewar dereitleSpät- romantikervonMedan dochnicht.)Nun sprichtHerr Städele;undzwingt mich, aufzuhorchen.Daß ichEulenburgunddessenLeutegeschonthabe,will ihm nichtin denKopf. (Nicht, daßman zaudert, Menschenzuvernichtenund Einen,der dem imReich höchstenMannJahrzehnte langderNächstewar, .alsmeineidigenJünglingschänderzuerweisen?Thusconscience doesmake cowards ofusall, HerrAntonStädele;undichdürfteIhneneinrobuste- resGewissengarnichteinmalneiden.)WennHardenMaterial dazu hat,soll erdenMeineidrächen.(Nureinen?Damit, fürchteich,darfersichnichtbe- gnügen)Der Tonistenergisch,dochnichtvonHaßgefärbt;undmanchmal ists,alswünschederMann ausAmberg,demGegner,dessengerichtlicheAecht- ungerwie eine demganzenSchreiberstandangethaneSchmachempfindet, ineinemvonVorurtheilsdunstfreienKlimazuseinemRechtzuhelfenBerw steinantwortet. WiederholtdieAussagen,dieFürstEulenburgals beeideter Zeuge zweiGerichtshöfenzu bietengewagt hat, Erwähnt, daßdie Vierte StrafkammerunsdieProtokolirungdieser(dennoch,dank demOberstaatsan- waltJsenbiel,klarerweislichen)Aussageweigertenndden zurEntkräftung diesesEidesgestelltenBeweisantragTage lang nicht beschied.Undbittet,die inBerlin nichtvernommenenZeugen(Riedel,Ernstund andereStarnberger) hierzuhören,damitdasGericht überHardensHandelnsichselbsteinUrtheil bildenkönne. Die Wortesickern;alsfürchtederRedner, seinem Empfinden dieSchleußenzuöffnen·JndemrothwangigenWeißkopfzittertsvonverhal- tener Erregung;undich muß bedenken,wieerbärmlicheNiedertrachtauch
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19 2 DieZukunft.
sdiesengewissenhaften,tüchtigen,grundgescheitenundreinlichenMenschenbe- sudelthat, seitgerechteEmpörungihn aufeinenSchelmenanderthalb setzen ließ.Daß Vernunft nicht mehrgalt,dieVerurtheilungin dererstenStunde ficherschienundderkrankeKlient vonihm forderte,in einerRechtssachesichpo- litischerErwägungzufügen,nahmihmvordemLandgerichtdanndenAthem.
(ErhattenichtzumerstenMalinBerlinplaidirtundweiß,daßauchwir,Gott sei Dankdafür,nichtnurRichtervomSchlagederHerrenLehmann,GohrundGe- nossenhaben.)Heute lähmt dieLastdieVerantwortung,dieUngewißheitdes KommendennochdieKraft desAntaios,derwiederauf heimischemBodenringt.
Jetzt mußichsprechen.LaßDichnichthinreißen,mahnts mich;gedenkedersitzt- lichenWarnungund derSchwierigkeit,die DuselbstDirschaffst,wenn Du umHaaresbreiteüber den engenBereich diesesProzesseshinausgehft.»Der HerrBeklagtehateinGerüchtverbreiten zumüssengeglaubt,das meineEhre in derschlimmstenWeiseverdächtigt;dieEhreeinesMenschen,derin einer bitterernsten Sacheangeklagt,einstweilen verurtheilt,mitVerleumdungen jederArtüberhäuftworden ist.DerGerichtshofwird in derLagesein,zu prüfen,obichindieserSache frivoloderanständig,feigodermenschlichge- handelthabe.DiesePrüfungglaubeichals meinRechtvomGerichterbitten zudürfenundunterstützedeshalbinbrünstigdenAntragmeinesVertheidi- gers,wenigstensden kleinenTheil desBeweises,der unsindiesemSaalmöglich ist,zuzulafsen.«Ueberstanden.KeineReplik.DerGerichtshofwirdberathen.
Beräthlange.DerUngeduldschleichendie Minuten·Vielleichtwün- schendieSchüssennochAuskunftüber dieVorgeschichtedesStreites;umnit helleremVerständnißfolgenzukönnen.VielleichtmeintEiner,derVerbreiter deskränkelndenGerüchtes,ichhabeeine Million alsSchweigegeldbekommen, müssedenBeweisderWahrheit, nichtderGekränkte den Beweis derUnwah:- heit führen.Schon sind zwanzigMinutenverstrichen.Jstsmöglich,daßunser Antragabgelehntwird?Dann sindwiraufdemaltenFleck;immernochvor derFrage,obichdieStaatsanwaltschaftzurVerfolgungderMeineide auf- rufenoder dieEntscheidungdesReichsgerichtesunddieHauptverhandlung inSachenEulenburg widerBernsteinabwarten solle.UmkeinenSchrittwei- ter.Daöffnetsich,endlich,dieThürdesBerathungzimmers.Nochstillerals vorherwirds:dennnunmußfichzeigen,obdieNeugieraufihreKostenkommt.
DieRichtersitzen;und derPräsidentkündet,wassiebeschlossenhaben.
,,AquntragdesPrivatllägerswirdBeweiserhebungdurchdie vonihmbenann- tenund vomGerichtgeladenen Zeugen angeordnet darüber-,obdieBehauptungdes be- anstandeten Artikels,Harden habevonseinemGegner Fürsten Philipp Eulenburgeine Millionerhalten,damiterschweigeundnichts Weitere-Z aufdecke, unwahr ist oderob
Prozeßbericht 193 Harden vielmehr BeweismitteLdieihmzumNachweisderhomosexuellen Bethätigung desFürstenEulenburggeeignet erscheinen konnten, besaßunddavonnach Möglichkeit Gebrauch gemacht hat«
«
EinSatz:undAlles,wasgesagtwerdenmußte,stehtdrin.Da die Sitt- lichkeitgefährdetwerden kann,wird biszurUrtheilsverkündungdieOeffent- lichkeitausgeschlossen.JustizrathBernstern bittet,imInteressedesKlägers, deröffentlichbeleidigtwordensei,unddesBeklagten,dersichöffentlichrecht- fertigenwolle,dieBerichterstatter,derenTakt undGeschicklichkeitman ver- trauen dürfe,im Saal zulassen.Beschluß:DemGerichtAngehörige,Rechts- anwälte undInhabervonPressekartendürfenbleiben·Nocheinmalverliest Bernfteindie beiden beeidetenAussagenEulenburgs,für derenUnwahrheit erder ViertenStraskammermitlauterStimme(vergebens)Beweisangeboten hat.Die imBrandprozeßgemachtelautetnachdemSitzungprotokol:
»Ich habemir niemalsHandlungen,die gegen denParagraphen.175verstoßen, zuSchuldenkommenlassen Zwarbinichin meinerJugendeinenthusiastischerFreund meinerFreunde gewesen,zwarhabe ichBriefe geschriebeninüberschwänglichfreund- ichastlicher Empfindung.EtwasBöses-,etwas Schlechtes,etwasSchmutziges hataber niedahintergelegen«
Leugnetalso jedeschmutzigeGeschlechtshandlung;unddaßderFürstdieMu- tualbefriedigungzweierMännerzu den»Schmutzereien«rechnet,lehrt sein gegenmich geleisteterEid.Daß ersolcheSchmutzereiengetriebenhat,werden diegeladenen Zeugen beweisen.Werden sies? ZeugenundKredit,sprichtder weiseHumoristKarlFürftenberg,sind meistnur werthvoll,so langeman sie nichtbraucht.Gar indiesereklenSache·
«
ZuHomosexualaktenwerdennicht Schaugäftegeladen.Nur vierAugensahensie.UndbeinaheJeder scheutdie -Entschleierungverirrten oderübertumpeltenSinnentrieblebens. Daraus hat
«
dieSippegebaut...»Ich bitte, michbeimZeugenverhörnichtmitZwischen- sragenzuunterbrechen.DieParteienkommennachherzuihremFragerecht.
«
Zuerstaber willichmitdemZeugenvonMann zu Mannverhandeln.Dabei wird Keinerbenachtheiligt.RusenSie denZeugenGeorgRiedel in den Saal.«
Kaummittelgro«ß;ein verwettertes GesichtunterergrauendemHaar;
dasGesichteinesgutmüthigenOberbayern,derZungeundFaust nichtgern feiernläßt,wenn ihmein Läusleinüber die Lebergelaufen ist. Sechsund- vierzigJahre. Katholisch.Verheirathet.Vatervonfüanindern.Milchhänd- ler inMünchen.Er wirdeindringlichermahnt,keinvorGott undMenschen- gerichtunverantwortbaresWortzusagen;undsoll,bevoreraufdasBeweis- thema tommt,seinenLebensgangschildern.(SolerntderRichterihnzunächst aufneutralem Gebietkennen,,gewöhntsichinseinesWesensbesondereAus-
194 DieZukunft-
drucksweiseundläßt ihm Zeit,in derbeklemmendenGerichtssaalluftheimisch zuwerden;JedenZeugen,derzurSache Wesentlicheszusagenhat, sollteman so behandeln.)Der VaterwarFischerundLandwirthinFeldafingundhatte einschönesAnwesenaniStarnbergerSee.DersiebenzehnjährigeGeorgwird nachTutzingin dieLehregeschickt,kommtaberschnellwiederheim,weil des Meisters Frau findet,ertauge nichtzumFischen(»daßichnichtdasKrautan demHafendeckelverdiene«,sagtRiedel).DerNeunzehnjährigefährt »Herr- schaften«gegen den imTarif bestimmten Entgelt.MilitärzeitbeimVier-ten ChevaulegersregimentinAugsburg. Schonals Knabehaterden Vaterver- loren; aufdemfeldafingerAnwesen haust,als dervom MilitärFreie heim- kehrt,derStiesvater.Heirath.AustauschdeserheirathetenüberschuldetenHofes (,,meineBraut hatte michangelogen«)gegen einen kleineren.Entschluß,in MüncheneinMilchgeschäftauszumachen.»Hierin der Au. Dagehtmirsnicht schlecht.«EinVergnügen,demMannzulauschen.Hold wuchsihmderSchna- belnicht;abererziertsichauch nichtundjedesWorthatdenSchmuckdes Er- lebten.Fürchterlich,wenn diesesurwüchsigeGebirgsdeutschin den Staub der Aktensprachegeschleiftwürde.UnserRichter thuts nicht. Suchtbei der Ueber- tragunginsHochdeutschedemWortseinenWesensruchzuwahren.Undschon jetztfälltmirauf,wiepräziser,ohne dasKleinstezuübergehen,jedeAussqge zusammenfaßt.DazueineSprachtechnik,dienochimraschstenRedeslußdas winzigsteSatztheilchenzuplastischerKlarheit gelangenläßt.Kein Konsonant gehtverloren·DieserRichterhat nichtnurStrafrechtundProzeßordnungstu- dirt. Someistertdie(inDeutschlandleidernochallzuseltene)Rednerkunstnur Einer,derimHosschauspielhausvonPossartundKainzzu lernenverstand.
Riedelistbei denHörernschoninGunst.Derlügt nicht,denkt man;»
undharrtderDinge,dieerbekundenwill. Nun aberdroht ihm Gefahr.Seine Straslistewird(ausBernsteinsAntrag)verlesen.Ungesährdreißigmalhaben PolizeiundGerichteihn gepönt.(Washätte-derLehmann,dendervossische LevyunddessenGönner,derOrientspediteurundOrdenlieferantEmilJa- cob,rühmen,ausdieserListegemacht!Und wasbeweist siegegen die Glaub- würdigkeiteinesvomSchicksalherumgestoßenenMenschen?)Nichtfürschlimm makelndeThat.EineGefängnißstrafevonfünfeinhalbMonaten istdabei.
VorvierzehnJahren istamSeegeraunt worden,einemBauernhossbesitzer lächlevorGerichtstetsdasGlück,weilseineFraudenOberamtsrichtermit Eiernuud Schmalz fürihnstimme(,,abschmiere«).Riedelhats weitererzählt, ist,weildieZeugenihnimStich ließen(hörstDus,KarlFÜrstenberg?),als Beamtenbeleidigerverurtheiltwordenundhat,weiler,nachlieberGe1vohnheit,
Prozcßbericht. 195 dentreulosestenZeugen weidlichverprügelthatte,eineZusatzstrafeerhalten.
Das istderärgstePosten;allesAndereLäpperei.Der Mannhebtdie-Schultern.
»Jn UnsererFamilie sindAlle immergleich,narret«,wenn siewasärgert.«
HitzköpfigerSchlag.EinesreuigenSünders kann dieGottheit sichhier nicht freuen.Riedelwürdedrauf schwören,daßerstets fürdasRecht gerauftund nie einemUnschuldigendieJackevollgehauenhat.Gesteht auch,nochgarnicht so sicherzusein,daßdieAbschmierungnicht Versuchtwordenist. Undschweigt erst,als derRichter ihn warnt, durchsodummeRedesichneuer Verfolgung auszusetzen ,,Dafür, daßderOberamtsrichtervonStarnberg sichnichtab- schmierenläßt,brauchenwirkeinen Beweis.« (JnBerlinscheintman einen dafürzubrauchen,daßichdenAmtsrichterDr. Kernnichtbestochenhabe; in der
»StadtderJntelligenz«,dieauf BayernalsaufeinrückständigesPfaffen- landniederschaut.)EintüchtigerKerlbekenntsichauchzudenKindernseiner WuthRiedelhehlt nicht,daßermitzärtlichemWehmuthaufsie zurückblickt.
Und denVielbestraftenliebennochimmeralle Männer im Saal.
Nun erzählter, wie demNeunzehnjährigenaufdemSeederVersncher nahte.EinfeinerHerr,dersichvon demstrammenFischerknechthinausrudern läßt.Fragt,woherersei;obs ihmnichtanBiergeldfehle;oberauchschonein Mädelhabe.Mitdem Geldhaperts(der Stiefvater hält ihn knapp); abersein Mädelhater.Auch schonmitLiebchengeschlafen?Einmal, Herr.(»Sotreibt man sachtdieSchamausderjungenSeeleundstellt zugleich fest, daßdes Sexualtriebes Befriedigung sie schongekitzelthats)DerFeine zahltdendrei- fachenFahrpreis, zwingtdenredlichenBurschen,denUeberschußzubehalten, undkommtamnächstenMittagwieder ins Boot. Erwar bei denKürassieren, pslauderter, konntedieSoldatenschinderei(dieGardesduCorps mögensich ffür denSchimpfbei demfürstlichenKameradenbedanken)abernichtmitan-
sehenundgingdruminsCivile. WennRiedel heran müsse,wolleerihnnach Breslau zu denLeibkürassierenbringen,woseinFreund Offizier sei.(Diesen Freund,denGrafenKunoMoltke, haterdemFischerknechtspätergezeigtund alsseinen »Spezi«bezeichnet-)Dawerdeersguthaben.DemFeldasingerists zu weitweg. Wiederwirdvom Mädelgeredet.WiederüberreichlichesTrink- geldgegeben.Anfder viertenFahrt tastet derFeinesicheinStreckchenweiter.
EinganzFeiner.War schonbei denSchwarzenundsagt,derAnblick dernack- tenKörperseiwunderschön.JstjetztRathbeiderPreußischenGesandtschaftin München.AbernichthochmüthigNachkurzerBekanntschaftmitRiedelaufDu undDu.ObGeorgschoneinmalversuchthabe,dieGeschlechtsgierauseigenem Vermögenzustillen.Nein. ObermalWein trinken wolle.Ja.Amnächsten
196 DieZukunft·
Tag liegt eineFlascheimBoot.»Ich heißeGrafPhilippzu Eulenb urg;nenne michnurPhilipp,lieberGeorg.«Hinausnach Leutstetten.HinterdemGalgen- see,wodasHolz haushochsteht,wirdgelandet.AusdenWaldbodengelagert undWeingetrunken.Jetzt istderRüpel wohlzugerichtet.Läßt sichbefühlen, streichelnundduldetschließlichdenvomGesetzstraflosgelassenenGeschlechts- akt. Warume »Weil ereinsofeinerHerrwarundesihmVergnügenzumachen schien;mirhatskeinsgemacht.«Und dieWillfährigkeitwardnichtbezahlt.
»Was dachtenSiesichdanach?«»NichtsGutes.Er hattejaFrauundKinder daheim;undnunmit einem Mann! Aber es kamfo.«VonderLeutsäligkeit, denblankenMarkstücken,vomWein.MayersmilderBarytontöntsichhärter.
,,HütenSiesichvorjedemWort,dasSienicht authrenEidnehmenkönn- ten!Seitdiesen Vorgängenist vielWasser durchsWürmbettgelaufen.Wenn Sie etwaaustrüberGedächtnißquelleschöpfen,verspielenSieJhrLeben und bringenWeib undKinder insUnglück.Noch ists ZeitzuehrlicherVorsicht.«
Weißehschon,sagtRiedelruhig;aber wasicherzähle,istwahrzweshalb sollte ichlügen?EtwaachtmalhabeichdenGrafendannnochgefahren.Drei
«WochennachdemHerbstnachmittagimGalgenseewaldbinichwiederheim- gegangen.WeilichauchdieOrdonnanzenandasSchloßunseresKönigsLud- wig hinübergerudertundguteBiergelderbekommen habe,brachteichunge- fährhundertachtzigMarkmit. DerGraf hatte michinseine münchenerWoh- nungeingeladenundsuchtemich,da ichihnzulangewarten ließ,umMariae Lichtmeßaus StiefvatersHof,danninderBierwirthschaft,woichdenFeier- tagversaß.DerFischerJakob Ernstwarbeiihm.Fischerjacklhießeram ganzen See.DerGrafbatmich,zuFußmitihm nach Starnbergzugehen,gabmir beiderSandgrubejenseitsoomBahndammeinZweimarkstück(dasGeldnahm
erstetsausderHosentasche;einen Beutelhatteernie)undschicktemichvondort weg, daermit demJakobbleiben wollte. Balddanachwurdeichzum Miti- tärausgehoben.Vor derMusterung,hattederGrafgesagt,solleichihnbe- suchen;Promenadeplatz21,imZweitenStock. ZweiStadtrelkrutenführten michhinzdennichkannteMünchennoch nicht-IndemHaus (nebendemHotel BayerischerHof)warsfein.Der GrafzeigtemirAlles, auch,nichtweitdavon, ein Ateliermitgemalten Menschen,sagte, daßernebenbeiSchriftsteller sei, undschenktemirzehnMark.Beider zweitenMusterngmeldeteich mich,auf seinenWunsch,zurKavallerie,kamauch,trotzdemichmitPferden nochnicht umgegangen war, zu den ViertenChevaulegersunderhieltvondemGrafen wieder einZehnmarkstück.NochmehrGeld inStarnberg,woichihnwieder besuchenmußte.EinmalbestellteermichandenBahnhof, gabamSchalter
Prozessbericht 197 einenZettel hineinundbekam einenHaufenGeldheraus,von demermir dreißigMarkgab.»Warsdennanständig,sovielGeldzunehmen?«»Nein.
Jch wußteauch,daßesnicht rechtwar,undhabedenGrafen angelogen: ihm gesagt,ich brauchedasGeld,ummeinMädel beimTanzzubewirthen;aber derStiefvater ließmirdieTascheleer: undleichtsinnigist man.Erpreßthabe sichnicht.NieaneineAnzeigegedacht.Nieihmgedrohtnochüberhauptvon derWaldgeschichtegesprochen.Nurumein paar Markgebeten,wenns wie- der malknappwar. Undnievergebens.ImGanzenwerde·ichsoungefähr fünfzehnhundertMarkerwischthaben.AlsichausAugsburgzum dritten Mal schrieb,antwortete er,ichsollemirsholen..Jch möchteDichinderUniformsehen, lieberGeorg.«Jchhatte eineschöneUniform. Bekäm,währenddesSchwadron- --exerzirens,als Nekrut aberkeinenUrlaub,obwohlichmeinemRittmeisterden BriefdesGrafengezeigthatte.NachdemRapporthabeichmeinSattelzeugge- putzt und"studirt,waszuthun sei.Ein Kamerad überredetemich,durchzu- brennen.Los;nachMünchen AufdemBahnhofewartetderGrasmit einem feinen,weißgesichtigenHerrnindenVierzigern.Jch mußteerzählen,verschwieg aber, daß ichschwarzgefahrensei.JnderWohnungamPromenadeplatzwar derTisch gedecktWirDreiaßenundtranken.Schinken,Obst,Kuchen,Wein;
nur kalteSpeisengabs.Dannmeinte derGraf, ermüssenunfort.Jchwollte meinenSäbelvonderWandnehmen, umschnallenundmitgehen;aber der Graf wollte, daß ichbeiseinemFreund bleibe,undgabmirzehnMark.Der Herrseimirdochfremd; auchwerdeauf mich derVerdachtfallen,wenn aus derWohnungwaswegkomme.DalachtederGraf.Dasseinichtzufürch- ten;undderHerr werdeschonfreundlichzumirsein.Daswurdeerauch,als wiralleinwaren. Nahm michum denHals,zogmichansich,wenn ichfort- riickte,gabmir viel zu trinken undforderteendlich ...(diegröbsteArtaktiver Sexualleistung zwischenMännern).ErsuchtemirsaufalleWeisebequem zumachen(unwiederholbareDetails)undschenktemir einZehnmarkstiick.
Schonzwanzigheute,dachteich;hattebeimMilitäraberoftvonderStrafbar- keitsolcherDingegehörtundwarauchsonstnichtrechtinOrdnungDerHerr wurdebös,weilerglaubte,ich mögeihn nicht.Danahm ichdenSäbelvom
·WandhakenundliefausderStube.DerGraf,meineich, hatdie ganze Ge- schichteangerichtetGeschwindnachAugsburgzurück.DasetzteesfünfTage .Kasernenarrest,trotzdemichnichtsagte,daß ichinfMünchengewesensei; sonst hätteeswohlzehnTagestrengenArrestgegeben.Danachhabeichnochdreimal
«andenGrafengeschrieben,aber nie eine Antwort erhalten;auchkein Geld mehr.Alleswaraus. Dasmit demFreund hatermirübelgenommen.«