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Die Zukunft, 29. Juni, Bd. 35.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 29.Juni 1901.

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PhysiologiederGeschäfte-I

Wenn

ich solcheHandlungen ausnehme,diegeradenWeges auf Befrie-

, digungderJnstinktegerichtetsind, so liegtin Allem,waswir mit dem Blickaufeinbestimmtes Zielbeginnen,einGeschäft. Jch verlasseabends mein Bureau,mietheeinenWagenundfahrezuKrestowskijodernachArkadia:

esisteinGeschäft. Ich bestelleeinDiner: esisteinGeschäft. Jchbe- gegne meinemFreundeDavidoiv odermeinemKonkurrenten Meyersteinund TH-)DieseAufzeichnungenentstammendemNachlaßdesjüngstverstorbenen kaiserlichrussischenEtatsrathesNikolaus von derMühl,meines Ohei1115"von mütterlicherSeite. Siewurden verfaßtzu einerZeit,woHerrvonderMiihlin mirseinennatürlichenGeschäftsnachfolgersah,nndsolltenmireinenTheilder ge- schäftlichenErfahrungdesaltenHerrnübermitteln. Als Regirungbeamteraber glaubeichsolcherPraxiszubedürfen,zumal ichalsHauptbetheiligterdernunmehri- genAktienbant »VonderMühl, GoldschmidtFrCo.«inPeter-MurgdieLeitungder GeschäfteeinemDirektorium überlassenkonnte,dessenSitzungenmehrmalsimJahre zupräsidirenmirgenügtDadurch,das3ichdieBlätter-,diefiirmichdenWertheiner Erinnerung haben,derOesfentlichkeitübergebe,glaube ich, einePflicht demBerstor- benengegenüberzuerfüllen.Obdie darinnieder-gelegtenMeinungen geeignet sind, Personen des-Handels-midGewerbestandeg vortheilhaftzubeeinflussen,bleibedahin- gestellt.Das;ichiselbstmiteinerAnzahlderTheoreme michzuidentifizirennicht vier- 1nag,ergiebtsichausdenVoraussetzungenmeinesBeriifes.Wennich trotzdemmit wenigenAuglassungenundKiirzungeuesgeniigenIieszunddenoft allzuleichtge- schriebenenTextimWesentlichenunverändertbeibehielt, soleitetenmichnaheliegende persönlicheEmpfindungenDiespärlichenRandbemerkungen,dieichmirbeizufügen erlaubte, tragenihreRechtfertigunginsichselbst.EinwohlmeinenderLeserwirdin ihnen eherdenVersucheinerRechtfertigungalsden einerKritikerblicken.

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496 DieZukunft.

ladeihnein, daran theilzunehmen:abermals einGeschäft(und meistein schlechtes).WirforderneinpaarschwarzgekleideteZigeunerinnen auf,uns einLied zusingen,oderwirkehrennachdemKlubzurück,um einePartie zumachen:immer wiedereinGeschäft.DerSchriftsteller,der einenRoman konzipirt,derMaler,derein Bildentwirft,derSänger,dereineArieein- übt:Jedervon ihnen fängteinGeschäftan, das,wenn esgutgeht,im Bureau desVerlegers,desKunsthändlersoder desTheaterdirektorszum Abschlußgebrachtwird.

Man macht Geschäfte;aberman scheut sich,davonzusprechen. Jst esSchamhaftigkeit?Man unterhältsichvon denEigenartigkeitenderVer- dauung,von körperlichenGebrechenund fleischlichenGelüsten,aber man

verschweigtdieMitgift seinerFrauunddieHöheseinesEinkommens. Wir möchtengernmenschlichgroß erscheinen:ganzWille, Geist, physischeKraft.

DerErfolg unseres weltlichenThuns solluns wieeineunfreiwilligeAureole umglänzen,Etwas, dasehergegenunserenWunschalsdurch unser Mühen entstanden ist,unter demwirleiden. WirmöchtenDas,wonachwirstreben, alseineDornenkrone bewundert sehen,eineLast,dieuns schmerzlichvon denübrigenMenschen scheidet.NurdasAltererbte,Vorzeit-undSagen- hafte versöhntuns undwirverzeihen allenfalls unseren Großvätern Das, waswirselbst nichtgernuns vorwerfen lassen.

Jch muß gestehen, daßich michvon solchenVorurtheilen nichtganz frei fühle.Den Schlagderself-made men, zudemich mich rechnen muß,liebeich nicht; undwenn sichEiner seiner mangelhaften Erziehung rühmtund mir dieseitAeonengleicheGeschichtevon dem Sackunddenzwei Thalern erzählt,so fühle ichdieVersuchung,ihmzu erwidern: »Nun,mein Lieber, undwas-hatsichgeändert?«

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Mein Freund,derBildhauerSimon Simonowitsch, wirftmirvor, Geldzuverdienen,seidereinzige ZweckallerGeschäfte.Statt zuant- worten, pflege ich ihnzufragen, wiehochereineseiner meisterhaften Schachpartien spiele.Dann erklärteer mir entrüstet, zwischenGewinnen undGewinn seieinUnterschied.

Wenn einMonarchdieGrenzen seinesLandes zu erweitern oderein Staatsmann oderMilitär einenhöherenRangzu erklimmen strebt, so hat

erdenVerdachtderGewinnsuchtkaumzufürchten,obwohlmitdemZuwachs

anMacht auchmaterielle Vortheile sicheinzustellenpflegen.Aber einGe- schäftsmannmag UnternehmungenschaffenoderKirchenbauen, Kolonien

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PhysiologiederGeschäfte. 497 gründenoderStiftungen errichten:esist außerjedem Zweifel, daßernur dieErhöhungseinerRentenim Auge hat.

Für meinePersondenkeichanders. Jchwürdeneun Zehntelmeiner Renten opfern,um unbesoldeterLeiterderBank vonEnglandoderVer- mögensverwalterderRothschildszusein,dennmichlockt dieAufgabe,nicht das Ergebniß.BeimeinenGeschäftenhabe ich stetsandieStärkungund ErweiterungmeinerUnternehmungen,nieandieKonsequenzdesGeldgewinnes gedacht.Denhabeich mich gewöhntalseineselbstverständlicheundneben- sächlicheFolgemeinesHandelnszubetrachten,alseinengebührendenTribut eroberterGebiete, dieaus höherenGründenunterjochtwerdenmußten.War esbloßesStreben nach Macht? Vielleicht;wenn man unter Machtdie HerrschaftüberDinge, nichtüberMenschenversteht.DieüberMenschen hat michniebeglückt,dennichliebe Servilismus undSchmeicheleinur als Zuschauer, nichtalsBetroffenen Dagegen hatesmirjedesmaleineArt vonBefriedigung gewährt,wenn ichdieGegendenam Donbereiste,dieich einstalsSteppenund Wüsteneiengekannt hatte.Wenn ichdieneu ent- standenen Ortschaftenzu Städten anwachsen sah, angefülltmitMenschen, dieausdenTiefendesfrüher kargenBodensihre Kräfte sogen,wenntausend Maschinen ihreRäder rollten und hundert Kaminsäulen ihre Rauchopfer brachten,dann erinnerte ich michgern, daßeseinegewagteJdee gewesen war,indieser verachtetenGegend Hüttenwerkezuerrichten,undich freute mich, zurückblickend,derSorgenundAengste,mitdenenjede Handbreite diesesLandesbefruchtetwerdenmußte.

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Di-

Jch habe vierzig Jahre lang mich gefragt,aus welchemGrunde die PlienschendasGeldverdienen alsBeruf, oftalsLeidenschaftpflegen.Die SelbsterklärungenderpathologischBehafteten haben mich oft ergötzt; ich stelle sieineineReihemitdenenderBriefmarkensammler.

DieEinen sagen:Wirwollenunseren Unterhaltsichern.Dabeisind sie sechzigJahraltund können ebenso wenig mehr ihre zweiMillionen ausgebenwie die dritte,fürdiesiesich opfern.

DieAnderen behaupten:WirwollenfürdieZukunft unserKinder sorgen (diese Jdee machtaus sovielenJudendiehartherzigstenWucherer).

JnWirklichkeitüberlegensie sich noch aufdemTotenbett,obesnicht besser sei,ihr Testament umzustoßenund eineStiftung zubedenken,statt ihrer Söhne,dievielleichtdasBluterbe inalle Winde streuen.

Jch sehenur zwei ErklärungenfürdasScharrenundKratzen;zu- 37ab

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498 DieZukunft.

nächstdieSammelwuth. EinSammler kannsichzujeder Zeitmitjedem anderen Sammler vergleichenund zahlenmäßigsein Werthverhältnißfest- stellen.EinMensch,derfeinen WerthinimponderablenVorzügensucht, kannDasnicht.Das GeldistaberdasidealeSammelobjekt,dennesist selbst nichtsAnderesalseineVergleichsgröße,einMaß,einSkalar. Jch kannteeinengeisteskrankenFinancier,der, in normalem Zustande flachund unbedeutend,währendseiner AnfälleeinhervorragenderGeschäftsmannwar.

Oft ging ichmitihm überdenNewskiProspektunderinnere mich,wieer mireinmal aufderPolizeibrückesagte: »SehenSie, heutebinich vergnügt.

Unterdentausend Menschen,denenwirbegegnetsind,war nicht Einer,der halb soviel Geldhatwieich.«Jch glaube,es wareinerseiner lichtenMomente.

Diezweite ErklärungisteineArtposthumen Ehrgeizes.Sind doch diemeisten Besitzthümerposthume Freuden,die zugenießenodervorauszu- schmeckennur miteinemgutenQuantum Glauben undAberglauben möglich ist« Jn dieserHinsicht läßt sichnebendieHoffnungderDichter, Philosophen undKünstler auf AnerkennungspätererGeschlechterdie Freudean einerüber- raschendenTestamentseröffnungrangiren Eineältere Dame meiner Ver- wandtschaftwar vonso abschreckendemGeiz, daß ich ihrwiderGewohnheit Vorhaltungen machte.Siewiderlegtemichkurzdadurch,daßfiemirerklärte:

»VonGenüssendesLebens erwarte ich nichts mehr.Wenn abermein TestamenteinmalzumVorscheinkommtundmeinegutenFreunde sichüber Dasärgern,was ich hinterlassen habe, sowerdeichzumletztenMal ein wirklichesVergnügenempfinden.«

Eingeistig FreierwirddasAnwachsen seines Vermögensstetsnur als eineannehmbareNebenwirkungseinerThätigkeitbeobachten,mitdem selben Gefühletwa,mitdemeinGutsbesitzerinseinen Nutzforstenerquick- liche Spazirgängeentdeckt,undwenn eraneinemTheil seinesVermögens festhält,sowirdesderRest sein,derihm gesellschaftlicheUnabhängigkeit, weißeWäscheunddieErziehung seinerKindersichert-

Von guten und schlechten Geschäften.

»Ehrlich"währtam Längsten.«

MeinverstorbenerSozius sagte: »Es giebtnur gute Geschäfte.«Das ist sofalschwie alleeinleuchtendenWahrheiten.KeineMeinung hat so sehr zurEntehrungdesHandels beigetragenwied?e,daß jedesguteGeschäft aufKostenundzumSchadeneinesPartners gemacht sein müsse. Jchbe- haupte, daß GeschäftedieserArtdurchaus nichtgut,sondern schlechtsind;

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PhysiologiederGeschäfte. 499 schlechtschon deshalb,weilsie sich nicht beliebig wiederholen lassen.Jch kann, beiausreichender Tüchtigkeit,einenschwarzenFilzundeinenleinenen LappenalsHutNapoleonsdesErstenund alsSchnupftuchderKönigin Elisabeth verkaufen,undwenn ichGlückhabe,kannichdasExperimentzwei-, dreimal erneuern. Jch zweifleaber, obesmöglichist, auchnur dieHälfte sämmtlicherAntiquare EuropasmitsolchenKuriositätenzuversorgen.Mit gleichemAufwandanIntelligenz, Arbeitkrast, Ueberredungskunsthätteichun- endlichausgedehntereundeinträglichereAbsatzgebieteschaffenkönnen,nämlich dann,wenn ich wirklichenBedürfnissenwirklicheErfüllungengebrachthätte.

Tas Geschäftwar schlecht-

Es giebtebenso Geschäfte,diefürbeideTheile ungünstigsind,wie solche,die beidennützen.Es ist deshalbeinthörichterAberglaube,anzu- nehmen, daßdieInteressenbeiderKontrahenteneinander entgegengesetztsein müssenund daßdemEinennur Dasvon Vortheil ist,was denAnderen schädigt. Zwei Beispiele: FüreinFabrikterrainbietetmireinBahnunter- nehmereinenreichlichenPreis,derangemessenscheint,weildieLage für sein Unternehmen ungewöhnlichgünstig ist.DasGeschäftkommt zuStande, aberdieBahnhofsanlage erweist sichalsverfehlt.Gleichzeitigmerkeich,daß mirfüreineErweiterungmeinerFabrik derPlatz fehlt,weilichdasGrund- stückleichtsinnigweggegebenhabe.WirhabenBeidediewahren Bedürfnisse verkannt unddasGeschäft,dasfürbeideTheileeineglücklicheKombination zuseinschien, ist fürbeideTheile schlecht. , Umgekehrt:EinKaufmann sieht, daß sein alteingesessenesLadengeschäft zurückgeht.Erhatesererbtundistbereit,eszubeliebigemPreise loszu- fchtagen,weilererkannt hat, daß für seineWaare keingenügenderBedarf mehrvorhanden ist.EinKonkurrent glaubt,unter derbewährtenFirma einenneuen Artikel erfolgreichvertreibenzu können, demer—bisdahinnicht dierechteBeachtung verschaffenkonnte. Er erwirbtdasUnternehmen;nach AnsichtderZunftleuteviel zutheuer. Trotzdem habenBeide eingutes Geschäftgemacht:derEinehatsichvordem Ruin bewahrtundeinenBetrag erhalten, aufdenernicht rechnen konnte;derAnderehateinansichtheures Objekt durcheineglücklicheKombination ineinpreiswerthesverwandelt.

Beidehaben vorhandene Bedürfnisseerkannt undbefriedigt.

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BedürfnisseerkennenundBedürfnisseschaffen,istdasGeheimnißalles ökonomischenHandelns. Jngroßen deutschenStädten giebtesfastinjeder StraßeeinSchreibwaarengeschäft.Angenommen, ich empfindedenunbe-

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500 DieZukunft.

zwinglichenDrang,zu denneunhundertfünfzigbestehendendasneunhundert- einundfünfzigstezufügen,underrichteesinangemessenerNäheeinestüch- tigen Konkurrenten, ohne sonstNeueszuersinnen: welches Recht habe ich mirerworben undwelchenNutzen habe ich gestiftet? Vielleichtkannichden GewinnmeinesVorläufers schmälernund demKommis ausdemNeben- hause,derallevierzehnTage Stahlfedern einkauft, zweiMinuten Weges ersparen. Sicherlichwerdeich Über dieNothdesMittelstandes klagenund gesetzlicheHilfe fordern. Das istAlles;undimUebrigen thue ichgut daran,mirrechtzeitigeinExemplarderKonkursordnunganzuschaffen.Das Gegentheil Dessen,wasich versuchte,war BedürfnißDerKommis aus demNebenhauseist durch mich nicht zufriedenergeworden,dennerbraucht eine ganzbesonders gearteteSorte (mankannnichtalleArtikel führen)und mußtedeshalbein anderesGeschäftaufsuchen.Gut,daß ich ihm wenigstens einpaarvorjährigeNeujahrskarten aufschwatzenkonnte. Uebrigens mußte

eran jenem Tage noch zwei längereWege machen,dennerwünschteeine Bartbinde und eineCigarrenfpitzezuerwerben,mitdenen ich ihm nicht dienenkonnte. Hätte ich hingegeneinWaarenhaus errichtet, sokonnteder Kommis nichtalleinSchreibfedern,Bartbinden undCigarrenspitzen,sondern auch Stiefelwichse, eingemachteFrüchteundseidene Jupons finden, und Allesohne Kaufzwang, nasse Füsse, ZeitverlustundviermaligesPferdebahn- fahren.Aber meinePhantasie, Initiative undKapitalkraft reichten nicht weiteralsbiszurblödenNachahmungeinesabgebrauchtenSchemas;und so hätte ich besser gethan, michbeimnächstbestenWaarenhauseum eine Kommisstellezu bewerbenundmicheinerkräftigenOrganisationundWillens- kraftzufügen, statt durchdasStreben nachunverdienter Selbständigkeit michunddenWohlstanddesLandeszuschädigen.

SolangedieGenüsfedesLebensnur einigen Tausenden gegönnt sind, so langeeshungrige, schlechtgekleidete,mangelhaftunterrichtete,kranke undunfrohe Menschengiebt: so lange giebtesökonomischeBedürfnisse,die GeschäfteermöglichenundGeschäfteverlangen.Undwerden nichtneue Bedürfnissetäglichgeschaffen?Vorzwanzig Jahren sieldaszweite Empire und mitihm sein Symbol: die Krinoline. Esistbekannt,daß bedrängte HändlerundFabrikantenvonStahlreifen sichdadurchaus derNoth halfen, daß sieeinallerliebstes Spielzeug erfanden.EshießCricri undbefriedigte dasneuerwachteBedürfniß nach MißklangundUnfug sogut,daßeserst von derErdeverschwand, nachdemalleStahlreifenmännerMillionäre ge- wordenundallenervenschwachenEuropäer gestorbenwaren. Undwiewar esmitdenAnsichtpostkarten?UnddemRauchtabak?UnddenFahrrädern, Schreibmaschinen,Nähmaschinen,Photographien, Petroleumlampen,Kinder- wagen,Telephonen, Telegraphen, Eifenbahnen, Dampfmaschinen? Thorheit

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PhysiologiederGeschäfte. 501 undGenialität, Trägheit,Genußsucht,Mitleid undEigennutzreicheneinander täglichdieHand,Um unsBedürfnissezuschaffen,zuerneuern undzuver- wandeln. UndIhr,dieJhr Euch rühmt, jedeLokalanzeigeundjedeReporter- neuigkeitzu kennen, wolltindemunendlichen RädergetriebekeineSpeiche entdecken, dieJhrpackenkönnt?«

Von Geschäftsleuten.

JnRomanen findetman mitunter dieBeschreibungdesGrand- seigneurderGeschäftswelt.EinvornehmerältererHerrmit grauem Backen- bart und noblen Requisiten:Arbeitkabinet,Lederfauteuils., Eisbärenfell, schweren Havanas. DerSekretär erscheint, berichtet, und blitzschnell werden Befehleund Depeschendiktirt. Eine Kreuzungaus Diplomat nndFeldherr.

Gewiß: ichkenneeinigeTypen dieserArt. Dermit demDiplomaten- geschickistinderRegeleinguter UnterhändlerundAgent,Dermitdem FeldherrblickeingeschickterBörsenjobber. GroßeGeschäftsleutesindBeide nicht.EinGeschäftsmanngroßenStils, einSchöpferundErhaltergroßer Unternehmungen scheintmir ehermit demBauern und Landwirthver- wandt zusein;fastimmer istergeringer AbkunftundseltenalsGroß- städtergeboren.Starker Knochenbau, starke Hände,schwereZüge,nerven- freies Temperament.Einem MenschenmitspitzenFingern, steileroder schrägerHandschriftundflackerndemBlick würdeichschwerlichmeineInteressen anvertrauen. Ebensowenigeinem,derzuschnellundzugeschicktspricht.

DieEigenschaften,dieverlangtwerden,sindFleiß, Uebersichtund Gedäcl)tniß.Herzensgüteschadetnicht, Jähzornist gut.Gefährlichist allge- meineBildung; ichkennenur Wenige,die über denSchatz ihrer Kenntnisse nichtgestraucheltsind.

Fleiß! Jch fühle michbeklommendurchdie Banalität derAnsichten, dieichüberdieseTugendzusagen habe.Aberinunserer Zeitderträgen Geniesistesnöthig,manchmaldaran zu erinnern,daßeineMeinung nicht wahrzuseinbraucht,weilsie paradoxist, noch falsch sein muß,weilunbe- fangene Menschendaran glauben.

EinjungerMann ausguterFamilielobtemirseineBegabungund fragte mich,waser imkaufmännischenBerufverdienen könne,unter der Bedingung, daßertäglichnur fünfStunden arbeite. Jchantwortete ihm, daßinGeschäftendieArbeitzeitnur vonder siebentenStunde aufwärts bezahltwerde, und veranlaßteihn,indenStaatsdienstzutreten. Meine

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502 DieZukunft.

Beamten pflege ich darauf hinzuweisen,daß ich sie für ihreArbeit bezahle undfür ihre Mußeftundenavanciren lasse.Denn allenutzbringendenGe- danken,alleNeuerungenundFortschrittekommeninderAbgeschiedenheit derFeierzeitzur Welt,nichtunter demScharrenderFedernunddem Lärm derVerhandlungen;undwer mitderRadlermütze,derJagdjoppeoderden Filzpantoffelneinen neuen Menschenundeinfrisches Gehirn anzieht,Der darf nichtdenEhrgeiz haben,neue Wegezu wandeln.

Nein: leider genügtesnicht,am Schreibtischzwischenzwei guten Eigarren große Ideen zukonzipiren,dienachher durchSekretäreund Direktoren automatisch ausgeführtwerden. Dem Geschäftsmanngroßen Stils vergehtderTag zwischenAnfragenundAntworten, Besuchen,Ver- handlungen,Akten undStatistiken, RechnungenundRapporten, Beschwerden, Streitigkeiten, Personalien, Rechtsgutachten,Besichtigungen, kurz,im Suchen, Forschen, Fragen, Prüfen, Wägen:undach,nur einTausendstel vonDem,was erthut, ist Handeln.

Oz-

Jchpfeife aufDas,was man diegroßenIdeennennt. Sieliegen aufderStraße.Sie kommen zuDutzenden, dieses Gesindel,wenn wir träumen,wenn wirverdauenoder wenn wirErholung suchen.UndDas istihre rechte Zeitundihr rechter Ort;am Feierabend magman ein paar Stunden ihren großenRedenundhohen Gestenverschenken.Esist nichts leichteralszusagen:bauen wireineBahnquerdurch Asien, vereinigen wirallePetroleumquellenderErde,lenken wirdieGoldflüsseBelgiensund Frankreichs durch russischeJndustriekanäle,erschließenwirangemesseneLand- gebieteAmerikas durch Ansiedlung, VerkehrsmittelundStädtebau. Jch stellemirvor: einJnduftriekönigliestinseiner eigenenBiographie,wie der

»großeGedanke«seinesLebenserklärt, erläutert undgefeiertwird. Wie mußderEhrlicheüberdieGläubigkeitderEhronisten lachen!Denn die große Ideewar, alsersie aufgriff,einezehnmal breitgetretenePlattheit, einErbstück,einGemeingutallerVernunftigen gewesen:was gefehlt harte, war derMann,derWille, derFleiß,dieAusdauer. Undwar Genialität dabeinöthig,sowar esdie GenialitätdertausendMittel, der tausend Aus- wege undUmwege,derUeberzeugungskraftundderHalsstarrigkeit.

Jch hassediegeistreichenGedanken undmißtrauedenbrillanten und paradoxenWorten. Oftb kommeichBriese, knappgeschrieben,lebhaftstilisirt, die im Voraus alleEinwendungenwiderlegenundmaiheniatischunantastbar folgern——:Vorsicht!EssindBlumen auf Draht. Jchkenne dieVersuchung,

.-

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PhysiologiederGeschäfte. 503 diezumalan jüngereMenscheninleitender Stellung herantritt,von zwei Entscheidungendiegeistreicherezuwählen.DuleitesteineKonferenz.Ein halbes Dutzend abhängigerLeuteumgiebt Dich, verpflichtetundbereit,auf Deinen Gesichtsausdruckhinzulächeln,zuzustimmen,dieKöpfezuschütteln odersichzuentrüsten.Natürlichistesamusant, eine ernsteFrage durch einEpigrammzuerledigen,einenMenschenmiteinerGrimassezuver- urtheilen,undDuerntestdenBeifall,denDu ersehnst, aufderStelle, Zugum Zug. Abervergißnicht, daßdieWerkzeuge,dieDeine Fehlerin dieWirklichkeitzuübertragenberufen sind, sichinalleWindezerstreuen, wenn dieSaat DeinerThorheit aufgeht,undDiralleindieVerantwortung

vordieFüße werfen. FriedrichderGroße hattedasRecht, witzigeReskripte zumachen,dennerwar einpreußischerundabsoluter König.Aberman wirdbeimerstenBlickfinden, daßdiegeistreichstenEntscheidungenmeistdie unwchtigstenSachenbetrafen, undbeinähererPrüfung, daß sie nichtimmer diegerechtestenwaren.

DieFreudeansalomonischerGeschäftsweisheithabe ichverloren in derSchulemeines ersten LehrmeistersundChefs,dereinstillerundspieß- bürgerlicherMann und einer derersten Financiersseiner Zeitwar. Er war Vankier undsaheinengroßenTheildesNationalvermögensjahraus, jahrein durch seine Händefließen;abersein Beruf hatte ihnmiteinersolchen Abneigunggegen GeldundReichthum gesättigt,daßervermeiden lernte, sicheinVermögenzuschaffen,undseinenWunsch,mittellos zusterben,er-

füllt sah.Mein Chefwar dasGegentheileinesDiplomaten. Wenneine großegrundsätzlicheFrage ihn beschäftigte,sozogerJedenzuRath,derihm indenWegkam.ErsprachdavonmitseinenAngestellten,mitseiner Frau, mitseinenKonkurrenten,womöglichmitseinemDiener-,soetwa,wieesden Judenvorgeschriebenist,über dasGesetzzu diskutirent »WennDusitzest undwenn Dugehest,wenn DuDich legestUndwennsDuaufstehst.«Er ließ nichtnur alleEinwendungen gelten, sondernerberichtetegewissenhaft jedem Nächstfolgenden,was derVorhergehendegesagt hatte. Zuletzt, oft nachWochen,wenn KeinermehrandieSache dachte,kamermitseinem Vorschlag. Ungeschicktvorgetragen,mitlangen Ausschweifungennach rechts undlinks,machte seine LösungdenEindruckvon etwas höchstTrivialem, Uninteressanten, Selbstverständlichen,ähnelteManchem,was langundbreit besprochenwar, undwardochnichtganzdasSelbe. Ohne Geräuschwurde dieDirektive befolgtundmeistvielspätererftwurdedeutlich, welcheAusblicke derneue Weg eröffnete,dessen Eigenart anfangs verborgen gebliebenwar.

Undistesnicht ähnlichmitgroßenErfindungenundneuen Systemen?

EinefeineGesteinspalte,anderTausende vorübergegangenwaren, undurch- dringlichenFels vermuthend:demEinen wird sie offenbar, undmit

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504 DieZukunft.

schlichtestemWerkzeugundwenigenHieben siehterzuungeahntenGrotten undverborgenenSchätzendenWeg gebahnt.Und dieerste Frage jedes ErfindersundDenkers,wenn eineneue Errungenschaftihm angekündetwird, istdie:Wolag bisherdie blinde Stellein meinemAugeunddertotePunkt inmeinemGehirn?

Alsich vorhinvonUebersichtundGedächtnißsprach,erinnerte ich michderSätze,mitdenenTaine dasJnventariumdesnapoleonischenGeistes umschreibt. ,,Atlanten«nennt erdieaufgespeichertenundencyklopädischge- ordnetenNotionen diesesWeltenverstandes,der dieletzteKanone seines Kaiser- reiches,das letzteBataillon seines Feindes,dasletzteBankbilletseines Budgets registrirt.NursolcheAtlantenundBücher,ungeschriebenundungedruckt,aber inweichegraueGehirnmassegeätzt,können reden,inspirirenundWege weisen.

Jch hasse Notizbücher.Wervielnotirt,istein Subalterner oderein Dummkopf.DerSchädeleinesKaufmannes muß einige tausend Zahlen beherbergenunddiese Zahlen müssenlebenundgehorchen.ErmußGewalt haben, zumerken,und Gewalt haben,zuvergessen;vorAllem aberdie Gewalt, zuüberblicken. WiefürdenKünstler, so ist fürdenSchaffner undHändlerdashöchsteErbthum:derBlickfürs Wesentliche.Beiklugen Menschen liegt oft mehrimFragenalsimAntworten;undwenn ichver- nehmenkann, wie einüberragenderMann inkurzenWorteneinen verwickelten Zusammenhang bloslegt, so empfinde ich FreudewieaneinemKunstwerk.

Willman von einerGenialität auf diesem Schauplatz menschlicher Thätigkeitsprechen,somagman, ausgehendvondev ebenerwähntenBe- gabung fürdasWesentliche,sie findenineinem—ichmöchtesagen:divina- torischen Ueberblick über dieBedürfnissederjetzigenund derkommendenZeit undinderErkenntnißder zurErfüllung möglichenMittel. SolcheDivi- nation besaßderBankmann, von demich vorhin gesprochenhabe.Sie äußerte sichnichtinapokalyptischenGesichtenund tönendenSeherworten, sonderningelegentlicherBeurtheilungderDingeundinpraktischenEnt- schlüssen.Ich glaube nicht, daßmeinChef diesesBlickes, derihmdenGang derZeitenentwickelungentschleierte, sich bewußtwar. Erliebte theoretische Betrachtungennichtundredetenur über dengerade vorliegenden Fall;wie alsetwas SelbstverständlichesenthülltesichineinerzufälligenAndeutungdas Bild,daserinsichtrug,ineinzelnenZügen, etwaso,wiewenn eineSpalte imTheatervorhanguns einenAusschnittderhellerleuchtetenBühne zeigt-

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die fremd auf die Stätte kamen, hatten sie zu bezahlen; sie wurde um so peinlicher empfunden, da ihre Höhe nicht gesetzlichfeststand. Zu was für fchändlichen

verschlossen wurden, wenn eine Aussage über das dienstliche Leben und Treiben des bravenKrosigk zu erwartenwar. Aber dieliberaleundsozialistischePresse ist nur auf Stichwörter

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Das frühesteZeugnißdafür ist der Zolltaris von Aosia (960), der beweist, daß damals sowohl die Produkte Flanderns als auch die von Byzanz her eingesührten Waaren des Orients über

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