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Die Zukunft, 25. Juni, Bd. 47.

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Berlin, den 25. Juni 1904k.

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Excellenzvor Gericht.

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stnun wirklichnochEtwas zu erklären?MitdieserFrage schloßichvor . achtTagen;miteinerRhetorenfrage,aufdieman keine Antwort er- wartet. Heutemußichmirselbstantworten:Ja; Manchesistnochzuerklären.

Richtiger wäre,zusagen:Erst jetztsindErklärungennöthig.DennderFrei- herrvonMirbach istalsZeugevernommen wordenundseineAussage hat den-Thatbestandnicht klarer, sondernvielunklarer gemacht.Amvierzehnten Juni1904 schriebderOberhofmcisterandenOberstaatsanwaltDr.Jsen- biel:»EuerHochwohlgeborenerlaubeichmirergebenstzubenachrichtigen,daß ich,mitRücksichtaufdie imPommernbank-ProzeßamachtenJuni gemachten Ausführungen,esfür wünschenswerthhalte, meineVernehmungvorGericht eintretenzulassen, und bitte Demgemäß,michbaldigstvorladenzu wollen«—.

SoverkehrengroßeHerrenmitderProkuraturzwennsieessür wünschens- werthhalten,erbittensieihreVernehmung:undihrWunsch wird, auch ohne sachlicheMotivirung, »baldigst«erfüllt.Mirbachs Briefkannamvierzehnten JunierstspätindieHändedesOberstaatsanwaltes gelangt fein.Amnächsten Morgenlasihn derVertreter derPommernanklage, Staatsanwaltschaftrath Beeck,demGerichtshofevorundfügtehinzu: »ScineExcellenzFreiherrvon Mirbach ist eingetroffenundichbeantrage, ihnzuvernehmen,umdemdurch dieschwerenAngriffein derOeffentlichkeitbeleidigtenvMann Gelegenheitzu einerErklärungzugeben-«Auch derAnklägerempfahl dieVernehmung also

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nur impersönlicheanteressedesZeugen, nichtalseinfürdieSache erheb- lichesBeweismittel. DasGericht, dachtendieMeistenim Saal,wird den An- tragablehnen,wieesvorzehn TagendenAntragdesGeheimrathcsGoldberger abgelehnt hat,derbeschwörenwollte, daßernicht,wiederAngeklagteSchultz behauptethatte,alsGegenleistungfürerwieseneGefälligkeiten,dchommerns bankzehntausendMarkfürden VereinBerlinerKaufleute abgenöthigthabe.

JndererstenStunde desselbenVerhandlungtages,andenerirbachsBrief verlesen wurde, hatte derVorsitzende gesagt: »Wirkönnenunsinöffentlicher Sache nicht ans persönlicheDinge einlassen«;undeinemZeugendasWort abgeschnitten.Jetzt fanderdieVernehmungdesOberhosmeifters nöthig;im InteressederSache, verstehtsich,nichtetwaderPerson.»Zur Aufklärungdes Sachverhaltesüber dieHingabederGelderistdieVernehmungvonWerth.«

SospracheramfünfzehntenJuniAmneuntenJunihatteer,nachBuddesAus- sage,überdenselbenGegenstandalsGerichtsbeschlußverkündet:»Für unsist derPunkt erledigt«;und wederMirbaeh nochdievonBudde genanntenThat- zeugenvorgelaldenNunwarderPunkt nichtmehr erledigt,wardieVernehm- ungzur,,AufklärungdesSachverhaltes vonWerth.«Dann,scheintmir,mußte derGerichtshof sieauch ohne Mirbachs Briefanordnen. DerOberhosmeister hatte sechsTage lang geschwiegen;vielleicht geschwankt,vielleichtRathein- geholt. Jetzt brauchteernichtzu warten. Vorsitzenden »Ist ExeellenzMir- bachzur Stelle?« Exeellenzbetritt, fünfMinuten nachderVerlesungdes Briefes,denSaal. Ernst FreiherrvonMirbach, evangelisch,dreiundfünfzig Jahre alt,leistet denEid, nach bestem Wissendie reineWahrheitzusagen, nichtszuverschweigenundnichts hinzuzusetzen.Niemand darfnun noch behaupten, unsereGerichte ließenesanPromptheitundHöflichkeitfehlen.

DerZeuge,dernatürlich auchin foroalsExeellenznndPluralper- son angeredet wird,will keinenZweifeldarüberaufkommen lassen, daßund warum erfreiwilligerschienenist.Stattanfdie—ungemein artige-Frage desVorsitzenden präziszu antworten, sagter: »Ich möchteerwähnen, daß ichummeine Vorladung gebeten habe,umpersönlichmich und meine Ver- eine,umdieessichhier handelt,vertreten zu können.« Derdazugeeignete OrtistderSchwurgericbtssaal,indeingegen Schultz,RomeickundGenossen verhandeltwird.Danngehtesweiter; woAnsührungstrichestehen,ist, auch im vorigen Absatz-,immernachdemstenographirtenVerhandlungberichtci- tirt.»GeradehierinBerlinistdieNothin denArbeitermassen soüberaus groß, daß Staat, KirchengemeindeundpolitischeGemeindegarnichtaus- reichendhelfenkönnen und wirdeshalb auf Wohlthätigkeit-Arbeitimum-

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ExcellenzvorGericht. 469 sassendstenMaßeangewiesensind; undmeineHauptarbeitbestehtseitfünfzehn Jahren nichtnur inKirchenbauten, sondernvorallenDingen darin, fürdas Wohlderarmen Arbeitermassenzusorgen; ichdarf wohlsagen,daßichgerade für dieseZweckemeineganzeLebenskrafteinsetze.«DassindjafurchtbareZu- ftändezhärteralsdieObersteHoschargekönnteselbsteinSozialdemokratdie staatlicheundkommunale Politik nichttadeln. JnderreichstenStadt der Monarchie istdieNothderMassenamGrößten?Staat undGemeinde könnennicht helfen?Dann dürftekeinPfennigmehr für Festeund anderen Krimskrams ausgegebenwerden· Dann wäreaberauchdieGesellschaft- ordnung,die mittenimprotzigsten Luxus solcheNoth ungclindert läßt,kei- nenNickelwerth;unddieHofbeamtensollten ihremHerrnempfehlen,jede zuanständigerLebenshaltungnicht unbedingt nöthigeMarkdenAermstenzu spenden.Bisher hattenwir immer gehört,unter normalen Verhältnissen könnegeradeinderlin keinMenschohneNahrungundObdachbleiben. Wir wissenausdemEtat, daßdieReichshauptstadtfürdieArmenpflegejährlichun- gefährzehnMillionen MarkausgiebtundfürWohlthätigkeit,fürStiftungen undLegatevierzigMillionen zurVerfügunghat.GernerführenwirnunNä- heresüber daswohlthätigeWirken dervomOberhofmeisterderKaiserin gelei- tetenVereine. Es wäresehr nützlich,wennHerrvonMirbachklippund klar sagte, welcheSummen erin denletztenfünfzethahren für Kirchenbauten, welchezurUnterstützungarmer Arbeiter verwendet hat;wirmöchtenden Werth seiner«ganzenLebenskraft«inZiffern ausgedrücktsehen.VorGe- richt haternur gesagt:»Jährlichgehen sechs-bisachthunderttausendMark durchmeineHand«.Davonkann,wenn dieKosten der Kirchenbautenund Kirchenausstattungenabgezogensind, fürdieNothderArmen nichtallzuviel übrigbleiben.Dafür brauchteeineExcellenz,diemanbisher frühundspät imHofdienstbeschäftigtglaubte, nicht ihreganzeLebenskrafteinzusetzen.Das könnte dieSchatulle,dieköniglicheDomänenverwaltung auch Nochleisten- ohne daßderStandan derHofhaltungdarunter wesentlichlitte.

Undwoherkommen diesechs-bisachthunderttaufelldMakk? »Bei derungeheurenNothderArbeitermassensind großeStiftungeninBerlin durchaus nichtsSeltenes. HierwerdenvonreichenLeutenfortwährendStif- tungenvonhundert-bisdreihunderttaufendMark gemachtzichkenneFa- milien,diejährlichsolcheStiftungenmachen.«.»Fortwährend«,«jähklich«:

Daskönnte dieungeheure Noth eherlindernals dasScherfleinderKirchen- vereine. »Es ist natürlich,daßsolcheLeute,diegrößereStiftungen machen, nichtgenanntseinwollen.Dashat sehrvieleverständigeGründe.Vorallen

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DieZukunft.

Dingeniftesder,daßsichhierinBerlin seit Jahrendie Leutegeniren müssen, wenn großeGabenandieOeffentlichkeitkommenundsievonderPressein derfchlimmstenWeiseverdächtigtwerden.« DasAllerneufte.Werwohlthun undfürdieWohlthatnicht bezahltseinwill,kannseinenNamengetrostnennen;

verschweigenmuß ihnnur,werfür seinGeld einenTitel,Orden, eine»Aus- zeichnung«einhandelnwill·Denn selbst unserezahme, dcvote, nachdem Offiziösenruhmftrebende Presse-kanneinleisesSpottwörtchennichtimmer unterdrücken,wenn sie heutedieGabe undübermorgendie»Auszeichnung«

meldenmuß.Wieplumpkarikirt aber eineDarstellung,die einenpreußischen Gerichtshofzu dem Glauben bringen will,uneigennützigeMenschenmüß- tenheutzutagezittern,alsSpendergroßerSummen genanntzu werden!

EineKinderstubengeschichtepour dormir debout. DochnichtohneGeschick- lichkeitalsEinleitungzu demfolgenden Satz gewählt: »Deshalb« weil man dieStifter nichtderbösenPresse verrathen darf »waresfür mich auchziemlichschwer,genaudieVertheilungderGelder,dievondenHerren SchultzundRomeickgestiftet wurden,bei den Vereinen festzustellen.«Des- halbdielangeRede über dieungeheure Noth,denEinsatzderLebenskraft, dievorderWuth derZeitungschreiberzitterndenMillionäre.MancherVor- wurf träfedasZielnicht,wennderNachweis gelänge,daßmit demPommern- geldarme Leuteunterstützt,nicht Kirchengebautwordensind. Leider,deutet derZeuge an, ist dieser Nachweis nicht möglich,weil die Namen auchin derVereinsintimität,wieesscheint verschwiegenwurden. Nurineinem Fallwar derSchleierzulüften: eineRechnungdes Kirchenbauvereinswurde mitfünfundzwanzigtausendMarkausderPommernkasfebezahlt.Obdie größerenSummen fürGotteshäuseroderfür Armenpflegeverwendetwur- den,wird die arge Welt niemalserfahren.EineGeschäftsführung,dienach vierJahrendieVerwendungderanleichtfestzustellendenTagen eingezahl- tenGelder nicht mehr nachweisenkann, dürfteinBerlinfastsoselten seinwie dieWohlthäter,die den ArmenjährlichdreihunderttausendMarkschenken.

Auchüber dieGenesisderschönenVertraulichkeit,die einWeilchen zwischendemOberhofmeisterunddenHypothekenbankdirektorenbestand, habenwirallzu wenig erfahren. »SchonimJahr1899 habe ichdieHerren

.Schultzund RomeickfürKapitalsverwerthungenalsBerather herangezogen undvon1900 anübergabichihnenzurVerwerthung sehrbedeutendeKapi- talienmeinerVereine, auchSchatullengelder,diesieinsehrsorgfältigerund sichererWeiseanlegtenundsehr gutverwalteten. «Merkwürdig.Jm,Finanz-

;-minifterium,in derReichsbankundSeehandlung,inallengroßenBank-

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ExcellenzvorGericht. 471 häufernwaren »Berather«zufinden:HerrvonMirbachwendetsichanSan- denundSchmidt,anSchultzundRomeick.MitSehatullengeldernund KirchenbaugeldernwerdenGrundstückgeschäftegemacht.Wennnichteinmal solcheGelder inKonsols angelegt werden, istskeinWunder, daßder Kurs unserer Staatsanleihen spottschlechtist.DieSparkassenund diekleinen, auf guteVerzinsung angewiesenenKapitalistenwerdenstrengermahnt, sichandie solidestenFirmenunddiesicherstenWerthezuhalten;derHofaberundhöfifche Vereinearbeiteten mitHypothekenbankemdieschondamalsfürden Konkurs reifwaren. Und dieSache hat nocheineandere,fchlimmereSeite.DemHerr- scherhausAngehörigemüssendenWunsch haben,allenirgendwiespekula- tivenGeschäftenfernzubleiben; sie dürfen nicht persönlichanderBoden- renteinteressirtsein,derenSteigerungvonihren Beschlüssen,vondenenihrer Männer-, Bitter, Brüder,Vettern abhängigseinkann. Auch für christliche VereinetaugensolcheGeschäftenicht.EinKirchenbaukann denGrundwerth einernochnicht parzellirtenodererstdünnbevölkertenGegend beträchtlich mehren. Jn Mirbachs Fallkonnte dieSchatulleoder eineVereinskafsefür ihrenGrund- undHypothekenbesitzVorteiledavonhaben, daßin einem Be- zirkeineKirche gebaut wurde;und dieBodenlreditbanken,mit denenerar- beitete,konnten, sobald sievonferneineneueKirchenglockeläutenhörten,ihre DispositiOUeUdemVllllplan anpassen. Solche Fährlichkeitsollteman mei- den.WenndasGeld derKaiserinundderKirchengründer3oder31X2Pro- zentzinst, istsgenug;sollesinPfandbriefen angelegt werden, trotzdemdie preußischeRegirung diesePapieremitgutemRechtnichtfür mündelsicherhält, dannsindimKastanienwald,in derJäger-undBehrenstraßedie»BeMtth«

zusuchen.DerOberhofmeister hatte sichnachderPommernbankerkundigt, eheer»mit ihrin Verbindungtrat.«Die Antwort lautete: »Absolutgutfun- dirt undgut geleitet.«Wer magdiesefalscheAuskunftgegebenhaben?Inder Haute Finanee galtdieBanklängst für morsch; siewar auch öffentlich schonschroffangegriffenworden. Andierichtige SchmiedekannHerrvon Mirbach also nichtgegangen sein«»BeimeinenErkundigungen«,sagteer,

»stellteichauch fest, daßdieHerren;namentlichHerr Schultz-bereitsgroße StiftungenfürWohlthätigkeitzweckegemacht hatten.«Was triebihnzu dieser Feststellung?Ersuchte ja nicht Wohlthäter,sondern Beratherund Verwalter. WerseinGeld einer Bankzuträgt,wird,bevorersihrgiebt,selten fragen,obdieDirektorenauch für »Stiftungen«zuhabt-Ufind·

DieHerren SchultzundRomeick warendafürzUhaben·DerFrei- herrhat beschworen,daßer»fürscineVereine«vonihnen 150000,60000

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25000 Markerhalten habe. Jm Ganzen235000 Mark; nicht mehr. Jm LaneinesJahres235000 Mark. Erhatgeglaubt, diesesGeldstamme aus ihrem Privatvermögen,nichtausderBankkasse. Haters erbetenoder wurdeesangeboten? Nonliquet. DieZeugenaussagemcldet nur,daß »An- fangOktober« .1900 wieder 325000Markangebotenund angenommen wur- den unddaßderOberhofmeister auchdanoch glaubte, SchultzundRomeick zahltenausihrer Tasche.Dieser erfahrene, pfiffige Geschäftsmann,derfür sich,seineHerrinundfeineVereine vieleMillionen zu verwalten hatte,hielt salsofiir möglichundfand garnicht auffällig,daßzweiDirektoreneinerBank sechstenRangesineinemJahr560000Markfür fromme Stiftungenaus- gebenkonnten. Dashaterbeschworen. Außerdem,,sollenimOktobernoch 50000 Markgestistetwordensein;vondieserSumme istweder mirnocheinem meinerVereineEtwas zugegangen.« Ganz richtig: diese50000 Markhat, aus Mirbachs Empfehlung,imOktober 1900 dasKleineJournalvonden Pommernempfangen; sie wurden,mitgutem Grund,aufdasKontoK des Freiherrn geschriebenundSchultzundRomeick erklärten denKassenbeamten:

»Mit dieser Sache habenwir weiternichtszuthun.« Schade, daßderKir- chengründernichtdie»Zukunft«liest; sonsthätteersichderThatsacheerinnert undnichtnur gesagt: »Von dieserSumme istwedermirnocheinem meiner VereineEtwas zugegangen. «Dennsiewurdeausseineannschausgezahlt.

AmachtundzwanzigstenDezember1900 hatHerrvon Mirbachder PommernbankeineQuittungüberdenEmpfangvon327400Mai-kuns- gestellt.DieQuittungistvorhanden,dieUnterschriftwirdanerkannt,aber das Geldsollnichtausgezahltwordensein. WarumhatderFreiherrdenEmpfang einerso großenSumme bescheinigt,vonderer,nach seiner beeidetenAussage, nichteinen Pfennig empfangenhatteP »DieQuittung,diemeineUnterschrift trägt, sollte dazudienenmirwaresunbekannt,ichhatteesvergessen-,das Kontoeinzurichten;ich habe nichteinenPfennigdavonerhoben.«Daßund warum sieeineQuittungüberdreihunderttausendMarkunterschriebenhaben, pflegenselbstsehrreicheLeutenichtleichtzuvergessen.Undwassollman sichun- terder»Einrichtungdes Kontos«vorstellen?Wasnichtgezahltist, brauchtdoch nichtalsempfangenbescheinigtzuwerden; denkbaristnurder Fall, daßEiner dasGeld nimmt undeinAndererseinenNamenunterdieQuittungsetzt.So aberlagdieSachenachMirbachsZeugnißnicht.JmOktoberhattenSchultzund Romeick,dieschonmit 210000 MarkimBuchderStifter standen,ihm noch 350000Markangeboten,dieerdankendannahmunddiein derZeitvom selftenbis zumsechzehntenOktoberausdasKontoKeingezahltwurden.Da-

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ExecllenzvorGericht· 473

vonhoberim November 25 000Markab. »Bald daran entstandendie Schwierigkeiten fürdiePon11nernbank. Jch ließdie beidenHerrenzu mir bittenundsagte ihnen,dadieseSchwierigkcitenentstanden seien,würden wir auf dieseStiftungenunterallenUmständenverzichten;dasKontomüsseauf- gelöstwerden« Warum? Washatte diePommernbankdennmitdenStift- ungenzuthun?DerOberhofmeister warja,wieerbeschworenhat, festüber- zeugt, daßSchultzundRomeick das Geldausihren Privatmitteln gaben; und dieseMittelwarenim DezembcrnichtkleineralsimOktober·Die»Schwierig- keiten«,diefürdieBankentstanden,mußtendenHofbeamtenundPräsidenten aufdenGedankenbringen,dieGelder derSchatulleund derVereineausdem unsicherenPommernbereichzuziehen.Hatersgethan?Nein.HerrSchultz konnteaufderAnklagebanksagen: »Ich genießenachwievordasvolle Ver- trauen desFreiherrnvonMirbachundglaube, Anspruch auf diesesVer- trauen zuhaben.«VollesVertrauen, felsenfesteGewißheit,daßkeinMark- stückausderBankkassestammt, BetheuerungbeiderDirektoren, daßdieneue Stiftung sie nichtimGeringsten bedrückt;trotzdem mußdasKonto,,aufge- lös«(oder»eingerichtet«)werdenundMirbachbestätigtdurchUnterfchriftden Empfangvon327400Mark, vondenen erkeinenrothenHellererhaltenhat.

UndwasistausdemGeldgeworden?Niemand weißes. Niemand fragt auchnur eindringlich danach. SelbstderStaatsanwalt konnte im- Schlußvortragnicht behaupten,dieAngeklagtenhättenesunterschlagen:er stelltedasUrtheildarüber demGerichtshof anheim. AufallenPlätzenam Richtertischwar dasInteresseanden 610000Markdes KontosK,diedoch demVermögender Aktionäreentzogen wurden, merkwürdiggering. Vielleicht istAussichtaufRückzahlung?»Jchhabehierzuerklären,daßmeinegroßenVer- eine,wenn nachgewiesenist, daßesirgendwie bedenklichist, diesesGeld anzu- nehmen,selbstverständlichbereitseinwerden,dieSunime,diefieerhalten haben, zurückzuzahlen.«Also sprachderfreiherrlicheZeuge. Sehr schön;sehrwirk- sam.Nurhatteervorhergesagt,derModusderVertheilungandieeinzelnen Vereine seikaumnoch festzustellen,undetwas später,dasMeiste hättendie kleinen,armenVereineerhaltenundausgegeben.Danachistanzunehmen,daß imbesten Fallnur die25 000Mark desKirchenbauvereineszurückgezahlt werden...,,Zur AufklärungdesSachverhaltesüberdieHingabederGelder istdieVernehmungvonWerth«, hattederVorsitzendegesagt;wenn ihm dieseVernehmungdenSachverhalt aufgeklärthat, isterzu beneiden.

DerStaatsanwalt hatteandenOberhofmeisterkeineeinzigeFrage zustellen.DerVorsitzendebestätigteihm eiligstdiegrundfalscheBehaup-

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tung,Herr JustusBudde habeamachtenJuni selbstgesagt, daßer»nur wiedergebe,was ihmausderProvinz mitgetheiltworden ist.« Justus,der jetztmitzärtlichenMolltönenaustiefsterBrustdie Excellenzumwarb undauf derVertheidigerbankdasBedürfnißnacheinemCognae entstehen ließ,hatte sich,alser, einBischen spät,derEidespflicht gedachte,auf sechsBeamteund aufdieGeschäftsbücherderPommernbank berufenundnurin einemwesent- lichen Punktgeirrt:erkonntenicht,Keinerkonnteannehmen, daßHerrvon MirbacheineQuittungüberdreihunderttausendMarkausgestellt habe,die ernicht empfing.AllesAndereistalsrichtig erwiesen.DerOberhofmeister der-Kaiserin hatvondenDirektoren einerBank,überderenschlechtenStatus erohnedieallergeringste Müheander demSchloßnächstenEckederBurgstraße aufgeklärtwerden konnte,imLaufeinesJahres für seineVereineundfürs KleineJournal280000MarkerhaltenundnochimselbenJahreinneues Geschenkvon327000Markauf seinKontoangenommen. Jm Herbstdes selbenJahres,in demerdemvondiesenHerrengeleitetenInstitutedenTitel

»Hofban"kJhrer MajestätderKaiserinundKönigin«verschaffthat. Fastge- nau wie imFall Sanden-Schmidt.Erhat beschworen,daßerüberzeugtwar, SchultzundRomeiekgabendieseMilliardärgeschenkeausihrer Tasche;"aber auch, daßer»dieRestsumme nebst Zinsen« nicht mehr abhob,weil»fürdie BankSchwierigkeitenentstandenseien«.ErhatUnglückzoder Glück?Erlegt dasGeld derKaiserinaufbrüchigeBanken,verschafftMännern,gegendiebald danach hoheGefängnißstrafeundEhroerlustbeantragtwird,OrdcnundTitel:

undbekommtnichtnur dasdiesenMännernanvertraute Geld mitreichlichem Profitzurüek,sondern obendreinnochviele-HunderttausendefürseineKirchen.

GottgiebtsdenSeinen imSchlaf, singteinLied Salomos imhöherenChor.

DerHosbanktitelwurdewährendderVernehmunggarnichterwähnt.

FürdieSchuldfragewäre dieFeststellungwohlwichtiggewesen,ob dieAnge- klagtendasGeldpersönlicherEitelkeit oder demWunschgeopferthaben, ihrer BankeinenschützendenNimbus zuschaffen.GanzzuletztfragtederBorsitzende freilich:»HabendieAngeklagtenirgendwelcheBedingungenandieUeber-gabe derGeldergeknüpft?«Alsobso feine HerrenimErpresserstilmit einander verkehrten!Die Antwort konntenur lauten: ,,Niemals.« ,,Sind sonstnoch FragenanExcellenz?« Keine. AmnächstenTag lasenwir in vielenZeitun- gen,dieAngelegenheitseinun zuallgemeiner Befriedigung aufgeklärtund nur zubedauern, daßderFreiherr nicht schonfrüher gesprochenhabe. Ich bedaurenoch mehr, daßernicht gesagthat,oberauchPrivatgeschäftemitder Posmmernbankmachte.DerPreußenbankhatte ersein godesbergerTerrain zumKauf angeboten;undSanden sprachüber diesesGeschäftnichtgern;

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DerfranzösischeRoman. 47

Der französischeRoman.

. enn man nachprüst,wasFrankreichsLiteratur imneunzehntenJahr- hundert geschaffenhat, mußdem Kritiker,glaubeich,eineErscheinung besonders ausfallen:dieplötzlicheEntwickelungeinerFormel, die gegen das Endedes achtzehnten Jahrhunderts zuerst auftrittund dieinder ersten Hälftedeszwanzigstenverschwindenzu wollenscheint. Ich sprechevomRoman,

Jn allen westeuropäischenLändern hat währenddieser Periodeder Roman einebeträchtlicheVerbreitung gefunden.EsgiebtkaumEinen, der auchnur oberflächlichindieLiteratur hineingepfuschtundsichnichtdaran versucht hätte.Dann aberwurde einegewisseErmüdung fühlbar.DieJn- -dustriellenderLiteratur hattendasPublikummitBüchern übersättigt,die die dreiodervierhöchsteinfachenSituationen desmenschlichenLebensunter denverschiedensten,sensitionellstenundoft unwahrscheinlichstenBeleuchtungen zeigten;nun empfundensie verwundert dieFolgeneinesUnbehagens,dassie doch selbsthervorriefen.ManbezichtigtedieZeitung,dasFahrrad,die Renne, dasAutomobil,—- wasweiß ichsonst noch.Man klagteAllesan, nur nicht denRoman selbst;unddürfte nicht geradecrderHauptschuldigesei?

Der Roman, wieihndas neunzehnteJahrhundertentwickelthat, wurzeltinderPeriodedesachtzehnten,inderdasrevolutionäre Gewitter sichvorbereitete. Man könntenoch frühereAnfängesuchenund bisins siebenzehnteJahrhundert zurückgehen,das sofühlbarvonSpanien beeinflußt war; aberman würdenur ganzäußerliche,entfernte Analogienohne wesent- liches Jnteresse finden.DereigentlicheRoman,wie wirihnkennen,bemüht sich,die Details undost rechtengenAlltäglichkeitendesbürgerlichenLebens zuschildern,dasnun, erstindemJahrhundert,in demneuesozialeFormen allmählichfestwurden,derMittelpunktallesGeschehensward. SeinMilieu istwesentlichanarchistisch,ohne bestimmtes sittliches Gesetz, ohne abgegrenzte Differenzirungen.Man sieht hierdieallerverschiedenstenKlasseneinander berührenund sichvermischen,woraus sichmitbrutaler Beredsamkeitder brennendeInteressenkampf ergiebt,der, trotzlebendig gebliebenenRückständen aus frühererZeit,dieMenge durch ihre Leidenschaften,ihren Ehrgeiz, ihre Tugendenundihre Laster gängelt.

Von diesemStandpunktaus sehe ichinDiderot denwahrenVater sdes modernen Romanes. Erhat überhaupt,mehralsVoltaire,derander Oberflächebleibt,dengesammtenGedankeninhaltdesachtzehntenJahrhunderts Umfaßt;abererbleibteinkonfuserGeist,eineschwankende,.regellosePersön- lichkeit,dieihre Kraft vergeudet, ohne siezuzügeln;unddieserMangelan Methodeberaubt ihndesEinflusses,denVoltaire mitseinemdurchund durch französischenGeist sich so langezuwahren weiß.Aber unter den

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mannichfachen Dingen,dieihm vorschwebten, hatteDiderot dieVorstellung vom modernen Roman. ErvertheidigtedieSachedes BuchesoderTheater- stüekes,dasseinenJnhaltdentausend Dramen Undabertaufend Szenendes gemeinen bürgerlichenLebensentnimmt. SelbstdenStoffzu Bildern wollte erdiesemMilieu entnommen sehen. DieseVorgänge,dieman so lange verachtet hatte,weilsie allzu nahwaren, die dietiefsten Empfindungenaus- drücken,weilsiedieallerwirklichstensind, und die dasAlltagslebenmitseinen Freudenund seinen Schmerzen umfassen, scheinen ihmkünstlerischerDar- stellung-werth. Kühnverwirst eralldiePerrücken:Götterund anderen heroischenFratzen,dieeinzig würdig befundenworden waren, menschliche Leidenschaftenauszudrücken.DieJagdnachVermögen,dieLiebe, wiesie wirklich ist,dieBeschäftigungen,wiederTag sie bringt, innerhalbeines vertrauten Rahmens-:Dasmußte,fander,tieferergreifenalsdieAufregungen einesnur übertragbarenGefühlesunter denverkünsteltenFormeneineralt gewordenenTradition. Unddasneunzehnte Jahrhundert hat,imRoman wieimBilde,diereformatorischenGedankenDiderots zumSiege geführt.

Dierevolutionäre unddieihrunmittelbar vorangehende Epochever- machtenihmeinen Restvon Empfindsamkeitä«IaNousfeau, jenerkünst- lichenSentimentalität, die ganzanderOberflächehafteteunddenSchreckens- männetn gestattete,ineiner ArtfrömmelnderAndachtzu lebenunddabei ruhigdieKöpfe abzuschneiden.Es war mehreine intellektuelle Sinnlichkeit, eineMode fürLeute, die wirheuteetwa»Snobs«nennen würden;und ntan weiß,daßesnichts BergänglicheresgiebtalssolcheModen. Von dieserGeistesrichtungwird vielleichtdieeineoder dieandere larmoyante Geschichteaus demAnfangdesvorigen Jahrhunderts übrig bleiben; vielleicht wird man inGoethes »Wucher«einen stärkerenReflexdavon entdeck«n.

Aberdiese sentimentale Weltfchmerzlichkeihdiese kopfhängerischeBetrübnife, dieseSchwäche,diezugleichkindischundgreisenhaftist,bleiben unfruchtbar-, wie einschnellverwellter TriebandemüppigenBaum desRomans imneun-

zehntenJahrhundert. Esistkeinmännlichstarker Sproß,derdirektausden Wurzeln hervorwuchs;undsomußteernaturgemäßbaldverdorren.

WieShakespearemitdemGlanze seinesGenies die ganzePlejade seiner Zeitgenossenbeherrschtund auslöfcht,wieTantes Gedichtjeden ähn- lichen VersuchdesMittclalters derVergessenheitgeweihthat, sowird die ZukunftdiegesammteungeheureLeistungdesfranzösischenNomans imneun-

zehnten Jahrhundert inzwei gewaltige Gestalten zusammenfassen.Seine beiden Erscheinungfortnendrückensichaus in denbeiden Persönlichkeiten:

Balzacund Stendhal.

ObgleichBeidekeinenbesonderen Werth aufkorrektenStil legen,ist ihnen gelungen,eineSprachezuschaffen,die, trotz allerRegellosigkeit,ihres

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Mit diesen Sklaven ihrss Handwerks hat Stendhal fast nichts gemein, obwohl er sehr viel geschrieben hat, obwohl das nulla dies sine linea durch- aus von ihm gilt. Aber er

Das frühesteZeugnißdafür ist der Zolltaris von Aosia (960), der beweist, daß damals sowohl die Produkte Flanderns als auch die von Byzanz her eingesührten Waaren des Orients über

Vorgänge zu vergessen und auf das natürlicheWohlwollen Ihres Wesens die ftolzesten Hoffnungen zu setzen. Weit sind wir von dem Gedanken entfernt, Ihre Absicht könne übel, könne auf

Dann stellte sich aber heraus, daß er zum Lernen keine Lust hatte, und man wollte ihn auch nicht an- strengen; der alte Landarzt warnte dringend davor, geistige Ueberreizung konnte

,«,Derphilosophische Anarchismus hat nichts Verlockendes für den arbeitenden Ansiedler. Das anarchistischeIdeal, wie es auf dem Jnternationalen Arbeiter- kongreß in Queens Hall,

Itc) L. Buxbaum, Der Zoologische Garten, 1886, S. Krapotkin, Nineteenth Century, Nov.. PrähistorischeSkizzen· 427 einschränkt, damit die Vorräthe um so länger reichen.

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