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Die Zukunft, 22. Juni, Bd. 35.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 22.Juni 1901.

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Chronika.

InGumbinnen istvordemKriegsgerichtneulichgegenzweiSergeanten verhandelt worden,diebefchuldigtwaren,denRittmeister vonKrosigk ermordetzuhaben.Dieser Rittmeister mußeinungewöhnlichroherLeute- schindergewesensein;und daßernichtmitSchimpf weggejagtwordenist, mußmehrStaunen erregen als die vomStandpunktdesKulturmenschen sicherbedauerliche Thatsache,daßhinterdesQuälers Rücken einesTages ein Karabiner losging.DieAngeklagtensindfreigesprochenworden, mußten, da dieHauptverhandlungnichtvielmehrals vagenKlatschandenTag brachte, freigesprochenwerden. Ein guterStoff. Jeden Tagkannman dochnichtüber desgroßenGrafen WalderseeGalatafelthatenreden.Jeden Tagwirdauch selbstinDeutschlandleidernochimmernichteinSchiffvomStapel gelassen oder einDenkmalenthüllt.Sokonnteman fragen,ob eswirklichnöthigsei, deutscheJünglingeund»gediente«Männer dienachdesKriegsherrn Wunschja stolzernochals dasGewimmelderCivilistendasHochgefühldes civisromanus in derBrust tragen sollen—- schutzlosaufJahredenalkoholi- fchenLaunengewissenloseroderbösartigerHerrnauszuliefern,diesichselbst nicht zügelnkönnen und alsDefpoten dennochüber Andereherrschen.Auch andasschöneGezeterkonntemanerinnern,dassichinAlldeutschland erhob, alsanno Dreyfus französischeGerichteinProzessen,diesichumdenSpio- nagedienstunddasDeliktdesLandesverrathes drehten, manchmaldie Oeffentlichkeitausschlossen,unddie edlePharis äerfchaar fragen,wassiedenn nun zu Gumbinnen sage,wo,»imJnteressederDisziplin«,stetsdieThüren

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verschlossenwurden,wenneineAussageüber dasdienstlicheLeben und Treiben desbravenKrosigkzu erwartenwar. AberdieliberaleundsozialistischePresse istnur aufStichwörterdressirtzundso stimmte siediesmaleinGeheulüber dieUngeheuerlichkeitdermilitärischenRechtspflegean, dieübermorgenabge- schafftodermindestensderbürgerlichenJudikaturangepaßtwerdenmiisse.Die selbenLeute,dienach jedemSensationprozeßüber die zumHimmelschreien- denMängel unseres GerichtswesensdieHänderingen, thatennun, als müssesichAlleswenden,wennLandgerichtsrätheüber Soldaten dasUrtheil sprachen.Sind dieseLeuteplötzlichtollgeworden?Dieneue Militärstraf- prozeßordnungist hier,als dieLemurendesLiberalismus sie nocheinefrei- heitlicheErrungenschaft,einwerthvollesWerkChlodwigsdesRüstigen nannten und über den Kleelobten, ruhig gewordenundrechtleichtbefunden worden ;sie brachte Verbesserungen,abernichts Gutes, siewar,wiefast Alles,washeutegeschieht,mehr aufdekorative alsaufinnereWirkungbe- rechnet. Noch heute istim HeerdieRechtspflegemangelhaft, noch heute giebt siedemgemeinenManne nichtdieGewähr ausreichenden Schutzes;und dasseltsameVerfahrendesgumbinnerGerichtsherrn,dereinenFreigesproche- nen,andessenSchulderglaubt,inHaft hält,zeigtdeutlich,wienöthigauf diesemGebiet einedurchgreifendeReformwäre. Darfman deshalbaber diedeutschebürgerlicheStrafrechtspflege preisen,anderdoch überhaupt nichtszu lobenist,nichtdasGeringste?Denndaßunsere Richter sichnicht bestechenlassen, magihnenderTeufeldanken; aufderErdeschreitendeMen- schenwerdendarinnur dieselbstverständlichstePflichterfüllungsehen,nur denüberflüssigenBeweis, daßRichter nichtgemeineVerbrechersind. Im Uebrigen istunsere kriminalistischePraxis sorückständig,so unbeschwertvon demBallast sozialeroder garpsychologischerErkenntniß,sovonallenguten Geistern verlassen, daßSchlimmeres nichtzu erdenken UndJederzu benei- denist,dernichtindiesemForumdesSprucheszuharren hat.BeimLescn dergumbinner Verhandlungberichte hatteman oftdenEindruck,Klassen- bewußtseinsregungenundSentiments nähmenim Sinn derRichtereinen beängstigendgroßenRaumein.JstesinStrafkammernoder garbeiSchöf- fenundGeschworenenetwaanders? JnGumbinnen wurdevondemRecht, dieOeffentlichkeitauszuschließen,in einerWeiseGebrauchgemacht,dieWider- spruchweckenmußte.AbersperrenunsereLandgerichte,obwohlsieanein ganz anderes Gesetzgebunden sind, demHäufleinderNeugierigen nicht jedesmal dieThür,wenn über eineangeblicheMajestätbeleidigung.- undseisiein noch so literarischen Formen begangen verhandelt wird? WasdaRecht

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Chronika. 449 scheint, soll nicht billig sein,wennOffiziere schwereVergeheneines Kame- raden nichtvor derMannschaft»unddendemagogischenFeindendes ,,Militarismus« enthüllenwollen? Undschließlich:trotz Klassenbewußt- seinundVorurtheil sinddieSergeantenfreigesprochenworden. Wer weiß,wiebürgerlicheRichterdenJndizienbeweis ,,gewürdigt«hätten?

Nein: unser Militärstrafprozeßist gewißnicht gut, abereristnicht um einJotaschlechterals derbürgerliche.Anwälte,diezurVerthei- digungvor Kriegsgerichten zugelassen sind, habenmirerzählt,essei einwahres Vergnügen,zusehen,mit welchemFeuereifer jungeLieu- tenants sichmanchmalihresMandanten annahmen,einesGemeinen,der zitternd,dieHändeanderHosennaht,denSpruchderVorgesetztenerwartet.

UnddieHauptsache:esist nichtderBeruf,dasbezahlteAlltagsgeschäftder Offiziere, Menschenzurichten.EinGerichtstag istetwasAußergewöhn- lichesinihrem Leben, stimmt sieernster, läßtsie, namentlich da,woessich umVerbrechenhandelt,dieWuchtderaufihnen lastenden Verantwortung tiefer empfindenalsdengeplagten Landgerichtsrath,derdreimal injeder WocheStunden lang judizirt,MenscheninsGefängniß,insZuchthaus schicktundandenZwischentagen Verfahren eröffnet,Referate zimmert, VefchlagnahmenundVerhaftungen beschließt.DasRichten solltenie zum Geschäftwerden;undkeinverständigerMenschsolltewünschen,derhastige Großbetriebunserer bürgerlichenUrtheilfabrikenmöge künftigauch dem HeerdieRechtssprücheliefern.

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Der NameDreyfuswurdegenannt; und beiihm wollenwir einen Augenblicknochverweilen. Einzelne—- nichtviele—- Leserfragen erstaunt, warum dasvon demfrüherenHauptmann veröffentlichteBuch hier nicht besprochenwerde.Die Antwort ist einfach:weildiesesOpus,dasfürein Tagebuchausgegebenwird, nichtsNeues bringt; über dieSachenichtsund nichtsüberdieHauptpersondeseklenHandels.Dastrotzdemfensationellen AufputzunfäglichlangweiligeBuchbleibtnichtnur alsliterarischeLeistung tiefunter demNiveau,bei dem einekritischeWägung erst möglichwürde;

eszeigt auch seinen Schreibergenau in demselbenLicht,in demerbisher gesehenward. Eineitler, hochmiithigerHerr,dersich nicht schämt,die Hymnen,diefeineFrau ihm singt, abzudruckenundvorderWeltalsgrößter. MärtyrerderJudenheit einherzustolziren. Deshalb vielleicht habendie Freundedeszweimal rechtskräftigVerurtheilten,unterdenenjasehr gute

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Geschäftsleutesind,denEiferdesMemoirenschreibersnicht gehemmt.Sie dachtenwohl:Wenn dieGegner sehen, daßwirdenMann inseiner Menschenhäßlichkeitrichtiggeschilderthaben,dann werdensieunsauch glau- ben, daßerunschuldigist. Mag sein.Mitleidwird keinmenschlichFühlen- der demManne versagen, der, schuldigoderunschuldig,vielgelitten hat.

Als»Fall«aberistdieSache fürdenUnbefangenen mindestens seitdem Tage erledigt,woHerrDreyfus aufdasRechtsmittelderBerufungver- zichtetund damitbewiesenhat, daßerseinHeilvonderGnade des Staats- oberhaupteserwartet.WerstattdesRechtesGnadewill,umbehaglichleben zu können und der alsein Sterbender ausHolzpapiervorgeführteHerr soll inzwischenjadick undrobustgeworden sein—,Derwarsichernichtzum Märtyrer geboren.

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ObderKonsistorialrathHerr GeorgReicke zudieserundankbaren RollemehrTalenthat?Von einerihmbereitetenUnbequemlichkeitwird in denZeitungen jetztvielgeredet.ErwarJustitiardesKonsistoriumsder ProvinzBrandenburg, also,wiePobedonoszew,derSchwarze Mann, ju- ristischesMitgliedderKirchenbehörde.EineliterarischeBegabung,deren UmfangundTiefe nochnichtzuerkennen,die zugroßartigemAusdruck noch nicht herangereift ist, drängte nach Bethätigung. HerrReickeschrieb Theaterstücke,in denenManche Geistvom Geiste NietzschesundJbsens finden wollten,und derKonsistorialrathtrat in dieersteReihedesGoethe- bundes,deraufdengroßenNamendes,,decidirten Nicl)tchristen«getauf- tenGemeinschaft,derenTendenz wenn sie überhaupteinehatte dochnur seinkonnte: unerbittlicher Kampfgegen dievom orthodoxen Kirchenthum befohleneSittlichkeit.EinMann,dersich geräuschvolldie- semBundangliederteunddessendramatische Versuche auf Naturalisten- bühnenans Lichtgebracht wurden, mußtedemhochehrwürdigenKonsisto- riumlästigwerden. Jetzt ister,»imJnteressedesDienstes«, nach Königs- berg, seiner Vaterstadt,versetzt worden, auf daßer,fernvonBerlin,den PflichteneinesbesoldetenDieners derKirchenbehördenachsinne.Dassoll eineunerhörte»Vergewaltigung«,dasSymptom wachsenderReaktion sein;undnatürlichhatderargeHerrStoecker seine mächtigeHandim SpielderDunkelmänner,das»weitüber diedeutschenGrenzen hinaus peinlichesAufsehenmachen muß«. Sucht,liebeHerren!Wie würdeder Farmer denn,auf dessenPlantage Jhr schwitzt,miteinemRedakteur um-

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Chronika. 45 l

springen,derinVersammlungenderSozialdemokratenoderauchnur radi- kalerBodenreformer aufträteP Versetzenkönnteerihn nicht,aberentlassen würdeerihn sicher;exempladoeent. Und dasbrandenburgischeKonsisto- riumsolleineTodsündebegangen haben,weil es einenHerrnnicht länger behalten wollte, dessenganzesWirken so offenbarwiderdenStrichder Kirchenorthodoxiegeht?HerrReickehatdieWahl.ErkannPsründeund Titelbewahren; ihnen mußerdannseinöffentlichesAuftreten anpassen.

Er kannaufhören,Konsistorialrathzusein;darauf isterfreiund zu den höchstenEhrenstellendesGoethebundesstehtihmderWeg offen. Erstwenn ergewählthat,wirdman ihndenmuthigenBekenner einerstarkenUeber- zeugungnennen dürfen.Von derKirchenbehördeGehaltbeziehenundsich in derreichlichenMußezeitalsKämpferfür geistigeFreiheitinBerlin»aus- leben«:Dasgehtnicht.EinKonsistorialrath, dessenStück imDeutschen Theater ausgezischtundvon derPresse verhöhntwird, ist unmöglich,ist nachMancher Meinung auchkeinetragischeGestalt.

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WietapfereBekenner imDrang handeln,könnte derKonsistorial- rathaus derFamiliengeschichteHermansGrimmlernen, dessenTodjeder gebildeteDeutschebeklagenmuß. JstdasGeschlechtderGöttingerSieben ganzausgestorben?JakobundWilhelmGrimm wußten,wassie wagt-en, alssiedasVolksempfindengegen einenVerfassungbruchaufriefen.Herman, derSohn, hättewohlkaumgethan,wasWilhelm,derVater, that.Erwar anHöfenheimischgeworden, trug gekröntenDamenleichtverdaulicheKunst- geschichtevorundhatteinso erlauchterGesellschaftOlympiersittenange- nommen. Ein lautesWort,einheftiger Lustngkonntenihn ärgern;und lustlos,wie imPalasteinlange verfchlossenerSaal,dünkte unsJüngere oft seineWelt. ErhattesicheinePersönlichkeitanerzogenz erwollte im Reden,Wandeln und Handelngoethischfeinundvergaß,imAusblick zurBüstedesalternden Meisters, daßernichtim Weimar derGoethe- zeit lebte, nichtindiestille ZierweltdesTafsodichters hineingeboren war. Under hatte docheine Maske nicht nöthig, brauchtedemGeist nicht nach fremden Muster,undwäreesdasehrwürdigfte,dasKleid zuzuschneiden:ohneSockenundfalscheLocken konnteersich sehenlassen, so,wieerwar. KeinAllumfasser,keinGenie und keinPhilosoph, dochein vornehmer, gebildeterund,wo erliebte, merkwürdigfeinempfindenderMann, der denSchmutzderStraße,denSturm unddieFröstescheutundweislich

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deshalbim Warmen bleibt,bei demPeliden, beiRafsael, beiGoethe.Einer derwenigen wirklichkultivirten Menschen,dienochimneuen Deutschland zuschauenwaren. Jetzt,am Grabedesfeinenunddochnicht schwächlichen Essayisten,fällt Manchem wohldieErinnerung schweraufsHerz,wieoft erüber Grimms unbeirrbareSicherheit gespottethat. DieserGreisglaubte- in denGefildenhoherAhnen dieWahrheit gefundenzuhaben,eineabsolute Wahrheit,die keinZweifelmit tastendemRaupenleib bekriechendurfte.Das verdroßuns,denendiefesten,denWeg weisendenLeuchtfeuer längster- loschensind;undderUnmuth barg sichhintereinHohnlächeln.Wieunklug war solchermoderneDünkel! Beneidenmußten wirHermanGrimmum seinen starkenGlauben,um dieFähigkeit,Ehrfurchtzufühlen,umdie Siegersicherheitseines Wesens: siewar seine besteKraftundgewannihm, auchwennerleisesprach, andächtigeAufmerksamkeit.

VomTotenhügelinsLand derLebenden,vondemGrabeines kulti- virtenEuropäersins bunteThal deutscherPolitik...Nichtviel Ausbeute.

DieKöniginvonHollandwar inBerlin. Aucheine Verbündete.Aber eine, dieschlaueBeratherzuhaben scheint.AmThor standderOberbürgermeister mit derAmtskette,freisinnigbisaufdieKnochen, nicht tüchtig,dochauch nichttrotzig,undsagteeinenpompösenLeitartikelher;ein paarMädchenin Weiß hatteermitgebracht.Sowars früher,wenn siegreicheHeersührer einzogen.Allesentwerthet. SchöneReden ;nachdemberühmtenMuster-:

GeradeindieserStunde schweiftunserBlickzurück;und dannschweifter vorwärts.Frau Wilhelminebliebruhig; einewohltemperirteNiederländerin.

Vielleichtschweifteauch ihr Blick, vielleicht suchteerin dembetreßtenGe- wimmel dieGesichterderLeute,diegeschäftigJahre lang herumliefenund schrien:Hättenwirjetzt schondieFlotte,dannkönnten wir denHollän- dernsämmtlicheKolonien wegnehmen.Nunstanden sie stummundlausch- tendem tönenden Wortvonderinnigen Verbrüderungzweier germanischen Stämme. Nicht allzu ernsthaft. Noch wenigerderStreit umdesFürsten PhilippzuEulenburg Urlaubsfristen. DerdurchlauchtigeHerr,Dichter, Komponist,Spiritist, SalonmagusundGünstlingdesKaisers, aufdener beiTischausweitgeöffnetemSchwärmeraugezu blickenpflegt, ist seltenin Wien,woerdasDeutsche ReichalsBotschafter amtlichvertreten soll.Er reist lieber.InWienhat ihn nochNiemandvermißt. InBerlinaber,wo man dieGeschichteseiner diplomatischenExamina dochkennen undwissen

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C l)ronika. 453 sollte,wie dieBerufsgenossenÜber diepolitischenFähigkeitendesvielseitigen Dilettanten urtheilen,inBerlin lebenJournalisten,die imAuswärtigen Amtverkehrenunddennochfinden,HerrPhili mache sichanderblauen Donau viel zurar. Esgiebtebensonderbare SchwärmenManmuß gerecht seinundsagen:Des Deutschen Reiches Interesse fordert nicht, daßFürst Phili sichdauernd inWienaufhält; also muß wohlein anderes InteressegegendenLieblingdesMonarchendie Meute mobilgemacht haben... Wassonst noch? Ach ja:zumviertenMalehatdieKaiserin AlexandravonRußland ihremMann eineTochter geboren.Daswird, daesModegeworden ist,indieWochenstubenderFürstinnen hineinzu- schnüffeln,vielGeredegeben.Aber derZar ist jung, jungundgesund auch seine Frau; also solltendieReportermit derZukunftdesHausesRomanow nocheinBischenGeduldhaben.Als demFürstenBismarckgemeldetwurde, dasersteKindseines ältestenSohnes sei»nur einMädchen«,telegraphirte ernach Schönhausen:»Schadetnicht.Marie war aucheinMädchen«!

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Bismarck! WiederhatderNamedieWochebeherrscht,wiederhaben Hunderteversucht,desMannes Wesen,wiesieessehen,zu malen. Am sechzehntenJuniwurdevordemReichstagshausedesersten Reichskanzlers Denkmal enthüllt.Manche Leserwissenwohl, daßichseitMonaten nichtin Berlinbin,nichtinbehaglicherFreiheitlebe;daistesnicht möglich,die MassedesMaterials gleichzu überschauen.Wenn die paarGedanken,zu denendasEchoderFeierdenfernenBetrachter stimmt, überhauptetwas taugen,werdensie auchimnächstenHeft nochnicht verspäteterscheinen.Es solleineFeier üblichenStils, aberzweitenRanges gewesensein. Außer demKaiser,derdie kleineGeneralsuniform, hoheReitstiefelund denInte- rimsmarschallsstab trug,kein indeutschemLandsouverain regirender Fürst.

AuchdieMinisterderBundesstaaten fehlten. Fast vollzähligaberwaren Alleversammelt,die der lebendeBismarck nichtleidenmochte. GrafBülow hielteineRede,die Vielewunderschönfandenund derenfrischeGemeinver- ständlichkeitdenflüchtigHinhörendenwirklicherfreuen konnte, schon, weil derKanzler offen aussprach,wasdieHohenzollernBismarck zu dan- kenhaben. AufderSchleifedesKranzes,denWilhelmderZweiteam Denkmal desvon ihmEntlassenen niederlegte,standendie Worte: »Des großenKaisers großemDiener.«

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454 DieZukunft.

Der Eremit.

VonKindheitanwar ergewesenwieEiner,dererfüllt istvondervoll- kommenen ErkenntnißGottes. DaernocheinKnabewar, erregteer die Verwunderung vieler HeiligenMänner undmancher HeiligenFrauen,die inseinerGeburtstadt wohnten, durchdieernsteWeisheitseinerAntworten. Und daihm seine Eltern denRingunddasKleiddes Mannes gegebenhatten, küßte ersieundverließ sieundzogaus,derWeltGottzu verkünden. Denndazumal

waren ihrer VieleinderWelt,diewußtenentweder nichtsvonGottoderhatten

vonihm bloseineunvollkommene Kenntniß. Oder siebetetenauchfalscheGötter an,die inHöhlen wohnennndihrer Anbeternichtachten-

Underwandte sein AntlitzzurSonne undzogausohneSandalen,wie erdieHeiligenwallen gesehen,anseinem Gürtel einenLederbeutel undeinen Becherausgebranntem Thon· Undersang LobgesängedemHerrn,ohne Unter- laß. Und nacheinerZeiterreichteereinseltsames Land,darinvieleStädtewaren.

Underschritt durch elfStädte. Undmanchedieser Städte waren im ThalundmancheandenUfern großer Flüsseundmanche auf Bergenerbaut.

Undinjeder Stadt fandereinenJünger,derihm anhingundihm folgte.

VielVolkfolgte ihmaus jederStadt unddieErkenntniß Gottes verbreitete sichüberdasganzeLandundvieleHerrscherwurden bekehrtunddiePriester derTempel,indenenGötzenwaren, fandenihr Einkommen um dieHälftege- schmälert. WennsiezurMittagszeit auf ihreTrommeln schlugen,kamenkeine odernur wenige SpendermitPfauenoderFleischgaben,wieesBrauchgewesen imLandevor demKommen diesesEinen.

Aberje mehrVolkihmanhingundje größerdieZahl seiner Jünger wurde,umso größerwurdeseine Kümmerniß;underwußte selbstnicht,warum seine Kümmerniß so großwar. Denn ersprachimmer von Gottundausder Fülledervollkommenen Erkenntniß Gottes,diederHerr selbst ihmverliehen hatte.UndeinesAbends schritterauseinerStadt, die dieStadt Aramenia war,undseine Jünger und eine großeMengefolgtenihm.Understiegeinen Berg hinanundließ sichaufeinenFelssteinnieder,derauf dem Berge lag,und seineJüngerstandenumihn herumunddasVolkknieteimThale. Under beugte seinHauptauf seine Händeundweinteundsagtezuseiner Seele: Wie ist es, daßichvollKümmerniß bin undFurchtunddaßjeglichermeinerJünger mir gleicheinemFeind ist, der wandelt imTageslicht?

Undseine Seeleantwortete ihmundsagte: GotthatDichmitdervoll- kommenenErkenntniß seines Wesens erfülltundDuhastdiese Erkenntnißan Andere fortgegeben.Diekostbare PerlehastDugetheiletund dasnathlose Kleidhast Duzerstückelt. Wer Weisheit weggiebt,beraubet sich selbst;erist wieEiner,derseine SchätzeeinemRäuber preisgiebt.Jst nicht Gottweiser dennDu? Werbist Du,daßDudasGeheimniß preisgiebst,dasDir Gott anvertraut hat? Einstsah ichGott;nun hastDuselbst mir ihn verhüllt.

Undwiederweinteer;dennerwußte,daß seine Seele wahrzuihm sprach, daßerdievollkommene Erkenntniß Gottes aufAndere übertragen hatteund daßersiehnun anGottes Gewandklammere undsein früher so festerGlaube ihnverlasse,seit undweil die Mengeanihn glaubte.Undersagteinfeinem

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DerEremit. 455

Jnnern:Jchwerdenicht mehrvonGottsprechen. WerWissen theilet, Derbe- raubetsichselbst.Undnach einigenStunden kamen seine Jüngerzuihm, beugten sichzurErdeundsagten:Meister,sprichuns vonGott, dennDuhastdie voll- kommene ErkenntnißGottes undkeinMenschaußerDirhat diese Erkenntniß.

Underantwortete ihnenundsagte:JchwillzuEuch sprechenüberalleDinge derErdeunddesHimmels, aberüberGottwerdeich nichtzuEuchsprechen- Daerzürnten sie sichundsprachen: DuhastunsindieWüstegeführt, damit wirDichhören,undhastuns keineSpeisegereicht. Willst Duuns hungernd zurückschicken,unsundAlle, die DuDirfolgenließest?

Underantwortete ihnenundsagte:IchwillnichtvonGott sprechen.

UnddieMengemurrte gegenihnundsagte:Duhastunsin dieWüstegeführt und hastuns keine Speise gegebenlSprichuns von Gott undwirwollen uns begnügenlAbererantwortete ihnen kein Wort,dennerwußte:wenn er ihnenvonGottspräche,würdeersichseinesSchatzes berauben.

SeineJüngergingen traurigvondannenunddieMengezogheim;und ihrer Vielestarben unterwegs-

Undalseralleinwar,erhobersich, kehrtesein AntlitzdemMonde zu undwanderte sieben Monate lang.Zu keinem MenschensprachereinWortund keinemgaberAntwort. Undalsder siebenteMond entschwundenwar,erreichte erjene Wüste,die dieWüstedesgroßen Wassers ist. UnddaereineHöhle gefunden,indereinsteinCentaur gehausthatte, machteersiezuseinemWohn- sitz, verfertigte sicheineMatte ausBinsen, daraufzuliegen,undwurdeein Eremit. UndzujeglicherStunde prieserGott, daßerihn gewürdigt hatte, einige Kenntnißvon ihmundseiner wunderbaren Größezubehalten.

EinesAbends nun, alsderEremit vorderHöhlesaß,ausdererseine Behausung gemachthatte,erblickteereinenJünglingvonschönem,aberbösen Aussehen,derindürftigenKleidernundmitleerenHändenvorüberging. Jeden AbendgingderJünglingmitleerenHändenvorüberundjeden Abendkehrte

ermitPerlenundPurpurbeladen zurück,dennerwar einRäuber,derdie Karawanen derKaufleute plünderte. Und einesMorgens-,daderJüngling wiedermitPerlen und Purpur beladenzurückkehrte,machteerHalt,runzelte dieStirn,stampftemitdemFuß aufdenSand undsagtezudemEremiten:

»Warum blickst Du also aufmich,wenn ich vorübergehe?Wasist es,dasich inDeinemAuge sehe?Denn niehat Jemandalso aufmichgeblicktnnddieser Blick istmireinDorn imAuge undeinAergerniß.«

Und der Eremitantwortete: »Was DuinmeinenAugensiehst,ist Mitleid, EsistMitleid,was aufDichblickt.«

UndderJüngling lachteverächtlichundsagtemithöhnenderStimme:

»Ich habe PurpurundPerlen inmeinerHand und Duhast nichtsalseineBinsen- matte,darauszuliegen;wiesolltest DuMitleid mitmirhaben? Undwarum hättest Du dieses Mitleid?«

»Ich habe Mitleid mitDir, denn DukennstGottnicht«

»Istdenn diese KenntnißGottes eineso kostbareSache?«fragteder Jüngling,,währendernäherandenEingang derHöhletrat.

»Sie ist kostbareralsallerPurpurundallePerlenderWeltt«

»UndhastDusie?« fragtederJünglingundkamnochnäher heran.

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456 DieZukunft.

»Einstwardievollkommene ErkenntnißGottes inmir;aberinmeiner Thorheittrennte ich michvonihrUndtheilte sieunter Andere. Doch sogar jetzt nochist,was mirdavonblieb,vielkostbarerdennPurpurundPerlen.«

Undalsderjunge RäuberSolches hörte,schleuderteerdiePerlenund den Purpurfort,zogsein blankesSchwertundsprachzu demEremiten: ,,Gieb mirallsogleich diese Erkenntniß Gottes, sonsttöteich Dich.Warum sollteich Dennicht erschlagen,dereinengrößerenSchatzhatalsich?«

DerEremit breitete dieArmeausundsagte: ,,Wäreesfürmichnicht besser,ichgingeein indieWohnungdesHerrn,ihnzupreisen,alsindieser WeltzulebenundkeineKenntnißvonihmzuhaben?Erschlage mich,wenn.

Solches DeinBegehrist.Das aber,wasichvonGottweiß, gebeich nichtweg-«

UndderjungeRäuberwars sich aufdieKnieundbatundbeschwor ihn;

aberdcrEremitweigertesich,ihmvonGottzusprechenund mitihm seinenSchatz zutheilen. Da erhobsichderRäuberundsagtezu demEremiten: »Es sei,wieDu willst.Ichgehe geradenWegesindieStadt dersieben Sünden,dienur drei Tagereiscnvonhier entfernt ist.Dort werdensiemirfürmeinen Purpurund meinePerlen Freude verkaufen.«UnderrafftedenPurpurunddiePerlenauf undeiltehinweg.

DaschriederEremit aufundfolgte ihmundbeschwor ihn,vonseinem Vorhabenabzustehen.Drei Tage lang lieferdemjungen Räuber nachund flehte ihn unablässigan,zurückzukehrenundnichtdie Stadt dersieben Sünden zubetreten.

Undab undzublicktederjungeRäuber zurückaufdenEremiten und rief ihmzu: »Willst Dumir jene ErkenntnißGottes geben,diekostbarer ist dennPurpur undPerlen? WennDusiemir giebst,werdeichdie Stadt der siebenSünden nichtbetreten.«

Undimmer antwortete derEremit: »Alles,was ich habe,willichDir geben;nur dieses Einenicht.Denn Dasdarf ich nicht weggeben.«

UndinderDämmerungdesdritten TageskamensieandasPurpur- thorder Stadt dersieben Sünden. UndausderStadt töntederSchallgroßen Gelächters ihnen entgegen. Undderjunge Räuber lachteundschicktesichan, mitseiner HandandasThorzupochen.

AlsderEremit Dies sah,eilteerherbei, faßte ihnbeimSaum seines Kleides undrief: ,,StreckeDeine Arme aus,schlingesieum meinenHals, lege DeinOhrdichtanmeinen Mund, undichwerdeDirgeben,was mirnoch vonderErkenntniß Gottesübrigbleibt.«

Undderjunge Räuberhemmte denSchritt.

Unddader Eremitseine Kenntniß Gottes weggegeben hatte, sielerauf denBodenundweinte. UndgroßeFinsterniß umfingdieStadt unddenjungen Räuber vor seinen Augen, daßersienichtmehr sah.Unddaerweinendda lag,saherEinen,derbeiihm stand.Dessen FüßewarenausErzundseine Haare glichen feinen Flocken.UnderrichtetedenEremiten aufundsagtezu ihm: »Einsthattest DudievollkommeneErkenntnißGottes;nun wirst Dudie vollkommene Liebe Gottes haben. Warum also weinestDu?« Underküßteihn.

. Oskar Wilde.

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