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Die Zukunft, 15. Juni, Bd. 35.

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Berlin, den i5.Juni 190t.

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Bill Bismarck.

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ilhelm,Bismarcks zweiter Sohn, ist plötzlichgestorben.Schwere Gichtanfälle,dieSchweningers unerbittliche Kunst Jahrzehnte lang abwehrte, hattendenOrganismus desnoch nichtNeunundvierzigjährigen zerriittet. NichtüberdenjähenTod desGrafensollteman staunen, sondern darüber, daß ihm so langeeinbehaglichesLebenerhaltenblieb. Wilhelm Bismarck war gegen EndedersiebenzigerJahreeinausgegebenerMann.

AllerAerzte Vorschriften hatten versagt, auchdiegerühmteHeilkraftder Quellen vonMehadia hatte sichnicht bewährtund dem kaumMannbaren, dessenLeibesumfang beständigzunahm,wardiefreie Bewegung fastun- möglichgeworden.HerrvonPodewils mußtewohleine ganze Weilezureden, ehedermit allerleiKurengequältePatient sichzu einemletztenVersuchent- schloßundin einemvieleFolioseiten langen BriefdenärztlichenRathdes Dr.med. ErnstSchweningerausNeumarktinBayernerbat. Die Ant- wortblieblangeaus, denn den DoktorlähmtegeradeeinAugenleiden,end- lichaber kamsie doch;undwas darinüber GesundheitundKrankheitim Allgemeinenund überGichtimBesonderengesagtwar, klang soganz anders alssonstdieRede derRezeptkünstler,daßderWunsch sich regte,den merk- würdigenergischenundlakonischenMannin derNähezusehen. Schweninger karn:vierundzwanzigstündigeKonserenzmit demKrankenunddessenFa- milie, AusspracheundBelehrung,aberAblehnungjederdetaillirtenBehand- lung,bis derPaticnt sichbereit erklärenwürde,zunächsteinJahr lang, ohne

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auf verdächtigendesGeschwätzzuhören,blindsichdemArzt anzuvertrauen.

DasgelobtederGrafbald;underhatWort gehalten.Als derArzt ihn,mit demerinzwischennurschriftlichverkehrthatte,nachzehnMonateninMünchen wiedersah,fandereinenschlankenHerrn,derandieGichtknotennur noch dieErinnerung bewahrte.NungingesinsGebirge,in SeenundKlammen wurdegebadetund übereinKleines lasendieglücklichenEltern, ihrBill dürfe schonwieder einBeefsteakessen.LiebeKollegenrunzelten natürlichdie Stirnundrannten,solcher»Gewaltkur«böseFolgenwürdenraschsichtbar werden ;allermindeftens habederBauerndoktor demSohndesKanzlers dieSchwindsuchtandenHalskurirt.DerangeblichMißhandeltehatimmer- hin noch zwanzig Jahre gelebt, sichdesLebensgefreutundkerngesunde Kindergezeugt. Sehrfolgsamisterfreilichnichtimmergewesen;vonder ErlaubnißdesArztes,mitunter vomschmalenWegederAbstinenzzuweichen, haterallzu reichlichGehrauchgemacht.ErwarnichtzumAsketengeboren, liebte denWein,denweißen,denvonRheinundMosel,altenUngarund herben Sekt,undsteckte ganz wieeinstsein Vater, eheersichzurPfeife bekehrte—-—eineschwereRiesenhavanaander anderen an. Daswaren seine bestenStunden. Erblieb, mochtedieZahlderleerenFlascheninsMärchen- haftewachsen,nüchternundfrisch, freute sich,wie einSchneekönigund Scheffelheld,andemmählichenNiederbruch weniger ausgepichterZcchge- nossenundging sichernicht heim, so langeeinguterTropfen nochseinerBe- stimmungentzogenwar. SelbstEiner aus demmärkischenHünenhausedurfte ungestraft sonichtwandeln.IndenletztenJahren verdoppeltederalteFeind, denklugeLateiner nichtunbedachtarthritis guttosanennen, dieWuchtund dieHäufigkeitseines Angriffs. GrafBillwar nie einBureaumenschge- wesen, hattestets lieber ins Leben als in die Aktengeguckt. Jetztsehnteder oftKränkelndesichnach Ruhe.Das unbequem altmodischevarzinerLand- hauswollteerausbauen und,wenn eswohnlichgewordenwar,vom König denAbschiederbitten. Nunister,nachkurzerQual,alsOberpräsidentder Provinz Ostpreußengestorben.DemArzt,derihn so oftvonlästigemGe- bresten erlöst hatte,warerein dankbarer Freundgeblieben.Undgewißhat erbis zumletztenWank dasBewußtseingehabt, daß für ihn gethanwar, wasMenschenkunstirgendzuleistenvermag.

AufWunder hoffte,anWunder glaubteernicht.Daswehrte ihm schondieSkepsis,diesehr starkinihmwar undihndenWahn,einMensch vermögeUebermenschliches,zornlos belächelnließ.Unddochwar erBis- marcksSohnundhatteerwachsendgesehen,wie weit der GeniusdieGrenzen

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BillBismarck. 411

derMenschheitverräcken kann. Jn manchen Zeitungenwarduns jetzter- zählt,erseieinhochmüthiger,beschränkterJunker gewesen,inanderen,er habedastragischeSchicksalerlitten,einesgroßesMannes kleinerSohnzu sein,Könnte erslesen,erwürdesichum LuftundAthem lachen. DieSpe- ziesderhochmüthigenJunker,vonderichbisheutekein lebendesExemplar sah,magirgendwoja nochhausen;BillBismarckaber gehörteihrganz sicher nichtan.Derhat sichniehöhergedünktals andereSterbliche,nieandie mh- ftischeMachtblauenBlutesgeglaubt.ErhießBismarck,derNachbarSchulze;

imPlaudergesprächerst mußtesichzeigen,werdemAnderenmehrzu bieten hatte.AlsLandrathundalsOberpräsidenthaterKonfliktemitBürgernge- habt;abernicht,weilsieahnenlos, sondern,weilsieaufdieachtundvierziger Tonart gestimmtwaren, injedemJunkereinenLeuteschinderUndLichtseind sahenundaufdenNamenBismarck insoblinderWuth losgingenwiean- dere Doktionäreaufdasrothe Tuch.DenTrägern diesesNamens ward dasöffentlicheWirkennicht leicht.DemjetzigenChefdesHauseswerden noch heutediplomatischeSchlappen nachgerechnet,dieergarnichtverschuldet hatte;undBillsböserSinn soll seitJahrzehnten durch zwei Sätze bewiesen sein,die in einerberlinerWählerversammlunggesprochenwurden. Der eine stammtewenigstensvondemGrafen selbst.ErhatteinbourgeoisenBlät- terntäglichArtikel über die Gräuel desSozialistengesetzesgelesenundsagte nun,nach seinerAnsichtseidenBesitzendendieHundesperrelästigerals das

»Gesetzgegen diegemeingefährlichenBestrebungenderSozialdemokratie-c DerVergleichwar nicht allzu geschmackvoll;unddaßsie ihndemGrafen BismarckbisinsGrabnachtrug, darfman derParteinicht verdenken,die unter derHärtedesAusnahmegesetz-eszu leidenhatte. Doch darf manauch nicht vergessen,welcheVorstellungenvomWesenundZielderSozialdemo- kratie damals dieHirnebeherrschtenundwieviel-Heuchelei dasfolgende Jahrzehnt hatesgezeigt in demmitleidigenGezeterderBörsenpresse war. Denzweitendervon deröffentlichenMeinunginkriminirten Sätze hatteeineifernderAgitator gesprochen,derdenVersammeltendieBedeutung der Stunde klärenwollte,woeinBismarckineinerSchänkevorbürger- lichenWählernalsRedneraustrat;derKanzler, so ungefährsagtedergute Mann, steigtdurchseinenSohn heutezum Volkherab. AuchfürdieseAlbern- heitwurdeBillverantwortlich gemacht.Das focht ihn nichtan;nur als Lehrenahmers. NiehateralstragischesVerhängnißempfunden, daßer imRiesenschattendesVaters erwuchs.DenhattedieNatur ebenausbeson- dererMasse gefügt.DessenUrtheilmußteman sichfastimmerbeugen.Fast

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immer: aufdieNachprüfungverzichtetedieser echteSohnOttos nicht.

SchonalsJüngling hatteerhäufigzuGästendesElternhauses gesagt:

»Heutebinichmit demHerrnReichskanzlerwieder malgarnichteinver- standen«.DaswarnichtetwaScherz.DerReisende,indessenAdern kein TröpfchendesmütterlichenPuttkamerbluteszu rinnen schien,hatte zu blindemHeroenkultkein Talent. AuchderVater,denersozärtlichliebte, so frohbewunderte unddessenGeniuserselbstin denstolzestenStunden sichnieverglich,bliebihmeinMensch,einfehlbarer, irrender,dem der Treuste nichtmitgeschlossenenAugen folgen durfte.AlsdemRegirung- präsidenteninHannovereinvomWeinErhitzter zurief: »Sie hättens auch nicht soweitgebracht,wenn IhrVater nichtBismarck hieße«,ant- wortete Bill demTaktlosen lächelnd:»Da habenSievielleichtRecht«.Aber erwollteSchätzungundAnsehennichtnur demVaterverdanken. Deshalb entzogersichfrühdemBannkreis desGewaltigen.Er konnte in dieWilhelm- straßeberufenwerden« EinerGruppe,derenEinflußnochjetztnichtgehemmt ist, behagtedierussophile StimmungdesFürstenunddesälterenGrafen Bismarck nicht;in demjüngerenBruder desStaatssekretärs glaubte sie einfür ihre Pläne brauchbares Werkzeugfindenzu können undbot dieselt- samstenMittel auf,um denjungen Verwaltungbeatnten nachBerlin zu ziehen.AberBill wolltenicht.SeineBequemlichkeit-hätteergern dem Vater geopfert,dieinnereUngebundenheitaber konnteernicht entbehren;undfein kühlerMenschenverstandsagte ihm, daßeralsnaherGehilfedemVaternicht zunützenvermochte.Das einleuchtendeBeispiel saherjanebensich:Graf Herbertkonnte alsBotschafterirgendwo sorgenlosleben undwarnun ver- dammt,alsPrügelknabedes demHaßdamals Unerreichbaren sichabzu- arbeiten. Nein;lieberinHanauden kleinenAlltagsdienst leisten.Die Leute sollten nichtwieder überNepotismusschimpfen.Und der Vatersolltenur dieeigene-HautzuMarkt tragen, nichtabergenöthigtsein,vordenQuiriten derSöhneWunden zu verbinden. Billthat,wasdiePflicht ihm gebot,und ließdenDingen ihrenLauf.DasVermessene,vom Präsidentenstuhlaus diedeutscheWeltwandeln zuwollen, hätteihnhöchstlächerlichgedünkt.Was kann denneinBeamter? SogareinenKanzler, aufden derErdkreis mit scheuerEhrfurcht sah, schicktman weg,wenn erunbequemwird. Braucht man dann wiederdenNimbus seines Namens, somachtman denSohn zumOberpräsidenten.Da sitzterwarm, wirktalsOrnament vortheil- haftundist doch aufden WinkderberlinerCentrale angewiesen.Des GrafenklarerBlickwarnichtzu blenden. Er bekanntesichalsPolitiker

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BillBismarch 413

zumheiterstenPessimismus. OstpreußenwarihmdaswichtigsteKolonial- gebietdesHohenzollernstaatesunderhättevergnügtdiealterndeKrastandie Aufgabegesetzt,indiesenstarrenBodenneuesLeben zusäen.Abererwußte, daßdieSicherheit stetigenSchaffens nichtzuerreichenwar. Beiuns,meinte er,mußeserstnochvielschlimmerkommen, ehewieder was zumachenist;

einwahrer Segen, daß ichin derMaschinenureinRädchenbin,dasseine Bestimmung erfüllthat,wenn essichin dervorgeschriebenenRichtung dreht.

Lenbachhat auchdesSohnesPsycheausderHüllegeholt.Einvon Lebenslust leuchtenderKopf.Manerkennt denKnaben,von dem derVater schrieb: »Bill istderAnsicht,Alles,wasgeschenktist, müssefür ihn sein.«

Und denlustigen Menschenverächter,derAllesverstandund Allesverzieh, nieentrüstetundkaumje erstauntwar undamLiebstenbei denSpöttern aufgepolsterterBanksaß.EinepreußischeExeellenzwürde in dem Bild keinBetrachter errathen.Unverkennbar aberwar hier,wieaufjedem Bild, Bismarcks Sohn. Jn Friedrichsruh stand eine BüsteBillszdafieldie Aehnlichkeitbesonders auf,weil derMarmor daspersönlichsteLeben des Auges v«rschweigt.Der BlickdesSohneswarklugundhell,derBlick eines Glücklichen,der mitkräftigerHand skrupellos nachdenihmvonSchicksal gespendetengutenGabengreiftundnicht langefragt,obesnützlich,ob schädlichwar,daßihmderKampfumsDasein erspartblieb.Andersmüssen die Elemente sichzugroßerMenschheitmischen.Diezeugtundzerstört,lebt undstirbtinLeidenschaft;undBill Bismarck war nichtderMannstarker Assekte.Er liebteruhigen Genuß, ließdieDingeansichkommen undwar vonEhrgeiz so freiwieseineMutter,dieihr »Billchen«deshalb auchmit gedoppklterZärtlichkeithätschelte;Keingroßeralso,dochein liebenswürdi- ger,wahrhaftigerundnatürlicherMensch,derdeseigenenVermögensGrenze genaukannte. UndMareus Antonius wärenur dannzuverlachen oder zu beweinen gewesen,wenn ersicheingebildethätte,Julius Caesarzusein.

W

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414 DieZukunft.

Kulturkamps

Æinjunger sinisch-schwedischerSchriftsteller, Michael LybeckmitNamen,

s derbishernur alsLyrikerundNovellist aufgetreten ist, hateinen Roman, »Der Stärkere«, herausgegeben,der wegenseines Stoffesunddessen Behandlung Aufmerksamkeitverdient. IcherzählezunächstdenInhalt. Ein jungerMann sieht sichinkurzerZeit durchdenEinflußeinesklugen, rohen, temperamentvollenTartuffes,derübrigensso wenigwiederMoliekes ein eigentlicherGeistlicherist, erst seinerMutter beraubt,mitderihneinlanges geistigesZusammenlebeninFreisinnvereinte, dannseiner Braut,einerjungen, schönenDame vonkünstlerischenAnlagen,mit dererlangeinLiebe verbunden war. DieMutter istalseineungewöhnlicheFrauvon starkem Charakter, entwickeltemVerstandmiteinemAnslugvonGröße gedacht. Dennocherliegt sieinihrer Vereinsamung, währendderAbwesenheitdesSohnes,vonAlter und Kränklichkeitgeschvächt,demversuchtenMord ihrer Vernunft. Das junge Mädchen hat sich, so hübschundfrisch seine äußere Erscheinungist, von Kindauf ungesundentwickelt. Sieist mitlauter lebenfeindlichenVor- stellungen großgezogen,spätervon einerreligiös-hysterischenSchwesterbeein- flußt, endlichdurch einenfurchtbaren Unglücksfall,bei dem beide Elternum-

kamen,inihremNervensystemerschüttertworden: indieser Verfassungist sie, sokecksie scheint, sehr geeignet,sichvoneinemBußpredigeriknponirenundhyp- notisirenunddemgroßen,wohlbekanntenSünderspitteleinverleibenzulassen.

Sowirdsiedem Mann,densie bisherliebte,entrissen.

DieBehandlungdes.Stoffesistgut,kannabernichtganzbefriedigen.

DerVerfasseristseinemThema nicht aufdenGrundgegangen. DieGe- staltdesjungenMädchensmußteunseinefeinere, tiefer dringendeEntwickelung derSeelenvorgängezeigen. Jch hätte auch gewünscht,denStärkeren,der sein Opferineinem einzigen Gespräch bezwingtund dessenLebenvöllig umgestaltet,mitsieghasterKraft begabtzusehen. Herr Lybeckhatunszwar eineVorstellungdavonbeizubringenvermocht,welcheunheimlicheMacht für unselbständigeNaturen inseinen Geberden und seinenPhrasen, seinem SelbstvertrauenundseinerVibelberedsamkeit liegt. DochdaderVerfasser ihnunszugleichalsdemTrunkunddenWeibern ergeben schildert,hater sichselbst Schwierigkeitenbereitet, dieernichtganzbewältigt.

Auchdieanmuthige Gestaltdesjungen Mädchens ist,wieich schon andeutete,allzu flüchtigskizzirt.WasesanKurt fesselt, istnur, daßes in ihm findet,wasihrderGeliebte, alsrechtschaffenerMann, nichtwar, nicht seinkonnte:eineAutorität, diesichobendrein nochjedenAugenblickauf einehöhere,aufdiehöchsteAutoritätberufenkann, in deren Namensiespicht.

Soverliert dasMädchenalleWiderstand-straftundwirdKurts und der

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vKulturkampf. 415 Seinen Beute; siebleibtes,selbstalssie den Trunkenbold undFrauenjäger inihmentdeckt.AuseinerAndeutung geht hervor, daß sie nicht mehr zurück kann. BesserundklareristderverlasseneBräutigamgezeichnet.Eristder typischemoderue Mann derWissenschaft. Techniker;einfester Charakter, schlichtinseinem Auftreten, dochbeiseinem ehrlichen Geständniß,nichtalle Weisheitinsichaufgenommenzuhaben,derGefahr ausgesetzt,denKürzeren gegenübereinemHerrnzuziehen,dermitübernatürlicherMachtvollkommen- heitundrücksichtloserFrechheitausgestattet ist-

DersinischeDichterbrauchteuns seinen Laienpredigernichtalseinen SäuferundHeuchler vorzuführen,um ihnuns widrigzumachen.Wenn eresdennochthat, sogeschahesnatürlich,um zuzeigen, daßderfromme Herr,wie dieGemütherim Norden nun einmalbeschaffensind, recht gut ein Lüdriansein kann, ohne deshalbanMachtüber die Seeleneinzubüßen.

DerFallwärejedochinteressanter gewesen,wenn diePersönlichkeitnichtals einesoerbärmlichlasterhaer gezeichnetwäre.DasHauptinteressedesBuches beruhtebendarauf,daßesdas Grundproblemder heutigenKultur (darf ichsagen:desBischens heutiger"Kultur?),dieeigentlicheKulturgeschichteberührt.

Wielange solldiereligiöseErziehung,dieAllgewaltdersogenannten Offenbarung, ihre Protektionvon oben,ihreUnterstützungausdenReihen desdumpfen Mittelstandes noch währen?Wielange sollen nochFrauenund Kinder,Bauern undFischerderfrommenSeelensängerOpferwerden? So langeesindenmeistenLänderneinenweltlichenUnterricht nochgarnicht giebt, sondernGenerationaufGeneration den Kindern vom zartestenAlter anzwei-bisdreitausendjährigealteVorstellungenvomUebernatürlichenein- gehämmertwerden,ist auch nichtdiegeringsteAussicht aufeinegründliche BesserungdesgeistigenBesitzstandesvorhanden.Uudwirdürfen nicht auf einedurchgreifendeUmgestaltungdesUnterrichtswesenshoffen,so langedie Machthaber sichüberallaufdieSeite derUnwissenheitstellen-

Jm achtzehntenJahrhundert sahesbekanntlichganzanders aus«Der größteHerrscherdesJahrhunderts,demandereFürstennacheiferten, Friedrich vonPreußen, gabdasBeispieleinerFreigeisterei,die kein Blatt vor den Mund nahm. Er gesellte fürMit- und Nachwelt seinenNamen dem Voltaires. Katharinavon Rußland dachtewieerundbeschützteDiderot.

JosefI1.vonOesierreichwar sein Bewunderer. Ringsum,in allenLändern, waren dieleitendenMinistervom selbenGeist beseelt.SogarinDanemark tauchteerinGestalteines Ausländers auf,demdann freilich auch aufdem NörrefaelledHandundKopfjsabgehauenwurde. DasWichtigsteaberwar: ein Königtrat mitseinenMinistern ausdie Seite derAtheisten·Dasist heute undenkbar. FriedrichderGroßewar keinChrist; WilhelmderZweiteaber istderfrömmsteSohnderKirche.Undselbst Bismarck,der inmancher

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Hinsichtmit denUeberlieserungenseiner Zeit brach,erklärtesichinseiner militärischenKunstsprachestets für ,,einen strammgläubigenChristen«.Jm Norden haben sich KönigeundMinisterimmer durcheine,,tiefeundechte Religiosität«ausgezeichnet-

SolangedergemeineMannnoch gläubigwar, konntenAdel und BürgerthumsicheinenliebenswürdigenundscherzhaftenUnglaubengestatten.

Seitaber dieOrganisationderHandwerkerundnamentlichderIndustriearbeiter auchzu einerOrganisationdesKampfesderuntersten Schichtenfür Geistes- freiheitward,istesausmitdemliebenswürdigenScherzunddieherrschen- denKlassen,dieihre Interessen bedroht fühlenundallerMittel zuihrer Bertheidigung bedürfen, haben sich ausdieReligion geworfenundsieals Bollwerkzubenutzenversucht.DiereligiöseRenaissancebeiAdel undGroß- bourgeoisieist nichtsAnderes alseinProduktderAngstdesKapitalisten vor derndrohendenGespenstdes.Sozialismus.DerKapitalismus,derschon längst von 1830 an dasKönigthucninseinen Dienstgezwungenhatte, machte ungefährvon 1870 ansichdieReligionnutzbar undhatdie nordi- schenLänder mitKirchen, FrankreichmitgeistlichenStiftenundOrdens- häusernbedeckt. Jn denromanischenLändernistderJesuitismus erstarlt.

Jndenlutherischen Reichen amWenigsteninDeutschlandalsdemauf- geklärtestenLande,amMeisteninSkandinavicn undFinland istdielicht- scheuesteFormdesProtestantismusallmähligzurHerrschaftgelangt;von denhöfischenDamen reicht ihr Einflußbis hinabzumgemeinenMann- UeberalllehrendieObskuranten,dieLeidendenseienanihrerQualselbstschuld;

überall betäubt undentnervt ihre selbstbewußte,salbungvolle,mystischdunkle Rede dieschwachen,leicht erschrecktenGemüther.Sohabenwirerlebt,daß selbstPhantasien,die demGehirneineshottentottischenHenkers entsprungen scheinen,wiediederewigenQualen, noch heutzutagevonKanzelrednern verkündet undvonBischöfenaufrechterhaltenwerden unddaß Kultusminister, diejeden KetzermitderEntamtung bedrohen, geachtetbleiben, trotzdemsie solchenHottentottenglaubenbekennenundJeden wegjagen,derwiderspricht.

Mit Romanen istderWurzeldesUebelsnichtbeizukommen;daß aberRomaneiers sichansoheikle Stoffewagen,isteingutes, tröstliches Zeichen,eineben soguteswie dasvon denGoncourt in Madame Ger- vaisaisund vonDaudet in derEvangelistingegebene,zwei Romanen,von denender ersteeineBekehrungzumKatholizismus,derzweiteeinezum Protestantismus behandelt. Jn Frankreichabergiebtes, wie in allenroma-

nischenLändern,dochwenigstenszwei Lager:dasderkirchlichenGewaltund einanderes,dasmitihrinoffener Fehdeliegt. JndennordischenLändern giebtesnur einLagerund etlicheUnbewaffnete,diesichaußerhalbundin gebührenderEntfernungdavon halten.

Kopenhagen.

H

G eorg Brandes.

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AdolfVayersdorfer. 417

Adolf Bayersdorfer.

MmszeinundzwanzigstenFebruarist Adolf BayersdorferinMünchen

«

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gestorben.Werversuchenwollte,seinBildinWortenwiederzuerwecken, Der hätteeinen schwerenStand. Das wichtigsteMittel derSprachezu solchem Zweck,derVergleich,würde indiesemFalle beinahe völlig versagen.

Soaußerordentlichwaren WesenundWirkendesMannes.

Erwar am siebentenJuni1842 inErlenbach,einemMaindorfin Unterfranlen,geboren. Nachdemerfrüh seinenVater,denbayerischenRevier- förster Philipp Christian Bayersdorfer,verloren hatte,kamer mitseiner Mutter, diesichwiederverheirathethatte,imJahre1853nachMünchen.Am Wilhelms-GymnasiumlegteerdenGrund zuseiner Bildung. ZuBeginn dersechzigerJahre bezogerdiemünchenerUniversität,um zunächstmedizi- nische Vorlesungenzuhören.Bald fanderseinen Beruf:dasErforschen derWelt desSchönen.1874 ginger zu sechsjährigemAufenthalt nach Italien. Ein Rufder bayerischenRegirung,dieihmdieLeitungder Staatsgalerie Schleißheimübertrug,führte ihnin dieHeimathzurück.1885 kameralsKonservatorandie altePinakothekinMünchen.

Was erauf seinemengerenArbeitselde,inderKunstgeschichte,geleistet hat,magdieFachwelt richten.Wenn esdasGrößtewar, soverschwände esgegen Das, waserdurch seine Persönlichkeitwirkte.

DieMenschheithälteseinfachmitderWerthschätzungderIndividuen.

Sie unterscheidetGuteundBöse, seitJahrtausenden;nichtvielmehr.Und doch istzuvermuthen, daß dieses abgekürzteVerfahreneinenwirllichenSach- verhalt genügendausdrückt. Gutist,wer giebt.Die Gabemußeinem Wunschentgegenkommen.Sie kann einApfel sein fürdasKind. Wer derMenschheitgiebt, wonach sie dürstet,Freiheit:Dennennt sie Menschen- sohn, Erlöser,Gott. Einmal,manchmalgiebtJeder. Aberin Demnur, bei demsichdieFähigkeitund derWille »zum Gebenentwickeln, ist Güte.

GutistderWerdende,bösederVergehende.Sohat wohldieMenschheit Rechtmitihrergrausamund fürchterlicherscheinendenUnterscheidung,mit ihren VorstellungenvonHimmelundHölle,vonSeligkeitundQual.

FreiheitaberistdasGefühl,vonkeinemmenschlichen,beschränkten, willkürlichen,sondernvoneinemAllengemeinsamen,unendlichen Gesetzge- bunden zusein,das, indemesuns bindet,zugleichunsunseresSeins und Werdens miteinerSorgeundJunigkeit versichert,derenQuelle nur der Vaterliebevergleichbar ist. DieseFreiheit versprechendieReligionendem Frommen. Wersiehatundgiebt,gebend sie vermehrend,Dererfülltwirk- lichdashöchsteGebot. Freilich:dieUnmündigenunddieauf der Mensch- heit HöhenWandelndenzugleichzubefreien, istkeinerendlichenKraft gegeben.

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418 DieZukunft.

Bayersdorferwar einBefreierwieWenige.Erwar esAllen,denen erbegegnete, besondersaberder kleinenSchaar,dieaufdemschmaleren WegederKunstdemGöttlichenzustrebt.AllengabereineAhnung,was Kunst sei; daß ihr WesendieGröße sei.DieFähigkeitzumKunstgenuß, zurFreude darüber,indemKunstwerkedasWalten desselben Gesetzes wiederzufinden, durchdasderBeschauer sein eigenes Wesen beherrschtund beglücktfühlt, haterin Vielenerweckt, inManchenbiszurHöhedesreli- giösenGefühls emporgeführt.Zwei Eigenschaftenermöglichtenihm solche Wirkung:eineunvergleichlicheUniversalitätdesWesensundeinebeispiellose Selbstlosigkeit.ErumfaßtedieLiteraturen und sämmtlicheKünstealler Zeitenund Völkerunderöffnetejeder ErscheinungderGegenwarteine Seele von fast widerstandloserEmpfänglichkeit.Von denFrüchtenseiresErkennens undGenießens haternun freilichdasBeste,dasEinzige, Unveräußerliche, jenen Theileiner jedenLebensarbeit,anderen Verlustwirnicht glauben können, mitsichgenommen.vVon Dem,was ergebenkonnte und mitvollen Händengab, istdas MeistewiederdenBeschenktenzumErlebniß,zumun- übertragbarenBesitz geworden,daszwarfortschwebtimgroßemStrom des Wirkens,aberdieSpuren seinesUrsprungsverloren hat. Mit vollem Bewußtseinnämlichundfreiwillig verzichteteer aus jene gefälligenGeister derMittheilungvon heute,derenpapierene Machtwirsoüberalles Maß zuüberschätzenuns gewöhnthaben;erwußtezu gut,daßdasBeste nicht geschriebenundgeschriebennicht verstandenwerden kann. Selbst sein glän- zendesTalentderDarstellungkonnteihn nichtverleitenund dieseelenlose Stimme desEchos hattekeinenReiz für ihn. ZuderWirkung,dieihm alleindesWirkens werthschien;genügteihmnur dasHöchste,waserbesaß, seineganze undungetheiltePersönlichkeitUndsowarauchseinWirkeneinzig.

Man mußbiszuBeginndersiebenzigerJahre zurückblicken,um es zuermessen.VictorMüllerwar ebenunbemerktinsfrüheGrab gestiegen.

ArnoldBöcklinstandschon ausderHöhe seiner Kraft. WilhelmLeibl, Hans Thoma,KarlHaider,.Wilhelm Steinhausen, WilhelmTrübner,Adolf StäbliundFrölicher,Martin Greif,derDichter,KarlduPrel,derPhilosoph, undRobert vonHornstein,derKomponist:ein Jedervon ihnen hatte schon denTongefunden,mitdemseinWesen aufdieSymphoniederWeltant- wortete. SieAlleaberstanden noch ,,im Schatten ihrer Zeit.«Viele, end- lose,bittereJahrederVerkennungfolgten noch.Dawar esBayersdorfer, der dieStarken noch stärkermachte,über dieschwerstenStunden desZweifels

andereigenenKraft ihnenhinweghalfundJedem,in demerechtesWesen sah, diehöchsteBefriedigung,denBeifalleinesbedeutendenGeistes, jenen frühen Erfolg verschaffte,andessenSüßigkeitkeinweltumspannenderspätererRuhm bei einerohnmächtigenMenge heranreicht.Wieerunerschütterlichwar in

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