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Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaften, Jg. 8, No. 6

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J a h r g a n g V III.

U nto rric htsblättor

1902. N r. 6 .

für

Mathematik und Naturwissenschaften.

O rg a n des V e re in s z u r F ö rd e ru n g

des U n te r ric h ts in d e r M a th e m a tik u n d d e n N a tu rw is se n s c h a fte n .

B egründet u nter M itw irkung von B e r n h a r d S c h w a l b e , herausgegeben von

F . P i e t z k e r ,

P r o fe sso r am G ym n asiu m zu N ordhausen.

V e r l a g v o n O t t o S a l l e i n B e r l i n W. 3 0 .

Redaktion: A lle fü r d ie R e d a k tio n b estim m ten M itte ilu n g e n und S e n d u n g e n w erd en n u r an d ie A dresse des P r o f. P i e t z k e r ! in N o rd n a u sen erb eten .

V e re in : A n m e ld u n g e n un d B e itr a g sz a h lu n g e n fü r den V erein (3 M k. J a h r e sb e itr a g oder e in m a lig e r B e itr a g v o n 45 M k.) j sin d an den S c h a tzm eiste r , P r o fe sso r P r e s l e r in H a n n o v er, i L in d en erstra sse 47, zu r ich ten .

Verlag : D er B e z u g s p r e i s fü r d en J a h r g a n g v o n 6 N um m ern is t 3 M ark, fü r e in z e ln e N um m ern 60 P f . D ie V e re in sm it­

g lie d e r e rh a lten d ie Z e itsc h r ift u n e n tg e ltlic h ; frü h ere J a h r ­ g ä n g e sin d durch den V e rla g bez. e in e B u c h h d lg . zu b e z ie h e n . A n z e i g e n k o s t e n 2 5 P f . fü r d io 3 -g e s p . N o n p a r .-Z eile; bei A u fg a b e h a lb e r o d . g a n z e r S e ite n , so w ie bei W ied erh o lu n g en E rm ä ssig u n g . — B e ila g e g e b ü h r e n n a c h U c b e re in k u n ft.

N a ch d ru ck der e in z e ln e n A r tik e l is t, w e n n ü b erh au p t n ic h t b esonders au sg en o m m en , nur m it g e n a u e r A n g a b e der Q uelle un d m it der V e rp flic h tu n g der E in sen d u n g e in e s B eleg e x e m p la r s a n den V e r la g g e sta tte t.

In h a lt: Heber die Stellung- der biologischen Unterrichtsfächer im Lehrplan der höheren Schulen (S. 121). — Z u der Diskussion über den Plan einer Enzyklopädie für die Elementar-Mathematik. Erklärungen von G. H o l z m ü l l e r und H . S c h o 11 e n (S. 133). — Neue Apparate und Versuchsanordnungen. (Fortsetzung.) Von E. G r r i m s c l i l (S. 134). — D ie Gasbürette im chemischen Unterrichte. Von P. i t i s c h b i e t h (S. 136). — U nnötige Erschwerungen der Arbeit von Lehrer und Schüler im mathematischen und natur­

wissenschaftlichen Unterricht. Von S. L e i s e n (S. 137). — Lehrmittel-Besprechungen (8 .1 3 8 ) . — Bücher-Besprechungen (S. 139). — Eingetr. Bücher (S. 141). — A nzeigen.

U e b e r d i e S t e l l u n g d e r b i o l o g i s c h e n U n t e r r i c h t s f ä c h e r i m L e h r p l a n d e r

h ö h e r e n S c h u l e n .

Diskussion auf der Hauptversammlung zu Düsseldorf*).

B a s t i a n S c h m i d (B autzen): Die 73. Ver­

sammlung deutscher N aturforscher und Aerzte zu H am burg w ird fü r die Geschichte des bio­

logischen U nterrichtes ein D enkstein bleiben.

Um die F örderung dieser Disziplinen haben hochverdiente M änner im Verein m it hervor­

ragenden F orschern in vortrefflicher W eise den B ildungsw ert des biologischen U nterrichtes dar- gelegt und daran die zwingende Forderung g e­

knüpft, dass diese Disziplinen — sollen sie ih rer Aufgabe vollauf genügen — nicht wie bisher n ur an den unteren Klassen höherer L ehranstalten b e trie b e n , sondern durch säm t­

liche Klassen geführt werden müssen. In der von D irek to r K r a e p e l i n am 25. Septem ber 1901 angeregten Verhandlung h at bekanntlich Dr. A h l h o r n durch einen sehr sachlichen Vor­

tra g Anlass zu einer äusserst erspriesslichen D ebatte gegeben. — Sie gestatten wohl, meine H. H., dass ich einige H a uptpunkte der Ver­

handlung kurz wiederhole.

*) S. Unt.-Bl. V III, 3, S. 65, 66.

Ausgehend von der Thatsache, dass im Ja h re 18S0 durch eine V erordnung des preussischen U nterrichtsm inisterium s die vollständige B e­

seitigung des biologischen U nterrichtes an den oberen Klassen der höheren L ehranstalten e r­

folgte, beleuchtete A h l b o r n jene Einw ände gegen die Biologie, welche diese W issenschaften als eine der B ru tstätte n des M aterialism us an- sehen und k a m , wie dem Geiste der W ah rh eit nach nicht anders zu erw arten, zu einer gründ­

lichen W iderlegung dieses Einw urfes. E ine W issenschaft, d ie, wie die Biologie, uns die W under der Schöpfung fortw ährend vor Augen f ü h r t , die dem Schüler das ewige W erden und V ergehen zeigt, die sich also m it den edelsten Fragen, die dem menschlichen Geiste g estellt werden können — m it der Schöpfung — beschäf­

tig t, eine solche W issenschaft is t selbstredend gezwungen, H ypothesen aufzüstellen und deren W e rt zu prüfen. Und so wenig, als man in anderen Disziplinen an H ypothesen vorüber gehen kann — man erinnere sich an P hysik und Chemie — so wenig können w ir das in der Biologie. M it R echt w urde in H am burg d arauf hingewiesen, dass es th ö rich t wäre, die Descendenzlehre im U nterrichte gew altsam zu unterdrücken.

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S. 122. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r. Jahrg. VIII. No. 6.

Es ist geradezu Pflicht der E rzieher, die hochbedeutsam e Lehre der E ntw ickelung durch einen gew issenhaften U nterricht dem Schüler darzustellen. Professor C h u n bem erkte hierzu:

„Das V erständnis der Descendenzlehre setzt die B ekanntschaft m it jenen biologischen That- sachen voraus, welche den Inhalt des bisherigen U nterrichtes bildeten, sie erscheinen zudem, wie in einem Resume, u nter einem einzigen grossen G esichtspunkte zusammengefasst, w ieder“. D a­

m it soll nun nicht gesagt sein, dass die Bio­

logie sich in m etaphysische Spekulationen ver- steigen soll; in erster Linie ist und bleibt sie eine Erfahrungsw issenschaft, die im Gegensatz zu den ab strakten Lehrfächern, die K unst des Beobachtens an konkreten Gegenständen lehrt.

Dieser A nsicht giebt auch ein von O berlehrer S c h w a r z e in H amburg im 4. H. von „N atur und Schule“ erschienener Aufsatz „der biologische U nterricht in den oberen Klassen der Realgym ­ nasien und O berrealschulen“ Ausdruck. In diesem E n tw u rf zu einem Lehrplan — Sie gestatten die kleine Abweichung — heisst es einm al: „Der Schüler w ird im Beobachten und in den Me­

thoden des induktiven Denkens geübt und lernt, im Kleinen das Grosse, im selbstbeobachteten Einzelfalle das allgemeine Gesetz zu suchen.“

D er Biologie fällt die Aufgabe zu — so hob j man in H am burg hervor — den Schüler mit ; den w esentlichen Form en der organischen W e lt I bekannt zu m achen, den vielfältigen E rschei­

nungen des Lebens nachzugehen, die sowohl j zwischen organischen W esen.unter sich, als auch j zwischen der organischen und anorganischen N atur herrschen etc. etc. und schliesslich einen Einblick in den Bau und die F unktionen des menschlichen Organismus zu geben. „Ueberall w ä re “, m eint Prof. W a l d e y e r , „auf eine der grössten W ahrheiten hinzuweisen, welche wir lernen können und von der w ir durchdrungen sein müssen, dass alles Lebendige auf unseren ! P laneten die gleiche körperliche Grundlage h a t.“

Diese V ielseitigkeit der bildenden Elemente, wozu noch hervorragende ethische und auch ästhetische F aktoren kommen, zw ingt zu der Folgerung, dass eine solche K enntnis der or­

ganischen W e lt als notw endiger B estandteil einer allgemeinen B ildung b etra ch tet werden muss. „Man will ja m it dem verstärkten U nter­

rich t in den biologischen Disziplinen keine Zoo­

logen, B otaniker oder Mediziner bilden,“ be­

m erkte Prof. W a l d e y e r , „man will nur den jungen, m it voller w illiger E m pfängniskraft aus­

g estatteten L euten k lar machen, dass auch in j der Biologie ein Feld des W issens für sie offen I liegt, welches die g l e i c h e B e a c h t u n g vei‘- j dient, wie die Ausbildung in der Physik, Chemie, j M athem atik und selbst in den S prachen.“

Professor H e i n c k e w eist auf einen ernst- j liehen Mangel in der allgemeinen B ildung unserer j

Z eit hin: „Das is t die oft verblüffende U n­

w issenheit des gebildeten Laien in der leben­

digen, der organischen W elt, seine erstaunliche U nkenntnis ih rer einfachsten G esetze.“

Dass die R esultate des biologischen U n ter­

richtes vorderhand noch ziemlich ärmlich aus- fallen, ist nicht zu verwundern, wenn man b e­

denkt, dass 1. der U nterrich t in einer Z eit an die Schüler h eran tritt, wo sie von Physik und Chemie noch keine Ahnung haben und 2. ein biologischer U nterrichtsbetrieb auf der Oberstufe ausge­

schlossen ist.

D aher kam man nun auf die in These 7 ausgesprochene unvermeidliche F o rd e ru n g : „Es is t dringend notwendig, dass der biologische U n terrich t an den höheren L ehranstalten — m it etw a 2 Stunden w öchentlich — durch alle Klassen g efü h rt werde, wie es früher am R eal­

gymnasium der Fall w a r.“ W ie Ihnen, meine H. H., bekannt sein dürfte, w urde der A h 1 - b o r n s c h e V ortrag nebst D ebatten vom n atu r­

wissenschaftlichen Verein in H am burg g edruckt und vom „Komitee zur Förderung des bio­

logischen U nterrichtes an höheren Schulen“ an die Fachgenossen m it der B itte versandt, den in den 9 H am burger Thesen ausgesprochenen An­

schauungen beistimmen und die B enutzung dieser Zustim m ung für eine in Aussicht genommene Eingabe an die deutschen K ultus - M inisterien genehmigen zu wollen. Die Zahl der U nter­

schriebenen stieg w eit über 700. A u f die er­

folgte E ingabe hin antw orteten vorderhand die M inisterien von Preussen, W ürttem berg, Koburg- Gotha, Meiningen und Elsass-Lothringen in dem Sinne, dass man von den angeregten F ragen m it Interesse K enntnis genommen habe und dieselben in w eitere Erw ägung ziehen werde.

So hofft z. B. das H erzoglich M einingische M inisterium, den naturw issenschaftlichen U nter­

rich t am Lehrersem inar bis zur 2. Klasse ein­

schliesslich nach biologischen G esichtspunkten auszustatten und in der 1. K lasse V orträge über Gesundheitspflege einzuführen.

Die erfreulichste T hatsache jedoch, die wir auf dem Gebiete unserer Betrebungen zu ver­

zeichnen haben, ist das Vorgehen der H erzog­

lich A nhaitischen Regierung. In ihrem Schreiben vom 7. April 1902*) an die D irektoren der vier Gymnasien, der zwei Realgym nasien und der Realschule des Landes w eist die R egierung dar­

auf hin, dass die Biologie nicht die ih r ge­

bührende B eachtung findet. Genannte Verfügung s a g t in A nerkennung der Gründe, welche die 73. Versammlung deutscher N aturforscher und A erzte zu H am burg zu Gunsten des biologischen U nterrichtes dargelegt hat, u. a . :

*) Das Schreiben gin g auch an Prof. Dr. I v r a e p e - 1 i u , der es der R edaktion von Natur und Schule zur V erfügung stellte. Vergl. H eft 4, S. 251 Natur und Schule.

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1902. No. 6. l i e b e r d i e St e l l u n g d e r b i o l o g i s c h e n Un t e r r i c h t s f ä c h e r. S. 123.

„W enn auch w ir hiernach den gleichzeitig geäusserten W unsch, dass „dem biologischen U nterrich te baldthunlichst eine würdige, seiner B edeutung entsprechende Stellung im Organis­

mus der höheren Schulen eingeräum t w erde“, an sich für w ohlberechtigt erachten, so ergiebt sich andererseits aus naheliegenden Gründen als zur Z eit unausführbar, den gegenw ärtigen naturw issenschaftlichen L ehrplan der höheren L ehranstalten auf allen Stufen noch um etwa zwei speziell für den biologischen U nterricht bestim m te wöchentliche Stunden zu erweitern.

S ta tt dessen halten w ir für zweckmässig und zunächst ausreichend, dass fortan in den unteren und m ittleren Klassen bei g e l e g e n t l i c h e m A nschluss an den lehrplanm ässigen n aturbe­

schreibenden U n terrich t (B otanik bezw. Zoolo­

gie), in den oberen Klassen aber, deren L ehr­

plan diesen U n terrich t als solchen nicht mehr aufweist, durch bezügliche Belehrungen ent­

w eder in Verbindung m it dem physikalischen bezw. chemischen U nterrichte oder in einer An­

zahl besonderer, von diesem U nterrichte abge­

zw eigten L ehrstunden eine Auswahl der für a l l g e m e i n e B ildung w i c h t i g s t e n und b e ­ d e u t u n g s v o l l s t e n Lehren der Biologie in einer dem L ebensalter und der Bildungsstufe der betreffenden Schüler stets sich anpassenden A rt und W eise zur Besprechung gelangt.

U n ter Hinweis auf die bezüglichen m etho­

dischen Bem erkungen der neuen preussisclien Lehrpläne (S. 65) beauftragen w ir die D irektion, nach sta ttg e h a b te r B erathung m it den betreffen­

den Fachlehrern Vorstehendes in geeigneter W eise von Beginn des bevorstehenden neuen Schuljahres ab in die W ege zu leiten “.

W enn es sich auch hier noch um kleine F o rtsch ritte handelt, so d arf nicht übersehen werden, dass ein Anfang gem acht ist, und dass unseren B estrebungen ein Entgegenkom m en er­

wiesen wird.

Inzw ischen haben die neun Thesen in vielen Kreisen lebhaftes Interesse erw eckt. In W ü rttem ­ berg w ar es der Verein für vaterländische N atu r­

kunde, der auf Am-egung des H errn Prof. K l u n - z i n g e r in eine Diskussion eintrat, in welcher vor allem H err O ber-Studienrat L a m p e r t den S tan d p u n k t der Thesen v ertrat. F erner haben die naturw issenschaftlichen Vereine in Danzig, Zwickau, B raunschw eig und H am burg die A n­

gelegenheit in eigenen Versammlungen behandelt und der L ehrkörper der U niversität G öttingen w urde zu demselben Zweck von H errn Geheim­

ra t F. K l e i n zusammengerufen.

In B erlin h at sich eine Vereinigung von

„Biologen an höheren L ehranstalten Berlins und der V ororte“ gebildet, die sich die zeit- gemässe Aus- und U m gestaltung des biologischen U nterrichtes zum Ziele setzt. Die Anwesenden hielten die F orderung von w öchentlich 2 Stunden

durch alle Klassen aller höherer L ehranstalten fü r die Biologie durchaus notw endig. N ur ein M itglied meinte, auf eine V erstärkung des bio­

logischen U nterrichtes hinweisend, eine solche sei durch eine anderw eitige V erteilung des gesam ten naturw issenschaftlichen Lehrstoffes erreichbar.

Interessan t ist sodann die Thatsache, dass der Verein „ehem aliger A biturienten des R eal­

gymnasiums in H am burg“ eine über hundert U nterschriften tragende Eingabe um W ieder­

einführung des biologischen U nterrichtes in P rim a — die U nterzeichneten haben alle noch s. Z. diesen U n terrich t genossen — ersuchten.

N icht unerw ähnt d arf bleiben, dass sich auch das H aus der Abgeordneten (13. März 1902) mit dieser A ngelegenheit befasste, wobei die H erren Dr. P r i e d b e r g und W e t e k a m p begeistert für die R echte des B iologie-U nter­

richtes eintraten. Und neuerdings, am 7. Mai 1902, hielt Prof. R e i n k e eine sehr beachtens­

w erte Rede im preussischen H errenhause. D ort sagte der bekannte G elehrte u. a . : „Die Me­

thode der Biologie b esteh t im Beobachten, im N achdenken über das B eobachtete und im Bilden von U rteilen über das gegebene M aterial. Ge­

rade aus diesem Grunde muss der U nterricht in der allgemeinen Biologie in die Sekunda und P rim a des Gymnasiums verwiesen w erden.“ B e­

m erkensw ert ist sodann auch folgende, ebenda gem achte Aeusserung R e i n k e s : „W ährend der Schüler auf der einen Seite F ertig k eit erreichen soll im Ausziehen von K ubikw urzeln, in der Lösung quadratischer Gleichungen, in der H and­

habung des binomischen Lehrsatzes, lern t er in der Biologie rein garnichts. Das is t ein schreien­

des M issverhältnis.“

Es sei m ir nur noch g estattet, auf einige literarisch w ichtige Erscheinungen aus dem Ge­

biete der F örderung der Biologie im U n terrichte hinzuweisen. Ich erinnere vor allem an P a u l - s e n s trefflichen Aufsatz „die Biologie im U n terricht der höheren Schulen“, erschienen im 1. und 2. H eft von „N atur und Schule“. D ort heisst es (S. 21) u n ter anderem : die Schule, die auf den biologischen U nterricht V erzicht th u t, verzichtet auf den interessantesten und w ichtigsten Teil naturw issenschaftlicher E r­

kenntnis, den Teil, aus dem die N aturw issen­

schaften am unm ittelbarsten m it den letzten und allgem einsten P räg en m enschlicher E rk e n n t­

nis sich berühren etc. Sodann t r itt G eheim rat F. K l e in -G ö ttin g e n in dem Jah resb ericht der

„D eutschen M athem atischen V ereinigung“ (Bd. 11, H. 3) dafür ein, dass der deduktiven M athe­

m atik die Biologie ergänzend an die Seite ge­

stellt werde. Endlich sei noch auf den Auf­

satz M ü h l b e r g s „die M öglichkeit der D urch­

führung des naturhistorischen U nterrich ts in den oberen Klassen des Gymnasiums“ in H eft 3- von „N atur und S chule“ hingewiesen.

(4)

S. 124. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r. Jahrg. VIII. No. C.

Darin erfahren wir, dass die Schweiz hin­

sichtlich des biologischen U nterrichtes an den Gymnasien w esentlich günstiger gestellt ist, als D eutschland und dass sich der biologische U n ter­

rich t durch das ganze Gymnasium hindurch zieht. Die Schweiz, dieses an Schulen und B ildungsanstalten gesegnetste Land Europas zeigt uns, dass der in allen Schulen hervor­

ragend kultiv ierte naturkundliche U nterricht

— dam it geht eine B eschränkung der Sprachen H and in Hand — in keiner W eise die geistige L eistungsfähigkeit und das B ildungsbestreben des Volkes benachteiligt hat.

Endlich sei nochmals auf den schon er­

w ähnten Aufsatz „Der biologische U nterricht in den oberen Klassen der Realgymnasien und der Oberrealschulen “ von O berlehrer Dr.

W . S c h w a r z e in H am burg hingewiesen.

Es ist m it Freuden zu begrüssen, dass der Verein für „F örderung des U nterrichtes in der M athem atik und den N aturw issenschaften“ die F rage nach der S tellung des biologischen U nter­

richtes im Lehrplan der höheren Schulen auf sein Program m gesetzt und dam it die W ichtig­

k eit dieser F rage zum Ausdruck gebracht hat.

Möge nun der heutige T ag für die Förderung des biologischen U nterrichtes ein rech t gedeih­

licher s e in ; möge durch ih r Einverständnis, meine H erren, das, was bisher von so vortreff­

lichen M ännern unserer N ation für die in tellek ­ tuelle und sittliche Ausbildung unserer Jugend gutgeheissen wurde, von Ihnen, als V ertretern befreundeter Disziplinen, g efördert werden.

G eheim rat D r . V o g e l (Berlin) betont in längerer A usführung, dass ihn die ideale Auf­

fassung des V ortragenden von der hohen Be­

deutung der N aturw issenschaften für den er­

ziehenden U nterrich t sym pathisch b erü h rt habe, dass man indessen niemals vergessen dürfe, wie auch die erziehliche W irkung der N aturw issen­

schaften ihre Grenzen habe, sodass auf die we­

sentliche M itw irkung der sprachlich-geschicht­

lichen und der d irek t eine ethische W irkung bezweckenden L ehrfächer nich t verzichtet werden könne. Solche sittlichen Prinzipien, wie z. B.

das des kategorischen Im perativs, werde man niemals au f naturw issenschaftlichem W ege zu be­

gründen vermögen.

W enn w ir uns also auch vor allen Ueber- treibungen und E inseitigkeiten — und zw ar gerade im Interesse der von uns erstreb ten Ziele

— sorgfältig zu hüten haben, müssen w ir anderer­

seits m it der grössten E ntschiedenheit daran festhalten, dass den N aturw issenschaften eine ganz ausserordentlich bedeutsam e Aufgabe in dem Organismus unseres Schulwesens zukommt.

U nser Schulwesen ist eben auch nur ein inte­

grierender Teil des Gesamtorganismus unseres Volkslebens. Die uns in nationaler, w irtsch aft­

licher, hygienischer H insicht gestellten Ziele er­

fordern zu ih rer Lösung einen intensiven Betrieb der N aturw issenschaften. Dies g ilt nicht nur von den sogenannten exakten Disziplinen sondern vor allem auch von den biologischen.

N icht m inder gross is t aber auch die Be­

deutung der biologischen Disziplinen in formaler H in sicht; da sie das beste und durch keinen anderen L ehrgegenstand zu ersetzende M ittel darbieten, nicht nu r die B eobachtungsfähigkeit der Schüler zu entwickeln, sondern dieselben zugleich an folgerichtiges, die Thatsachen er­

fassendes, sich nicht in leere H irngespinste verlierendes Denken und Schliessen zu gewöhnen.

Auch in dieser H insicht müsse er aber vor ge­

wissen Einseitigkeiten warnen, die sich in jü n g ster Z eit geltend zu machen suchen. W enn man je tz t m it N achdruck auf die grosse B edeutung hinweist, welche der Biologie — dies W o rt in engerem Sinne genommen — für den B etrieb und die G estaltung des U nterrichts zukommt, so verdient dies entschieden Anerkennung. Ver­

sucht man aber den biologischen G esichtspunkt ausschliesslich zur G eltung zu bringen, lieg t die grosse G efahr vor, dass der U n terrich t sich in verschwommene und selbst doktrinäre Allge­

m einheiten verliert. Sind früher M orphologie und System atik zu einseitig betrieben worden und ist der U nterricht, dadurch vielfach recht öde und unfruchtbar geblieben, d arf man je tz t n ich t in den um gekehrten F ehler verfallen und . die biologische Seite des U nterrichts einseitig pflegen. Selbst das je tz t so lebhaft angefochtene B eschreiben besitzt — zumal in Verbindung m it dem Zeichnen — insofern noch eine grosse B edeutung, als es ein ganz unentbehrliches M ittel ist, die Schüler zu sorgfältigem und ge­

nauem B eobachten anzuhalten. Freilich d arf es nicht, in geistloser W eise gehandhabt werden, vielmehr so, dass m it dem Sehen und Beob­

achten zugleich das Denken und Schliessen geübt werde. Anschauung und Begriff müssen eben stets H and in H and gehen! J e besser es uns gelingen wird, alle einzelnen Elem ente des U nterrichts : Morphologie, System atik und Bio­

logie in innige Beziehung und W echselw irkung zu setzen, um so m ehr werden die biolo­

gischen Disziplinen die ihnen eigentüm liche bildende K raft und W irksam keit zu entfalten vermögen.

Diese gew altige B edeutung nun, welche die biologischen Lehrfächer sowohl in m aterialer wie form aler H insicht besitzen, w ird — wie R edner auf G rund seiner persönlichen Bezie­

hungen versichern zu können g lau b t — auch von der U nterrichtsverw altung und zw ar vor allem auch in der Z entralinstanz durchaus an ­ erk ann t und gew ürdigt. Es is t auch keines­

wegs bei einer gleichsam nur platonischen An­

erkennung g eb lieb e n ! W ie die „M ethodischen

(5)

1902. No. G. Ue b e r d i e St e l l u n g d e r Bi o l o g i s c h e n Un t e r r i c h t s f ä c h e r. S. 125.

B em erkungen“ zu den neuen Lehrplänen zeigen, ist in denselben vielm ehr bereits ausdrücklich hervorgehoben, dass ein biologischer Kursus in den oberen Klassen — und zw ar selbst an den Gymnasien — unbedingt erforderlich ist.

D am it ist — und dies sollte man nicht u n ter­

schätzen — die von uns je tz t behandelte F rage erfreulicherw eise w enigstens „im P rin zip “ be­

reits entschieden. Ueber die M ittel und W ege, die zur V erw irklichung dieser prinzipiellen Stellungnahm e einzuschlagen sind, insbesondere über die F rage, wie viel Zeit dem neuen Lelir- gegenstande in den oberen Klassen noch zu widmen ist, gehen — wie auch die V erhand­

lungen im A bgeordneten- und H errenhause g e­

zeigt haben — freilich die A nsichten leider noch w eitauseinander. Bei der B eurteilung der neuen L ehrpläne sollte man billigerweise nicht ausser A cht lassen, dass von den verschiedensten Seiten her Anforderungen an die U nterrichtsverw altung gestellt und m it grösser L ebhaftigkeit geltend gem acht worden sind. Diese L ehrpläne sind also lediglich das R esultat eines Kompromisses!

W enn die Z ukunft auch Aenderungen bringen w ird, ist es doch dringend geraten, sich zunächst au f den Boden dieses Kompromisses zu stellen und alles das zu verwirklichen, was sich inner­

halb des gegebenen Rahmens auch je tz t schon erreichen lässt. Gerade die anwesenden Ver­

tre te r der vielen F ächer möchte er bitten, sich auch in dieser Beziehung als R ealisten zu erweisen.

Thatsächlich können, wie R edner im An­

schluss hieran näher ausführte, selbst bei der jetzigen Stundenvertheilung die w ichtigsten biologischen und hygienischen G esichtspunkte sowohl im physikalischen wie auch vor allem im chemischen U nterricht bereits eine ziemlich eingehende B erücksichtigung finden. D er che­

mische U n terrich t werde dadurcli auch keines­

wegs b eein trächtigt, könnte vielm ehr gerade hierdurch — zumal nach der allgemein bilden­

den Seite hin — eine verm ehrte intensive K raft gewinnen. W enn sich dies zunächst auch nur auf die R ealanstalten bezieht, möge man doch bedenken, dass unsere nächste Aufgabe darin bestellt, für den neuen Lehrgegenstand auch zweckmässige neue Lehr-M ethoden auszubilden, j Das was man in dieser H insicht durch gemein- ; same Bem ühungen hoffentlich in der nächsten Zeit i erarbeiten werde, werde unzw eifelhaft sp äter auch ' denG ym nasien z u g u te kommen. V orallem kom m t es je tz t aber auch darauf an, die L ehrer noch gründlicher als bisher für die neuen Anforde­

rungen zuzurüsten. Demgemäss richtete R edner zum Schluss an die Anwesenden die dringende Mahnung, von den dankensw erten Einrichtungen, j welche die U nterrichtsverw altung für die prak- j tische F ortbild un g der L ehrer der N aturw issen­

schaften bereits getroffen hat, recht eifrig Ge­

brauch zu machen. Benutzen w ir alle M ittel und W ege, die uns je tz t schon offen stehen, dann wird der w eitere Erfolg sicherlich nich t ausbleiben!

M a u r e r (S aarb rü ck en ): Ob Dualismus, ob Monismus, das kann wohl hier nicht entschieden werden. Aber das eine muss doch gesagt werden : wenn w ir selbst nicht die Ueberzeugung in uns tragen, dass die N aturw issenschaften zur G rund­

lage der B ildung gem acht werden können und sollen, dann werden w ir uns all diesen Fragen nur m it halbem Interesse zuwenden. Dann werden w ir innerhalb der gegebenen V erhält­

nisse die kleineren m ethodischen und didaktischen Fragen behandeln, ohne aber viel w eiter zu kommen. Und da muss ich doch auf den Vor­

trag T h o m a e zurückkommen, der ja gewiss viel Z ukunftsm usik enthielt, aber doch die G rund­

frage behandelte, ob w ir auf N aturw issenschaften unsere B ildung aufbauen können. Und über den prinzipiellen S tand pu nk t muss K larh eit herrschen, ob w ir fü r die Z ukunft eine n a tu r­

wissenschaftliche Schule erstreben wollen oder ob alles so bleiben s o ll; viel w eiter werden w ir dann m it den kleinen M ittelchen der Methode nicht kommen.

Denn w ir müssen uns k lar machen, bis je tz t haben w ir nur die Sprachschule. Als aber die N aturw issenschaften so m ächtig heranwuchsen, da konnte man sie nicht länger aus den Schulen fernhalten und h at sie angegliedert. Aber m it der M itteilung von Ergebnissen is t im n atu r­

wissenschaftlichen U n terrich t nicht viel gethan, auch wenn w ir sie hübsch induktiv zu bringen suchen. Einstw eilen sind die N aturfächer nichts anderes als N ebenfächer, auch in den Real­

schulen, und da müssen wir, m it dem was w ir leisten können, doch vor allem an die armen Köpfe unserer Schüler denken, in die das alles hinein soll. Es ist nötig, sich die gegenw ärtige Stellung der N aturw issenschaften an den Schulen klar zu machen, um nichts Unmögliches zu ver­

langen.

Es ist ja auch gesag t worden, dass w ir n ic h t blos K enntnisse verm itteln wollen, sondern for­

mal bilden wollen. In der T hat, es handelt sich darum, in die Methode wissenschaftlichen Denkens überhau pt einzuführen. Ich will das hier nicht w eiter ausführen. Aber welche enormen F o rtsch ritte das menschliche Denken seit Galilei und Baco gem acht hat, wissen wir alle. Da sehen w ir die B edeutung der N atur- i Wissenschaften, und wenn doch einmal von R eli­

gion hier die Rede war, so bin ich überzeugt, dass die N aturw issenschaft und der von ih r erzeugte W irklichkeitssinn eine grosse Aufgabe lösen wird. Gegensätze, wie sie früher in dog­

m atischen Dingen möglich waren, die bis zum Ruin ganzer Völker führten, können sich n ich t

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S. 126. ÜNTERRICHTSBLÄTTEB. Jahrg. VIII. No. 6.

mehr so verschärfen, davor behütet uns eben der Sinn für die W irklichkeit, der aus dem Studium der N atur entspringt.

W e t e k a m p (B reslau): W ir müssen u n ter­

scheiden zwischen dem für die Z ukunft zu er­

strebenden Endziele, das man ohne R ücksicht auf die M öglichkeit der augenblicklichen D urch­

führung, wie es der R edner gethan hat, scharf hervorzuheben h a t und dem, was man unter den gegebenen Verhältnissen schon in der R ich­

tung auf das Endziel hin erreichen kann. In letzterer Beziehung bieten uns, wie der H err V orredner schon angedeutet hat, die neuen L ehr­

pläne in deren Erläuterungen, die ich für ihren w ichtigsten Teil halte, manche Förderung. Sie gestatten die E inführung biologischer B etrach ­ tungen im physikalischen und chemischen U nter­

rich t der oberen Klassen, sie geben aber auch die M öglichkeit, d ort die nötige Z eit zu ge­

winnen, dadurch, dass sie gestatten, in den naturw issenschaftlichen U nterricht der unteren Klassen einfache chemische und physikalische Beobachtungen einzuschieben. H ier besonders ist der Hebel anzusetzen. Das Einfachste aus P hysik und Chemie soll aber nicht nur im n a tu r­

w issenschaftlichen, sondern auch im Rechen­

unterricht, wo leicht Aufgaben aus diesem Ge­

biete genommen w erden könnten, den Schülern dargeboten werden. (Redner verwies auf E r­

fahrungen an der Schule der dänischen Gesell- zu Kopenhagen)*). J Das Interesse für Beob­

achtung w ird so stärk e r erregt, denn erstens liegen physikalische un d ch emischeDinge dem Interessen­

kreise der Schüler näher als biologische, und sind leichter zu erfassen; sodann wird so einige G rund­

lage für die biologischen Beobachtungen g e­

wonnen, ferner wird für die oberen Klassen Raum gewonnen, da dann einfachste Experim ente nicht d o rt erst vorgenommen zu werden brauchen, endlich w ird der U ebergang zur m athem atischen B ehandlung der P hysik ei'leichtert. Gehen wir, wie hier vorgeschlagen, vor, so w erden w ir auch u nter den jetzigen Verhältnissen schon w enigstens an den R ealanstalten die D urch­

führung des biologischen U nterrichts bis zur Prim a erreichen können, ist das erreicht, so werden w ir auch w eiter kommen. Die B itte, dass H err G eheim rath V o g e l ein ausführliches R eferat seiner Ausführungen, die für die F örderung der Sache von allergrösster W ichtigkeit sind, geben möge, kann ich n u r unterstützen und möchte zugleich vorschlagen, dass die A usführungen dann an die D irektoren und die m athem atisch-natur­

w issenschaftlichen L ehrer säm tlicher höherer Lehranstalten eingesandt werden.

Die Fortbildungskurse sollten nicht in die Ferien gelegt w erden, die zur E rholung nötig

*) Ausführlich m itgetcilt in Zeitschr. f. d. Reform d. höh. Schulen, Jahrg. 1900, Nr. 4, 1901, Nr. 1.

sind, sie sollten vielm ehr ständige Einrichtungen w e rd e n , zu denen die L ehrer in bestimmtem T urnus beurlaubt werden. Ausserdem sollten an den U niversitäten neben den „Einführungs­

k u rsen “ in den alten Sprachen, auch solche in anderen Fächern gegeben werden.

Zum Schluss teilt Redner mit, dass am Tage vorher auf der Versammlung des Vereins für Schulgesundheitspflege der Beschluss gefasst ist, die U nterrichtsverw altungen aufzufordern, in die V orbereitung a l l e r L ehrer hygienische Kurse aufzunehmen, ein Vorschlag, der bei seiner D urchführung auch der F örderung des bio­

logischen U nterrichts zugute kommen wird.

(L ebhafter Beifall.)

P rovinzial-S chulrat D r. M e y e r (Coblenz) w arnte in einer kurzen Bem erkung vor dem U ebergreifen der Biologie in die sprachlich-ge­

schichtlichen U nterrichtsfächer, wie es bei dem H errn R eferenten hervorgetreten sei.

B a i l (D anzig): Als ich vor 12 Jah ren dem ehrenvollen A ufträge folgte, auf der D irektoren- Versammlung der Provinzen Ost- und W est- preussen als fachkundiger B erich terstatter „U eber Ziel und Methode des U nterrichts in den be­

schreibenden N aturw issenschaften und in der P hysik auf den Gymnasien und R ealschulen“

zu re fe rie re n . h ielt ich es für meine Pflicht, alles daran zu setzen, den genannten Disziplinen die ihnen gebührende Steilung erkäm pfen zu helfen. Als Grund der geringen Beachtung, welche der N aturgeschichte bisher in unseren Lehrplänen zuteil gew orden war, erschien mir besonders der Um stand, dass sie nicht wie die anderen L ehrgegenstände nach einheitlichen Ge­

sichtspunkten, sondern ganz nach dem Ermessen eines jeden Lehrers behandelt wurde. Das äusserte sich am verderblichsten an denjenigen A nstalten, in denen der U nterricht, und das ist ja fast stets der Fall, in der Hand ver­

schiedener L ehrer ruhte. W ar es mir doch w iederholt in der B otanik vorgekommen, dass ich noch in der O bertertia m it einer Anzahl von Schülern von vorn beginnen musste, da dieselben bisher nicht planm ässig u n terrich tet worden waren, sondern eben nur die jedesm al von ihnen m itgebrachten Pflanzen durchge­

nommen h atten, so dass ein und dasselbe Ge­

wächs bisweilen in m ehreren Klassen von neuem zur U ntersuchung gelangte. Das veranlasste mich, eine bestim m te M ethode in Vorschlag zu bringen, welche ich sp äter auch in meinen m ethodischen L eitfäden bearbeitet habe. Ich w ürde von diesen nicht sprechen, wenn nicht mehrfach, und zw ar auch auf der vorjährigen Versammlung, gegen die m ethodischen L eitfäden üb erhaupt angekäm pft worden und somit das

„A udiatur et altera p a rs“ am P latze wäre. Ich selbst habe niemals andere R ichtungen ange­

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1902. No. 6. Ue b e r. d i e St e l l u n g d e r b i o l o g i s c h e n Un t e r r i c h t s f ä c h e r. S. 127.

griffen und mich auch niemals als alleinigen Begründer der von mir befolgten Methode hin­

g estellt und 1880 noch g a r nicht an H erausgabe von Büchern nach derselben gedacht, vielmehr damals für B otanik und Zoologie das sogenannte Dreimännerbuch empfohlen. Meine Leitfäden behandeln auch die Mineralogie. Ich habe mich sehr gefreut, hier den ersten der A utoren jenes Buches, H errn G eheim rat V o g e l , m it dem ich mich auf diesem Gebiete in gleichem Streben vereint fühle, persönlich kennen zu lernen. Ich muss gegen die U nterscheidung von m etho­

dischen und system atischen Schulbüchern prote­

stieren, da ich z. B. meine methodischen L eit­

fäden m it vollem R echte auch als system atische bezeichnen kann. D er U nterschied derselben von den anderen bestellt nur darin, dass in ihnen das V erständnis des Systems allmählich angebahnt und also nicht von Dingen ausge­

gangen wird, die dem A nfänger völlig unver­

ständlich s in d ; denn was n ü tz t diesem z. B.

die U eberschrift:

Phanerogam en. Blütenpflanzen.

A. Angiospermen. Bedecktsamige.

1. K lasse: Dicotylen. Zw eikeim blättrige.

1. U nterklasse:

C horipetalen. G etrenntkronblättrige.

B egeistert habe ich die Thesen der Ham­

burger N aturforscher-V ersam m lung über deno o biologischen U nterrich t unterzeichnet, da ich es in Uebereinstim mung m it den Ausführungen in jenen Thesen auch fü r notw endig halte, dass der U n terricht in der N aturgeschichte m it etwa 2 Stunden wöchentlich durch alle Klassen ge­

führt werde.

D am it derselbe aber seine ganze bildende K raft bewähren kann, müssen w ir aufs en t­

schiedenste einer R ichtung entgegentreten, welche sich neuerdings G eltung zu verschaffen sucht, und deren U rsprung auf folgendes zurück­

zuführen sein dürfte. Es sind in den letzten Jahrzehnten m ehrere botanische und zoologische Bücher erschienen, deren ernstes Studium für alle L ehrer unserer Fächer von hohem W erte sein muss, und denen ich mich selbst zu grossem D anke verpflichtet fühle. An ihrer Spitze steh t das berühm te, allgemein bekannte „Pflanzen­

leben“ von K e r n e r v. M a r i l a u n. Ich h atte die Freude, durch den leider zu früh verstor­

benen Verfasser, als derselbe noch Professor in Innsbruck war, m it dessen kritischer Sichtung der A rten und Formen unter D em onstration seiner reichen Sammlungen bekannt gem acht zu werden. Kaum h a t je ein Forscher grösseres Gewicht als er auf die Beschaffenheit jedes einzelnen Teiles der Pflanze gelegt.

Die K larheit des genannten, wie einzelner zoologischer Bücher, z. B. der Tierkunde von G o e t t e , und ihre eingehenden, durch vorzüg­

liche Abbildungen u nterstü tzten E rläuterungen der biologischen Verhältnisse, haben zu dem Irrtum e geführt, dass man in enger Anlehnung an jene W erke u n ter Vernachlässigung der T er­

minologie für die Schule brauchbare n aturge­

schichtliche B ücher verfassen könne, die dann besonders durch A usstattun g m it Bildern, welche zum Teil von bew ährten K ünstlern herrühren, sich der B eachtung w eiter Kreise empfehlen.

Aber gerade auf schärfste U nterscheidung der -Merkmale kom m t es bei dem naturw issenschaft­

lichen A nschauungsunterrichte in erster Linie an, und diese hat. in der N aturgeschichte die­

selbe hohe B edeutung, wie die G ram m atik in den alten Sprachen.

Auch dürfen M orphologie und Terminologie als w ichtige Gegenstände für die häusliche W iederholung nie im Schulbuche zurückgesetzt werden, solange der U n terrich t noch zu sicherer Kenntnis der A rten führen soll, welche in jed er Beziehung, selbst in biologischer, uner­

lässlich ist.

F ü r die Zoologie liegt auch ein von bio­

logischen G esichtspunkten bearbeitetes L eh r­

buch für höhere L ehranstalten vor. In dem­

selben lesen w ir u. a. bei der B esprechung der Katze im Anfänge des zoologischen U nterrichts

„Die W irku ng der Reisszähne w ird noch da­

durch verm ehrt, dass sie w eit hinten in den kurzen Kiefern, also an sehr kurzen H ebel­

armen sitzen. Je kü rzer aber der Lastarm , desto grösser is t die W irkung der K ra ft.“ Gewiss w ird die E rkenntnis der kräftigen W irkung dieser Reisszähne auch den kleinen Schülern Freude machen, aber was soll au f dieser Stufe der H in­

weis auf die Hebelgesetze ? H ier kann der L ehrer an einem gewöhnlichen N ussknacker (Kom bination zw eier einarm iger Hebel) m it einer zwischengeschobenen Nuss die Zöglinge selbst finden lassen, dass die K raft umsomehr w irkt, je näher die Nuss dem D rehpunkte kommt.

Ein solcher N ussknacker braucht w eder in unseren m ethodischen Lehrbüchern erw ähnt, noch etw a g ar durch ein D ik tat dem Sextaner ein­

g ep räg t zu werden, in dessen Gedächtnis die an ihm gem achte B eobachtung ohne w eiteres haftet, er kann deshalb beiläufig zum Hinweis auf die mannigfachen Gelegenheiten gelten, welche der L ehrer auch bei Benutzung m etho­

discher Bücher zu freier und selbständiger T h ätig k eit besitzt.

Bei w eiterer D urchsicht des betreffenden Buches fand ich auf den ersten Seiten alle die W endungen und Bezeichnungen aus Goettes Tierkunde wieder, von denen ich 1891 in der Versammlung unseres Vereins in Braunschweig gezeigt habe, dass dieselben unmöglich im An­

fangsunterrichte Verwendung finden können.

Beispiele dafür aus den ersten 5 Seiten s in d :

„Spiegelbild, seitlich symmetrisch, physikalische

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S. 128. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r. Jahrg. VIII. No. 6.

Gesetze der Hebel, elektrischer Telegraph, centri- fugal, centripetal und Schallw ellen.“

Zum Schluss sei noch einmal darauf hinge­

wiesen, dass w enigstens die grosse M ehrheit der Unterzeichner der H am burger Thesen sicher nicht etw a blos einen rein biologischen U nterricht, sondern eine allseitige E inführung in die N atur anstrebt.

H a n s e n (G iessen): Obgleich es sich zunächst um die prinzipielle F rage des Bedürfnisses des biologischen U nterrichts in den höheren Klassen handelt, so erscheint es, nachdem bisher die A ngelegenheit nu r von w eiten G esichtspunkten behandelt w urde, doch notw endig, zu fragen, was man u n ter biologischem U nterricht ver­

stehen will. Zweifellos w ird diese Frage von den Regierungen g estellt werden, ehe sie sich zur Annahme der Vorschläge bereit erklären.

In den Verhandlungen ist eine Definition der Biologie nicht vorausgeschickt. Das W o rt be­

d eu tet aber leider heute schon Verschiedenes.

Einige verstehen darunter die W issenschaft von den lebenden Wesen, also die gesam te Physio­

logie m it ihren anatom ischen G rundlagen, die anderen nennen Biologie nur einen Teil der Physiologie, nämlich die Lehre von den An­

passungserscheinungen oder wie es zuweilen auch heisst von den zweckm ässigen E inrich­

tungen der Organismen. Von dieser „Biologie im engeren S inne“ ist in den bisherigen Ver­

öffentlichungen vorwiegend die Rede. D enkt man nun daran, diese Biologie im engeren Sinne in den S chulunterricht einzuführen, so lassen sich einige Bedenken nicht unterdrücken.

1) Es han delt sich hier um ein neues, der experim entellen F orschung schw er zugängliches Gebiet. Die Aufgabe ist, die E inrichtungen als zweckmässige zu erkennen. Alle Fachleute sind darüber einig, dass das m eistens eine der schw ierigsten Aufgaben ist. Täuschungen sind auf diesem Gebiete, wo bei der D eutung der j Thatsachen die subjektive A nsicht schw er j ins G ew icht fällt, ungemein leicht und in der >

T h at sehr häufig. Soll m an ein so schwieriges G ebiet in die Schule aufnehm en? E s ist in den E rörterungen über diese F rage viel von

„biologischen G esetzen“ die Rede. Die Gesetze sind aber m eistens noch garn ich t aufgefunden, man s te h t in den ersten Anfängen.

2) Biologische B e o b a c h t u n g e n erfordern viel Z eit im Gegensatz zum Experim ent. S teht dem Schüler diese Z eit zu G ebote? Auch vom L ehrer w ird ein beträchtlicher Zeitaufw and v er­

lan g t werden. Viele kleine biologische T h a t­

sachen können zw ar auf Spaziergängen beob­

achtet w e rd e n , besonders auf zoologischem Gebiete, für pflanzenbiologische B eobachtungen kann aber die langw ierige K u ltu r von Pflanzen m eist nicht um gangen werden.

3) Hieraus ergiebt sich , dass biologische Beobachtungen auch M i t t e l verlangen. Ein kleiner Pflanzengarten und ein Glashaus können nicht en tb eh rt werden, wenn man nicht auf das Beste verzichten will. Nebenbei bem erkt, halte ich die Anlage eines botanischen G artens, womöglich in jed er grösseren S ta d t auch aus anderen Gründen für notw endig, wenn man einen F o rtsc h ritt des naturw issenschaftlichen U nterrichts erstreben will.

4) Kommt der Lehre von den zweckmässigen Einrichtungen w irklich die hohe Bedeutung fü r die g e i s t i g e E r z i e h u n g zu, wie das betont w urde? Die N aturw issenschaften wollen die Beziehung von Ursache und W irkung aufdecken.

Is t die blosse F rage nach dem Zwecke nicht geeignet, von w ahrer F orschung abzulenken? Es ist klar, dass, wer sich nur m it der K enntnis [ der Zwecke unserer A pparate und Maschinen

! begnügt, w eit entfernt ist von W issenschaft.

! In der Biologie ist das nicht viel anders. Mit j ein paar W orten lassen sich bei der Pflanze : die Zwecke der Organe erklären, wo diese be-

; kannt sind. Aber, wenn die Schüler m it dieser leichten und für sie anziehenden Aufgabe allein beschäftigt werden, lieg t die Gefahr nahe, dass sie verflachen und vor eigentlichen wissenschaft­

lichen Aufgaben zurückschrecken. W enn gesagt w ird, alle biologischen Einrichtungen sind zw eck­

mässig, so k a n n das w ahr sein, die E rkenntnis davon fehlt uns aber noch ganz. Bei den m eisten biologischen E inrichtungen der Pflanze lassen sich die Zwecke noch g ar nicht er- I kennen. Das sind noch A ufgaben der Forschung.

■ Es fehlt demnach noch genügend sicheres M aterial fü r den S chulunterricht.

Nach diesen Hinweisen, die natürlich das Them a nicht erschöpfen, könnte ich mich für eine breite B ehandlung der „Biologie im engeren S inne“ im botanischen S chulunterricht -nicht erwärmen, m öchte dagegen für eine Ausdeh­

nung des n a t u r g e s c h i c h t l i c h e n U n ter­

richtes aufs B estim m teste eintreten.

H ier kann durch eine richtigere Verteilung des Stoffes noch viel geschehen, ebenso wie in der A rt des U nterrichtes. In der B otanik ist die sogenannte reine M orphologie, die blosse vergleichende B etrachtung der G estaltv erh ält­

nisse für den Schulunterricht ganz ungeeignet.

Mio der blossen Form schilderung der Pflanzen­

teile den U n terricht zu b eg in n en , is t wegen der Schw ierigkeit unpädagogisch. Da die Pflanzenorgane keine stren g geom etrischen Form en besitzen, is t die B eschreibung sehr schwierig, dabei die für die Bezeichnung der Teile übliche Terminologie wenn auch tro tz ihrer U ngenauigkeit für den Fachm ann nicht abzu­

weisen, als B ildungsm ittel durchaus anfechtbar.

| Muss der A nfänger n icht bei Bezeichnungen,

| wie radförm ige Blumenkrone, bei den Namen

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1902. No. 6. Ue b e r d i e St e l l u n g d e r b i o l o g i s c h e n Un t e r r i c h t s f ä c h e r. S. 129.

Schm etterlingsblüte, Lippenblüte, bei dem „fuss- förm igen“ und „leierförm igen“ B latt irre werden.

W enn man überlegt, dass es u nter den F ach­

botanikern nur sehr wenige gegeben hat, die die K unst besassen, Pflanzen g u t und richtig zu beschreiben, da muss man sich wundern, dass die Schüler m it diesem schwierigen K apitel anfangen sollen. Da giebt man ihnen eine Mohnpflanze in die H and und v erlangt: be­

schreibe! Versuche sich doch einmal ein Erw ach­

sener ohne jed e V orkenntnis an dieser Aufgabe.

Es würde sich empfehlen, in der Schule m it der O rganographie zu beginnen und die wich­

tigsten physiologischen Thatsachen, sow eit sie ohne K enntnis der m ikroskopischen Anatomie verstanden werden können, anzuschliessen. E rst daran an knüpfend wären die G rundzüge der Zellenlehre und der Anatomie zu geben. Von Anfang ist auf das V erständnis der Pflanze, als etw as L e b e n d i g e m hinzuwirken. Die bota­

nische System atik sollte auf d a s N o t w e n ­ d i g s t e beschränkt und erst in den höheren Klassen gelehrt werden, denn ihre Grundlage, die vergleichende Morphologie, is t für die unteren Klassen viel zu abstrakt, um begriffen zu werden.

Auch kann die System atik ohne Eingehen auf Descendenz und Darwinismus nicht bestehen und auch diese Dinge sind n u r für ältere Schüler begreiflich. An Stelle der „reinen System atik“ sollte in der Schule vielmehr die s p e z i e l l e P f l a n z e n k e n n t n i s gepflegt werden, die sich hier am besten erwerben lässt, wo noch Zeit in Fülle vorhanden ist, und auch die jugendliche L ust an Exkursionen, die bei unseren Studenten schw er mehr wachzu­

rufen ist. Die eigentliche wissenschaftliche System atik gehört g ar nicht in die Schule, sie ist eine Spezial W issenschaft, die ohne den A pparat der grossen B ibliothek und grösser H erbarien g ar nicht getrieben werden kann.

Sie h at das Ziel, die V erw andtschaftsverhältnisse festzustellen, aber der Begriff der V erw andt­

schaft kann nicht durch Vergleich, sondern nur historisch entw ickelt werden. Auch das ergiebt wieder, dass die System atik als Einführung in die B otanik ungeeignet ist. H ier werden auch vielfach zwei Dinge verwechselt, indem manche L ehrer der A nsicht sind, spezielle Pflanzenkenntnis sei System atik. Es komm t hinzu, dass die Syste­

m atik naturgem äss immer eine hypothetische W issenschaft bleiben muss, da es B e w e i s e für die V erw andtschaft der Pflanzenabteilungen und A rten nicht g ieb t, das g ilt besonders von den Blütenpflanzen. H ier fusst sie vorwiegend auf Schlüssen aus der Blütenmorphologie. Der S atz: „im System gipfelt die W issenschaft der Pflanzen“, den ich kürzlich irgendwo las, ist demnach völlig irreleitend und kann nur ein A usdruck für m angelnde K enntnis der Gesamt­

wissenschaft sein.

Vielleicht sind diese Hinweise für die E n t­

w ickelung des botanischen U nterrichts nützlich.

Die H auptsache bleibt zunächst der p rin­

zipielle A ntrag der E inführung des biologischen U nterrichts in die höheren Klassen. V ersteht man darunter n a t u r g e s c h i c h t l i c h e n U n ter­

richt, so muss dieser A ntrag von den U niversi­

täten unbedingt befürw ortet werden, nicht bloss um der E inseitigk eit der Schulbildung zu be­

gegnen und eine w irkliche allgemeine Bildung herbeizuführen, sondern weil auch die praktische N otw endigkeit auf der Hand liegt. An die U niversitäten ist von den Regierungen das An­

suchen gestellt worden, für die M ediziner die naturgeschichtlichen Vorlesungen zu Gunsten der medizinischen F ächer zu kürzen. Das stösst je tz t auf die grössten Schw ierigkeiten, solange der naturgeschichtliche U nterrich t auf der Schule plötzlich abbricht, sodass die S tudieren­

den m eist ohne jed e E rinnerung an die so lange Zeit entbehrten Elem entarkenntnisse auf die U niversität kommen. Die U niversitätslehrer müssen ganz von vorn anfangen, was Z eit kostet. Soll auf der U niversität Z eit fü r die genannten F ächer ersp art werden, so muss un­

bedingt die F o rtfü h ru n g des naturw issenschaft­

lichen U nterrichtes in den höheren Klassen der Schule verlangt werden.

P i e t z k e r (Nordhausen) e rk lä rt, dass der Ausdruck „biologisch“ im vorliegenden Falle nicht I die eng eingeschränkte B edeutung habe, die der

| V orredner annehme. Als der Vereins Vorstand

! das gegenw ärtig zur B eratung stehende Thema auf die T agesordnung der Versammlung setzte, habe er u n ter den biologischen U n terrichts­

fächern die Lehrfächer verstanden wissen wollen, die m an früher u n ter den Namen der beschreiben­

den N aturw issenschaften oder derN aturgeschichte zusamm engefasst habe. U eber die für den U nter­

richtsbetrieb im einzelnen massgebenden G esichts­

p unkte irgend welche A ndeutungen zu machen, sei nicht beabsichtigt worden.

F r i c k e (B rem en): Den Vorschlag des H errn Professor H a n s e n , eine Kommission m it d er A usarbeitung von Lehrplänen fü r den biologischen U n terricht zu beauftragen, h alte ich für ver­

früht. Es w ird zweckmässig sein, diese Ange- j legenheit zunächst der E rö rteru ng in der F ach­

lite ra tu r zu überlassen, und ich bin gern bereit, I durch Veröffentlichung des biologischen Lehr-

; ganges derjenigen Schule, die — sow eit es sich i übersehen lässt — heute noch allein diesen i U n terricht bis in die oberen Klassen fo rtse tz t,

; zur K lärung der F rage beizutragen. N ur so

| w eit m öchte ich heute darauf eingehen, dass j ich den Ausführungen des H errn Geheim rats

! V o g e l zustimme, wenn er sagt, dass bei d er I U nterw eisung der Schüler in der form enreichen

; organischen W e lt S y s t e m a t i k und M o r -

| p h o 1 o g i e dem U n terrichte das feste R ück­

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S. 130. Un t e r r i c h t s b l ä t t e r. Jahrg. VIII. No. G.

g ra t geben müssen, dass aber dieses Skelett, w enn es Leben gewinnen, wenn es Fleisch und B lut erhalten soll, aufs innigste d u rch trän k t und durchdrungen sein muss m it P h y s i o l o g i e und B i o l o g i e im engeren Sinne.

A lle in 'd ie besten Lehrpläne werden nicht helfen, ohne s a c h k u n d i g e L e h r e r , die w irklich in der organischen N atu r zu Hause sind, und an solchen ist offenbar u nter den gegenw ärtig bestehenden V erhältnissen ein empfindlicher Mangel eingetreten. Denn welcher begabte junge Mann, der sich dem Schuldienste widmet, w ird als H auptfach eine W issenschaft wählen, in der er doch höchstens bis in die m ittleren Klassen hinauf unterrichten darf?

Ferienkurse sind gewiss als M ittel zur F o r t ­ bildung sehr zu empfehlen, aber als M ittel zur H e r a n b i l d u n g von nicht fachmännisch ge­

schulten Lehrern für einen biologischen U n ter­

richt in den oberen Klassen können sie doch nur vorübergehend als N otbehelf b etra ch tet werden. ' Als M itglied des in H am burg gew ählten Komitees zur F örderung des biologischen U nter­

richts m öchte ich betonen, dass es zur gedeih­

lichen D urchführung des naturgeschichtlichen U nterrichtes bis in die oberen Klassen eines Lehrers bedarf, der sich die W issenschaft von der lebendigen N atur zum L e b e n s b e r u f e gew ählt hat. Gewiss giebt es kleine Schulen, an denen bei der geringen Stundenzahl Zoolo­

gie und B otanik nicht nur neben Chemie, sondern auch neben P hysik und M athem atik in der H and e i n e s Lehrers vereinigt werden müssen, aber es g ieb t doch auch grosse An­

stalten, in denen oft eine ganze Anzahl von K ol­

legen sich in den naturgeschichtlichen U nter­

ric h t teilen müssen. Nur von einem Lehrer, der diese W issenschaft aus Liebe gew ählt hat, der in der organischen N atur lebt, w ird man erw arten dürfen, dass er m it H ilfe der bio­

logischen G esichtspunkte die T hatsachen der E rfahrungen zu v e r k n ü p f e n und dadurch ihre gedächtnism ässige A neignung zu e r l e i c h ­ t e r n versteht, n u r er w ird es zu vermeiden wissen, den Schüler durch das b e z i e h u n g s ­ l o s e B eschreiben der Form en zu e r m ii d e n und ihn durch A usw endiglernen von unver­

standenen B eschreibungen, Namen und E in­

teilungen zu ü b e r b i i r d e n .

Schliesslich aber m öchte ich noch ganz be­

sonders den P u n k t hervorheben, der dem n atu r­

geschichtlichen U nterrichte bereits einmal ver­

hängnisvoll gew orden ist. In den Lehrplänen von 1882 heisst es auf S. 6: „A ndererseits h at a u f dem naturw issenschaftlichen G ebiete die Ausdehnung des naturbeschreibenden U n ter­

richtes bis in die oberen Klassen den kaum zu vermeidenden Anlass gegeben, die der Schule gestellte Aufgabe zu überschreiten und in th eo ­ retische H ypothesen einzugehen, deren E rw ägung

dem Fachstudium a u f einer Hochschule über­

lassen bleiben m uss.“ Dem gegenüber möchte ich darauf hinweisen, dass gerade der g e­

ehrte Vorredner, H e rr Professor H a n s e n , ein Beispiel gab, wie vorsichtig der F a c. h m a n n in diesen Dingen u rteilt. W er auf dem Gebiete der W issenschaft zu Hause ist, der k ennt auch die Schw ierigkeiten, er ist dadurch vor über­

eilten Verallgem einerungen und Spekulationen geschützt; aber gerade diejenigen, d i e i h r e K e n n t n i s s e s e l b s t e r s t a u s d e r p o p u ­ l ä r e n L i t e r a t u r s c h ö p f e n , fühlen sich erfahrungsm ässig am leichtesten berufen, ihre W eisheit womöglich in dogm atischer Form vor urteilslosen Schülerkreisen von sich zu geben.

Das ist aber nicht die Aufgabe der Schule.

W ir wollen zw ar diesen Fragen n ich t aus dem W ege gehen, aber w ir wollen sie doch vor allem auf dem W ege zu lösen versuchen, dass w ir der Jugend durch gründliche Schulung im B eobachten der N atur einen Schatz von K ennt­

nissen mitgeben, die auf E rfahrun g und nicht auf aus wendig gelernte W orte gegründet sind; w ir wollen siedurcheinensolchenScliatz von tüchtigen Kenntnissen selbst urteilsfähig machen, auch über solcheFragen, die über die E rfahrung hinausgehen und eine allgemeine W elt- und Lebensanschauung betreifen. Das kann aber nur ein Lehrer, der die Behandlung der Biologie für die Zwecke der E r­

ziehung zu seinem Lebensberufe gem acht hat, und solche L ehrer w ird m an nur dann haben können, wenn der U n terrich t in dieser W issenschaft w ieder bis in die oberen Klassen unserer höheren L ehranstalten durchgeführt wird.

K r e b s (B arr i. E .): Im ausliegenden H eft 4 der Z eitschrift „ N a tu r1 und Schule“ findet sich ein Aufsatz „D er biologische U nterricht in den oberen Klassen der Realgymnasien und Ober­

realschulen“ von O berlehrer W . S c h w a r z e (Ham burg), der das enthält, was eben noch in dieser Diskussion als verm isst bezeichnet wurde, ein Program m dieses U nterrichts an höheren Schulen. Dieses Program m ist nich t allein der A usdruck der persönlichen Meinung des H errn K ollegen, sondern das Ergebnis w iederholter B eratungen der H am burger Fachlehrer. Es en t­

h ält den P a s s u s : „Gerade durch diese Bevorzu­

gung der selbstbeobachteten einheimischen Vor­

kommnisse . . . soll sich der S chulunterricht von dem . . . U n iv ersitätsun terricht unterscheiden.“

D am it ist dem Vorschlag einer K onzentration des naturgeschichtlichen U nterrichts um die Landeskunde im wesentlichen beigetreten, von w elcher K onzentration R edner selbst in früheren V orträgen von den N aturforscherversam m lungen in München und in Aachen viel zur H ebung des Real- und besonders des naturw issenschaftlichen U nterrichts, auch im Rahmen der jetzig en S tun­

denverteilung,1 erw artete. Im engsten Anschluss daran möchte er den anwesenden Regierungs-

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1 9 0 2 . N o . 6 . Ue b e r d i e St e l l u n g d e r Bi o l o g i s c h e n Un t e r r i c h t s f ä c h e r. S. 131.

Vertretern nahe legen, dass der dann unum gäng­

liche U nterrich t im Freien, dem nach seiner E r­

fahrung von den Vorgesetzten Behörden vielfach Schw ierigkeiten in den W eg gelegt werden, jedenfalls den Fachlehrern nach deren freiem Ermessen erlaubt werde. Auch möchte dringend zu empfehlen sein, dass an jed er höheren Schule innerhalb der physikalischen E inrichtung sich diejenige einer m eteorologischen Station, wenn auch kleinen Umfangs befinde.

E l s a s (Elberfeld) nim mt den angegriffenen Idealism üs Dr. T h o m a e ’s in Schutz, erfin d e t in dessen V ortrag die R ichtlinien angegeben, nach welchen sich der U nterricht an den höheren Schulen entw ickeln kann und wird, selbst wenn diese E ntw icklung nur eine allmähliche sein wird. E r w arn t vor einer übertriebenen W e rt­

schätzung der System atik, die ihren W e rt nur darin besitzt, uns einen U eberblick über das N aturreich zu gew ähren und bedauert, dass wegen der dem naturw issenschaftlichen U nterrichte auf­

erlegten Zeitbeschränkung oft nicht die als richtig erkannte Methode eingeschlagen werden kann, der L ehrer vielmehr dogm atische M itteilungen machen muss. F erner w arn t er davor, dem m athem atischen U nterrichte in der A ufgaben­

stellung zu viel aufzubürden, da, wie er an Beispielen zeigt, oft sachliche Schw ierigkeiten zuvor überw unden werden müssten, die zu be­

seitigen Sache des Physikers, Chemikers usw.

se i; auch erleide der M athem atik-U nterricht durch eine derartige Z ersplitterung Einbusse an seinem eigenartigen bildenden W erte.

B a i l : Die D arlegungen des H errn Professor H a n s e n beweisen aufs schlagendste, wie gu t unser Verein auf der Versammlung in W iesbaden 1894 gethan hat, als er in seiner These 1 s ta tt

„Biologie“ w ieder das alte bezeichnende und umfassende W o rt „N aturgeschichte“ setzte, und ich w ürde ohne weiteres den A ntrag stellen, heut das Gleiche zu thun, wenn ich nicht be­

so rg te, dadurch den Erfolg der H am burger Thesen „U eber den biologischen U nterricht an höheren Schulen“ zu beeinträchtigen, durch die ja eben der „ n a t u r g e s c h i c h t l i c h e U n t e r ­ r i c h t . “ zu neuer und reiferer B lüte geführt w erden soll. Das eine aber glaube ich hier m it Zustim m ung aller anwesenden Fachkollegen aufs bestim m teste aussprechen zu dürfen, dass w ir unter dem biologischen U nterrichte durch­

aus nichts anderes verstanden wissen wollen, als naturgeschichtlichen U nterricht, der unsere Jugend zur B eobachtung der N atu r und zur E rkenntn is ihres Reichtum s fü h rt und, entspre­

chend den F o rtsch ritten unserer W issenszweige, bei je d e r möglichen Gelegenheit die Lebensvor­

gänge und die Beziehungen der Organismen zur umgebenden W e lt zum Gegenstände der B etrach­

tun g macht.

Zu diesem U nterrichte geh ört aber auch der

in der M ineralogie, welcher in unsern neuen Lehrplänen eine beklagensw erte Zurücksetzung erfahren hat. Die in den H am burger Thesen geforderte „D arlegung der Beziehungen der Organismen zur unorganischen N a tu r“ und „der U eberblick über die w ichtigsten Perioden der E rdgeschichte“ sind ohne einen grundlegenden m ineralogischen U nterrich t nicht möglich. L etz­

tere r verliert vollständig an seinem hohen er­

ziehlichen W erte, wenn er nur als integrieren­

der Teil des chemischen U nterrichts behandelt w ird, denn das Interesse für die E rkenntnis der äusseren Merkmale, des Vorkommens und der K rystallform en der M ineralien erblasst er- fahrungsm ässig sofoi't, wenn die eigentliche Chemie m it ihren blendenden oder Staunen er­

regenden Experim enten eingesetzt hat. G estü tzt

| auf diese E rfahrung habe ich, obwohl ich 38 j Ja h re lang den gesam ten chemischen U nterricht an unserm Realgymnasium e rte ilt habe, dem-

! selben stets einen besonderen K ursus in der Mineralogie in der O bertertia, Unter- und Ober­

sekunda oder wenigstens in ein paar dieser Klassen vorangehen lassen, über dessen Gang und w ünschensw erten Umfang sich jed er aus meinem methodischen Leitfaden der Mineralogie, der das Ergebnis meines eigenen U nterrichts ist, vergewissern kann. Ich selbst kann nur erklären, dass die in rechter W eise gehandhabte Mineralogie n ich t m inder reichen Stoff zur B e­

obachtung und zum Vergleich b ietet als die B otanik und Zoologie, und dass der geistige Genuss, den sie Schülern und L ehrern bereitet, durchaus nicht hinter dem durch diese Diszi­

plinen gebotenen zurücksteht. Das Demonstra- tionsm aterial ist leicht durch M ineralienhand­

lungen, eigenes Sammeln und Geschenke in ausgedehntem Masse zu erwerben.

Ich kenne die Behauptung, dass in manchen Gegenden sich zu w enig G elegenheit zum Sam­

meln und B eobachten der Mineralien im F reien bö te; nun, meine H erren, ich habe in zwei auch nicht steinreichen Provinzen, in Posen und W estpreussen, u n terric h tet und niemals den D ruck dieses Mangels empfunden. In Posen, wo ich als ganz ju n g er L ehrer g en ötig t war, in einer sehr grossen Quinta mineralogischen U n terrich t zu geben, vertauschten w ir nach Schluss der Schule die B ücher m it Hammer und Meissei und gingen Steine klopfen, und bereits nach einem halben I Jah re m achten meine Q uintaner begeistert eine i an interessanten F undstücken reiche A usstellung j in der nächsten Umgegend der S tad t Posen ge­

fundener Mineralien und Gesteine. Ueber unser : wertvolles D anziger M aterial zu sprechen, ver-

| b ietet m ir die Zeitbeschränkung. A ber wenn

! selbst diejenigen recht hätten, welche in dieser I oder jen er Provinz den sich im F reien findenden

! m ineralogischen B eobaehtungsstoff für zu gering

! erklären, können sie daraus ein R echt dafür

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