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Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaften, Jg. 8, No. 4

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Academic year: 2022

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J a h r g a n g V I I I .

U nterrichtsblätter

1902. N r. 4 .

für

Mathematik und Naturwissenschaften.

O rg a n des V e re in s z u r F ö rd e ru n g

des U n te r ric h ts in d e r M a th e m a tik u n d d en N a tu rw isse n sc h a fte n .

B egründet u nter M itw irkung von

B e r n h a r d S c h w a l b e , herausgegeben von

F . P i e t z k e r ,

P r o fe sso r am G ym n asiu m zu N ordhausen.

V e r l a g v o n O t t o S a l l e i n B e r l i n W . 3 0 .

R edaktion: A lle fü r d ie R e d a k tio n bestim m ten M itte ilu n g e n und S e n d u n g e n w erd en nu r an d ie A dresse des P r o f. P i e t z k e r in N o r a n a u sen erb eten .

V e re in : A n m e ld u n g e n un d B e itr a g sz a h lu n g e n fü r den V erein (3 Mk. J a h r e sb eitra g oder e in m a lig e r B e itr a g v o n 45 Mk.)

sind an d en S c h a tzm eiste r , P ro fesso r P r e s l e r i n H an n over, L in d en erstra ssc 47, zu r ich ten .

V erlag: D er B e z u g s p r e i s fü r d en J a h r g a n g v o n 6 N um m ern is t 3 M ark, für e in z e ln e N um m ern 60 P f . D ie V e re in sm it­

g lie d e r e rh a lten die Z e itsc h r ift u n e n tg e ltlic h ; frü h ere J a h r ­ g ä n g e sind du rch den V e rla g bez. e in e B u c h h d lg . zu b e z ie h e n . A n z e i g e n k o s t e n 2 5 P f . fü r d ie 3 - g e s p . N o n p a r .-Z e ile ; b e i A u fg a b e h a lb er od. g a n z e r S e ite n , so w ie bei W ie d e r h o lu n g en E rm ä ssig u n g . — B eila g eg e b ü h r en nach U c b c rc in k u n ft.

N a ch d ru ck der e in z e ln e n A r tik e l ist, w e n n ü b erh au p t n ic h t b esonders au sg en o m m en , nu r m it g e n a u e r A n g a b e d er Q uelle und m it den V e rp flic h tu n g der E in sen d u n g e in e s B eleg e x e m p la r s an den V e rla g g e sta tte t.

Inhalt: D ie Naturwissenschaft als Grundlage der allgemeinen Bildung. Von Dr. K a r l T h o m a s (S. 73). — Zur Geometrographie. Von R. G ü n t s c h e (S. 82). — D ie Satze von Menelaus, Ceva und vom voll­

ständigen V ierseite und das Unendliche. Von Dr. K u r t G e i s s l e r (S. 83). — Dynamische Betrachtungen über mechanische FundamentalbegrilYe. Von T h . S e h w a r t z e (S. 87). — Die Gleichung der harmo­

nischen Teilung. Von F r e i s e (S. 90). — Bemerkung zu dem Aufsätze des Herrn F. Weiss. Von Prof. Dr. E. H a e n t z s c h e l (S. Dl). — Diskussion über die Einzelabgrenzung des Pensums in der dar­

stellenden Geometrie (S. 92). — Schul- und Universitäts-Nachrichten [Ferienkursus zu Frankfurt a. M.]

(S. 92). — Lehrmittel-Besprechungen (S, 92.. — Zur Besprechung eingetr. Bücher (S. 93). — A nzeigen.

D i e N a t u r w i s s e n s c h a f t a l s G r u n d l a g e d e r a l l g e m e i n e n B i l d u n g .

Vortrag auf der Hauptversammlung zu Düsseldorf.*) Von Dr. K a r l T h o m a s (Elberfeld.)

Der G edanke, die N aturw issenschaft zur G rundlage der allgem einen B ildung zu machen, h at in den letzten Jah ren schon mehrfach bei Zusam m enkünften naturw issenschaftlich gebil­

d eter M änner Zustim m ung gefunden, und hat auch bereits begonnen, sich in Laienkreisen mehr und m ehr A nhänger zu e rw e rb e n ; ganz besonders ist er auch nachdrücklich von M it­

gliedern unseres Vereins vertreten worden. Dass er heute dennoch w ieder zum Gegenstand eines V ortrages gem acht wurde, lässt sich durch die E rw ägung rechtfertigen, dass, ehe w ir m it schul- reform atorischen Vorschlägen kommen, noch erst eine K lärung der Meinungen über die A rt der D urchführung anzustreben sei. Es fordert ferner der O rt unserer heutigen Versammlung zum Nachdenken darüber heraus, ob das, was wir heute noch in unseren höheren Schulen als all­

gemeine B ildung überm itteln, zum vollen V er­

ständnis und zur ganzen W ürdigung des stolzen K ulturbildes, das sich am Bheinufer ausbreitet,

*) S. U nt.-Bl. V I 11, S. 65.

ausreiche, ob die E ntsteh u n g der d ort bew un­

derten W erke w irklich nur durch die Vorbildung ih rer Schöpfer auf unsereif höheren Schulen, oder ob sie vielleicht g ar trotz derselben er­

m öglicht worden sei. V ielleicht dürfte aber auch die Behandlung des Themas vom biolo­

gischen S tan dp un kt aus einige neue G esichts­

punkte in die E rörterun g bringen können.

W enn irgend je m a n d , so h a t sicher der Biologe das Recht, sich m it der Erziehung zu beschäftigen. Is t sie doch nur eine von vielen biologischen Erscheinungen, die, beim Menschen zw ar besonders ausgeprägt, m it ihren Anfängen m ehr oder w eniger w eit in das G ebiet der übrigen lebenden N atur zurückreichen. W ie aber überall diejenige menschliche T h ätig k eit am erfolgreichsten ist, die au f der bew ussten Anwendung richtig erkan nter G esetzte beruht, so kann auch die Erziehung zum Höchstmass ihrer Leistungen n u r durch beständige B erück­

sichtigung der biologischen Gesetze gelangen.

Biologische Erscheinungen sind zweckmässig,

d. h. sie haben eine bestim m te B edeutung für

die E rh altu ng lebender W esen. Zweckm ässig

ist auch die Erziehung. W ie die E rinnerung

an frühere E rfahrungen die H andlungen des

I n d i v i d u u m s in einem fü r dessen E rh altu n g

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förderlichen Sinne beeinflusst, so muss es für die E rhaltung und W eiterentw icklung der A r t von höchster B edeutung sein, wenn die jedes­

malige jü n g ste G eneration die E rfahrungen aller vorhergehenden für ihre H andlungen verw erten kann. Dies w ird in doppelter W eise erreicht.

E ntw eder es vererbt sich eine besondere B e­

schaffenheit des Gehirns, die, durch oftmalige V erknüpfung einer H andlung m it ein und der­

selben E rfahrung e n tsta n d e n , schliesslich bei E in tritt derselben Um stände die gleiche H and­

lung immer m it reflektorischer Sicherheit folgen lässt ■ — dann haben w ir den In stin k t, durch den bei verhältnism ässig geringem Aufwand an Gehirnmasse scheinbar hohe geistige Leistungen vollbracht w erden —, oder es vererbt sich eine Gehirnbeschaffenheit, die bei starkem individu­

ellen Gedächtnis in verhältnism ässig kurzer Zeit die Neuaufnahm e einer grossen Menge von E r­

fahrungen g estattet. Beide V ererbungsarten trete n natürlich zusammen auf, jedoch w iegt die erstere in der niederen T ierw elt vor, nam ent­

lich da, wo das Individuum nach der G eburt oder dem Verlassen der Puppenhülle keine kö r­

perlichen Veränderungen mehr erleidet, letztere bei den höheren T ieren, insbesondere denen, deren Individuen eine Jugend durchlaufen, d. h.

an den einzelnen Teilen ihres K örpers noch er­

gänzende Um wandlungen erfahren. Diese Jug end­

zeit ist es in der Regel, in der die E rfahrungen der früheren G enerationen überm ittelt werden, und zw ar geschieht dies dadurch, dass die E lte rn ­ generationen G elegenheiten dazu schaffen, und wohl auch durch Vormachen die B enutzung der­

selben zeigen. Diese zweckmässige E ltern th ätig - k eit nennen w ir Erziehung.

N atürlich p rä g t sich der graduelle U n ter­

schied, der zwischen dem Menschen und der übrigen lebenden N atur besteht, auch in einigen Besonderheiten der menschlichen E r z i e h u n g aus. So ist zunächst die Menge der von jeder M enschengeneration neu hinzuzuerw erbenden E rfahrungen sehr gross, und der von der Jugend aufzunehmende Brfalirungsstoff w ürde dadurch bald ins Ungemessene wachsen, wenn nicht viele frühere E rfahrungen von den späteren G enerationen entw eder als Irrtü m e r erkannt, oder, indem sie sich als besondere Fälle allge­

m einerer E rfahrungen erw eisen, in einfachere Form en gebracht w ü rd e n , in denen sie der folgenden G eneration ü b erm ittelt werden. Darin, dass so das Individuum die E rfahrungen aller vorhergehenden Generationen in v erkürzter Form durchläuft, zeigt sich uns ein besonderer Fall des biogenetischen Gesetzes.

Eine andere E igentüm lichkeit der mensch­

lichen E rziehung w ird dadurch bedingt, dass, beim K ulturm enschen w enigstens, im Kampfe um die E rh altu n g der A rt w eitgehende A rb eits­

teilung eingetreten ist, die sich in einer Gliede­

ru n g der M enschheit in zahlreiche B erufsklasseü ausspricht. Die E rziehung erhält dadurch ein doppeltes Ziel; sie h at einerseits die sich auf die Stellung der ganzen A rt im Kampfe ums Dasein beziehenden allgemeinen, anderseits die fü r die A usübung eines Berufes dienlichen be­

sonderen E rfahrungen zu überm itteln. Das erstere Ziel bezeichnen w ir daher als allgemeine, das letztere als Berufs- oder Fachbildung. D ar­

aus folgt ohne weiteres, dass es nur e i n e all­

gemeine B ildung giebt, der viele Berufsbildungen gegenüberstehen. Die A rbeitsteilung der Mensch­

h eit g eh t allerdings so w e it, dass deren E r­

haltu ng nich t n ur n ich t gefährdet, sondern viel­

m ehr g efördert w ird , wenn einzelne Klassen neben ihrer Fachbildung nur ein geringeres Mass allgem einer B ildung besitzen, sofern es ihnen n ur genügende E insicht gew ährt, sich bei ihren H andlungen den anderen, sogenannten führenden Klassen unterzuordnen. Man kann danach wohl einen q uantitativen U nterschied gelten lassen und von höherer und niederer allgem einer B ildung sprechen, wiew ohl der ge­

wöhnliche Sprachgebrauch, dem ich mich im folgenden anschliessen werde, un ter allgem einer B ildung nur die höhere versteht. W eil aber die Verschiedenheiten der allgem einen B ildung nu r qu antitativ er A rt sind, sollten sich auch die V erm ittlungsstätten der B ildung nur so unterscheiden, dass die niedere Schule eine V orstufe der höheren wäre. — Allgemeine und Fachbildung greifen n atü rlich , vielfach in ein­

ander, was dem einen G egenstand der allge­

meinen B ildung is t, geh ört für den anderen vielleicht schon zur Fachbildung.

Eine d ritte E igentüm lichkeit der m ensch­

lichen E rziehung erg iebt sich aus der F ähigk eit des Menschen, die Gesetze des Geschehens zu erkennen, die demjenigen den V orteil im D a­

seinskäm pfe sich ert, der sein Handeln danach einrichtet. Solche Gesetze werden uns noch m ehrfach begegnen ; je tz t möge nur darauf hin- gewiesen werden, wie uns die K enntnis des biogenetischen Gesetzes n ötigt, den E rfahrungs­

stoff in m öglichst vereinfachter und verk ürzter Form darzubieten, eine T hätigkeit, die w ir ge­

wöhnlich M ethode nennen.

Lassen Sie uns nun unserer heutigen Auf­

gabe näher trete n und untersuchen, welche E r­

fahrungsgebiete am m eisten geeignet sind, den Menschen Uber seine S tellung im Daseinskämpfe, über die verfügbaren H ilfsm ittel und deren V erw endung zu belehren, d. h, ihm eine all­

gemeine B ildung zu überm itteln, und ferner, ob diese U eberm ittlung auf naturw issenschaft­

licher G rundlage erfolgen kann.

W ie jedes lebende W esen, ist auch der Mensch

ein System im Zustande labilen Gleichgewichtes,

das sich nur u n ter fortw ährender Energiezufuhr

gegen physikalische und chemische Einflüsse,

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1 9 0 2 .

No.

4 . d i e Na t u r w i s s e n s c h a f t a l s Gr u n d l a g e d e r a l l g e m. Bi l d u n g.

S. 75.

die es einem stabilen Zustande, dem Tod, zuzu­

führen bestreb t sind, behauptet. N ur die augen­

blickliche Entw icklungsphase unseres Sonnen­

systems und der E rde insbesondere g estattet, dass ü berhaup t lebende W esen auf letzterer bestehen. E rh alten werden sie durch die Sonnen­

energie, wie auch alle übrigen lebenfördernden und -hemmenden Einflüsse, denken w ir an den W echsel der Jahreszeiten, die Aufeinanderfolge von Tag und Nacht, klim atische und m eteoro­

logische V erhältnisse, kosm ischer N atu r sind.

Zur E rkenntnis unserer allgemeinen D aseins­

bedingungen führen uns also A s t r o n o m i e , A s t r o - und G e o p h y s i k , und dass man in diese W issenschaften ohne M a t h e m a t i k , P h y s i k und C h e m i e nicht eindringen kann, bed arf wohl keiner Auseinandersetzung. Müssen w ir also m it letzteren bei U eberm ittlung des allgemeinen W eltbildes beginnen, so bedürfen w ir ihrer w ieder in der P h y s i o l o g i e , die zeigt, welche Um wandlungen die Sonnenenergie auf ihrem W ege nach unserem K örper und in demselben erfährt. Chemie und P hysik sind es auch, die in ih rer A n w e n d u n g a u f T i e r - u n d P f l a n z e n z u c h t uns gestatten, den uns zufliessenden E nergieanteil zu vergrössern und zu regeln, sie bieten uns endlich in der c h e ­ m i s c h e n u n d p h y s i k a l i s c h e n T e c h ­ n o l o g i e die M ittel zur Schwächung oder Be­

seitigung lebensstörender Einflüsse.

Die in E rnährung und Stoffwechsel liegende T hätig h eit unseres K örpers können w ir noch nicht als K am pf ums Dasein bezeichnen; denn das ist ja gerade das Kennzeichen des Lebens, dass es sich erhält. D er K am pf entsp ringt vielmehr einer zweiten, auch nur den Lebewesen eigenen Erscheinung, der des W achstum s und der Vermehrung. Diese b e w irk e n , dass m it der Z eit die an einem Orte verfügbare Energie nicht m ehr zur E rhaltu n g aller Lebewesen aus­

reicht. D a nun die Lebewesen nicht unver­

änderlich sind, sondern vielm ehr durch sich steigernde A bänderungen ein anderes G leich­

gew ichtsverhältnis m it anderen A nforderungen und L eistungen anzunehmen vermögen, so kann es einem Teil der in Bedrängnis geratenen W esen gelingen sich so um zugestalten, dass sie die vorhandene Energie ihrem K örper besser zuzuführen vermögen als die anderen. L etztere müssen dann, wenn kein Ausweg bleibt, zugrunde gehen. D ieser liegt aber darin, dass das be­

nachteiligte W esen ja auch abänderungsfähig ist und dadurch vielleicht in den Stand gesetzt w ird bisher noch unbenutzbare Energiequellen entw eder an demselben O rt auszunutzen oder an anderen O rten aufzusuchen. Die immer w eiter thätige V erm ehrung fü h rt natürlich w ieder zur U eberfüllung, und es muss nun entw eder m it derselben eine immer wreitergehende A bänderung H and in H and gehen, oder die nicht m ehr ab­

änderungsfähigen W esen sterben aus. D er K am pf ums Dasein, den die Lebewesen so untereinander führen, h at demnach die gegenseitige V er­

nichtung nicht zum unm ittelbaren Ziele — im ganzen Pflanzenreich ist ja ein d erartiger Kam pf überhau pt unmöglich — , aber er fü hrt immer dazu, wo Lebewesen im stande sind, den W e tt­

bewerb anderer zu erkennen. U eberall aber entbrenn t der Kampf, mag er nun ein unm ittel­

barer oder ein m ittelbarer sein, da am heftigsten, wo die Lebensbedürfnisse gleichartig sind: der grösste Feind des Menschen ist der Mensch.

Neben der trüben Seite der V ernichtung hat der K am pf ums Dasein auch eine L ichtseite der F örderung der Lebew esen; er fü h rt zur E n t­

w icklung, d. h. zur fortw ährenden E n tsteh un g neuer Pflanzen- und Tierform en, die u n ter immer schw ierigeren V erhältnissen ih r Leben zu erhalten vermögen. E r fü h rt ferner durch Auslese zu einer Beschaffenheit der lebenden W esen, bei der alle Teile und Vorgänge ihres K örpers der E rh altu n g des Lebens dienen. Eine derartige Beschaffenheit nennen w ir zweckmässig. Der Zweckbegriff is t demnach ein rein biologischer;

auf die E ntw icklung angew andt, lässt er uns diese als Vervollkommnung erscheinen. W enn auch über die Ursache der A bänderungsfähigkeit der Lebewesen die A nsichten noch sehr aus­

einander gehen, so änd ert das an der T hat- sächlichkeit der E ntw icklung oder Vervollkomm­

nung ebensowenig, wie w ir g en ö tig t wären, die R ich tig keit der K e p p 1 e r sehen Gesetze zu be­

zw eifeln, wenn w ir noch ohne K enntnis des G ravitationsgesetzes wären.

Die E ntw icklung kann sich auf den ganzen K örper oder einzelne seiner Teile und dem­

entsprechend T h ät'g k eiten beziehen. Beim Menschen hat der K am pf ums Dasein eine Form angenommen, dass sie sich fast nur noch auf das Gehirn erstreck t, das ihn fähig m acht, die N aturgesetze zu erkennen und danach zu handeln.

Die E rkenntnis von der N otw endigkeit des D a­

seinskam pfes füh rt ihn einerseits zu dem Be­

streben, immer neue M ittel zu seiner F ührung ausfindig zu machen, anderseits m it den vor­

handenen M itteln immer Grösseres zu leisten.

Die B ethätigung des letzteren B estrebens nennen w ir W irtschaftlichkeit, deren bedeutendstes H ilfs­

m ittel w ieder die A rbeitsteilung ist. Schon auf der niedersten Stufe des Lebens, bei den E in ­ zelligen auftretend, findet diese bei den M ehr­

zelligen dadurch ihren Ausdruck, dass die Zellen nicht mehr alle und dieselben, sondern n ur einzelne und verschiedene V errichtungen aus- Uben, denen sie dann um so besser dienen können. W ie hier zwischen den Zellen des K örpers, so t r i t t auf einer höheren Stufe zwischen W esen derselben A rt, die sich zu kleineren oder grösseren G ruppen zusammenschliessen, A rbeits­

teilung ein. Die dadurch erm öglichte bessere

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A usnutzung der E nergie erm öglicht der G esam t­

heit das Bestehen unter Verhältnissen, denen das Einzelwesen vielleicht erlegen wäre. W enn einzelne Glieder einer solchen Vereinigung en t­

w eder die ihnen zufallende Aufgabe nicht er­

füllen, oder den auf sie kommenden Energie­

anteil n ich t voll erhalten, so trete n Störungen in der L eistungsfähigkeit des Ganzen auf, die w ir beim Individuum als K rankheiten, bei Ge­

nossenschaften als soziale Missstände bezeichnen.

Liegen die Ursachen dafür im Teile allein, so kann sich das Ganze wohl dadurch erholen, das es den Teil abstösst und der V ernichtung preis- giebt. W enn es sich um den F ortbestand des Ganzen handelt, sehen w ir aber auch ganz all­

gemein eine P reisgabe voll gesunder Teile ein- treten.

Da der Mensch den angeführten biologischen Gesetzen ganz und g ar unterw orfen ist, so ist deren K enntnis für ihn von höchster Bedeutung.

Sie sagen ihm, dass ein jed er Mensch kämpfen und ringen muss, dass ohne K am pf keine Ver­

vollkom m nung, kein E o rtsc h ritt möglich ist.

Sie zeigen aber auch, wie durch w irtschaftliche B enutzung der vorhandenen M ittel der K am pf bedeutend aussichtsvoller wird, und führen ihn durch die E insicht, dass die A rbeitsteilung hierzu Vorbedingung ist, zur Ueberzeugung von der N o tw e n d ig k e it, sich zu Gemeinschaften zu- sammenzuschliessen. Aus dem Nutzen m öglichst w eit getriebener A rbeitsteilung innerhalb der Gemeinschaft folgt die N otw endigkeit sozialer G liederung, aber auch die B erechtigung der Individualität, aus der U nerlässlichkeit des ge­

nauen Ineinandergreifens aller Teile folgt für das Ganze die Verpflichtung zur Verhütung sozialer M issstände, für den Einzelnen die Pflicht, seinen W illen und seine Neigungen dem W illen der G esam theit unterzuordnen. D ieser letztere findet seinen Ausdruck in S itte und G esetz; die klar erkannte N otw endigkeit der U nterordnung u n ter dieselben fü h rt zur w ahren W illensfreiheit.

Die E rkenntnis aber endlich, dass das W ohl der Gemeinschaft über dem aller seiner Teile steht, muss zu jenem idealen Streben hinführen, das, wie Schwalbe sagt, „ohne R ücksicht auf äussere Vorteile m it ganzer H ingabe an den Gegenstand, u n ter Selbstaufopferung, ein der M enschheit förderliches Ziel verfo lg t“.

W ir se h e n , dass die biologischen Gesetze die S tellung des Menschen im Daseinskäm pfe in w eitestem Umfang bestimmen, und müssen daher die B i o l o g i e den schon genannten E r­

fahrungsgebieten als unerlässlichen Teil der allgemeinen B ildung hinzugesellen. Den Nach­

weis der Gesetze der menschlichen Biologie, der A n t h r o p o l o g i e im w eitesten Sinne, er­

bringen wieder besondere W issenschaften, so vor allem die G e s c h i c h t e . Indem sie zeigt, wie sich das M enschengeschlecht von den ein­

fachsten gesellschaftlichen, w irtschaftlichen und ethischen Zuständen u n ter der E inw irkung der kosmischen V erhältnisse und des Daseinskampfes bis zu den heutigen Zuständen entw ickelt hat, w ird sie selbst zu einem S tück N aturforschung.

A uf der Hochschule h a t sie diesen C harakter auch bereits angenommen, aber auch auf der Schule zeigen sich erfreuliche A nsätze dazu. B e­

stand der G eschichtsunterricht in seiner früheren Verbindung m it der L ektüre, besonders der

! alten S chriftsteller, w esentlich in einer D ar-

| Stellung von K riegen und S ch lach te n , so w ird er, auf naturw issenschaftlicher Grundlage auf­

gebaut, den H au p tw ert auf deren Ursachen und Folgen legen, ohne freilich zu vergessen, dass sie den Vorteil des gemeinsamen Handelns u n ter Zurückdrängung des Einzelwillens, der H ingabe des Einzelnen für die G esam theit oft besonders g u t erkennen lassen. Indem die G eschichte den allmählich immer grösser gew ordenen Um­

fang der Gemeinwesen behandelt und m it der H erausbildung unseres heutigen N atio n alitäten ­ begriffs abschliesst, w eist sie den Jü n g lin g auf das Ganze hin, dessen W ohl in erster Linie die R ichtschnur für sein Thun und Lassen sein soll, auf unser Volk, und giebt dam it der V ater­

landsliebe ihre natürliche B egründung. Die G esam theit der Ergebnisse der menschlichen E ntw icklung, wie sie sich in der heutigen V er­

teilung der M enschheit, ihren staatlichen und w irtschaftlichen V erhältnissen, und den Bezie­

hungen der V ölker im W ettbew erb darstellen, fasst die G e o g r a p h i e zusammen, die, in der Geophysik reine N aturw issenschaft, sich ih r auch auf diesem G ebiete aufs engste ansehliesst.

Die G esetze, die das Zusam m enarbeiten inner­

halb der Gemeinschaft reg eln, behandelt die

E t h i k .

Dienen die genannten Erfahrungsgebiete also der E rh altu n g der A rt, so h a t ein benachbartes grosses G ebiet m enschlicher E rfahrun g dam it scheinbar g ar nichts zu th u n , das Gebiet des S c h ö n e n , dem ich nun einige W orte widmen muss. Die B eschleunigung des Energiestrom es, : der w ir unsere L ustgefühle v e rd a n k e n , b eru h t

! im allgemeinen auf v ergrö sserter Energiezufuhr.

Es giebt aber auch U m stände, die, ohne ihn zu v erstä rk en , den Energiestrom dennoch be­

schleunigen. W ir können sie den K atalysatoren der Chemie v erg le ich en , die ebenfalls, ohne energetisch b eteilig t zu erscheinen, durch ihre blose Anw esenheit die G eschw indigkeit chemi­

scher Vorgänge o ft ausseroi'dentlich erhöhen.

Die G esam theit solcher Um stände bezeichnen w ir als das Schöne. U nser B estreben, sie selbst herbeizuführen oder nachzuahm en, äu ssert sich in der K u n s t . K ünstlerisches Schaffen er­

fordert nun o ft einen beträchtlichen E nergie­

aufwand, und auch der m it dem blosen Genuss

| des Schönen verbundenen B eschleunigung des

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1902. No. 4.

d i e Na t u r w i s s e n s c h a f t a l s Gr u n d l a g e d e r a l l g e j i. Bi l d u n g.

S. 77

.

Energiestrom es muss, da dieser sich nicht ver­

s tä rk t, eine V erlangsam ung, eine Erm üdung folgen. Diese Energiebeeinflussungen w ürden w ir nicht freiw illig auf uns nehmen, wenn nicht das Schöne irgend welche daseinsfördernde W irk u n g h ätte, also zweckmässig wäre. Das ist denn auch der Fall, und zw ar haben w ir diese F örderun g in der zeitweiligen Beschleunigung der L ebensthätigkeiten selbst zu sehen. Eine gewisse Energiem enge vermag ja ganz andere W irkungen hervorzurufen, wenn sie w ährend eines kurzen, als wenn sie w ährend eines langen Zeitraum es frei wird. Das bestätigen wir, wenn w ir sagen, dass das Schöne anregend, belebend, begeisternd wirke. Dieser daseinsfördernden W irk u n g des Schönen wegen muss das Ver­

ständnis dafür ebenfalls als notw endiger Be­

standteil der allgemeinen B ildung gelten. Da aber die E rfahrung le h rt, dass dieses Ver­

ständnis vor allem durch eigene künstlerische B ethätigung gefördert w ird , so ist auch die F äh ig k eit dazu, wenn auch vielleicht nur auf einem Gebiet, dem Zeichnen, zu verlangen, wo­

ra u f übrigens ja auch unsere neuesten Lehrpläne hinarbeiten.

Ob nun ein V erständnis des Schönen auf naturw issenschaftlicher G rundlage zu erreichen sei, dürfte, sow eit Form und F a rb e , sowie A nmut der BeAvegung inbetracht kommen, ohne w eiteres zu bejahen sein. Auch die W urzeln der Tonkunst, denken w ir an das Murmeln des Baches, das Rauschen der W älder, den Gesang der N achtigall, dürften in der N atu r zu suchen sein. Und wenn w ir bedenken, dass auch viele Vorgänge in der N atur, wie das Erw achen des F rühlings, die Spiele der Tiere, die B ethätigungen der E lternliebe, Schönheitsem pfindungen in uns w achrufen, die gewissen Gebieten der D icht­

kunst- zum Vorwurfe dienen, so dürfte auch für diese w enigstens eine Anknüpfung an die N atu r­

w issenschaft gefunden sein.

W enn der Mensch durch E rfahrung gebildet wird, so ist sein w ichtigstes Bildungsw erkzeug sein Erkenntnisverm ögen, und da die genaue K enntnis des W erkzeugs dessen G ebrauchsfähig­

k eit erhöht, so geh ö rt auch die B ekanntschaft m it unseren D e n k g e s e t z e n zur allgemeinen Bildung. Dass aber zu deren V erm ittlung die B eschäftigung m it den N aturw issenschaften •—

hier dürften M athem atik und Physik die erste Stelle einnehmen — vor allem geeignet sei, w ird allgem ein zugegeben. Insbesondere vermag die historische B ehandlung die Mängel und F ehler unseres Erkenntnisverm ögens k lar hervor­

trete n zu la s s e n , uns dadurch zur rechten W ürdigung unseres Glaubens und W issens an- j zuleiten, und uns vor U eberhebung und Intole-

j

ranz gegen andere A nsichten zu schützen.

Das M ittel, in dem und durch das w ir | denken, is t die S p r a c h e . Verlangen w ir also |

die K enntnis der Denkgesetze für die allge­

meine Bildung, so müssen w ir die der Sprach- gesetze m it einbegreifen. Indem die Sprache, aber nicht nu r die F orm , sondern auch das U ebertragungsm ittel unserer Gedanken bildet, das uns ermöglicht, andere an unserem Denken und unseren E rfahrungen teilnehmen zu lassen, ist sie die w ichtigste Vorbedingung für die A rb eits­

teilung, der w ir unsere bevorzugte Stellung im Daseinskämpfe verdanken. Je besser ausgebildet die H andhabung der Sprache ist, je geschickter der Einzelne seine eigenen Gedanken ausdrücken, die Gedanken anderer auffassen kann, um so genauer greifen die T hätigk eiten der Individuen ineinander, um so mehr erhöht sich die Leistung des Ganzen. Dazu kom m t noch eine w eitere w ichtige Beziehung der Sprache. Als D ar­

stellungsm ittel der Gedanken überh aup t ist sie auch das derjenigen K unst, deren M ittel die Gedanken selbst sind, der D ichtkunst, die ja wie keine der anderen K ünste unser Gem üt zu bewegen verm ag und daher an den Schulen den ersten P latz u n ter ihnen einnimmt. Diese G esichtspunkte verleihen der Sprache, wenn auch nicht als unm ittelbares, so doch als m ittel­

bares B ildungsm ittel eine derartige B edeutung, dass w ir sie in einem besonderen U nterricht nu r um ih rer selbst willen pflegen müssen, der dann allerdings auf der oberen Stufe die Pflege der D ich tku nst m it übernimmt.

Dass die Pflege der M uttersprache auf einer

| naturw issenschaftlichen Grundlage g u t gedeihen kann, ergiebt sich aus der Erw ägung, dass ihr die N aturw issenschaft einen ausserordentlich vielseitigen U ebungsstoff gerade schon auf der u ntersten Stufe zu bieten vermag. Von unm ittel­

barem Nutzen kann die naturw issenschaftliche Forschungsw eise der Sprache bei B ehandlung ihrer E ntw icklung sein, also etw a beim B etrieb des M ittelhochdeutschen, oder etym ologischen B etrachtungen.

Eine ähnliche D oppelstellung wie die Sprache I nim mt als B ildungsm ittel das Z e i c h n e n ein.

Einm al dient es zur Einführung in ein w ichtiges

| K unstgebiet, wovon schon die Rede war, dann

| aber ist es auch neben der Sprache ein hervor- I ragendes M ittel zur D arstellung und Ueber- tragung unserer Gedanken. In welch enge Be-

| ziehung in dieser doppelten Aufgabe das Zeich-

j

nen zu der N aturw issenschaft steht, brauche ich in diesem Kreise nicht w eiter auseinanderzu­

setzen, zumal da w ir uns noch in einer A b­

teilungssitzung mit diesem G egenstände be­

schäftigen werden.

W enn w ir nun einmal zurückblicken, so

haben sich als notw endige B ildungsm ittel eine

Anzahl E rfahrungsgebiete erg eb en , die sich

etw a in folgenden U nterrichtsfächern behandeln

liessen : M athem atik, Physik, Chemie, Biologie,

G eschichte, G eographie, D eu tsch , Zeichnen.

(6)

W ie bisher bleiben Astronomie und A strophysik dem p hysikalischen, Geophysik dem geogra­

phischen, Physiologie dem biologischen U n ter­

richte zugewiesen. E tw as Psychologie könnte sich der Physiologie des Menschen anschliessen.

Die G e s e l l s c h a f t s l e h r e m öchte ich der Geschichte, die W i r t s c h a f t s l e h r e teilweise der Geographie, teilw eise der M athem atik zu­

gewiesen sehen. Zur Pflege des Schönen werden abgesehen vom Deutschen und Zeichnen, auch Biologie, Geographie und Geschichte — ich will auch das Turnen nicht vergessen — Ge­

legenheit geben.

So verbleiben noch E t h i k und M e t a ­ p h y s i k . W enn man die Ausblicke über das G ebiet der Thatsachen hinaus, m it dem die einzelnen Zweige der N aturw issenschaft ab- schliessen, schon m it letzterem W o rt bezeichnen will, so gehen diese Ausblicke doch nur so weit, als ihnen irgend welche, wenn auch noch so hypothetische Anschauungen über thatsächliche V erhältnisse zugrunde liegen. Das C ausalitäts- gesetz zw ingt aber den Menschen noch über jede thatsächliche G rundlage hinaus sich einen Glauben über die letzten Ursachen zu bilden.

Ebenso erhält ja die E th ik in der Biologie, der Geschichte und im D eutschen ihre U nter­

lagen ; für beide Gebiete aber ist bei der grossen B edeutung, die sie für das menschliche Handeln h a b e n , eine B ehandlung in einem besonderen U nterrich t w ünschensw ert. Bei unseren jetzigen V erhältnissen nim m t diese Aufgabe der R eli­

g ionsunterricht in Anspruch. W ährend nun wir Biologen die religiösen Anschauungen als etwas Gewordenes ansehen, das sich m it der W e ite r­

entw icklung der M enschheit auch w eiterhin v er­

ändern wird, ist das Kennzeichen der K irchen­

religionen gerade die U nveränderlichkeit und S tarrh eit der Anschauungen. In seinem be­

kannten V ortrage „U eber die Lage des biolo­

gischen U nterrichtes an höheren Schulen“ hat A l i l b o r n auf den G egensatz zwischen N atu r­

wissenschaft und K irchenreligion hingewiesen und die N otw endigkeit eines Ausgleichs betont.

W ir verlangen nichts von der Kirchenreligion, als dass sie naturw issenschaftliche Thatsachen nicht b estreitet. H at sie die astronom ischen E ntdeckungen des 17. Jah rh u n d erts anerkennen können, so wird sie sich auch m it den neueren Ergebnissen der N aturforschung abzufinden wissen. W ill sie uns aber entgegenkom men, und nam entlich viele R eligionslehrer an den höheren Schulen scheinen dazu den ernstlichen W illen zu besitzen, so soll es an unseren Be­

mühungen nicht fe h le n , ihre E th ik zu einer solchen zu erheben, welche die Liebling des Guten um seiner selbst willen fordert und die Ausdrücke Lohn und S trafe nicht kennt. W ir werden dann also wohl sagen k ö n n e n : M eta­

physik und E th ik gehören in den R e l i g i o n s ­ u n t e r r i c h t .

W ährend die bis je tz t genannten W issens­

gebiete, wenn auch ih r In h a lt sich fortw ährend ändern wird, auf alle Zeiten hinaus ihren W e rt als B ildungsm ittel behalten werden, so lässt sich dies für ein grosses Gebiet, das nach Stunden­

zahl und B edeutung für Versetzung und P rüfung bei unserer heutigen Jugendbildung eine aus­

schlaggebende Rolle s p ie lt, das Gebiet der F r e m d s p r a c h e n , durchaus nicht behaupten.

Niemals w ird es eine Z eit geben, in der die Menschen ohne P hysik oder ohne E th ik aus- kom m en; wohl aber kann ich m ir eine Zeit denken, in der man das V erkehrshindernis der V ielsprachigkeit ebenso beseitigen w ir d , wie man die V erschiedenheiten der Masse und Münzen zu beseitigen sucht und schon teilweise beseitigt hat, eine Zeit, bis zu der sich der N ation alitäten ­ begriff sow eit gefestigt hat, dass er eines F eld­

zeichens, wie es heute die Sprache darstellt, nicht m ehr bedarf. W as nun unsere jetzige S tellung zu den Frem dsprachen angeht, so kann ja kein Zweifel darüber bestehen, dass w ir den W ettb ew erb m it anderen Völkern nur aufnehmen, an ihren geistigen G ütern nur teilnehm en können, wenn w ir ih rer Sprache m ächtig sind. Als die Z eit noch w eniger W e rt als heute h a tte , als der W ettbew erb noch w eniger andere A nforde­

rungen stellte, w ar es jedem Einzelnen vergönnt, m it Aufwand von beliebig viel Z eit und Mühe sich die Frem dsprachen, deren er bedurfte, an­

zueignen. H eute fängt auch in diesem P u nk te die A rbeitsteilung an, ihren w irtschaftlichen Vorteil zu zeigen. Zwischen dem frem d­

sprachigen A utor und dem Leser schiebt sich der U ebersetzer ein; fast jedes bedeutende W erk wird sofort in m ehrere Sprachen übersetzt, ja, man liest bereits zuweilen „im A ufträge der Regierung, oder des und des M inisteriums ü ber­

se tz t“. A uf unseren naturw issenschaftlichen

| Gebieten sind w ir an die B enutzung von Ueber- setzungen gew öhn t; dass man auch in das

| V erständnis der altsprachlichen K lassiker und der neueren frem dsprachlichen D ich tk un st durch U ebersetzungen eindringen k a n n , wird selbst von Philologen m ehr und m ehr zugestanden.

| Ich führe n ur den A usspruch des O berreal­

schuldirektors Dr. S c h m i d t in H anau an, der, i selbst Neuphilologe, auf der H auptversam m lung I des „Vereins zur Förderung des höheren latein­

losen Schulw esens“ in M arburg am 7. O ktober 1899 sa g te : „W ir können uns, glaube ich, m it unserer M uttersprache die ganze' W e lt des W issens erobern und brauchen dazu überhaupt keine fremde S prach e“, und erw äh n t: „dass sich gegenw ärtig in England eine Bewegung

j

geltend m acht, die höhere Schulen ganz ohne

fremde Sprachen konstruieren w ill“.

D er letztere Vorschlag d ürfte wohl zu w eit gehen. Unsere schnelllebige Z eit verlangt schon

| die rasche K enntnisnahm e von Tages- und Zeit-

| sch riften literatur, ehe deren In h a lt in grössere

(7)

1 9 0 2 .

No.

4 . Di e Na t u r w i s s e n s c h a f t a l s Gr u n d l a g e d e r a l l g e m. Bi l d u n g.

S. 79.

Sammelwerke, die übersetzt werden, übergeht, nam entlich auf dem G ebiet des H andels, der Industrie und der Technik. Die erleichterten V erkehrsverhältnisse ferner ermöglichen heute einen viel stärkeren Besuch des Auslandes, als vor einem M enschenalter, wovon aber nur die­

jenigen einen Gewinn m itbringen, die der fremden Sprache einigermassen m ächtig sind.

Ob man aus diesen praktischen Gründen die n e u e r e n Frem dsprachen als B estandteile der a l l g e m e i n e n B ildung in Anspruch nehmen oder sie der Fachbildung zuweisen soll, darüber m üsste der P rozentsatz derer entscheiden, die ih rer in der genannten H insicht bedürfen.

Nun können natürlich die Frem dsprachen wie jed er andere N aturgegenstand nach ihren Gesetzen und ih rer E ntw icklung untersucht ! werden — in letzterer H insicht verfährt die vergleichende Sprachw issenschaft sogar nach durchaus naturw issenschaftlicher Methode — und können als M ittel der geistigen Schulung und zur A bleitung der biologischen E ntw icklungs­

gesetze dienen, bieten den N aturw issenschaften gegenüber aber eine derartige Schw ierigkeit in der A neignung des zugrunde zu legenden That- saclienm aterials, dass sie dafür nicht in Frage kommen können. W ohl aber bleibt der Nutzen j bestehen, den uns die Frem dsprache als Spiegel u nserer eigenen Sprache gew ährt.

W enn w ir daher für die allgemeine Bildung die B ekanntschaft m it m indestens einer F rem d­

sprache fordern, so kann doch dem Sprach­

u n terrich t keineswegs m ehr die B edeutung ¡ zuerkannt w e rd e n , die er heute noch dem S achunterricht gegenüber einnimmt. Das V erhält­

nis beider h at P i e t z k e r in seinem bekannten A achener V o rtrag auseinandergesetzt , auf den ich hier wohl verweisen kann.

Gerade von den V ertretern des Sachunter- richtes h ö rt man nun öfter die F rage erörtern, welche G ebiete desselben nun den M ittelpunkt bilden sollen. Ich halte diese E rörterungen für ebenso aussichtslos, wie die U ntersuchung, ob das Gehirn oder der Magen oder ein anderer Teil der M ittelpunkt unseres K örpers sei. Das einheitliche Zusamm enwirken und die Verbindung aller T eile, das ist es, w orauf es bei einem Organismus — und die Schule ist ein solcher — ankommt. Das B edürfnis nach einer Verbindung, nach leitenden Gedanken, ist es denn auch, das die F orderung volksw irtschaftlicher, verkehrs­

geographischer, sozialer B elehrungen, sowie philosophischer E rörterungen und Zusammen­

fassungen in den obersten Klassen erzeugt, die entw eder in dem U nterrich t der sogenannten exakten N aturw issenschaften, oder im Deutschen, oder in einem besonderen proprädeutisch-philo- sophischen U nterrich t ihren P latz finden sollen.

Sieht man sich die zu behandelnden Fragen aber näher a n , so bem erkt man alsbald, dass

| sie entw eder rein biologischer N atu r sind, oder doch zur Biologie in enger Beziehung stehen.

Letztere- ist es denn in der T h a t, die eine V erbindung aller Teile unseres Sachunterrichtes herzustellen vermag. W enn w ir daher die I Forderung ste lle n . dass die N aturw issenschaft

| die Grundlage u nserer allgemeinen Bildung bilden j soll, so müssen w ir betonen, dass dabei der

! Biologie eine besondere B edeutung zukommt

| und müssen uns den Thesen der letzten N atur-

j

forscherversam m lung anscliliessen, in denen eine

! D urchführung des biologischen U nterrichtes durch alle Klassen der höheren L ehranstalten gefordert wird. Ich will hierbei aber die Be­

m erkung nicht v ergessen, dass mir dann auch die D urchführung der Geographie selbstverständ­

lich erscheint. U eberhaupt dürften sich die F orderungen der Geographen, ih r Facli in den

| M ittelpunkt des U nterrichts zu stellen m it

| unseren B estrebungen so ziemlich decken und

| auch nu r aus dem Bedürfnis nach naturw issen-

; scliaftlicher Grundlage liervorgegangen sein, i Da die Geographen von H ause aus der N atur-

i

Wissenschaft fremd gegenüberstehen und erst durch ih r Studium zur E rkenntnis ih rer B e­

deutung für die allgemeine Bildung gelangen, ist es sehr erklärlich, dass sie nun auch die Jugend denselben W eg führen wollen. Es dürfte aber wohl kein besonderer Nachweis erforderlich sein, dass nicht die G eographie die Grundlage der N aturw issenschaft, sondern die N a tu r­

wissenschaft diejenige der Geographie ist.

Nun wird aber, wie in Ham burg, der E in­

wand vorgebracht w erden, woher man denn zur D urchführung der genannten F ächer die Z eit nehmen solle. In welcher R ichtung man hier Vorgehen kann, glaube ich schon angedeutet zu haben. Bei aller Pflege der klassischen L ite ra tu r und des klassischen Geistes, die wil­

dem deutschen, dem geschichtlichen und dem Z eichenunterricht zu w eisen , können w ir die klassischen Sprachen als U nterrichtsfächer n ich t m ehr beibehalten. W enn w eiter in dein neu­

sprachlichen U nterrich t die L ektüre um der Sprache selbst willen betrieben wird, während die Einführung in die fremde L ite ra tu r eben­

falls dem Deutschen zufällt, kann durch F o rt­

fall der eigentlichen U ebersetzungsarbeit in den oberen Klassen viel Zeit gewonnen werden, die

| neben dem Deutschen der Geographie und Bio­

logie zugute kommt. A ber noch viel m ehr muss der B etrieb der Frem dsprachen auf der

| U nterstufe zu G unsten des naturw issenschaft­

lichen U nterrichts eingeschränkt werden. Sollen w ir in letzterem die Grundlage der allgem einen

| B ildung gewinnen, so müssen w ir ihn in einer

B reite betreiben, die n ur durch unm ittelbare

B erührung m it der N atur, und späterhin m it

den verschiedenen Gebieten m enschlicher Thätig-

k eit gewonnen w erden kann. Ich habe h ier

(8)

vornehmlich system atisch betriebene und plan- mässige, nicht gelegentliche, Exkursionen, sowie die B ehandlung aller physikalischer und chemi­

scher G egenstände im Auge, fü r die bereits V erständnis vorhanden ist, um der P hysik und Chemie sp äter um so m ehr Raum und U n ter­

lagen für die technische und kulturelle Seite des U nterrichts zu schaffen. W as der neu- ; sprachliche U nterrich t für die allgemeine B ildung j leisten soll, kann er auch leisten, wenn er erst j nach dem dritten Schuljahr beginnt. In sechs Jah ren kann ein Schüler, auch bei einer ge- j ringeren Stundenzahl als je tz t, sow eit gebracht w erden, dass er die Frem dsprachen für den persönlichen oder schriftlichen V erkehr hin­

reichend beherrscht, oder sich in das V erständnis von F ach z eitsch riften , die auch der jetzige R ealabiturient zunächst nur m it dem W ö rte r­

buch lesen kann, hineinarbeitet. Ich b itte Sie, sich einmal die L eistungen der kaufmännischen F ortbildungsschulen anzusehen, und Sie werden m ir R echt geben, zumal wenn Sie bedenken, u n ter wieviel ungünstigeren V erhältnissen der F ortbildungsschüler arbeitet. Ganz anders als je tz t vorbereitet, werden die Schüler nach einem dreijährigen H erz und Sinne beschäftigenden U n terrich t in N aturkunde, G eographie, M athe­

m atik und vor allem im D eutschen, dem man ; von der gewonnenen Zeit auch einen Teil über­

lassen müsste, an die Frem dsprache herantreten. | G estützt au f die bereits erworbene Sicherheit in der deutschen G ram m atik könnte die in der N aturkunde schon hinreichend entw ickelte F ähig­

keit des Auffassens und Vergleichens sofort für die Aufgabe der Frem dsprache, uns ü ber die E ig en art der M uttersprache zu belehren, nutzbar gem acht werden, und nebenbei eine Menge von Associationen fü r die gedächtnism ässige Aneig­

nung bieten. Nach dem d ritten Schuljahr w ird sich auch die M uttersprache hinreichend ge­

festig t haben, dass die von manchen Neuphilo­

logen gefürchtete Beeinflussung des deutschen A usdrucks durch die Frem dsprache w eniger von B elang ist. Ueber die Stellung des neu­

sprachlichen U nterrichts werden w ir uns m it den Neuphilologen im Verein zur Förderung des lateinlosen höheren Schulwesens auseinanderzu­

setzen haben. Ich will nur erw ähnen, dass schon auf der Versammlung desselben in Mar­

burg im Ja h re 1899 von Professor D a h n der W egfall der frem den Sprachen in Sexta und Q uinta gefordert w urde und D irek to r D ö r r ihm darin beistimm te.

Sie sehen, dass ich in Verfolgung m einer A nsicht, dass es n u r e i n e allgem eine B ildung gebe, auch zur F orderung der E i n h e i t s s c h u l e gelange. W elchen Einfluss dieselbe auf das gegenseitige V erständnis, die gegenseitige W e rt­

schätzung der einzelnen Berufsklassen, und dam it au f die L eistungsfähigkeit der N ation haben

würde, brauche ich wohl nich t auseinanderzu­

setzen. Ich m öchte aber noch darauf hinweisen, dass durch H inausschieben des frem dsprach­

lichen U nterrichts auch die A ussicht auf ein m ehrjähriges Zusammengehen der höheren und niederen Schulen eröffnet wird, dessen soziale B edeutung ja auch schon des öfteren betont wurde.

Nun wird man m ir einw enden, dass der Beginn der B erufsbildung unm öglich bis zum Abschluss der allgemeinen B ildung w arten könne, dass die letztere vielm ehr schon auf der Schule v o rbereitet w erden müsse, wodurch, je nachdem man die eine oder andere B erufsgruppe im Auge habe, eine V erschiedenheit der an der Schule betriebenen F ächer hervorgerufen werde.

W ie, wird man frag en, soll das Studium der alten Sprachen noch möglich sein, wenn die­

selben nich t m ehr auf den Schulen g elehrt w erden? Nun, ich denke, wenn man o rien ta­

lische alte Sprachen ohne V orbereitung durch die Schule studieren kann, wird dies auch bei den klassischen Sprachen ausführbar sein. Das Studium dieser beiden S prachgebiete w ird nach W egfall der altphilologischen Lehi'erschaft ü ber­

h aup t grosse A ehnlichkeit bekommen, indem sie beide eben n u r um ih rer selbst willen betrieben werden. F ü r die fehlende sprachliche V orbe­

reitu n g auf der Schule bekommen die S tudieren­

den durch die naturw issenschaftliche B ildung etwas viel W ertvolleres m it, die Methode, denn i Sprachforschung is t N aturforschung. Die Theo-

J

logen müssen sich das H ebräische ohnehin privatim an eig n en , sollte das nich t auch für das Griechische m öglich sein? Oder sollte für die sp äter in die Praxis tretend e grosse Masse der Theologiestudierenden, wenn w ir bedenken,

| wieviel ih rer W issenschaft sie thatsächlich dem Studium des U rtextes verdanken, nich t am Ende die K enntnis der Bibel in der U ebersetzung ausreichen? Ich m öchte behaupten, dass für sie die K enntnis der Schöpfung, die E n tw ick­

lungsgeschichte der E thik, und in der späteren P raxis die B ekanntschaft m it der G esellschafts­

lehre und der Psychologie, zu der der W eg durch die Physiologie fü hrt, ungleich w ertvoller sei, als die K enntnis des Lateinischen und Griechischen, die je tz t n u r einmal hervorgeholt w ird, um den Sohn fü r die T ertia des Gymna­

siums vorzubereiten, und dann v erstaub t. Die gleichen Erw ägungen gelten auch fü r die Ju risten . Deren völlig unzureichende A us­

bildung, wie sie noch vor n ich t allzu langer

Z eit vom S ta atssek retär des A usw ärtigen beklagt,

von nam haften industriellen K örperschaften der

R egierung zur K enntnis gebracht w urde, und

von hervorragenden Ju riste n zugegeben wird,

lässt sich durch eine veränderte Studienordnung

und durch E inrichtung von F ortbildungskursen

nicht heben, solange sie nicht eine n atu r-

(9)

1902. No; 4.

d i e Na t u r w i s s e n s c h a f t a l s Gr u n d l a g e d e r a l l g e m. Bi l d u n g.

S. 81.

w issenschaftliche Grundlage schon auf der Schule erhält. D er M ediziner brau ch t nicht m ehr Latein und Griechisch als der N aturw issenschaftler.

D enn die Medizin is t angew andte N aturw issen­

schaft, und einer naturw issenschaftlichen G rund­

lage auf der Schule gegenüber könnte das Physikum ru h ig verschwinden. B raucht nun aber nicht der Neuphilologe L atein ? Gewiss, aber das kann er sich ebensogut auf der H och­

schule aneignen, wie der A ltphilologe sich dort heutzutage seinen S anskrit erw erben muss.

Schliesslich könnte dafür aber ein fakultativer U nterricht, wie je tz t für das H ebräische ein­

gerichtet werden. Ein Studium der Philosophie ist heute ohne naturw issenschaftliche G rund­

lage nicht m ehr möglich. F ü r den H istoriker dürfte die naturw issenschaftliche Vorbildung, die ihn auf die allgemeinen U rsachen des ge­

schichtlichen Geschehens hinweist, eine ausser­

ordentliche Belebung bringen, und dem Geo­

graphen ein V erständnis für die Aufgaben seiner W issenschaft, das er sich je tz t erst w ährend seines Studium s erw erben muss, ganz abgesehen von den naturw issenschaftlichen Thatsachen, deren er an einem fo rt bedarf.

Ich w ill Sie nicht dam it aufhalten zu zeigen, wie auch fü r alle anderen höheren B erufsarten, F orst- und Bergfach, P ostfach, M ilitärfach, L and­

w irtschaft, Technik, Industrie, H andel und selbst die K unst die naturw issenschaftliche Allgem ein­

bildung, wie keine andere die Berufsbildung vorbereitet. A ber es ist vielleicht nich t über­

flüssig, darauf hinzuweisen, dass für die Ver­

tre te r der praktischen B erufsarten besonders die biologische G rundlage geeignet ist, allge­

meinere G esichtspunkte in die B erufsthätigkeit hineinzutragen, indem sie die durch Em pirie erw orbenen Begriffe der K onkurrenz, der A rbeits­

teilung und W irtschaftlichkeit m it allen ihren F olgerungen erst w issenschaftlich begründet.

Ich kann nicht scliliessen, ohne darauf hinzu­

weisen, dass in einer Schule m it naturw issen­

schaftlicher G rundlage auch der B e t r i e b die naturw issenschaftlichen Gesetze zu beachten hat.

Da muss denn, was die Schüler angeht, ernstlich auf die B eachtung des Prinzips der Auslese hin­

gewiesen werden. Dieselbe m üsste sich vor allem auf die F äh ig keit des W ollens erstrecken, da uns der W ettbew erb mit den anderen N atio­

nen n ö tig t nur th atk rä ftig e Persönlichkeiten in die führenden Berufe gelangen zu lassen.

Die Stellung, die man in neuerer Zeit der U eberbiirdung gegenüber einnim m t, lässt in dieser R ichtung das B este hoffen.

In der T hätig k eit der L ehrer muss der Ge­

danke der W irtsch a ftlic h k eit leitend sein. Sie verlangt einerseits A rbeitsteilung, d. li. F ach­

u nterrich t, verlangt aber auch anderseits als Vor­

bedingung dafür genauestes Ineinandergreifen der verschiedenen Fächer. W ir müssen daher

von allen L e h re rn , auch den V ertretern des sprachlichen U n te rric h te s, eine naturw issen­

schaftliche Allgem einbildung verlangen, von dem Einzelnen gründliche D urchbildung und dauernde W eiterarb eit in seinem Fach. Diese allein setzt den L ehrer in den Stand, in der Fülle der T h at­

sachen das U nwesentliche vom W esentlichen zu scheiden und den In h alt grösser E rfahrungs­

gebiete auf die einfachste Form zu bringen.

Beim Eindringen in die Tiefe des Faches laufen dem L ehrer erst alle die vielen Fäden in die Hand, die sich nach anderen, häufig scheinbar fernliegenden Gebieten hinüberspinnen und eine lebendige Verbindung aller U nterrichtsgebiete gew ährleisten. Diejenigen, die zw ar die wissen­

schaftliche B erechtigung des Fachlehrertum s an­

erkennen, aber sich nicht an die praktische D urchführung g e tra u e n , mögen doch einige W ochen einmal einen grossen technischen Be­

trieb studieren, und sie werden M ut bekommen.

Dass die an den L ehrer dann zu stellenden Anforderungen bedeutend gesteigert würden, w ill ich zu g eben ; ich glaube aber, dass durch die innere B efriedigung die grössere A nspannung reichlich aufgewogen würde. Sollten sich w irk­

lich einmal L ehrer finden, die nachdem man

i

es in den verschiedensten F ächern m it ihnen versucht hat, sich fü r die Praxis ungeeignet erweisen, so soll man die durch Auslese ent­

stehenden M ehrkosten ebensowenig scheuen, w ie

; beim Offizierkorps.

Die biologischen Gesetze erweisen ferner auch die B erechtigung der Individualität. H ier ist,

| was den L ehrer angeht, noch viel zu thun.

E rfreulich is t es allerdings, w enn neuerdings m ehr und m ehr b eton t wird, dass die Lehrpläne nach dem Geiste und nicht nach dem W o rte gehandhabt werden sollen. Möchte doch auch bei uns die Zeit kommen, da die am tlichen L ehrpläne wie die m ilitärischen D ienstvor­

schriften das V erbot enthalten, dass „von irgend jem and zur Erzielung g esteigerter äusserer Gleich- m ässigkeit oder in anderer A bsicht m ündliche oder schriftliche Zusätze zu der V orschrift ge­

m acht w erden“. „Es soll vielmehr der für A us­

bildung und Anwendung absichtlich gelassene Spielraum nirgends eine grundsätzliche Be-

j

schränkung erfahren “.

Zum Schlüsse möchte ich meine Meinung dahin zusamm enfassen, dass ich die Fassung der These der M ünchener N aturforscherver­

sam m lung: „ F ü r den höheren S chulunterricht k ö n n e n die N aturw issenschaften ebenso ge­

eignete Grundlagen bilden, wie die sprachlich- historischen F äch e r“, nich t anerkennen kann, und deren ursprüngliche Fassung w ieder her­

gestellt sehen m öchte: „Die g e e i g n e t s t e

G rundlage höheren Schulunterrichts s i n d die

N aturw issenschaften“. Die A nerkennung dieser

Fassung erst w ird den A usgangspunkt einer

(10)

w irklichen Schulreform bilden können. Die sogenannten Reformschulen sind und bleiben Sprachschulen.

E rs t die Einheitsschule auf naturw issen­

schaftlicher Grundlage w ird den Zustand be­

seitigen, dass unsere führenden B erufsklassen so wenig von ihrem gegenseitigen Schaffen und von der B edeutung desselben für die Allgemein­

heit wissen, ein Zustand, der nicht, wie die w ahre A rbeitsteilung, zur W irtsch aftlichkeit und zum F o rtsch ritt, sondern zur Z errissenheit und Interessenpolitik, zum U ntergange führt.

Bis je tz t haben die Völker ihre Erziehung empirisch betrieben. Einen empirischen B etrieb g e sta tte t aber heute der allgemeine W ettbew erb auf keinem G ebiete m ehr; denken Sie nur z. B.

daran, wie er uns zur w issenschaftlichen A us­

nutzung der Heizstoffe, zum „rationellen“ B e­

trieb der L andw irtschaft geführt h a t ! Dasjenige Volk, das zuerst seine Erziehung nach den durch die N aturw issenschaft vorgezeichneten G rund­

sätzen um gestaltet, wird einen gew altigen Vor­

sprung vor anderen Völkern erhalten. Möge unsere R egierung einsichtig genug sein, ihn uns zu w a h re n ! Dann werden auch jene G estalten v erschw inden, d ie , als Frem dlinge in unserer A usstellung um herw andernd, das kraftvolle Vor­

w ärtsstreben der Gegenwart, den Idealism us der S tä n d e , die unserer Nation die Lebensw erte schaffen, nicht b egreifen, die der Z eit einen Vorw urf daraus machen, dass sie selbst hinter ih r zurückgeblieben sind, und darum über „die innere Leere unserer äusserlich so glanzvollen Z eit“ klagen.

Man wende aber nicht schliesslich noch ein, dass die Schule rasche Um wandlungen nicht vertragen könne, dass die praktische D urch­

führung unseres Gedankens auf unendliche Schw ierigkeiten stossen w erde, und dass es endlich vor allem an biologischen L ehrkräften fehle. N icht der Organismus selbst, sondern die äusseren Um stände bestimmen, ob und wie schnell er sich abzuändern habe; gerade darin, dass er der V eränderung der äusseren Um stände folgen kann, zeigt er seine D aseinsberechtigung ; kann er nicht folgen, so geht er zugrunde.

W as die Schw ierigkeiten angeht, so pflegt darin für den Ingenieur ein H auptanreiz zur T hätig- k eit zu lie g e n ; lassen Sie uns nicht hinter ihm zurückstehen! An L ehrkräften aber w ird es nicht fehlen. Alle diejenigen, die je tz t in Feld, W ald und F lur, oder am M ikroskope E rsatz dafür suchen, dass es ihnen nicht so, wie sie m öchten, vergönnt is t, der A llgem einheit zu dienen, werden in freudiger B egeisterung sich um ein B anner sc h a a re n , das die A ufschrift t r ä g t : A l l g e m e i n e B i l d u n g a u f N a t u r - w i s s e n s c h a f t l i c h e r G r u n d l a g e !

Zur G eo m etro g ra p M e.

Von R. G ü n t s c h e (Berlin).

Durch das Studium der Arbeiten des Herrn L e - m o i n e über Geom etrograpliie, von denen die letzte kürzlich in der Sammlung S c i e n t i a (P h ys.-M ath . No. 18, Paris, 1902) erschienen ist, bin ich zur A uf­

findung der nachfolgenden beiden geometrographischen Konstruktionen veranlasst worden. Ueber Definitionen und Wesen dieser Wissenschaft habe ich mich in einem anderen A rtikel der U nt.-Bl. (H eft 3), „ U e b e r G e o - m e t r o g r a p h i e “ , ausgesprochen. .Tch möchte bei dieser Gelegenheit auf einen demnächst im Arch. d.

Math. u. Phys. erscheinenden A rtikel hinweisen, in dem ich folgende Konstruktionen m itte ile :

1. V ierte Proportionale zu M, N und P, X = N P N > P, partikuläre Konstruktion, anwendbar im Falle 2 M > P, S : 13.

N2 2. Dritte Proportionale zu N und M, X == 2. parti­

kuläre Konstruktion, anwendbar, wenn 2 M > N , S : 10.

3. Ueber einer gegebenen Strecke als Sehne das eines gegebenen W inkels fähige K r e i s s e g m e n t zu beschreiben, geometrograpbische Konstruktion, S : 20.

4. Die Länge des Radius eines Kreises zu finden, dessen M ittelpunkt nicht gegeben ist, geometrograpliische Konstruktion, S : G.

5. Den M ittelpunkt eines Kreises zu finden, wenn dieser Mittelpunkt nicht gegeben ist, geometrograpliische Konstruktion, S : 11.

Ferner möchte ich auf einen späteren A rtikel auf­

merksam machen, der folgende Konstruktionen enthält, die ebenfalls teils neu, teils Verbesserungen der be­

kannten sind, und von denen einige von Herrn Oberst M o r e a u herrühren:

6. Durch einen Punkt ausserhalb einer Geraden eine Gerade zu legen, die m it ihr einen gegebenen W inkel einschlieSst, 2. geometrographische Konstruktion, S :1 6 .

7. Ein D reieck aus a, a, ß zu konstruieren, geom etro­

graphische Konstruktion, S : 27.

8. Teilung von A B in 0 derart, dass A C : A B = p : q o d e r AC : B A = p : q, geometrograpliische K on­

struktion, S : 17; partikuläre Konstruktion für 2 q ( > AB, S : 15; beide A ufgaben zugleich, partikuläre Konstruk­

tion für 2 q p oder 2 q > A B, S : 17.

9. Das eines W inkels fällige Kreissegm ent (vgl.

No. 3 ), Konstruktion m ittelst des Zirkels allein, S : 2 1 resp. 30.

10. G e m e i n s a m e T a n g e n t e n z w e i e r K r e i s e , F all, dass die K reise sich s c h n e i d e n , 2. geom etro­

graphische Konstruktion, S : 26.

11. G o l d e n e r S c h n i t t (innen und aussen), 4. geo- metrograpliische Konstruktion, S : 13 ; m ittelst des Zirkels allein, S : 17.

12. Z e h n t e i l u n g d e s K r e i s e s , 4. und 5. geo­

metrographische Konstruktion, S : 22, mit dem Zirkel allein, S : 24.

13. V i e r t e P r o p o r t i o n a l e z u M , N und P (vgl. No. 1), 2. bis 7. geometrographische Konstruktion, darunter eine m it dem Zirkel allein, S : 21.

1. E i n e n W i n k e l v o n 4 5 ° ( o d e r v o n 1 3 5 ° ) z u k o n s t r u i e r e n (Scientia, A ufg. X « , S. 20).

G e o m e t r o g r a p h i s c h e K o n s t r u k t i o n (F ig. 1).

— Man zeichne einen Kreis und einen Durchmesser (Rj + R2 -f- C3), der den K reis in A und A' schneidet, ziehe eine beliebige durch A gebende Gerade (Rx -j-R<>),

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