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Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaften, Jg. 17, No. 8

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J a h rg an g X V II.

IInterrichtsblätter

1911. N o. 8.

f ü r

Mathematik und Naturwissenschaften.

Organ des Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts.

B egründet u nter M itwirkung von B ernhard S ch w alb e und F ried rich P ietzk er,

von diesem g eleitet bis 1909, zurzeit herausgegeben von

Prof. Dr. A . Thaer,

D ire k to r d e r O borrealsekule vo r dem H o lstc n to re in H am b u rg .

V e r l a g v o n O t t o S a l l e i n B e r l i n W. 5 7 . Redaktion: A lle fü r d ie R e d a k tio n bestim m ten M itteilu n g en und

Sen d u n g en w erden n u r an die A dresse des D ir. T h a e r , H a m b u rg 36, erbeten.

V erein : A nm eldungen u n d B e itra g sz a h lu n g e n fü r den V erein (5 Mk. Ja h re sb e itra g ) sind a n den S ch atzm eiste r, P rofessor P r e s l e r in H an n o v er, K ö n ig sw o rth e rstra ß e 47, zu rich ten .

Verlag: D er B e z u g s p r e i s fü r den J a h rg a n g von 8 N um m ern ist 4 M ark, fü r einzelne N um m ern 60 P f. D ie V ereinsm it­

g lied er e rh a lte n die Z e itsc h rift u n e n tg e ltlic h ; frü h ere J a h r ­ g än g e sind d u rch denV erlag bez. eine B u c h h d lg . zu beziehen.

A n z e i g e n kosten 26 P f. fü r die3-gesp. N o n p a r.-Z e ile ; bei A ufgabe h a lb e ro d . g a n z e r Seiten, sow ie hei W iederholungen E rm äß ig u n g . — BeH agegebühren n ach U eb erein k u n ft.

N ach d ru ck d er ein zeln en A rtik el ist, w enn ü b e rh a u p t n ic h t besonders ausgenom m en, n u r m it g e n a u e r A ngabe d e r Quelle und m it d e r V erp flich tu n g der E in se n d u n g eines B elegexem plars an den V erlag g e sta tte t.

I n h a l t : V ereins-A ngelegenheiten (S. 141). — I n w elcher B eziehung kann d er biologische U n te rric h t fördernd au f die gesam te G eistesbildung der S chüler w irk en ? Von P rof. Dr. H ö c k in P erleberg (S. 141). — U eber O rtsgedächtnis bei Fischen und seine B edeutung fü r die W anderungen der Fische. Von Dr.

V. F r a n z in F ra n k fu rt a. M. (S. 145). — Die B ehandlung des T aylorschen Satzes in der Schule. V on Dr. G. L o n y in H am b u rg (S. 149). — D eber Schw ingungsbew egungen. Von D ipl.-Ing. C a r l H e r b s t in Bochum (S. 151). — Neue V orschläge zur U m gestaltung des .R echenunterrichts an den höheren M ädchen­

schulen. Von D ir. E M e y e r in M ühlheim a. R u h r (S. 152). — P rof. Dr. T heodor H arm u th f (S. 154).

— K leinere M itteilungen [U m kehrung des Ptolem äus-Satzes (S. 155); — N och eine geom etrische A b ­ leitung fü r sin a d t sin ß, cos ß dz cos a (S. 155); — Z u r H erstellung „heronlscher“ D reiecke. Von Dr.

H . B ö t t c h e r in L eipzig (S. 156). — B em erkung zu d er B erechnung der trigonom etrischen T angenten.

Von Dr. 0 . R i c h t e r in L eipzig (S. 156). — U eher abgekürzte M ultiplikation. V on D irektor B o s s e in Dahme, M ark (S. 156)].— V ereine und V ersam m lungen [K ongreß der Internationalen M athem atischen U nterrichtskom m ission in M ailand vom 18.—21. Septem ber 1911 (S. 156)]. — B ücherbesprechungen (S. 157). — Z u r B esprechung eingetroffene B ücher (S. 160). — A nzeigen.

V e rein s -A n g e leg en h eite n .

Die X X I. Hauptversammlung findet in Halle a. S. vom 27. bis 30. Mai 1912 statt. Den Vorsitz im Ortsausschuß hat H err Geh. R egierungsrat Prof. Dr. W a n g e r i n übernommen. Dieser und der U nterzeichnete sind bereit, Anmeldungen von Vorträgen entgegenzunehmen.

Dr. A. T h a e r , d. Z. Vereinsvorsitzender.

In w e lc h e r B ezieh u n g kann der b io lo g isc h e U n terrich t fördernd au f die g esa m te G e istesb ild u n g der Schüler

w irk en ?

E ig en b erich t ü b e r einen V o rtra g , gehalten anf der V ersam m lung deutscher Schulm änner zu Posen

von P ro f. Dr. H ö c k (Perleberg).

In fast allen amtlichen Schriftstücken, die eine Einzelaufzählung aller Schulfächer unserer höheren Schulen e n th a lte n , wird als letzter wissenschaftlicher Unterrichtsgegenstand unter den Namen N aturkunde, Naturgeschichte oder N aturbeschreibung ein Fach genannt, das haupt­

sächlich die Lehre von den Lebewesen behan­

delt. Es ist also gerade die Biologie, welche unserer Sektion dieser Versammlung den Namen verschaffte, das die letzte Rangstellung an

unseren höheren Schulen einnehmende Fach.

Wodurch mag dies bedingt sein?

Zunächst hängt es unbedingt m it der Ein­

teilung unserer Schulfächer in ethische, fremd­

sprachliche, realistische und technische zusammen, denn von diesen vier Gruppen war auf den Schulen, aus welchen unsere jetzigen höheren Lehranstalten hervorgingen, fast nur die zweite Gruppe und zwar auch diese nur bezüglich der alten Sprachen vertreten.

Doch kann die Geschichte ihrer Einführung nicht allein die Rangstellung der Fächer an unseren Schulen bedingt haben, denn Deutsch und Mathematik, welche auf allen Arten unserer höheren Schulen als Hauptfächer gelten, sind nicht älter als die N aturwissenschaften als U nter­

richtsgegenstände an ihnen, und die neueren

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S. 142.

Un t e r r i c h t s b l a t t e r.

Jahrg. XVII. No. 8.

Fremdsprachen, welche an den . Realanstalten eine ähnliche Rolle spielen wie die alten an den Gymnasien, sind noch später eingeführt.

Dennoch sind alle diese Fächer die tonangeben­

den auf den höheren Schulen; von den N atur­

wissenschaften wird aber gerade die Biologie weder in der Abgangsprüfung, noch bei der Versetzung fast je berücksichtigt; es sei denn, es werde einmal, um einen Schüler durchzu­

bringen, darauf hingewiesen, daß er in der N aturkunde ein gutes U rteil vom Fachlehrer erhalten habe. Ist das Gegenteil der Fall, so werden die schlechten Leistungen m eist nur auf die T rägheit des Schülers zurückgeführt, da die meisten Amtsgenossen annehmen, unser Fach ließe sich leicht erlernen.

Sicher kann die verächtliche Stellung der Biologie in den Schulen nicht durch ihren Ein­

fluß auf die K ultur bedingt sein. Fassen wir das W o rt K ultur in seiner ursprünglichen Be­

deutung als gleichbedeutend m it Pflanzenbau, so gibt es kein zweites Fach, das sich an W ert m it dem unseren messen könnte. Zw ar ist die künstliche Düngung, welche den Ackerbau in den letzten Jahrzehnten so sehr gehoben hat, durch Liebig eingeführt, der an Stelle der alten Theorie von der Hum usernährung der Pflanze seine von der Mineralstoffaufnahme stellte.

Aber die Arbeiten der Biologen haben in letzter Zeit diese Ansicht wesentlich abgeändert. Fach­

genossen gegenüber brauche ich nur auf jenes W echselverhältnis zwischen Pilzen und höheren Pflanzen hinzuweisen, das unter dem Namen M ykorrhiza ihnen allgemein bekannt ist. Mit diesem rechnet aber nicht nur der Forstmann bei der Pflanzung der Holzgewächse, sondern vor allem auch der G ärtner bei der Aufzucht der Orchideen. Auch die Prophylaxis, welche in der Menschen- und Tierheilkunde je tz t eine so große Rolle spielt, ist besonders durch So r a u e r in die Pflanzenpflege eingeführt. Aber wir schätzen -mit R echt ein Fach an unseren höheren Schulen nicht nach seinem W e rt für das täg­

liche Leben. Sonst m üßten w ir den Rechen­

unterricht obenan stellen, denn wer gu t rechnen gelernt hat, in des W ortes w eitester Bedeu­

tung, wird sich am besten durch das Leben durchschlagen.

W ir schätzen ein Fach vor allem nach seinem g e i s t b i l d e n d e n W ert. In der Be­

ziehung-stand es früher aber vielfach m it der N aturkunde schlecht, und darunter haben wir noch heute zu leiden, weil viele unserer Amts­

genossen, und gerade die in leitenden Stellen, oft von ihrer Schulzeit her in dieser Beziehung schlecht beeinflußt sind.

Daß es wirklich traurig in der Beziehung stand, habe auch ich selbst als Schüler er­

nähren, trotzdem ich in einer wichtigen Hafen­

stad t Schleswig-Holsteins eine Realschule I G.,

also eine Schule besuchte, auf der man eine besondere Pflege der Naturwissenschaften er­

w artet haben sollte. A ber der U nterricht in der Naturgeschichte, wie sie damals genannt wurde, lag ganz in den Händen eines semina­

ristisch gebildeten und noch dazu ziemlich al­

ten, sonst uns in sittlicher Beziehung g u t be­

einflussenden Lehrers. Trotzdem damals von VI bis 0 II einschl. je zwei W ochenstunden dem Fach eingeräum t waren und bei der Ver­

setzung nach I eine Ascensionsprüfung sich mündlich nur auf Geographie und N aturge­

schichte erstreckte, waren die Erfolge recht gering. Der U nterricht w ar rein dozierend, und Anschauungsm ittel irgendw elcher A rt wurden wenigstens in den m ittleren und oberen Klassen, welche ich besucht habe, nie verwendet. Es wurde nur der „Kleine Schilling“ vom einen Ende zum ändern durchgesprochen, also wesent­

lich System atik betrieben, ein H auptw ert auf die Einprägung der sog. lateinischen Namen gelegt. Diese bereiteten, da sie bekanntlich z. T. aus dem Griechischen stammen, uns Real­

schülern große Schwierigkeit, da sie uns natür­

lich auch nicht verständlich erklärt werden konnten. Trotzdem ich damals N aturgegenstände fast jed er A rt eifrig sammelte, war selbst mir der U nterricht in der Naturgeschichte vielfach langweilig, und ich muß je tz t als L ehrer dieses Faches sagen, daß eine solche Prüfung, für die nur auswendig gelernt w urde, mir selbst wenig wertvoll erscheint.

W elche Geistesgaben konnten dadurch g e­

fördert w erden? Nur das G e d ä c h t n i s , und zwar fast nur das W o r t g e d ä c h t n i s , denn auch die Unterschiede der Pflanzen und Tiere m ußten auswendig gelernt werden. Das W o rt­

gedächtnis wird aber schon hinreichend in den auf höheren Schulen besonders gepflegten Frem d­

sprachen gefördert. Solche Ueberlegungen haben wohl neben den anderen allgemein bekannten Gründen dazu geführt, 1882 den Naturgeschichts­

un terricht einzuschränken und die erw ähnte Prüfung abzuschaffen.

Etw as anders wurde allerdings damals schon stellenweise die N aturkunde betrieben. In meiner Heimatsprovinz wurde schon zu m einer Schüler­

zeit vielfach „Lennis’ Schulnaturgeschichte“ ver­

wendet und m it Hilfe dieses Buchs wurden Bestim­

mungsübungen vorgenommen, vor allem aber auch soviel wie möglich Anschauungsmaterial ver­

wendet. In diesem Falle konnte der F o r m e n - s i n n gepflegt werden, das W ortgedächtnis durch das S a c h g e d ä c h t n i s gestü tzt w e rd e n .' Alles durch Anschauung Aufgenommene haftet aber besser als Auswendiggelerntes. Auch konnte s ta tt der dozierenden Lehrweise die kateche- tische verw endet werden, was schon ein w esent­

licher F o rtsch ritt war. W enn Blumen oder

Kerfe öder andere N aturgegenstände den Schülern

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1911. No. 8.

De r b i o l o g i s c h e Un t e r r i c h t a u f d i e g e s a m t e Ge i s t e s b i l d u n g.

S. 143.

zur Untersuchung in die Hand gegeben werden, w ird auch die H a n d f e r t i g k e i t , wenn auch nicht in dem Maße gepflegt, wie neuerdings durch physiologische oder m ikroskopische Uebun- gen, die sich aber natürlich nur auf der Ober­

stufe vornehmen lassen. Das Z a h l e n g e d ä c h t ­ n i s , das bei der dozierenden Methode stark belastet wurde, wird bei A nschauungsunterricht w eit w eniger überbürdet. Die Schüler sind meist m it großem Interesse bei solchen Uebungen.

Es ist das also schon ein wesentlicher F o rt­

schritt.

Aber heute ist man noch w eiter gekommen.

Vor allem w ird das Leben der Tiere und Pflanzen mehr in den Vordergrund gestellt, als das früher der Fall war. Doch auch diese Methode, die w ir heute als die ö k o l o g i s c h e bezeichnen, w ar schon zu meiner Schülerzeit angebahnt, wenn sie auch nur wenig geübt wurde.

Schon 1867 hatte H e r m a n n M ü l l e r in L ippstadt auf Wunsch des damaligen preußischen M inisters einen Lehrplan der Naturgeschichte entworfen, der den Lehrern der neu in preu­

ßische Verwaltung übernommenen höheren Schu­

len als Muster empfohlen wurde. Dieser baute auf m orphologischer Grundlage auf, war aber auf der Oberstufe schon vollkommen ökologisch, wie es bei der wissenschaftlichen Bedeutung H. M ü l l e r s für den Ausbau der Oekologie fast selbstverständlich war. Aber diesem Muster folgte man leider wenig, wie aus den oben m it­

geteilten Erfahrungen an einer Schule der da­

mals neu erworbenen Provinzen hervorgeht. Mir wurde der Lehrplan aber schon in meiner Studienzeit durch H- M ü l l e r s A rbeit „Die Hypothese in der Schule“ bekannt.

Noch von zwei anderen Seiten her wurde ich schon auf der U niversität der ökologischen R ichtung zugelenkt. In meinem ersten Studien­

sem ester hörte ich bei E n g l e r eine Vorlesung über „Pflanzengeschichte und Pflanzengeogra­

phie“. Diese wurde bestimmend für meine eigene A rbeitsrichtung. Immer habe ich seit­

dem der Pflanzengeographie mein H auptinteresse zugewandt, besonders mich bestrebt, die Pflanze in ihrer A bhängigkeit von Boden und Klima verstehen zu lernen und ihre Verbreitung mir verständlich zu machen. Es tra t also dadurch neben die Frage nach dem „ W ie ? “ auch die nach dem „W arum ?“

Daß die letzte Frage eigentlich die wichtigere sei, wenn sie auch oft schwer m it Bestimmtheit zu beantw orten sei, brachte uns Studenten vor allem mein L ehrer der Zoologie, K a r l Mo e b i u s , bei, m ehr noch als in seinen Vorlesungen in den Sitzungen der von ihm ins Leben gerufenen und geleiteten „Biologischen G esellschaft“.

Durch diesen Lehrm eister wurde auch J u n g e beeinflußt, der in seinem „D orfteich“ die öko­

logische Methode zur G eltung brachte, aber etwas einseitig übertrieb.

Der Hauptvorzug des U nterrichts auf öko­

logischer Grundlage aber besteht darin, daß durch sie der V e r s t a n d wesentlich gepflegt wird, denn verstandesmäßiges W issen haftet besser als rein gedächtnism äßig angeeignetes.

Es läßt sich dann auch die Lehrweise vervoll­

kommnen, nämlich die e n t w i c k e l n d e Methode auch in die Biologie einführen, die auf dem Gebiete der Physik und Chemie B. S c h w a l b e schon vor Jahrzehnten anwandte.

Man braucht nun aber nicht zu fürchten, daß wir Biologen die Schüler zu reinen Ver­

standesmenschen erziehen wollten. Ganz im Gegenteil, auch die E t h i k und A e s t h e t i k werden von uns in der Biologie gepflegt.

Daß der Sinn für das Schöne im biolo­

gischen U nterrich t gew eckt wird, ist fast selbst­

verständlich, da wir den Formensinn bilden.

Aber auch der Farbensinn wird gleichzeitig entw ickelt. W as kann man wohl schöneres an Einzelwesen einem Schüler zeigen als die Blüte einer I r i s oder O r c h i s , das Gefieder so man­

ches Vogels, die durch Schüppchen hervorge­

rufene herrliche Zeichnung der meisten Tag­

falter. Ja, die Aesthetik ist z. T. durch die N atureindrücke bedingt. W arum w irkt ein sym m etrischer Bau auf unser Auge angenehm, während das Barocke als K unstverirrung zu be­

trachten ist? Nur weil w ir durch den Bau unseres Körpers und den der meisten höheren Tiere an Symmetrie gew öhnt sind. So kann man ähnlich in der Lehre vom menschlichen K örper den Schülern klar m achen, daß die Büsten der alten Griechen m it ihrer Ueber- treibung der Größe des Gesichtswinkels des­

halb auf unser Auge angenehm wirken, weil der größere Gesichtswinkel den Menschen vom Tier, den Kulturmenschen vom Naturmenschen unterscheidet. Aber schöner als die Betrach­

tung von Einzelwesen w irkt noch ihre Zu­

sammenstellung im Landschaftsbilde. Es ist aber eine H auptforderung der Oekologie, daß man die Tiere und Pflanzen in ihrer natürlichen Umgebung betrachtet.

Ausflüge, welche diese A rt der B etrachtung im höchsten Grade fördern, wirken aber auch in sittlicher Beziehung günstig auf den Schüler schon dadurch, daß sie L ehrer und Schüler näher bringen und den Zwang des Klassen­

unterrichtes aufhören lassen. W ir L ehrer können

da vor allem die Schüler vor Tierquälerei

warnen, auch wenn w ir sie zur B etrachtung

der Tiere auffordern. W ir können aber dem

Tierschutz auch einen Pflanzenschutz zur Seite

stellen und dadurch die Naturschutzbewegung

fördern helfen. Eine Hypothese kann hier

stützend eingreifen. W ir zeigen den Schülern,

daß höhere Tiere Schmerzen ähnlich äußern

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S. 144.

U n t e r r i c h t s b l a t t e r.

Jahrg. XVII. No. 8.

wie w ir. Steigen w ir in der Tierreihe abw ärts, so wird die Aehnlichkeit in dieser wie in anderer Beziehung nur allmählich, nicht plötz­

lich anders, so daß auch die niedersten Tiere, welche w ir in freier N atur beobachten, eine ge­

wisse Empfindung zu besitzen scheinen. Die niederen Tiere sind aber, wie w ir den Schülern im biologischen U nterricht zeigen, durch kein einziges Merkmal von den niederen Pflanzen getrennt. W enn w ir jenen seelische E igen­

schaften zuschreiben, müssen w ir das auch bei diesen tun und um so m ehr natürlich auch bei den höheren Pflanzen. Es ist daher recht w ahr­

scheinlich, daß auch die Pflanzen Verletzungen empfinden, wenn sie solche auch nicht so äußern wie w ir und die höchsten Tiere.

Aber noch in vielen anderen Hinsichten können wir fördernd auf das Gemüt der Schüler ein wirken durch ein Fach, das man vielfach in so schroffen Gegensatz zu den sog. ethischen W issenschaften stellt.

Vor allem können wir an den gesellig lebenden Tieren zeigen, daß E inigkeit stark macht. Dies zeigen uns schon in Herden, Scharen usw. zusammen lebende Tiere. Viele Krähen vermögen gemeinsam einen Raubvogel zu vertreiben, während sie einzeln ihm zum Opfer fallen. Aber noch viel deutlicher zeigen die staatenbildenden Kerfe, wie die Fügung in allgemeine Gesetze den einzelnen zugleich mit der Allgemeinheit fö rd ert; ein Anarchist im K erfstaat könnte daher wohl einem Revolutionär im menschlichen Staat als abschreckendes Bei­

spiel dienen.

W ie daher die Staatengesetze als N aturge­

setze den Schülern z. T. klargem acht werden können, so vermögen w ir ihnen zu zeigen, daß viele sog. A nstandsregeln nur Gesundheitsregeln sind, so vor allem die Vorschriften über R ein­

lichkeit, die Schutz gegen schädigende W irkung niederer Lebewesen bieten.

Doch muß die Pflege des W a h r e n der des G u t e n und S c h ö n e n vorangestellt werden.

Eine U ebertreibung ist es z. B., wenn man auf die Schönheit der Bilder für den Anschaungs- unterricht zu großen W e rt legt. Sie müssen in erster Linie naturw ahr sein, können sie gleichzeitig den Schönheitssinn fördern, so ist es natürlich um so besser. Die Forderung der W a h r h e i t ist die w e s e n t l i c h s t e .

Daher gehen w ir immer von der Anschau­

ung aus, wo diese aber aufhört, muß auch die Ueberlegung eintreten. Deshalb dürfen wir die Hypothese, natürlich wiederum besonders auf der Oberstufe, nicht unbenutzt lassen, wie ich schon an dem Beispiel von der Beseelung der Pflanzen zeigte. Die Hypothese muß nur als solche bezeichnet werden, sogar, wenn es nötig ist, auf ihre Schwächen hingewiesen werden.

Auch die in der Chemie als Arbeitshypothesen

benutzten Theorien wie die Jonentheorie oder die Lehre vom asymmetrischen Kohlenstoffatom sind sicher nicht unbedingt bewiesen, dennoch aber lassen sie sich m it Vorteil zur Verknüpfung von Einzelheiten verwenden.

Ganz in gleicher W eise läß t sich im Bio­

logieunterricht der oberen Klassen die sicher nicht minder fest begründete Abstammungslehre benutzen. Durch ihre Einführung werden die systematischen Begriffe zu echten V erw andt­

schaftsbegriffen und dadurch klarer verständ­

lich. Vor allem lern t der Schüler, daß nicht w ir Menschen diese Begriffe künstlich bilden, sondern aus der N atur herauszulesen suchen.

W erden aber die Einteilungsbegriffe wie A rt, G attung usw. so den Schülern verständlich ge­

macht, so können sie zur Benutzung von E in­

teilungsübungen, also zur Anordnung des Stoffes auch in anderen Lehrgegenständen verw endet werden, können den Sprachunterricht, vor allem den in der M uttersprache, fördern helfen. In dieser Hinsicht sind aber auch die schriftlichen Ausarbeitungen von Bedeutung. Doch muß bei solchen, was ich ausdrücklich hervorheben möchte, auf die Sache, nicht auf den sprachlichen Aus­

druck der H auptw ert g elegt werden. Aber das muß meines Erachtens bei den deutschen Aufsätzen ebenso sein, wenn diese w irklich die hauptsächlichsten Arbeiten auf der Schule sein sollen ; sonst erziehen w ir die Schüler zu Phrasen­

helden. U m gekehrt dürfen w ir aber auch bei den Ausarbeitungen die sprachlichen Fehler nicht unbeachtet lassen, denn wir müssen immer daran denken, daß w ir die Schüler nicht für unser Fach, sondern a l l g e m e i n ausbilden sollen.

Daß w ir aber auf die G e s a m t b i l d u n g des Geistes fördernd im biologischen U uter- richte einwirken können, hoffe ich gezeigt zu haben. W ir bilden nicht nur das Gedächtnis, wie viele unserer Amtsgenossen, die unserem Fache fern stehen, zu glauben scheinen, sondern ebenfalls, und zwar in hohem Grade, den Ver­

stand. D er Sinn für das W ahre, aber auch der für das Schöne und Gute, wird in der Biologie gepflegt. W enn wir auch immer von der Anschauung ausgehen, so w ird diese doch durch die Ueberlegung noch w eiter gefördert.

W enn w ir aber die Hypothese auch in die Biologie einführen, so lä ß t sie sich zur Ver- ständlichm achung der Verwandtschaftsbegriffe verwenden und dann zur Ordnung der Gedanken benutzen. Diese volle Ausnutzung der Biologie zur Geistesförderung ist aber nur möglich, wenn w ir sie auf die Oberstufe allgemein einführen.

Diese Forderung der „U nterrichtskom m ission“

muß daher auch von seiten der „Biologischen

Sektion“ hervorgehoben werden. Das war der

H auptgrund m einer Darlegungen. Daß ich den

Fachgenossen nichts neues bieten könne, er­

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1911. No. 8.

ü b e r Or t s g e d ä c h t n i s b e i Fi s c h e n u n d Wa n d e r u n g e n d e r Fi s c h e.

S. 145.

klärte ich sofort dem Obmann unserer Sektion, der mich zu einem V ortrag aufforderte. Daher war mein Bestreben, durch meine Darlegungen den Amtsgenossen, die unserem Fache fern­

stehen, vor allem denen in leitenden Stellen zu zeigen, daß unser Fach nicht einseitig, sondern a l l s e i t i g zu bilden vermöchte. Gerade der Ort, an dem Amtsgenossen aus den verschie­

densten Fächern zusammenströmen, schien mir dazu geeignet.

U eb er O rtsged äclitn is b ei F isc h e n und s e in e B ed eu tu n g für d ie W an d eru n gen

der F isc h e.

V on D r. V. F r a n z (F ran k fu rt a. M.)

W enn man Vorstellungen darüber zu ge­

winnen sucht, wie W anderungsbewegungen von größerer räumlicher Ausdehnung bei Fischen oder wirbellosen Tieren zustande kommen, so hü tet man sich m it Recht vor der berüchtigten Vermenschlichung der Tiere, und man wird die Annahme, daß psychische Faktoren wie z. B.

Gedächtnis oder Intelligenz mit im Spiele sind, zunächst vielleicht nur beim W anderflug der Vögel für diskutabel halten.

Soweit man die W anderungen der Tiere physiologisch analysiert oder zu analysieren ver­

sucht hat, h at man tatsächlich in den meisten Fällen lediglich m it rein reflektorischen Vor­

gängen beim Tiere gerechnet, d. h. man sieht die Ortsbewegungen als ständig aufeinander­

folgende B eantw ortungen der in jedem Falle vor­

handenen Reizeinwirkungen an.

Als Beispiele für solche Anschauungen, die ja sicher im Grunde vieles B erechtigte enthalten, könnte man zunächst die phototaktischen Auf- und Niederwanderungen der Planktontiere an­

führen. So wie man sich dieselben denkt, würden sie tatsächlich rein reflektorisch als ständige A ntw ort auf den jeweils vorhandenen Lichtreiz erfolgen. — Daß ich aus vielen hier nicht darzulegenden Gründen*) in Zweifel ziehen möchte, ob dieses allgemein angenommene P h ä­

nomen in seiner Allgemeinheit und in großem Umfange tatsächlich existiert, ist eine Sache für sich.

Ein anderes vortreffliches Beispiel für eine reflektorisch* zustande kommende W anderung, und zwar bei F i s c h e n , dürfte der jährliche A ufstieg des Lachses sein. Der Reiz, der in jedem Augenblick die Bewegungsrichtung des Fisches dirigiert, ist die Strömung selbst, deren

*) V ergleiche m eine A rb eiten in d er In ternationalen R evue fü r die gesam te H ydrobiologie und H ydrographie 1909—1911. — F e rn e r N aturw issenschaftliche W oehen­

sch rift 1911, S eite 345—348 und A rchiv fü r H ydro­

biologie und P lanktonkunde (ein B ericht zurzeit im Druck).

R ichtung der Fisch m it den Sinnesorganen der Seitenlinie perzipiert.

Als ein anderes Beispiel könnte man an­

führen, daß nach R e i b i s c h s Annahme*) die S c h o l l e n bei der W anderung nach der Tiefe sich hauptsächlich nach dem Neigungswinkel des Grundes, den sie m it ihren Otolithen perzi- pieren würden, orientieren.

Rein reflektorisch könnten die W anderungen der Scholle auch dann sein, wenn man annehmen würde, daß sie im wesentlichen Nahrungswan­

derungen sind, daß also die Schollen auf reichen N ährgründen verweilen, bis sie dieselben abge­

weidet haben und Nahrungsmangel sie p l a n l o s w eitertreibt.

Indessen gibt es Erscheinungen, die wohl andeuten, daß die Annahme rein reflektorischer W anderungsbewegungen bei den Fischen kaum ausreicht. Besonders die außerordentlich w eit ausgedehnten W anderungen der Meeresfische, wie w ir sie im letzten Jah rzeh n t durch die internationale Erforschung der nordischen Meere kennen gelernt haben, gehören hierher. Es hat sich nämlich gezeigt, daß m it großer W ah r­

scheinlichkeit hydrographische F aktoren, d. i.

Tem peratur und ganz besonders der S a l z g e ­ h a l t , m aßgebend für die R ichtung der W an­

derungen sind. W ohl mag der Neigungswinkel des Grundes bei der W anderung der Schollen mitsprechen, aber w ir können ihn weder als das ausschließliche, noch auch nur als das hauptsächlichste Moment betrachten, weil wir ein anderes Moment — eben Tem peratur und Salzgehalt — vorherrschen sehen, und weil auch die Neigungswinkel am Meeresboden größtenteils außerordentlich gering sind. W ohl mögen tem ­ poräre und lokale Anreicherungen des Jleeres- bodens m it Nährtieren stellenweise die Schollen zum Verweilen veranlassen, wie dies neuerdings P e t e r s e n und J e n s e n * * ) mir gegenüber für denkbar erklären. P e t e r s e n s Argum ente be­

ziehen sich zunächst auf den Lim fjord; daß aber in der Nordsee im a l l g e m e i n e n die Nährtiere der Scholle zu jed er Jahreszeit in an­

nähernd gleichen Mengen vorhanden sein müssen, habe ich durch den Hinweis auf die Vieljährig- k eit der in Frage kommenden Muscheln und W ürm er, sowie durch den Nachweis, daß ein W eidegrund, auch wenn ihn die Schollen ver­

lassen, nicht verödet ist, zunächst hinreichend

*) J . R e i b i s e h , B iologische U ntersuchungen über G edeihen, W an d eru n g und O rt d e r E n tsteh u n g der Scholle (Pleuronectes platessa) in d er Ostsee. W issen­

schaftliche M eeresuntersuchung, A bteilung K iel, N. F . B and X H L 1911.

**) C. G. J o h . P e t e r s e n und P , B o y s e n J e n s e n , V aluation o f the Sea. I. A nim al L ife of th e Sea- Bottom , its food and q u an tity (Q uantitative Studies).

F rom T he D anish B iological S tatio n X X . 1911.

Copenhagen.

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S. 146.

Un t e r r i c h t s b l ä t t e r.

Jahrg . XVII. No. 8.

wahrscheinlich gemacht*), und P e t e r s e n scheint mir das gleichfalls anzunehmen.

Nicht nur bei der Scholle, sondern auch bei anderen Seefischen, nämlich beim Schell­

fisch, beim D orsch, bei der Flunder, beim Hering, auch beim Aal m it seinen ungemein ausgedehnten W anderungen ist sichergestellt, und bei vielen anderen Arten ist wahrschein­

lich gemacht, daß das L a i c h e n , die Ablage der im W asser flottierenden E ier und Spermien in Gebieten von ganz bestimmtem S a l z g e h a l t stattfindet, der in manchen Fällen der höchste ist, der für die Tiere erreichbar wäre, in anderen Fällen der niedrigste. So laichen die H eringe regulär in größerer Küstennähe, wo sie salz­

armeres W asser finden als an ihren sonstigen A ufenthaltsstätten. Die Schollen und Flundern der Nordsee aber laichen hauptsächlich in der südwestlichen Nordsee oder der sogen. „Kanal­

see“, in welche der Golfstrom m it salzreichem und warmem W asser eindringt, die Aale unserer Flüsse eilen zum Laichen durch die ganze Ost- und Nordsee bis in den A tlantischen Ozean, in welchem sie erst jenseits von G roßbritannien und Irland den geeigneten Salzgehalt finden.

Diese Tatsachen wären, wenn man die Tiere als reine Reflexmaschinen betrachten w ü rd e , kaunr verständlich. D er Salzgehalt hat keine Kraftlinien, kann also nicht das Tier reflektorisch dirigieren, so daß es wie durch einen „Tropis­

mus“ nach dem geeigneten Gebiet hingelenkt würde. Und wollte man vielleicht m it der „Un­

terschiedsem pfindlichkeit“ rechnen, d. h. würde man annehmen, daß die Tiere von ungeeigneten Gebieten aus p l a n l o s nach allen Richtungen enteilen, bis sie z u f ä l l i g das fürs Laichen ge­

eignete W asser finden, so w ürde man wohl ganz enorme Energieverschwendungen fordern müssen, ja man könnte sich eigentlich kaum vorstellen, daß durch bloße Unterschiedsempfind­

lichkeit der wandernde Aal von einer F lu ß ­ mündung aus nach dem offenen Ozean hin ge­

langt, und wenn es doch so wäre, dann m üßte man schon sehr oft festgestellt haben, daß sich die in Frage kommenden Tiere auch häufig hier- und dorthin v e r i r r e n und das geeignete Laichgebiet keineswegs finden. Solches ist aber nur in ganz vereinzelten Fällen beobachtet worden.

In der F rag e: W i e f i n d e n d i e M e e r e s ­ f i s c h e d e n z u m L a i c h e n g e e i g n e t e n S a l z g e h a l t ? liegt also ein P r o b l e m . Denn der Salzgehalt ändert sich auf ungemein weite Strecken hin nur um wenige Promille**) und

*) V . F r a n z , U eb er die E rnährungsw eise einiger Nordseefische, besonders d er Scholle. W issenschaft­

liche M eeresuntersuchungen. N. F . B an d IX . A b­

teilung H elgoland. 1910.

. **) Ozeanisches W asser h a t etw a 3 ,5 % Salzgehalt, fü r die N ordsee kann 3,2—3 ,3 % als N orm gelten.

das W asser ist am Kopfe des Fisches noch nicht salziger als an seinem Schwanz, und der Fisch kann auf rein reflektorische W eise seinen K örper nicht in die R ichtung der stärksten Aenderung des Salzgehaltes stellen.

Anders läge die Sache, wenn w ir berechtigt wären, den Fischen ein gewisses Maß von Ge­

dächtnis und Assoziationsvermögen, speziell von O r t s s i n n oder O r t s g e d ä c h t n i s zuzutrauen.

Dann könnte der Fisch nach Durchschwimmung längerer Strecken die R ichtung der W eiter­

wanderung davon abhängig machen, ob sich der Salzgehalt des W assers in zusagender oder in ungeeigneter W eise geändert hat. Dann würde er nicht auf p l a n l o s e s S u c h e n angewiesen sein, sondern er würde schon nach verhältnis­

m äßig wenigem suchenden Hin- und Herschwim ­ men die geeignete R ichtung für die W eiter­

wanderung zu f i n d e n und inne zu halten im­

stande sein, und er käme auf viel ökonomischere und fast schon je tz t wahrscheinlichere W eise zu dem für die Laichablage geeigneten Gebiet.

Daher tra t ich der Frage näher, ob w ir den Fischen ein hinreichendes Maß von O rts­

sinn zutrauen dürfen, um die Annahme rein reflektorischer B ew irkung der W anderungsbe­

wegungen zu überwinden.

Eine geordnete und kritische L iteratu r über die Frage nach einem etwaigen Ortssinn bei Fischen existiert bisher nicht. W ir können höchstens in Erw ähnung bringen, daß E d in g e r* ) vor zwölf Jahren durch eine Umfrage Ma­

terial gesammelt hat, welches in nicht wenigen Fällen G e d ä c h t n i s bei Fischen nach weist und in einigen Fällen auch Ortsgedächtnis, wenigstens in kleinen Gebieten erkennen läß t. Durch eigene Versuche der F rag e näher zu treten — es kämen wohl ausschließlich M arkierungsver­

suche in Frage — m ußte ich mir infolge vieler anderer A rbeiten versagen, und ich konnte auch auf diese sicher ungemein zeitraubende A rbeit verzichten, wenn ich wiederum den W eg einer Umfrage betrat. Ich veröffentlichte unter der U eberschrift: „K ennt der Fisch sein Wohnge- w ässer?“ in vielen Fischereizeitungen eine Um­

frage, die reichliches Material einbrachte. Be­

denkt man, daß man auch bei allen Markierungs­

experimenten in hohem Grade auf die vernünftige M itarbeit der Fischer angewiesen ist, da man von diesen doch gewissenhafte Auskünfte über den Ort des W iederfanges der m arkierten Fische fordern muß, so können w ir auch die mir von zahlreichen F ischern, Fischereibesitzern und Sportsanglern zugegangenen Beobachtungen nach eingehender kritischer Sichtung als ein durch­

aus brauchbares Tatsachenm aterial zur B eant­

*) L . E d i n g e r , H ab en die F ische ein G edächt­

n is? M ünchener A llgem eine Z eitu n g vom 21. und 22. O ktober 1899.

(7)

1911.

N o . 8 . Üb e r ö r t s g e d ä c h t n i s b e i Fi s c h e n t)N n Wa n d e r u n g e n d e r Fi s c h e.

S. 147.

wortung von wissenschaftlichen Fragen b e ­ trachten.*)

Zunächst einmal ein besonders m arkantes Beispiel dafür, daß Fische überhaupt ein er­

staunliches hohes Maß von G e d ä c h t n i s be­

sitzen können. Man kann Fische daran gewöhnen, daß sie — sei es in kleinen Aquarien oder in größeren Gewässern — an die F utterstellen herankommen, oder auch sich von ihrem Pfleger m it der Hand aus dem W asser fangen lassen.

W ird dem Tiere aber dabei nur e i n m a l eine Unbill zugefügt, so bleibt es bestim mt an den folgenden Tagen aus oder lä ß t sich nicht mehr fangen. Ein solches Beispiel erw ähnt E d i n g e r von einer Regenbogenforelle, die einmal am Schwänze emporgehoben wurde, und ich weiß einen ganz analogen Fall von einem Stichling zu berichten, der einmal durch Ungeschicklich­

k eit in ein am Boden liegendes Tierfell ge­

fallen w ar und aus ihm nur m it Mühe heraus­

geholt werden konnte.

Das bekannte Heranschwimmen der Gold­

fische und anderer Cypriniden an die F utterstelle zur gewohnten Stunde, auch wenn der F ü tterer einmal ausbleibt, ist natürlich auch ein Beweis für Ortssinn, wenn auch nicht gerade für sehr weitreichenden.

Der Karpfen (Cyprinus vulgaris) vermag sich vielleicht unter allen Fischen die d e t a i l l i e r ­ t e s t e Ortskenntnis anzueignen. Ein Karpfen, der eine flache Stelle aufgesucht hat, entflieht bei Gefahr sofort auf d e m W ege, auf welchem er aus der Tiefe gekommen ist. Beim Auf­

suchen der Laichplätze sollen die Karpfen sogar Vorposten aussenden, die das Gelände nach einem passenden P latz absuchen und dann erst ihre Genossen holen. V ersperrt man die von dem flachen Laichplatz nach der Tiefe führenden Ausgänge durch Netze, so sucht der Fisch­

schwarm, sobald er beunruhigt wird, e i n e n Ausgang nach dem ändern auf, und erst, wenn er alle versperrt findet, bricht Verwirrung und planloses Durcheinandersausen aus; aber selbst innerhalb der Stellnetze orientieren sich die Karpfen noch soweit, daß beim zweiten Antrieb verhältnism äßig viel weniger Fische sich in die Netze verrennen als beim ersten.

Auch andere Cypriniden, z. B. der Goldfisch (Carassius auratus), die Nase (Chondrostoma nasus) und, der Aland (Idus melanotus) haben einige Beweise für ih r Ortsgedächtnis gegeben.

Es scheint bei diesen Tieren sogar etwas w eiter zu reichen als beim Karpfen, aber im einzelnen weniger detailliert zu sein.

Räumlich bedeutend w eiter reichende O rts­

kenntnis ließen manche anderen G attungen er­

kennen. Es handelt sich dabei um solche

Die ausführliche V eröffentlichung des M aterials w ird im A rchiv fü r H ydrobiologie und Planktonkunde erfolgen.

Individuen, die durch Verwundung kenntlich geworden waren und die in w eiter Entfernung von ihren gewohnten Standplätzen' — viele Fische haben ja einen ganz festen Stammplatz, von welchem aus sie Raubzüge in ihrem Ge­

wässer unternehmen — ausgesetzt oder zufällig den Fischern entsprungen waren, und die dann oft in sehr kurzer Zeit, oft auch auf kompli­

zierten, schwer zu findenden W egen wieder ihre gewohnte Stelle fanden.

Einzelne alte H echte (Esox lucius) kehrten in einem Bache auf 600 m hin an ihren Stand­

o rt zurück, aus einem Teiche, der m it dem Fangplatz des betreffenden Hechtes nur durch einen Graben verbunden ist, sogar auf 2 km.

Bachforellen (T rutta tario) auf 150 m, in einem Falle sogar auf 6 km. In einem Bache ist das Wiederfinden zwar verhältnism äßig leicht, aber es liegen auch Beispiele vor, daß die B ach­

forellen ihren Standort wiederfinden, wenn sie hierzu ein Gewirr von Rieselgräben d urch ­ schwimmen m üßten. Eine Aesche (Thymallus vulgaris) fand ihren Standplatz aus einer E n t­

fernung von D/o km wieder, ein Kaulbarsch (Acerina cernus) auf 1 km. Ein Huchen (Salmo hucho) suchte bei jedem Hochwasser einen Bach­

einlauf auf, der unterhalb seines sonstigen W ohngebietes im Flusse lag, ein anderer einen solchen, der oberhalb des W ohngebietes lag.

Dieser letztere Fisch kennt sicher ein Gebiet von 600 X 30 m.

In manchen ähnlichen Fällen wäre vielleicht daran zu denken, daß der „Stam m platz“ nur deshalb m it Sicherheit wiedergefunden wird, weil im fraglichen G ebiet kein anderer geeigneter Platz zu finden ist, so daß auch völlig plan­

losem Suchen die alte Stelle wiedergefunden werden muß. Denn es ist eine jedem Fischer bekannte Tatsache, daß, wenn man einen Fisch von seinem Stammplatz wegfischt, diese Stelle alsbald von einem anderen Fische eingenommen wird, offenbar deswegen, weil sie eben be­

sonders geeignet ist. Aber in den meisten der oben erw ähnten Fälle sind w ir berechtigt, das W iederfinden des Stammplatzes m it Gewiß­

heit auf genaue Ortskenntnis zurückzuführen, denn auf m ehrere hundert oder tausend Meter hätte sich sicher auch eine andere Stelle zum dauernden A ufenthalt gefunden.

Uebrigens sind diese Ortssinnleistungen gar nicht etw as völlig Unerhörtes. Bienen leisten z. B. m utatis mutandis genau dasselbe. Und bei Fischen müssen w ir auch nach vielen weiteren Tatsachen m it rech t ausgeprägtem Ortssinn rechnen. So wird z. B. immer beobachtet, daß beim Ablaufen eines Gewässers nur die jüngsten und kleinsten Individuen in kleinen zurück­

bleibenden Seitenlachen gefangen bleiben und

in Gefahr geraten, zugrunde zu gehen, alle

älteren Individuen „m erken“ das W eichen des

(8)

S. 148.

Un t e r s i c s t s b l ä t t e r.

Jahrg. XVII. No. 8.

W assers sicher ganz genau und finden recht­

zeitig den W eg in die Tiefe zurück. Die an­

geführten Leistungen werden sämtlich von älteren Fischen prom pter und häufiger vollbracht als von jüngeren. Setzt man Fische in einen ihnen noch unbekannten Teich oder in ein System von Teichen, die untereinander verbunden sind, so suchen sie die ihnen nunm ehr zur Verfügung gestellte Umwelt zunächst anscheinend „plan­

m äßig“ ab, bevor sie eine geeignete Aufent­

h altsstätte wählen. Diese und andere, jedem Kenner der Lebensweise der Fische geläufigen Tatsachen, sowie einige eigene Beobachtungen am Aquarium würden es als gekünstelt er­

scheinen lassen, wenn man den Fischen nicht Ortssinn in dem Gebiete, welches sie zu durch­

streifen pflegen, zuerkennen w ollte, und die besonders glücklichen Beobachtungen, die man auch als zufällig angestellte Experim ente be­

trachten darf, lassen uns erkennen, wie w eit räumlich diese F ähigkeit reicht.

Interessant ist auch, zu erfahren, wie w eit z e i t l i c h das Ortsgedächtnis bei Fischen Vor­

halten kann. Goldfische, die aus einem ihnen genau bekannten W asserbehälter auf 4 Monate entfernt und dann wieder zurückgebracht wurden, zeigten sich nach wie vor genau orientiert ( E d i n g e r ) . Auch dafür liegen mir Beweise vor, daß r e g e l m ä ß i g e W a n d e r u n g e n in Binnengewässern von der O rtskenntnis der Fische geleitet werden. Die Fische finden einen als W interquartier dienenden tiefen See, auch wenn sie, um in ihn zu gelangen, einen ganz flachen, Schw ierigkeit bietenden Kanal durchschwimmen müssen. Sie könnten ihn also nicht finden, wenn sie nur der größeren Tiefe nachgingen und nicht aus früheren Streifzügen her „w ü ßten“, wo solche zu finden ist. Sie s u c h e n im H erbste den ihnen bekannten W eg und kommen im F rühjahr auf demselben zurück.

Auch diese Erscheinungen sind in Gebieten be­

obachtet worden, wo es sich um Entfernungen von m ehreren Kilometern handelt. Ja, es wird sogar berichtet, daß die Fische vor der Schleuse H alt machen, wenn diese einmal den früher offenen W eg versperrt.

Das wären etwa die w ichtigsten Tatsachen, nach denen w ir d e n F i s c h e n i n n e r h a l b g e w i s s e r r ä u m l i c h e r G r e n z e n e i n h o h e s M a ß v o n O r t s s i n n u n d d e m O r t s s i n n e i n e h o h e B e d e u t u n g f ü r d i e W a n d e ­ r u n g e n z u e r k e n n e n m ü s s e n .

Anders w ird es vielleicht in größeren Ge­

wässern liegen.

D er Blaufelchen (Coregonus wantmanni) des Bodensees führt alljährlich eine sehr charakte­

ristische Laichwanderung nach einer bestim mten Stelle im Bodensee aus. W ir haben aber keine A nhaltspunkte dafür, ob die Fische hierbei Ortssinn betätigen, oder ob sie vielleicht die

tiefste Stelle des Sees aufsuchen. Im letzteren Falle könnten die sich stets nahe der Ober­

fläche haltenden Tiere auch rein reflektorisch an die geeignete Laichstelle gelangen, indem sie Schritt für S chritt immer dahin ziehen, wo das W asser tiefer ist und von unten her w eniger L icht reflektiert. In noch größeren Gewässern, also im Meere, z. B. in der Nord- und Ostsee, werden w ir zunächst durchaus n i c h t annehmen dürfen, daß die Fische ihr Gebiet soweit, wie sie es tatsächlich durchschwimmen, auch genau kennen. Denn was auf Strecken von einigen Kilometern erwiesen ist, g ilt noch nicht für viele Meilen. A ber w ir dürfen die Annahme eines weitreichenden Ortssinnes auch bei den Meeresfischen nun nicht mehr a limine abweisen, und vor allem m ü s s e n w ir annehmen, daß ein g e w i s s e s Maß von Ortssinn den Meeres­

fischen zum Auffinden der geeigneten Laich­

stätten in der eingangs angedeuten W eise h i l f t . G estützt wird diese Annahme noch dadurch, daß auch ein im Meere weite W anderungen ausführender Fisch, die Flunder (Pleuronectes flesus), in den W atten der Unterelbe deutliche Anzeichen von Ortssinn gerade so gu t wie die oben erwähnten Süßwasserfische erkennen ließ.

Es wäre vollkommen gekünstelt, wenn man sich je tz t noch die W anderungen der Seefische durch bloße Unterschiedsempfindlichkeit, durch planloses Umherschwimmen und rein zufälliges Finden der geeigneten Salzgehaltbedingungen erklären wollte. Ein gewisses Maß von Orts­

sinn, also von Gedächtnis und Assoziationsver­

mögen, wird zweifellos mitspielen und die W anderungsbewegungen ökonomischer gestalten, und nachdem w ir diese F äh ig keit bei den Fischen nachgewiesen haben, erscheinen uns auch die w eitesten ausgedehnten W anderungen im Meere physiologisch v e r s t ä n d l i c h e r als vorher.

Nach zwei Richtungen hin benötigt das Ge­

sagte vielleicht noch einer kurzen Diskussion.

Zunächst hinsichtlich der p s y c h o l o g i s c h e n Seite der Sache. Die Frage, ob die beschrie­

benen Vorgänge bei den Fischen einen W ider­

hall im Bewußtsein der Tiere finden, wird sicher aufgeworfen werden. Die moderne Tierpsycho­

logie w eist m it R echt darauf hin, daß w ir über Psychisches oder B ew ußtsein bei Tieren nichts wissen können, und daß man berechtigt ist, diese Frage gänzlich aus der Diskussion zu lassen, da alle beobachtbaren Vorgänge schließ­

lich ihre E rk läru ng innerhalb des Physiologischen finden m üssen; auch die feinsten Reaktionen des Menschen, mögen w ir sie auch als Ver­

stands- oder Gemütsausdrücke bezeichnen. Dies

ist auch durchaus mein S tandpunkt, obschon

ich gerne dabei ausdrücklich betone, daß w ir

psychologische Vorgänge den Tieren nicht nur

nicht nachw eisen, sondern andererseits auch

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1911. No. 8.

Di e Be h a n d l u n g d e s Ta y l o r s c h e n Sa t z e s i n d e r Sc h u l e. S. 149.

nicht abstreiten können. W enn ich in dem Vorstehenden Ausdrücke der Psychologie ge­

brauchte, so geschah dieses lediglich der be­

quemeren Sprache wegen. Rein physiologisch aufgefaßt, beru h t Ortsgedächtnis darauf, daß Eindrücke, die von der Umgebung auf die Sinnesorgane ausgehen, im Zentralnervensystem Zurückbleiben und m it gleichfalls zurückbleiben­

den Eindrücken von ausgeführten Bewegungen verknüpft werden.

Die A n a t o m i e d e s F i s c h g e h i r n s w iderspricht nicht der Annahme, daß auch dem Fische ein hohes Maß von Gedächtnis und Assoziationsfähigkeiten eigen wäre. Durch Studien hierüber, die zum Teil in Druck ge­

geben sind,*) zum Teil noch w eiter fortgeführt werden, gewinne ich täglich aufs neue den Eindruck, daß das Gehirn der Knochenfische ungemein kom pliziert ist und auch solcher Ein­

richtungen, wie wir sie m utatis mutandis im G roßhirn der Säugetiere vor uns haben, keines­

wegs ganz entbehrt. W ill man von dem Ge­

hirn aus überhaupt Schlüsse auf die S tärke der Gehirnleistungen der Tiere ziehen, was mir aus vielen Gründen allerdings höchst gew agt er­

scheint, so wäre ein Vergleich der meisten Fische m it den m eisten Säugetieren wohl kaum zu kühn. Das Fischgehirn ist nicht so einfach organisiert, wie bisher diejenigen, die es unter­

sucht haben und besonders diejenigen, die es nicht untersucht haben, annehmen.

D ie

B e h a n d lu n g d e s T a y lo r s c h e n S a t z e s in der S c h u le . V on G. L o n y (H am burg).

Daß der naturgem äße A bschluß des m athem atischen Schulunterricht« eine E in fü h ru n g in den G eist u nd die M ethoden der In finitesim alrechnung is t, w ird heute grundsätzlich kaum m eh r bestritten . E benso ist all­

gem ein zugestanden, daß es sich dabei n ich t um ein einfaches H erübernehm en eines frü h e r der H ochschule Vorbehalten gebliebenen G ebietes und noch viel w eniger um eine unbesehene U eb ertrag u n g d e r hier üblichen M ethoden handeln kann. Solange eine allgem ein an­

erk an n te schulm äßige D idaktik dieses G ebietes sich noch n ich t herausgebildet h a t — u n d das ist tro tz der ansehnlichen Z ahl der üb er diesen G egenstand erschie­

nenen S chulbücher bis h eu te n ich t d er F all — , ist der einzelne L e h re r d a ra u f angewiesen, sich seine W ege m eh r oder w eniger selbst zu suchen. D a erscheint es wohl angebracht, daß d er einzelne die E rfahrungen, die er dabei gem acht h at, n ic h t f ü r sich behält, sondern d arü b er zu N utz und From m en der Sache u nd der m itstrebenden Fachgenossen an passender Stelle M it­

teilu n g m acht. Die „U n terrich tsb lätter“ sind wegen ih re r w eiten V e rb reitu n g in den K reisen der M athe­

m atik leh rer hierzu besonders geeignet. W enn ich im folgenden b erichte, auf welche W eise ich es versucht habe, den T a y l o r s c h e n Satz in der P rim a zu be­

handeln, so e rh eb t diese M itteilung n ic h t den A nspruch,

*) E rscheinen in den Zoologischen Jah rb ü ch ern , A b teilu n g für A natom ie.

ein vorbildliches M uster zu sein, sondern sie w ill n u r zeigen, wie man dabei verfahren k a n n , und vielleicht zur K ritik und zu besseren V orschlägen anregen.

D ie B ehandlung der M a c l a u r i n sehen R eihe, aus d er sich ja die T a y l o r s c h e h erleiten läß t, erfolgt in der Schule m eist etw a in folgender W eise: es w ird zunächst gezeigt, daß eine durch eine K urve gegebene F unktion m it beliebiger A nnäherung durch eine ganze F unktion dargestellt werden k a n n , die (geom etrisch gesprochen) durch eine genügend große Zahl auf der K urve liegender P u n k te bestim m t w ird. J e größer m an die Z ahl der P unkte au f dem gegebenen K urv en ­ stück w ählt, um so höher w ird der G rad der ganzen

„E rsatzfu n k tio n “, u n d um so enger schm iegt sich deren K u rv e d er gegebenen K urve an. W ird die Z ahl der eingeschalteten P u n k te unendlich g r o ß , so g eh t die ganze E rsatzfu n k tio n in eine unendliche P otenzreihe über, die also w ahrscheinlich die gegebene K urve genau darstellen w ird. N achdem au f diese W eise plausibel gem acht ist, d a ß eine F u n k tio n im allgem einen durch eine unendliche Potenzreihe d arstellb ar ist, w ird die M a c l a u r i n s c h e R eihe zunächst m it unbestim m ten K oeffizienten angesetzt, die dann durch D ifferentiieren und E insetzen des W ertes x — 0 b estim m t w erden.

Ic h glaube nicht, daß diese (w issenschaftlich ja u n h alt­

b are) H erleitu n g fü r die Schule genügt. F olgender Einw and scheint m ir auch von seiten d er S chüler n ich t ausgeschlossen: H a t m an d ie F u nktion

f(x)

d u rch eine unendliche Potenzreihe dargestellt

f(x') = a0-\-a1x + a2xz-\

[-

an x" + Rn+i,

und b leib t die den R e st d er R eihe zusam menfassende G röße R„ + , fü r alle in B etrac h t kom m enden

x

u n te r­

halb einer sehr kleinen Z ahl, dann h e iß t das geome­

trisch, daß die durch die F unktion Ji„ + i dargestellte K u rv e sich n u r sehr w enig von d er x-A chse nach oben oder unten en tfern t, also etw a so v erläu ft:

F ig . 1.

D ie A bleitung von /'(x ) ist dann

f ' ( x ) = a 1 - \ - 2 a 2 x - \---\ - n a n Xn ~ 1 -f- A'„ + i.

jK'„ + i b ed eu te t geom etrisch den R ich tu n g sfak to r in dem b etrach teten P u n k t d e r durch F ig. 1 dargestellten K urve. Dieser kann n atürlich auch bei noch b o kleinen R a + , seh r g roß sein, so daß es also keineswegs selbst­

verständlich ist, daß in d er R eihe fü r f (x) d er W e rt R ’n _f. i vernachlässigt w erden kann. — D ieser E in wand läu ft d arau f hinaus, daß der lim einer Sum m e bei unendlicher G liederzahl n ic h t gleich d e r Sum m e der lim der einzelnen G lieder zu sein b raucht. W enn d er S atz auch in dieser abstrakten F assung in der Schule n ich t ausgesprochen w ird, au f die in ihm ausgedrückte T atsache kom m en die S chüler leicht noch bei einer anderen G elegenheit: E n tw ick elt m an den A usdruck

1 — j zunächst fü r ganze positive » in

1 _j_ 1 --- - |---

, K ) K )

2■ 3 - n

so sieht auch ein n ich t besonders k ritisch er Schüler, daß, wenn m an h ie r n — oo w erden läß t, das R e su lta t sich durchaus n i c h t o h n e w e i t e r e s als die Sum m e

(10)

S. 150.

U N TER SIC H TSB LÄ TTER .

Jahrg. XVII. No. 8.

der R eib e 1 + i -j- i 4 • ■ z. B. im letzten G lied doch nicht

e r g ib t; denn 1

eg kann gegen 1 ver- nachlässigt w erden. A us diesen und ähnlichen E in ­ w änden folgt, daß es auch fü r die Schule n ich t ange­

zeigt ist, das gliedweise D ifferentiieren von Sum m en ohne w eiteres au f unendliche R eihen zu ü bertragen.

D aß dieses V erfahren bei unendlichen P o t e n z r e i h e n tatsächlich erlau b t ist, b ed arf eines besonderen Beweises.

Falls m an den In teg ralb eg riff (am besten ausgehend vom bestim m ten In te g ra l) vor den unendlichen R eihen behandelt, lä ß t sich dieser Beweis so e rb rin g e n : Man zeigt zunächst, daß m an eine konvergente unendliche R eihe gliedweise integrieren d a rf : I s t

f (*) = <Pq (4) + <Pi ( 4 4 h ü » (*)i so folgt

b b b b

f f ( x ) d x — f 950 (a :)d a ;-j-/ (pi ( x ) d x - \ - • — | - / R „ ( x ) d x .

a a a a

A us der geom etrischen D eu tu n g des In teg rals als Fläche folgt, daß, wenn R„ (#) fü r die in B etrach t kom m enden x unterhalb ein er sehr kleinen Z ahl liegt, dasselbe von

s

/ R„ { x ) d x g ilt. N un zeigt m an, daß das gliedweise

a

Differentiieren einer unendlichen konvergenten R eihe dann g e sta tte t ist, w enn dabei w ieder eine konvergente R eihe h erau sk o m m t: ist f i x ) = <pQ ix) + <p± (x) eine konvergente Reihe, u nd bezeichnen w ir m it f x (x) den W e rt der durch gliedweise D ifferentiation en t­

stehenden R eihe

fl 0*0 = <Po' 0*0 + <Pi 0*0 4

I s t diese R eihe w ieder konvergent, so können w ir das

X

In te g ra l / / ) ( x ) d x gliedw eise bilden:

f fi (x) d x = f <p0' [ x ) d x + f {x) d x -j =

- t

q>0 (x) + rP l 0*0^ 4 = f { x ) — f{a).

D ifferentiiert m an beide Seiten der G leichung / f x (x) d x = f i x ) — f (a)

a

nach x , so folgt

fl 0*0 = f 0*0-

Da nun m it H ilfe des K onvergenzkriterium s ]iin ’h ± } < X

n — oo n "

leicht zu zeigen ist, d aß die durch gliedweise Differen­

tiatio n aus ein er unendlichen P o t e n z r e i h e ent­

springende R eihe stets denselben K onvergenzbereich h a t wie ihre Stam m reihe, so folgt, daß eine P o t e n z ­ reihe gliedweise differen tiiert w erden darf.

W ill m an In te g ra le n ich t benutzen, so lieg t der G edanke nahe, dem in den elem entaren D arstellungen d e r D ifferentialrechnung (z. B. in d er A ufgabensam m -

lung von D ö l p - N e t t o ) gew öhnlich gegebenen Beweis eine anschauliche, fü r S chüler genießbare Fassung zu geben. M an g eh t davon aus, daß man eine gegebene K u rv e durch ihre (u — 1)*2 S chm iegungsparabel im P u n k t m it der Abszisse a approxim iert. Diese ( « — 1)12 Schm iegungsparabel e rg ib t sich, wenn m an sie zuerst m it unbestim m ten K oeffizienten in d e r Form

qp (x) = o0 + (;x — a) - f a2 (a: — d)2 ---4 a„ (x — a)n ansetzt, d urch w iederholtes D ifferentiieren und E in ­ setzen des W ertes x = a zu

<p 0*0 = f ( a ) — «0 4 f

Sie sei in F ig. 2 durch die p u n k tierte K urve dar­

gestellt. N u r fü r x — a stim m t ¡p (x) genau m it f (x) überein. I n der U m gebung von a w eichen die O rdi- naten beider K urven voneinander ab. Die G röße dieser A bw eichung w ird gem essen durch die Differenz

f (x) - <p (x) = f ( x ) — f{ d ) — f- M (x - a ) --- (d)

- y = r ) " ;

Da diese Differenz fü r x — a verschw indet, so lieg t es nahe, zu setzen

1) f ( x ) — <p (x) = ( x — a ) f • R.

V erstehen w ir u n te r p eine beliebige positive Z ahl, so w ird b ei gegebenen x und a die Z ahl R d urch G leichung 1)

definiert. B etrachten w ir nun den A usdruck f ( x ) - f ( a ) ~ f ' ^ ) { x - a ) --- 2) /•(»->) (o)

" - . ( * - « ) ' • B .

D er W e rt dieses A usdruckes ist 0, denn so w ar j a R gew ählt. H a lte n w ir nun den W e rt von R , der nach G leichung 1) zu unserem a u nd x u nd dem angenom m e­

nen p g eh ö rt, fest, ebenso x u n d p, m achen dagegen a variabel, so b le ib t A usdruck 2 n ic h t 0, sondern w ird eine F u n k tio n von a. Bezeichnen w ir das variabel gem achte a d er D eutlichkeit h alb er m it u, so hat m au die F u n k tio n

V’

00

= f ( x ) — f ( t i ) - (X m) — ( x — «)'■ • R.

u) " - 1 -)-p • (x — U )» -' • R.

_ f r i - i ) (U )

( » * - 1)1 D eren A bleitung ist

v >(u ) = - £ nl ^ (x .

D iese A bleitung n im m t sowohl fü r u = x wie für

« = a den W e rt 0 an. S etzen w ir nun tp u nd y>’ als s t e t i g e F unktionen von n voraus (wozu genügt, daß f (x) m it seinem (n — 1) ersten A bleitungen stetig ist), so lä ß t sich sofort geom etrisch veranschaulichen, daß es zwischen a un d x m indestens einen W e rt x 1 von n gibt, fü r den i;/ den W e rt 0 an n im m t:

v/ (arj) = 0 = — ./ C^ L ( x — x , ) " - ' 4 -p ■ ( x — x , ) ? - 1 ■ R.

D araus fo lg t: sind a u n d x beliebige W erte (zwischen denen f (x) m it seinen A bleitungen stetig ist), u nd ist p eine w illkürliche positive Z ahl, so g ib t es einen zw ischen a und x gelegenen W e rt x 1 (d er n atürlich bei festgehaltenem a u nd x m it p sich ändert), der­

art, daß

p ( n — 1) 4 V und

R .

f ( x ) = f ( a ) - ü m

1! (a: — cri 4 ■

4

(11)

1911. No. 8.

Ü B E R SCHWINGUNGSBEW EGUNGEN.

S. 151.

( a )

(x — a) f w («i) • (x — &{)n~

(n 1 p ■ (n — 1 )!

H ie r kann m an durch die speziellen W erte jp — 1 und p = n die beiden üblichen Form en des Restgliedes

erhalten.

Ic h h abe diese H erleitu n g in diesem Ja h re m it gutem E rfo lg e in der O berprim a unserer Schule d urch­

genom m en. Was die gew öhnliche ab strak te F orm dieses Beweises für die Schule u n b rau ch b ar m acht, ist (um ein bekanntes, von S c h o p e n h a u e r auf den E u k li­

dischen Beweis des P yth ag o ras geprägtes W o rt zu ge­

brauchen) ih r „M ausefallencharakter“ : die Schüler geben zw ar die R ich tig k eit aller einzelnen S ch ritte eines solchen ab strak te n Beweises zu, ab er n u r w iderw illig, w eil nicht die Z entralidee des G anzen für sie daraus hervorleuchtet.

G ewöhnlich h ö rt d er L e h re r bei solchen G elegenheiten den E in w a n d : „ J a , das m ag alles stim m en, a b e r w i e k o m m t n u r j e m a n d a u f d i e s e I d e e ? “ F ü r den S chüler ist ein Beweis n ich t schon dann überzeugend, wenn er logisch einw andfrei ist, sondern erst, wenn seine psychologische E ntstehungsw eise n ach erleb t w ird. A uf­

gabe des L eh rers ist es, dem S chüler durch die ganze A rt d er B ehandlung s o w e i t a l s m ö g l i c h das G efühl beizu­

b ringen, als ob ein solches Problem von selbst aus den vor­

hergehenden B etrachtungen hervorw achse, und als ob er (d er Schüler) selbst es sei, der die einzelnen S chritte sich suche. D aß dabei, w enigstens bei schw ierigeren B etrachtungen, ein a u f die geschilderte W eise n ich t auflösbarer R e st bleibt, eine Id ee, a u f die kein Schüler von selbst kom m t, u nd die desw egen einfach m itgeteilt w erden m uß, lieg t in d er N a tu r der Sache • sonst gäbe es ü b erh au p t keine s c h w i e r i g e n Beweise. Bei der obigen H e rleitu n g lie g t dieser (in psychologischem Sinne) irratio n ale R e st in dem G edanken, den A us­

druck 2) als F u nktion von a aufzufassen.

Die an den T a y l o r s c h e n (und M a c l a u r i n s c h e n Satz) Bich anschließenden B etrach tu n g en u nd A nw en­

dungen bleiben dann die ü b lich en : ist lim I?„ = 0,

n

= c o

so e rh ä lt m an die alsdann konvergente T a y l o r s c h c R eihe. D ie B etrachtung, ob in einem gegebenen Falle lim Jt„ = 0 ist, w ird sich zw ar in d er Schule n u r in n = co

den einfachsten Fällen, etw a den Funktionen ex , sinar, cosa; durchführen lassen. Ic h habe sie m it d er oben­

g enannten K lasse (deren D urchschnittsleistungen aller­

dings außergew öhnlich g u t sind) auch fü r lg (1 + x ) und (1 - f x)" d urchgeführt.

W enn die vorstehenden Zeilen den einen oder anderen Fachgenossen dazu anregen, den geschilderten W eg auch einm al in seinem U n terrich t zu probieren, ev. geeignetere V orschläge zu m achen, dann haben sie ihren Zw eck erfüllt.

H eb er S c h w in g u n g s b e w e g u n g e n . Von C a r l ^ H e r b s t , D iplom -Ingenieur (Bochum).

E in e Bew egung sei durch das in F ig. 1 dargestellte G eschw indigkeitsdiagram m geg eb en ; dann is t:

1) v = k ■ sin y , . . d v k • n n t 2 ) P = _ = = - Ä c°s

3)

s = f v d l = k T ’

T l . n t . n t , T x t S m T d T = k - - '

— cos

COSyZI t

( l - c o s y )

H ieraus erh ält m an für : t — 0 : Po = rp~ ;

i = T : pt -

0; Sq = 0 .

v,m = k ; s.v= k - T

/ dT-

/ A

n •

/ 1 -

/ t

U--- < r ---

E s h an d elt sich also um eine sym m etrische Schw ingungs­

bew egung, die in irgend einer K urve vor sich geht-

(Fig. 2). Der anfängliche A usschlag aus d er M ittel­

lage ist d o rt:

k - T . . . . . , x io w = --- folglich k —

71 1

G leichung 3) lä ß t sich nun sc h re ib e n : s = w ^1 — cos ü f j

n t s o

T to to ’

D em nach w ird aus G leichung 2 ):

Die B eschleunigung ist folglich p roportional der jew eiligen A usw eichung aus d er M ittellage.

F e rn e r w ird m it — = m = ^

io i

ZI

4) m

5) p = m2 • o = m2 w cos m t

6) v — m t o - sin m t = m io j / 1 — (j ^ J 7) s = io (1 — cos m t)

1 o

8) t = — arc cos —.

in tc

9) v,v— m - t o ( fü r o = 0).

: m \to2

-vo -

I. F ü r die geradlinie elastische Schw ingung ist (Fig. 3) p — n - o . M it m- — n erh ält m an also hier

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