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Vierteljahrschrift für die Praktische Heilkunde. Jg.36, 1879, Bd. 1

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(1)

VIERTEL J AHRSCHRIFT

F Ü R D IE

PRAKTISCHE HEILKUNDE.

HERAUSGEGEBEN

VON D ER

MEDICINISCHEN FACULTÄT IN PRAG.

XXXVI. JAHRGANG 1879.

HUNDERT EINUNDVIERZIGSTER BAND

o d er

Der Neuen Folge E rster Band.

%

Mit *4 lithogr. Tafeln.

---v~ --- L e ip z ig und P r a g F ü r O estevreicli VERLAG VON C. L. HIRSCHFELD. K. ANDRE’SCHE BUCHHANDLUNG

(C arl R e ichenccker’s V erlag.) i n P ra g .

P rlin n m e ra lio n s - P r e is für den Jahrgang von vier Bänden 20 Mark,

in Oesterreich 10 Fl.

(2)
(3)

VIERTELJAHRSCIIRIFT

EÜE DIE

PRAKTISCHE HEILKUNDE.

HERAUSGEGEBEN

VON DEK

MEDICINISCHEN FACULTÄT IN PRAG.

REDACTION

Dr. JOSEPH HALLA, Dr. JOSEPH HASSER R itter v. ARTHA,

P ro f. d e r 2. m ed. K lin ik . P ro f. d e r A u g e n h e ilk u n d e.

Dr. EDWIN KLEBS, Dr. AUGUST BREISKY, Dr. CARL GUSSENBAUER,

P r o f . d. p a th . A natom ie. P ro f. d er G e b u rtsh ü lfe. P ro f. d e r 2. c h ir. K lin ik .

Dr. ADALBERT WRANY.

1879. Sechsunddreissigster Jahrgang, 1879.

Hiinderteinundviei'zigster Band

odor

Der Neuen Folge Fester Band.

M it 4 lith o g r. T afeln.

_ ---

L E IP Z IG

u n d

P R A G F Ü R O E S T E R R E IC H YERLAG YON C. L. HIRSCHFELD. K. ANDItUSCHE BUCHHANDLUNG

(C arl R e ic h e n e c k e r ’s V e rla g .) in P ra g .

(4)

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B ib lio te k a J a g ie llo r is k a

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(5)

V O R W O R T .

Die V ierteljahrschrift für praktische Heilkunde hat soeben das VII. Quinquennium ihres Bestehens erreicht. Ihre Begründung fiel in die Zeit jenes epochemachenden Aufschwunges, der zu Ende der dreissiger Jah re unter dem mächtigen Anstosse der neueren W iener Schule, auf Grundlage der rasch zu ungeahnter Höhe entwickelten pathologischen Anatomie und der damit in unmittelbaren Zusammen­

hang gebrachten physikalischen Diagnostik, zu Stande gekommen w ar und zu einer Umgestaltung aller medicinischen Anschauungen geführt hatte.

Hochhaltend das Banner der neuen Ideen, begegnete das Unter­

nehmen gleich bei seinem ersten Erscheinen einer ungemein freund­

lichen Aufnahme und hatte binnen Kurzem nicht blos einer ansehn­

lichen Verbreitung, sondern auch einer vielseitigen Unterstützung her­

vorragender Fachgenossen sich zu erfreuen. Ohngeachtet mannigfacher, aus politischen, nationalen und anderweitigen Verhältnissen sich er­

hebenden Schwierigkeiten und ohngeachtet einer alljährlich sich stei­

gernden Concurrenz, hat es sich nunmehr durch fünfunddreissig Jahre zu behaupten gewusst.

Mittlerweile hat unter dem mächtigen Einflüsse der auf allen Ge­

bieten riesig fortschreitenden Naturwissenschaften die gesammte Medicin eine neue Stufe ihrer Entwickelung erreicht und auf dieser, wiewohl es sich nur m ehr um weitere Gliederungen als um principielle Gegen­

sätze handelt, eine wesentlich veränderte Gestaltung gewonnen. Der

fest angelegte alte Grundbau hat so grossartige Erweiterungen und

(6)

IV Vorwort.

eine so reiche innere Ausstattung erfahren, dass die Ausgangspunkte oft kaum m ehr zu erkennen sind und die Gesammtheit des Geschaf­

fenen nicht m ehr zu überblicken ist. Jed er weitere Ansatz erschliesst neue Gebiete der Forschung, die gesonderte Bearbeitung erheischen und auch nach den verschiedensten Richtungen finden.

Wie die W issenschaft im Allgemeinen, so haben die zu ihrer Pflege bestimmten Lehranstalten allüberall und insbesondere auch bei uns vielfache, m itunter selbst sehr umfassende und tief eingreifende Ver­

änderungen erfahren. Ihre Zahl und ihr Umfang haben sich nam haft v erm e h rt; ihre innere Einrichtung wurde immer m ehr vervollkommnet und vervollständigt; die Lehrmittel sind bedeutend reichlicher gew or­

den; hervorragende neue Lehrkräfte wurden herangezogen und ein rühriger Kreis jüngerer Arbeiter betheiligte sich emsig an dem gemein­

samen W erke.

Als die Vierteljahrschrift von der P rager medicinischen F acultät ins Leben gerufen w urde, hatte diese noch eine altherkömm liche weitere B edeutung, die m ittlerweile durch die neue Organisation der österreichischen Universitäten eine den in Deutschland bestehenden Einrichtungen entsprechende Einschränkung erfuhr. Hiervon wurden jedoch die Verhältnisse unserer Zeitschrift nicht sonderlich berührt, da sie j a von jeh er thatsächlich vorzugsweise von dem L ehrkörper getragen wurde. Nach wie vor berufen, den wissenschaftlichen Be­

strebungen des letzteren als Organ zu dienen, ist allerdings als die Grundlegung ihres ferneren Gedeihens eine möglichst kräftige und nachhaltige Unterstützung Seitens der Mitglieder desselben zu be­

trachten und sind diesfalls die bündigsten Zusicherungen gemacht worden.

Um nun den vielfach geänderten Verhältnissen und den gesteigerten Anforderungen der Gegenwart möglichst Rechnung zu tragen , wurde beschlossen, unter Beibehaltung des ursprünglichen Planes, der j a bei seiner Einfachheit keinerlei Verbesserungen und Erweiterungen aus- schliesst, schon mit dem eben erscheinenden 141. Bande eine Reihe demnächst noch in grösserer Ausdehnung durchzuführender wesentlicher Aenderungen eintreten zu lassen, denen durch Eröffnung einer neuen F olge bereits Ausdruck gegeben worden ist.

Behufs einer besseren Theilung der Arbeit und einer vollstän­

digeren Vertretung der H auptfächer der praktischen Heilkunde, haben

(7)

V orwort. V

zur Verstärkung der Redaction die Herren Professoren K le b s , B r e i s k y und G ü s s e n b a u e r ihre freundliche Mitwirkung zugesagt.

Die bisherigen H auptabtheilungen: Originalaufsätze, Analekten, literarischer Anzeiger und Miscellen sollen zwar noch weiter fortbe- stehen, doch w ird das Hauptaugenm erk auf die Aufnahme gediegener Originalarbeiten, namentlich solcher, welche die Thätigkeit der hier- ortigen Anstalten b eu rk u n d en , gerichtet sein. Jederzeit werden uns indessen auch Beiträge ausw ärtiger Fachgenossen, die im. Sinne der neuen Forschung unsere Bemühungen zu unterstützen geneigt sein wollen, sehr willkommen sein.

Die Analekten, die bei dem gegenwärtigen Umfange der einzelnen Disciplinen und dem uns eng zugemessenen Raum ohnehin keinen vollständigen Ueberblick zu gew ähren vermögen, und gegenüber der grossen Zahl jetzt bestehender, sei es alle Zweige umfassender, sei es nur einzelne Theile berücksichtigender Zusammenstellungen und Be­

richterstattungen ihre ursprüngliche Bedeutung eingebtisst haben, w er­

den allmälig auf die Mittheilungen des praktisch W ichtigsten beschränkt w erden; dagegen wird beabsichtigt, sie durch Beifügung kritischer Bem erkungen und Verweisung auf hierorts gemachte einschlägige Er­

fahrungen anziehender und nutzbringender zu machen.

Sie zu ergänzen und womöglich nach und nach zu ersetzen ist der Zweck einer eigenen Unterabtheilung, die vorläufig unter dem T itel: Pathologisch - therapeutische Rückblicke, eingeführt w ird, und der Besprechung einzelner, die Aufm erksam keit in höherem Grade in Anspruch nehm ender Zeitfragen dienen soll. Auch für diese Abthei­

lung sowie für den literarischen Anzeiger werden wir gründliche, aber gedrängte B eiträge von auswärts nach vorheriger Ankündigung und gegenseitigem Einvernehmen stets freundlich begrüssen.

Manuscripte wollen entweder an die Redaction oder an die Ver­

lagshandlung gerichtet werden.

Das Honorar w ird für Originalien in der Regel mit 24 fl. ö. W.

per Druckbogen berechnet, woneben etw a sich empfehlende Ausnahms­

begünstigungen von F all zu F all nicht ausgeschlossen sein sollen;

wegen artistischer Beilagen zu denselben werden besondere Verstän­

digungen Vorbehalten.

Von jed er Originalarbeit liefert die Verlagshandlung 10 glatte

Separat-Abzüge unentgeldlich; wird eine grössere Anzahl beansprucht,

(8)

VI Vorwort.

oder sollen dieselben mit besonderer P aginirung und Titel versehen werden, so tritt hierfür eine entsprechende Entschädigung ein.

Mit der angelegentlichen Bitte um eine freundliche Theilnahm e und um w erkthätige Unterstützung sei auch diese n e u e F o lg e der V ierteljahrschrift dem W ohlwollen des ärztlichen Publicum s, das ih r schon durch so viele Jah re zu Theil geworden ist und das zu be­

w ahren erneute Anstrengungen gemacht w erden, au f das Angelegent­

lichste empfohlen.

P r a g

und

L e i p z i g

im December 1878.

D ie lte d a c tio n . D ie V e rla g s lia n d lu n g .

(9)

Verzeichniss der M itarbeiter.

Von einheimischen Fachgenossen haben ihre Mitwirkung theils schon bethätigt, theils zugesichert die P. T. Herren:

Dr. A nger (Carlsbad).

O berstabsarzt B ern stein . Dr. B ielobradsky.

Prof. B reisky.

Dr. Czapek, Keg.-Arzt.

Prof. E iselt.

Prof. E ppinger.

D r. Jos. F isclil, Privatdocent.

Prof. J . Fischt.

D r. W illi. F ischet.

Dr. G anghofner, Privatdocent.

Prof. G ussenbauer.

Dr. H aa s, Privatdocent.

Prof. H alla.

D r. E. W. H am b u rg er.

Prof. H asn er B . y. A rtlia.

Dr. H eid ler y. H eilborn.

Prof. H ering.

Dr. H ofm eister.

Prof. H u p p ert.

Dr. Jakesch.

Prof. Ja k scli R. y. W a rten h o rst.

Dr. Jandous.

Dr. J ir u s (d. Z. Prof. in Agram).

Dr. Joliannow sky.

Dr. K a h le r, Privatdocent.

Prof. K aulich.

Dr. K irchenberger.

Dr. Kisch.

Prof. Klebs.

Prof. K noll.

Dr. K iczek.

D r. K uk u la.

Dr. Lazansky.

D r. L öw il.

Dr. M aixner.

Prof. Masclika.

Prof. M ayer.

Dr. K e u re u tte r.

D r. O tt, Privatdocent.

Dr. P e tfin a , Privatdocent.

D r. A. P ick . Prof. J . P ick .

D r. P o p p er, Privatdocent.

Prof. P fib ra m .

Prof. R i tte r y. R itte rsh a in . D r. Sclienkl, Privatdocent.

Dr. J . S chütz, Privatdocent.

D r. Schwing.

D r. Sm oler, Privatdocent.

Dr. Soyka, Privatdocent.

Dr. Steffal.

Prof. S tren g . P rof. T oldt.

Dr. T reulich.

Dr. V ä te r y. A rten s, Privatdocent.

Prof. W eber y. Ebenhof.

Dr. W eil.

Prof. W eiss.

D r. W rany.

Prof. Zaufal.

(10)

VIII Vcrzeickniss der Mitarbeiter.

Y 011 auswärts sind uns Beiträge (in den letzten 5 Jahren) zu ge­

kommen von den P. T. Herren:

Prof. A delm ann (Dorpat).

D r. Cohnstein (Berlin).

Dr. F. F a lk (Kreispliysic. in Berlin).

Dr. C rossm ann (Berlin).

Prof. H esclil (früher in Graz, d. Z.

in W ien).

Prof. H ofm ann (früher in Innspruck, d. Z. in Wien).

Dr. K rie g (F rankfurt a. M.).

Dr. 0 . L eich ten stern .

Dr. M ännel (Dresden).

Dr. M archand (Breslau).

Prof. N eugebauer (W arschau).

Dr. P e ltz e r (Berlin).

Prof. P oor (Budapest).

Dr. M ax R unge, Assistent an Prof.

Gusserow’s K linik (Strassburg).

D r. M. S om m erhrodt (Berlin).

Dr. W asylew ski (Krakau).

Prof. W illigk (Ollmtitz).

Die Liste wird entsprechend dem Ergebnisse der versendeten E in ­

ladungen vervollständigt werden.

(11)

Inhalt.

I. Original-Aufsätze.

1. Beiträge zur Pathologie und pathologischen Anatomie des Central­

nervensystems. Von Dr. 0 . K a h l e r und Dr. A rn . P i c k in Prag.

(Schluss folgt.) S. 1.

I. Beitrag zur Lehre von der Localisation der Hirnfunctionen. S. 1.

II. Ein Pall von Worttaubheit. S. 24.

UI. Ueber die Localisation der posthemiplegischen Bewegungs­

erscheinungen. (Hierzu Tafel I.) S. 31.

IV. Ueber Ataxie und Ataxie nach acuten Erkrankungen. Eine klinische Studie. S. 50.

2. Zwei Fälle von paradoxem Puls. Complication des ersten Falles mit Lähmung des linken Vagus. Von Dr. E m e r i c h M a i x n e r in Prag. (Mit 4 Curven.) S. 87.

3. Beiträge zur Kenntniss des Genu valgum. Von Dr. C a r l W e i l in Prag. (Mit 3 lithogr. Tafeln.) S. 99.

Berichtigung. S. 116.

A nsserordentliche Beilage.

Bemerkungen zur Experimentalpathologie des Lungenödems. Von Prof.

S. M a y e r in Prag.

(12)

X Inhalt.

II. Analekten.

Pharmakologie. Ref. Dr. H o f m e i s t e r ... S. 1.

H e h l e r : Wirkungen der Platinverbindungen. S. 1. — E. H a r n a c k : W ir­

kungen des Bleis. S. 2.

Balneologie. Ref. Dr. K i s c h ... S. 4.

F r o m m : Norderney. St. Moritz. S. 4 . — v. W a l d h ä u s l : Dobelbad. W i m ­ me r : Kreuznach. S. 5.

Allgemeine Krankheitsprocesse. Ref. Dr. L a z a n s k y . . . . S. 6.

A. W e i l : Vererbung der Syphilis. S. 6.

Physiologie und Pathologie der Respirations- und Circulationsorgane.

Reff. Dr. Ot t , Prof. K a u l i c h ... S. 13.

II. I v i t t l e r : Paralytische Stimmbandstörungen der Phthisiker. S. 13. — W. H a c k : Endolaryngeale Exstirpation eines Polypen der vorderen Commissur.

F r. M e s c h e d e : Fall von beiderseitiger Lähmung der Glottiserweiterer. E.

F r a n k e l : Veränderungen der Kehlkopfmuskeln der Phthisiker. S. 14. — S a n s o m : Fall von secundärem Croup bei Empyem. P. U n n a : Neues L a­

ryngoskop. S t o r k : Fall von echter Schleimhauthypertrophie im Larynx. S. 15.

— 0. U n r u h : Keuchhusten in Dresden. S. 16. — F e r n e t : Neuritis des pneumogastrischen Nerven als Ursache der acuten Pneumonie. S. IS. — M.

L ö b : Operative Behandlung eitriger Brustfellexsudate im Kindesalter. S. 19.

— R ü h l e : Diagnose der Myokarditis. S. 20.

Physiologie und Pathologie der Harn- und männlichen Geschlechtsorgane.

Ref. Dr. L a z a n s k y ... S. 23.

H. G s c h i r h a k l : Endoskopische Fragmente. S. 23. — Z e i s s l : Behandlung der acuten Epididymitis. S. 25.

Physiologie und Pathologie der weiblichen Sexualorgane (Geburtshülfe und Gynäkologie). Ref. Dr. J o h a n n o v s k y . . . . S. 26.

G u s s e r o w : Stoffaustausch zwischen Mutter und Frucht. S. 26. — M. R u n g e : Wirkung hoher und niedriger Temperaturen auf den Uterus. S. 27. — A.

F r e u n d : Neue Methode der Exstirpation des Uterus. S. 29. — K e h r e r : Dammrisse. S. 30. — F e h l i n g : Jahresbericht der k. Landeshebammenschule zu Stuttgart. S. 31.

Augenheilkunde. Ref. Dr. S c h e n k l S. 32.

D a a e , C o h n , M a g n u s , H o l m g r e u , P f l ü g e r , S t i l l i n g : Farbenblindheit.

S. 32. — D o n d e r s : Quantitative Bestimmung des Farbenunterscheidungsver­

mögens. S. 35. — M a g n u s , C o h n , J a c o b i : Farbenblindheit. S. 36. —

M a g n u s : Geschichtliche Entwickelung des Farbensinns. W e b e r : Grösse

der wahrnehmbaren Farben. S. 39.

(13)

Inhalt. XI Physiologie und Pathologie des Nervensystems. Ref. Primarius Dr.

S m o l e r ... S. 39.

D u r e t : Reizung der Nerven der Dura. S. 39. — L a n d e r B r u n t o n : Re­

flexe. S. 40. — B o u c h u t : Arten der Chorea. S. 41. — D e m e t r i a d e s C o n s t a n t i n u s : Behandlung des Tetanus. K u n z e : Curare gegen Epilepsie.

S. 43. — E r l e n m e y e r : Reflexschwindel. S. 44. — F l e u r y : Paralysis agitans.

S. 46. — T r u b e r t : Phosphorsaures Zink gegen Hypochondrie und Hysterie.

S. 47.

Psychiatrie. Ref. Primarius Dr. S m o l e r ...S. 47.

G. L ä n d e r e r : Traumatisches Irrsein. S. 47. — S h a e : Irrsein durch Kopf­

verletzung und Sonnenstich. B a r t e n s : Psychosen nach Insolation. S. 49.

Oeffentliche Gesundheitspflege. Ref. Dr. P o p p e r ... S. 50.

B e l l : Erkrankung der Wollsortirer. S. 50. — A. H u v e l : Bürstenfabrikation.

S. 52. •— B a u m b l a t t : Fabrikation von Filz aus Thierhaaren. M . P . M i g u e l : Untersuchungen des organischen Luftstaubes. S. 54. — L ö n h o l t , A l f e r ­ m a n n : Neues Aspirations-Ventilations-System. S. 56. •— A. K o l l e r : Schul­

banksysteme. S. 58. — K r e y e n b e r g : Verbesserung der K u n z e ’schen Schul­

bank. S. 60.

Staatsarzneikunde. Ref. Prof. M a s c h k a ...S. 61.

v. R o r e t z : Justification durch das Schwert. H o v a r d : Künstliche Respira­

tion. S. 61.

P ath o lo g isch -th erap eu tisch e R ückblicke.

Die Verlegung und Verengerung der oberen Luftwege. Referirt von Dr.

P. G a n g h o f n e r .

Unwegsamkeit der Nasenhöhlen und des Nasenrachenraums. S. 1. — Laryngo- Trachealstenosen. S. 6. — Behandlung derselben. S. 10. — Neubildungen im Kehlkopfe. S. 12. — Compressionsstenosen der Trachea. S. 17. — Behand­

lung der durch Struma bedingten Trachealstenosen. S. 21.

III. Literarischer Anzeiger.

Dr. H. E u l e n b e r g : Handbuch der Gewerbe-Hygiene auf experimenteller Grund­

lage. Besprochen von Prof. Gi nt l . S. 1.

Prof. R i c h t e r : Chirurgie der Schussverletzungen im Kriege. Besprochen von Dr.

K i r c h b e r g e r . S. 3.

E m m i n g h a u s : Allgemeine Psychopathologie zur Einführung in das Studium der

Geistesstörungen. Angezeigt von Dr. M. Smol e r . S. 4.

(14)

X II Inhalt.

Prof. E. A l b e r t : Beiträge zur operativen Chirurgie. Besprochen von Dr. S o m- m e r b r o d t . S. 6.

Prof. E. A l b e r t : Beiträge zur Geschichte der Chirurgie. Besprochen von Dr.

S o m m e r b r o d t . S. 7.

Prof. Ar n . C a n t a n i : Der Diabetes mellitus. Besprochen von Dr. M. L o i n t . S. 8.

S c h w e i g , S c h w a r z , Z u e l z e r : Beiträge zur Medicinal-Statistik. Besprochen

von Dr. P o p p e r . S. 12.

(15)

Original-Aufsätze.

Beiträge zur Pathologie und pathologischen Anatomie des Oentralnervensystems.1)

Von

D r. Otto K ah le r und D r. A rnold P iek

D ocen ten a n d er U n iv e rsitä t, A ss iste n te n D o ce n te n an d e r U n iv e rs itä t, S ecan d är- an d er m ed. K lin ik des P ro f. H a l l a a rz te an d er L a n d e s irre n a n s ta lt

in P rag .

I . Beitrag zur Lehre von der L ocalisation der H irnfunetionen.

Es kann demjenigen, der die Lehre von der Aphasie mit kritischem Blicke in der Gegenwart verfolgt, nicht zweifelhaft sein, dass, während die Theorie derselben namentlich in Deutschland durch mehrere bedeu­

tende Arbeiten und noch letztlich durch die zusammenfassende Mono­

graphie K u s s m a u l ’s 2) wesentlich gefördert worden, ja , wie man jetzt sogar behaupten darf, zu einem gewiss wohlberechtigten Stillstände ge­

kommen ist, die Lehre von der anatomischen Localisation derjenigen Functionen, deren Complex die Sprache constituirt, seit der durch B r o c a ziemlich sichergestellten und fast allseits anerkannten Localisation der­

jenigen Läsion, welche der von K u s s m a u l (nach dem Vorgänge nament­

lich englischer Autoren) als ataktische bezeichneten Form der Aphasie zu Grunde liegt, kaum irgend einen bedeutenderen Schritt nach vorwärts gethan hat, der auch nur theilweise Anerkennung gefunden. Wie wesent­

lich aber gerade für die Erkenntniss der in Bede stehenden Afifectionen die Localisation der akustischen Eindrücke ist, zeigte so recht drastisch der Beifall, den die von M e y n e r t gefundene vermeintliche Thatsache einer directen Verbindung des inneren Acusticuskerns mit der Insula Beilii erhielt, die Enttäuschung als der Autor selbst diese Thatsache wie­

der aufgab.

W e r n i c k e 3) nur war es, der auf Grund eigener Untersuchungen ein

1) E in z eln e A bschnitte d er folgenden A rb e it w aren von den V erfassern selbstständig au sg earb eite t w orden, dieselben b ild eten jed o ch sp ä ter noch den G egenstand so m annig­

fachen G ed ankenaustausches, dass die V erfasser n ic h t an ste h e n , sie in diese gem ein­

schaftliche P u b lic a tio n autzunehm en.

2) Die S tö ru n g e n d er S prache 1877. 3) D er aphasische Sym ptom encom plex.

E in e psychologische S tudie a u f anatom ischer Basis. 1874.

O rig.-A ufs. 141. Bd. N eue F o lg e 1. Bd. 1

(16)

2 Dr. O tto K a h l e r und Dr. A r n o ld P ic k :

vollständiges Schema für die Localisation der den verschiedenen Formen der Aphasie zu Grunde liegenden Läsionen aufstellte und, was gleich jetzt hervorgehoben sei, das centrale Ende des Acusticus und speciell, m it Bezug auf die Aphasie, das Centrum für die Klangbilder in die erste Schläfewindung verlegte und eine Läsion derselben als die Grund­

lage der von ihm sogenannten sensorischen Aphasie statuirte, die K u s s - m a u l neuerdings als „W orttaubheit“ den schweren Sprachstörungen an­

reiht. Allein gerade diese seine Behauptung, die sich auf einige anato­

mische Daten und zwei eigene Sectionsbefunde stützte, war selbst von der wohlwollenden Kritik wegen des damals entschieden noch mangel­

haften Beweismaterials zurückgewiesen worden und noch K u s s m a u l 1) steht in seiner Kritik der dies bezüglichen Bestrebungen auf diesem ver­

neinenden Standpunkte. Doch will es scheinen, als ob diese Zurück­

weisung, die früher wohl berechtigt scheinen mochte, jetzt Angesichts einer Reihe höchst frappanter physiologischer Thatsachen sich nicht mehr aufrecht erhalten lässt und wir hoffen durch die nachstehende Mittheilung eigener F älle, durch die Anführung einiger anderer aus der Literatur (die wie uns scheint, mit Bezug auf den in Rede stehenden Punkt nicht genugsam geprüft worden sind), Einiges zur weiteren Klärung der Frage beizutragen und zu zeigen, dass ebenso wie die sogleich zu erwähnenden physiologischen Thatsachen auch klinische Beobachtungen dafür sprechen, dass die Localisation der akustischen Erinnerungsbilder im Schläfelappen, wie sie W e r n i c k e zuerst ausgesprochen, in der That berechtigt is t.2)

1) 1. c. S. 150 u. 152.

2) V gl. ein R e ferat von P i t r e s Uber F e r r i e r : T h e fu nctions o f th e b ra in in der Revue m ensuelle J u in 1877. p. 477. I n ähnlichem S in n e sp ric h t sich P i t r e s au ch in seiner jü n g s t erschienenen A rb eit R echerches su r les lesions d u een tre ovale 1877. p. 53 fg. u . 118 aus, fu g t jed o ch h in z u : mais j 'a i h ä te d ’ajo u te r que de nouvelles observations so n t necessaires p o u r ju g e r definitivem ent cette question delicate. I I se p o u rra it tres-bien q u ’u n e etude p lu s a tte n tiv e rcvdlät, dans les cas de le'sions des lobes sphe'no-occipitaux, des tro u b le s sensitifs q u i o n t e'chappe' ju sq u ’ ä p re se n t ä l ’a tte n tio n des cliniciens. Seine b eid en eigenen F ä lle von L äsio n des Schläfelappens k ö n n en für u n se re F ra g e n ic h t entscheidend se in , da sie rasch zum T ode fü h rte n ; beide boten schw erere B ew usstseinsstörungen dar. V gl. a u ch die 4. T hesis B r o a d b e n t ’s am Schlüsse seines V o rtra g e s Uber cerebrale L o calisatio n a u f dem in te rn a tio n a le n Congresse d e r m e- d ieinischen W issenschaften zu G en f 1877 im C orrespondenzblatt fü r Schw eizer A erzte No. 21. S. 655 u n d B a s t i a n , L a n c e t N o. 7. 1874. p. 650. D agegen n ä h e rt sich B r o a d - b e n t th eo retisch (Med. ch ir. T ran sact. Vol. 55. p- 193) d er anatom ischen L o calisatio n der G ehörseindrU cke: „W o rd s as rem em bered sounds w ill be represented by cellgroups a t th e sum m it of th e receptive side of th e nervous System, w hich for reason given is supposed to be situ ated in th e m a rg in a l convolutions o f th e h cm isp h e re“, u n d tre n n t sehr sc h arf die W o rtta u b h e it von den verschiedenen F o rm e n d er A phasie m it R ü c k sich t

(17)

Beiträge zur Pathologie und pathologischen Anatomie des Centralnervensystems. 3

Prüfen wir zuerst die anatomischen Beläge dafür, den Schläfelappen als eine sensorische Region in Anspruch zu nehmen, so fehlt bekanntlich jeder Nachweis einer directen Verbindung desselben mit dem Acusticus, und wir sind angewiesen auf die bekannten, bisher nicht widersprochenen Angaben B e t z ’ 1) , demzufolge die Rinde des Schläfelappens zu den sen­

sorischen Rindengebieten gehört, die gegenüber den motorischen Gebieten durchgreifende histologische Verschiedenheiten aufweisen. Die hierher gehörigen Angaben W e r n i c k e ’s 2) geben nur einen Wahrscheinlich­

keitsbeweis, indem er auf Grund des von ihm gefundenen aus dem ganzen ersten Urwindungsbogen entspringenden und in der Insel convergirenden Fasersystems und aus der angenommenen sensorischen Function des Schläfelappens ( M e y n e r t ) schliesst, dass dieser letztere das Centrum für die Wortbilder s e i.3) (Die klinischen Beobachtungen, auf die W e r - n i c k e seine Ansicht stützt, sollen später angeführt werden.)

Etwas reichlicher sind die Daten, welche uns die physiologische For­

schung der letzten Jahre zur Lösung der in Rede stehenden Frage ge­

geben. Nachdem F e r r i e r schon im Jahre 18754) in einer vorläufigen Mittheilung angezeigt, dass das Centrum für das Gehör beim Affen gekreuzt in den superior temporo-sphenoidal convolutions hege, kommt

a u f die v ersehiedene L o c a lis a tio n : „ b o th as to m en tal condition an d seat of lesion these cases [sc. F ä lle von W o rtta u b h e it u n d W o rtb lin d h e it] w ould be different from am nesic an d aphasic c a se s, th e lesion o ccu rrin g in one d a s s in a p a r t o f th e afferent nervous ap p a ra tu s betw een th e senses an d th e in te lle c tu a l centres; in an o th er in th e in tellectu al centres th em se lv e s; in th e th ird in the first p a rt of efferent nervous a p p aratu s betw een th e suprem e centres an d th e m otor g a n g lia “ (1. o. pag. 176. vgl. a u ch 1. c. p ag. 187).

1) C e n tra lb la tt f. med. W . 1874. N r. 37 u . 38. L o c k h a r t C l a r k e u n d M e y n e r t h a tte n schon frü h e r A ehnliches geäussert. V gl. a u ch B e v a n L e w i s , On th e com- p a ra tiv e stru c tu re of th e cortex cerebri. B ra in . A J o u rn a l of N eurology. P a r t I.

p . 79.

2) 1. c. S. 16ffg.

3) F e r r i e r lo calisirt b e k a n n tlic h au ch G eruch u n d Geschm ack in den tieferen A b sch n itte n des Schläfelappens. Seine B e h au p tu n g ist b isher von k e in e r Seite b estätig t w orden, doch lasst sich von anatom ischer S eite a n fü h re n , dass M e y n e r t u n d L u y s die schon v o n B u r d a c h u n d G r a t i o l e t g ek an n te V e rb in d u n g d er v o rderen Com m issur m it dem Schläfe- u n d H in te rh a u p tsla p p e n b e stä tig e n , w äh ren d M e y n e r t die V e rb in ­ dung der v o rderen Com m issur m it dem R iechlappen nachgew iesen; a u ch aus d er E n t­

w icklungsgeschichte des G ehirns lassen sich einzelne D aten fü r die B eziehungen des S c h lä fe -u n d R iechlappens beibringen. (V gl. v. M i h a l k o v i c z , E n tw ic k lu n g sg esch ich te des G ehirns. 1877. S. 141.) B eim m enschlichen E m b ry o sie h t m an zu A nfang des d ritte n M onates vom k n o p fartig en k lein en R iechlappen einen schlanken bogenförm igen W in d u n g s­

zug an d er u n te re n G renze d er Sylvi’schen G rube n ach rü ck w ärts zum u n te re n E n d e des Schläfelappens ziehen.

4) Procecdiugs of th e royal Society No. 162. 1875.'

(18)

4 Dr. O tto K a h l e r und Dr. A r n o ld P ic k :

er in der zusammenfassenden Darstellung seiner Experimente ') weitläufig darüber zu sprechen. In der Discussion-) der in der Anmerkung ausführlich wiedergegebenen Erscheinungen nach Eeizung der betreffenden Stelle meint F e r r i e r aus denselben auf die Einwirkung einer Gehörswahrneh­

mung schliessen zu dürfen. Als Resultat seiner Exstirpationsversuche, die jedoch niemals den Schläfelappen allein betrafen, sondern nur per exclusionem zu erlangen waren, stellt er hin: Zerstörung beider ersten Schläfewindungen ergibt keinen Defect in der M otilität; bei Zerstörung der Schläfewindung der einen Seite reagirte das Thier gegen Gehörsein­

drücke, wurde aber das andere Ohr mit Wolle verstopft, so blieb die Reaction aus und trat erst bei sehr starken Gehörseindrücken in unmittel­

barer Nähe des Ohres ein ; beiderseitige Zerstörung vernichtet jede Reac­

tion auf Gehörseindrücke.3)

Im Jahre 1876 erschienen die grossen Arbeiten von G o l t z 4), der als das Resultat seiner Beobachtungen über den uns hier interessirenden Punkt mittheilt, dass bei Thieren, denen ein sehr grösser Theil der Rinde

1) T he functions of th e b ra in 1876. D ie elektrische R eizung d er ersten Schläfe­

w in d u n g beim Affen (1. e. p. 144) e rg a b : P rie k in g of th e opposite ear, h ead an d eyes tu rn e d to th e opposite side, p upils d ilate w idely; beim H u n d e (1. e. p . 151): P rie k in g o r sudden re tra c tio n of th e opposite e a r; beim S ch ak al (I.e . p. 1 5 3 ); Sudden re tra c tio n o r p rie k in g o f th e opposite ear. On one or tw o occasions th e a p p licatio n of th e elec- trodes in th is reg io n caused th e anim al to m ake a sudden sp rin g o r b o und forw ard, p rie k in g up b o th e a rs, as if suddenly sta rtle d ; bei d er K atze (1. c. p. 156): T h e ear is suddenly re tra c te d o r p rick ed and th e head an d eyes directed to th e opposite side;

beim K a n in c h e n (1. c. p. 158): Sudden re tra c tio n an d elevation o r p rie k in g up o f th e opposite ear — th is occasionally co inciding w ith a sudden s ta rt ap p aren tly as i f th e an im al w ere a b o u t to bou n d forw ard.

2) 1. c. p. 171.

3) D ie U n tersu ch u n g e n F e r r i e r ’ s sin d b ek an n tlich von physiologischer Seite der G egenstand so leb h after K r itik gew orden, dass es bed en k lich schien, dieselben z u r G ru n d ­ lage d er D e u tu n g k lin isc h e r B eobachtungen zu m achen, w enn n ic h t die geleg en tlich der B e sprechung seiner eigenen sogleich m itz u th eilen d en A rbeiten g eth an e A eusserung H e r t ­ m a n n M u n k ’s (Sitz.-B er. d er B e rlin e r phys. G esellschaft. D eutsche med. W ochenschr.

1877, N r. 15. S. 177), dass er gerade a u f G ru n d d er V ersuche F e r r i e r ’ s g eneigt is t a n ­ zunehm en, dass au ch beim Affen die H o rsp h äre im S chläfelappen lieg t, die a u f unseren G egenstand B ezug habenden B efunde F e r r i e r ’s re h a b ilitire n w ürde. — I n ein er neuesten M itth e ilu n g an die B e rlin e r physiologische G esellschaft (siehe deren V e rh an d lu n g en vom 15. M ärz 1878 im A rch. f. P hysiologie von D ubois 1878. 1. u . 2. H eft. S. 168) sp rich t sic h M u n k noch schärfer ü b er die V ersuche F e r r i e r s aus, allein da er a u ch je tz t d ie H o rsp h äre im S chläfelappen lo c a lisirt, bleiben die Differenzen ü b e r den g enaueren S itz derselben zwischen seinen u n d den A ngaben F e r r i e r ’s ohne B e la n g fü r die klinische V erw e rth u n g am M enschen. V ergl. dazu die B em erk u n g en F e r r i e r ’s in dem neuesten H e fte des B ra in . A J o u rn a l o f N eurolgy. P a r t. I I . 1878. p . 229.

4) U eber die V e rric h tu n g e n des G rosshirns. P flü g e r’s A rchiv X IV . S. 421.

(19)

Beiträge zur Pathologie und pathologischen Anatomie des Centralnervensystems. 5

beiderseits ausgespült und die nach dem Eingriffe fast vollständig blind schienen, eine Beeinträchtigung des Gehörvermögens kaum zu bemerken war; er macht sich dabei1) selbst den Einwurf, dass vielleicht der Ab­

schnitt der grauen Rinde, welcher dem Hören dient, durch seine Lage dem von ihm geübten Verfahren (Durchspülung des Gehirns m it Wasser) entzogen war, hält es jedoch für unerspriesslich solchen Möglichkeiten nachzugehen, indem er abwarten wolle, bis Jemand den Sitz des Gehörs in der Rinde demonstrire. Die Antwort darauf geben die neuesten Ex­

perimente von H e r r m a n n M u n k , die leider bisher nur in kurzen Mit­

theilungen vorliegen. Derselbe fa n d 2) beim Hunde volle Seelentaubheit, wenn die Exstirpation den Schläfelappen nahe an seiner unteren Fläche angreift (Stelle B ); das Thier hat dann die Erinnerungsbilder der Ge­

hörsempfindungen verloren; nach beiderseitiger Exstirpation der betreffen­

den Partieen, nach welcher Operation die Thiere jedoch nur 15 Tage am Leben blieben, trat nur eine minimale Restitution des Hörvermögens ein; er nimmt auch den von G o l t z sich selbst gemachten Einwurf au f.3) Eine wesentliche Bereicherung haben diese Thatsachen durch weitere Untersuchungen M u n k ’s erhalten.1) Hunde, denen das Ohr theils ein- theils beiderseitig zerstört wurde, zeigten gegenüber unverstümmelten bei der viele Wochen später erfolgten Section, dass der früher als Hörsphäre erkannte Schläfelappen in der Norm zurückstand, während sich anderer­

seits der Hinterhauptslappen über die Norm entwickelt fa n d ; auch ge­

lang es jetzt an einem Hunde m it Exstirpation beider Schläfelappen die allmälige Restitution von der Seelentaubheit zu beobachten, die nach etwa einem Monate vollständig war. Gerade diese letztere Thatsache wird uns für die Deutung klinischer Daten von grossem Werthe sein.5)

An diese anatomischen und physiologischen Vorstudien wollen wir nun die Mittheilung zweier eigenen Fälle anreihen und daran das knüpfen,

1) 1. c. S. 440. 2) D eutsche med. W ochenschr. 1877. N r. 13. S. 153.

3) A uch von a n d erer S eite ( W i t t i c h ' s R e ferat ü ber die P h y sio lo g ie in V irchow - H irsc h Ja h resb er. fü r 1876. I., S. 232) w ird hervorgehoben, dass w ir in d er A rb e it von G o l t z jed e A ngabe ü b er d a s , was v erschont g eb lieh en , verm issen. V gl. a u ch H itz ig , C orresp. Bl. f. S chw eizer A erzte 1876. S. 194. V on einiger B e d eu tu n g fü r die in Rede stehende F ra g e sind a u ch die V ersuche V i e l 's (E tü d e clin iq u e et expc'rim entale s u r les differences que p e u t p resen ter la Sym ptomatologie de la m eningo-eneephalite de la con- vexite du cerveau, su iv a n t le siege des’ le'sions. P a ris 1878).

4) B e rlin e r k lin . W ochenschr. 1877. N r. 35. S. 505 fg. D ie neueste v o rh er er­

w ähnte M itth eilu n g M u n k ’s g ib t w eitere bestätigende D aten.

5) Die neueren A rbeiten der C h a r c o t ’schen S chule ergänzen die an geführten D aten in so fe rn , als sie bew eisen, dass der Schläfelappen n ic h t zu den m otorischen R in d e n - p a rtie e n gehört.

(20)

6 Dr. O tto K a h l e r und Dr. A r n o ld P ic k .

was eine Durchsicht der zerstreuten Literatur an diesbezüglichen Fällen ergehen hat.

1. Nach dem Atteste eines Arztes, der Patientin etwa 1 */2 Jahre nach Beginn der Krankheit behufs Ausstellung des Attestes gesehen hatte, stammt diese, eine 42jährige bis zur letzten Krankheit vollständig gesunde Bäuerin, von gesunden Eltern. Im Juli 1875 soll sie sich nach Angabe ihres Mannes in Folge eines kalten Trunkes ein Unwohlsein zugezogen haben, dessen hervorstechendste Erscheinung Kopfschmerz war; nach etwa dreimonatlicher Dauer desselben verlor sie angeblich die Sprache, später auch das Gehör; seit einem Jahre zeigten sich auch Zeichen von Geistesstörung; die früher fleissige Frau wurde arbeitsscheu, lief unbekümmert um das Wetter oder die Tageszeit im Hemde auf die Strasse, würgte sowohl ihre eigenen wie auch fremde Kinder ohne Ursache, warf endlich brennendes Holz im Zimmer und im Hofe umher. Zu erwähnen ist noch aus dem Mitte October aus­

gestellten Atteste, dass der Gang der Patientin ein sicherer war, dass sie auf ge­

stellte Fragen keine Antwort gibt, dagegen den ganzen Tag über unarticulirte Laute vor sich hin murmelt. Aus den kurzen Notizen aus der Prager Irrenanstalt, deren Benützung Herr Director Prof. Dr. F i s c h e i freundlichst gestattet, theilen wir Folgendes mit:

Bei der Aufnahme stösst sie einige unarticulirte Laute aus, schreit und weint, als man ihr die Kleider auszieht. Während ihres ganzen Aufenthaltes hatte sie einen einzigen Anfall von Bewusstlosigkeit ohne Krämpfe, sie fiel dabei vom Sessel und lag cyanotisch durch etwa ’/4 Stunde da. Sonst sitzt sie den Tag über apa­

thisch da und murmelt unverständlich vor sich hin; die einzigen verständlichen Worte, die sie hervorbringt, sind „Tschen, Tscho“ ; beim Essen wird sie etwas lebhafter, brummt auch während desselben fortwährend; gegen äussere Einflüsse reagirt sie fast gar nicht, auf gestellte Fragen antwortet sie nicht, nickt jedoch zu denselben hie und da mit dem Kopfe, ein Beweis, dass sie dieselben wohl hört, während der Umstand, dass Patientin zu Allem, selbst den einfachsten Verrichtungen, durch die Wärterin angehalten werden muss, zeigt, dass sie die mündliche Aufforderung nicht

versteht; sie gilt allgemein als taub; */2 Jahr nach ihrer Aufnahme ging sie an

Lungenödem zu Grunde.

Die Section, P.-Nr. 736, 1877, ergab Folgendes: Schädeldach mittelgross, breit, mässig dick, diploehaltig, Gefässfurchen ziemlich breit und tief; Dura mater massig blutreich, im Sinus long. lockere Blutgerinnsel; Innenfläche der Dura g la tt; innere Meningen besonders am linken Scheitellappen etwas getrübt, im Allgemeinen stark durchfeuchtet, zeigen starke Füllung der feineren Gefässe, die Windungen der Stirnlappen und links auch die Centralwindungen scheinen etwas verschmälert, die Furchen zwischen denselben verbreitert und von Serum erfüllt. Am linken Schläfe­

lappen zeigt sich die Pia etwas gallertig, gelblich und weniger injicirt als die des rechten Schläfelappens; die Seitenventrikel wenig dilatirt, mit'klarem Serum gefüllt;

Hirnsubstanz ziemlich stark durchfeuchtet, von massigem Blutgehalt, Rinde der Stirn­

windungen stellenweise sehr schmal, grau gefärbt; mittlerer Ventrikel leicht dila­

tirt, Plexus von rothbrauner F arbe, Centralganglien schlaff, blass; Substanz des Kleinhirns von guter Consistenz, mässig durchfeuchtet, von gewöhnlichem Blut­

gehalt; die Windungen des’ linken Schläfelappens erscheinen verbreitert, enge an

einander gepresst, die Consistenz derselben sehr weich und gallertig; beim Ein­

(21)

Beiträge zur Pathologie und pathologischen Anatomie des Centralnervensystema. 7

schneiden zeigt sich das Gewebe erweicht, die Grenze zwischen Rinde und Mark undeutlich. Eine genauere Untersuchung ergibt, dass auch der rechte Schläfe- lappeu in geringerem Maasse erweicht ist. Auf dem Frontalschnitte durch das ganze Gehirn (die Schläfelappen mit inbegriffen) zeigt sich, dass die Affection zu­

meist auf die Rindensubstanz beschränkt ist und rechts sämmtliche Schläfewin- dungen mit Ausnahme der basalen, links dieselben Abschnitte, ausserdem aber noch die hintere Hälfte der dritten Stirnwindung betroffen hat; nach vorn reicht sie beiderseits nahe bis zur Spitze des Schläfelappens, nach rückwärts bis zur Grenze des Hinterhauptslappens; die Erweichung grenzt sich ziemlich scharf an der Fossa Sylvii gegen die Centralwindungen ah. Die Gefässe der Basis enthalten flüssiges und geronnenes Blut, nirgends Thromben älteren Datums; Brücke und verlängertes Mark ohne Veränderung. Schädelbasis vollständig intact.') Das Rückenmark zeigt (auch mikroskopisch) keine secundäre Degeneration.2)

So unvollständig auch die klinischen Daten des vorstehenden Palles sind, so hieten sie doch eine Anzahl interessanter P un kte; vor Allem der acute Beginn unter Erscheinungen, die auf den Sitz des Leidens in der Schädelhöhle schliessen lassen, die bald darauf folgende Sprachstörung, sowie die angenommene Taubheit. Auch ohne den jetzt vorliegenden Sectionsbefund wäre man berechtigt, den Sitz der Affection im Gehirne vorauszusetzen. [Nicht minder interessant ist das Fehlen jeder Bewegungs­

störung (selbst während eines Anfalles von Bewusstlosigkeit)3), das jetzt, wo wir über das motorische Rindengebiet heim Menschen durch die klinischen Arbeiten C h a r c o t ’s und seiner Schule zahlreiche Daten be­

sitzen, nicht mehr auffallen bann, während allerdings früher die Sympto- menlosigkeit der Fälle von sogenannter latenter Encephalitis, die die Section erst aufdeckte, und die nicht gar selten gerade im Schläfelappen localisirt waren, unerklärlich blieb4) ; übereinstimmend damit vermissen wir auch die secundäre Degeneration entsprechend den von C h a r c o t 5) mitgetheilten Untersuchungen, denen zufolge von Läsionen der Gross-

1) Ohne a u f das P athologisch-A natom ische des F a lle s n ä h e r einzugehen, bem erken w ir n u r, dass derselbe von H e r rn P ro f. K l e b s als ein F a ll von ech ter E n cep h alitis e r ­

k lä r t w urde.

2) E in e n z u fällig g em achten, h ie r belanglosen B efund im L en d en tk eile w erden w ir u n te n m itth eilen .

3) A uch dieser U m stand ist se h r w erthvoll, indem er eine negative B e stätig u n g der neuestens von C h a r c o t u n d P i t r e s erw iesenen T hatsache lie fe rt, dass die sogenannten p a rtie lle n E pilepsieen a u f ein er R eizung der m otorisohen R in d en p a rtieen b eru h en . (Revue m ensuelle. J u in 1877. p. 4 4 0 .)

4) E in e von französischen A u to re n c itirte D issertation V a u t t i e r ' s , E tü d e su r le ram ollissem ent la te n t 1868, sc h ein t n ic h t in den B u c h h an d el gekom m en zu sein.

5) Lee. su r les localisat. etc. 1876. p. 156 u n d 166 u n d Revue m ensuelle 1877.

1. H ft. p. lOffg. F l e c h s i g , U eber S ystem erk ran k u n g en im R ückenm ark. A rchiv f ü r H e ilk u n d e 1877. 3. H ft. S. 317 b e stä tig t die A ngaben C h a r c o t ’s.

(22)

8 Dr. O tto K a h le r und Dr. A r n o ld P ic k :

liirnrinde nur solche der motorischen Zonen secundäre Degeneration der absteigenden Bahnen nach sich ziehen. Betrachten wir die Sprachstörung, so bedarf es keiner ausführlichen Darlegung, dass es sich um eine schwere motorische ( W e r n i c k e ) oder ataktische Aphasie handelt, die nach Allem, was wir bisher wissen, auf die bei der Section gefundene Läsion der hin­

teren Hälfte der dritten linken Stirnwindung zu beziehen sein wird. Für die Berechtigung, die vorhandene sensorische Aphasie ( W e r n i c k e ) oder Worttaubheit ( K u s s m a u l ) — trotz der geringen Anhaltspunkte scheinen dieselben doch genügend zur Annahme einer solchen — auf die Affection der Schläfelappen zu beziehen, spricht der klinische V erlauf; die später aufzuführenden Fälle und die daran sich knüpfende Erörterung werden derselben eine weitere Stütze bieten. >) Nicht geringe Schwierigkeit be­

reitet die Erklärung des ziemlich hochgradigen apathischen Blödsinnes in unserem Falle, den die Meisten wohl geneigt sein dürften auf die allgemeine Ernährungsstörung des Gehirnes zu beziehen. Allein es scheint gerade m it Bezug auf unseren Fall, der eine seltene Form der Ausschal­

tung beider Schläfelappen aufweist, bemerkenswerth, dass W e r n i c k e 2) auf theoretischem Wege das Bild eines Kranken construirt, dem die Be­

griffsregionen (also nach seiner Annahme wohl die Schläfelappen) in ihrer Gesammtheit an beiden Hemisphären entfernt sind, und zu dem Schlüsse kommt, dass der tiefste thierische Blödsinn zu Stande kommen m üsse3) ; er knüpft weiter an, dass der Mechanismus der Sprache nicht zu leiden brauche, was allerdings in unserem Falle in Folge der Betheiligung der B r o c a ’schen Stelle der Fall gewesen.

Dem vorstehend mitgetheilten Falle sind wir in der Lage einen zweiten anzureihen, der ebenfalls geeignet scheint, die Eichtigkeit der Ansicht W e r n i c k e ’s vom Sitze der Hörsphäre im Schläfelappen zu er­

weisen.

1) W ir sind u n s des scheinbar schw erw iegenden E in w u rfes, dass eine U n te rsu c h u n g des G ehörorganes feh lt, bew usst, g lau b en jedoch, dass die ganze A rt des V erlaufes, der d irecte A nschluss an die a c u t aufg etre te n e atak tisc h e A phasie im Z usam m enhalt m it dem Sectionsbefunde vo llstän d ig b e r e c h tig e n , die cen trale L äsio n als die U rsache der 'W ort­

ta u b h e it a n z u n e h m e n , w elche le tztere j a ü berdies die M ö glichkeit eines Befundes am G eh ö ro rg a n e n tfe rn t. 2) 1. c. S. 36 fg.

3) V on einigem B elang fü r diese F ra g e sc h ein t eine von B r o a d b e n t (Med. chir.

T ran sact. Vol. 55) m itg e th e ilte B e o b ach tu n g (F a ll 9. T em porary loss o f com prehension of w ords after apoplectic seizures). E r sagt von d er P a t.: „h er n a tu ra lly ch eerfu ll ex- pression w as exchanged for a d u ll stolid l o o k ; she took no n otice of any th in g “ ; u n d im V erlaufe d er B esserung heisst es: „she recovcred h e r speech an d in tellig en ce and n a ­ tu r a l expression in a few days to a very considerable deg ree.“ (Vgl. au ch die spätere D e u tu n g des F ü r s t n e r ’schen F alles.)

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Ein 37jähr. Potator erkrankte unter den Erscheinungen heftiger Aufregung, an welche sich eine mehrere Wochen andauernde rechtsseitige Hemiplegie anschloss;

später trat neuerdings rechtsseitige Hemiplegie auf, die sich jedoch nach vier Wochen verlor, und, wie der Arzt, dessen Atteste die vorstehenden Angaben entnommen sind, angibt, einem subparalytischen Zustande der Zunge Platz machte. Bei einer späteren Untersuchung bot Patient deutliche Erscheinungen ataktischer Aphasie und neben voll­

ständiger Hörfähigkeit unzweifelhafte Symptome von „Worttaubheit“ dar; es heisst ausdrücklich in der Krankheitsgeschichte, dass er, trotzdem er hört, einzelne Worte nicht versteht und gegebene Aufträge erst ausführt, wenn sie von erklärenden Gesten begleitet werden. Die aphatischen und auch die letzterwähnten Erschei­

nungen gingen langsam vollständig zurück und machten einem hochgradigen apa­

thischen Blödsinne Platz; Patient ging dann an einer Lungengangrän zu Grunde.

Die etwa 3'/2 Jahre nach Beginn der Centralaffection ausgeführte Section, P.-Nr. 916, 1877, ergab folgenden Hirnbefund: Dura mater ziemlich gespannt, ihre Gefässe massig mit Blut gefüllt, im Sinus long. lockere Blutgerinnsel. Beim Einschneiden entleeren sich links etwa 100 Grm. einer klaren bernsteingelben Flüssigkeit; die Innenfläche der Dura rechts vollkommen glatt, glänzend; links erscheint die Dura hochgradig bis zu 5 Mm. Durchmesser verdickt, und zwar bestehen diese Verdick­

ungen aus mehrfach geschichteten membranartigen, zum Theil auch vascularisirten Auflagerungen, zwischen deren einzelnen Lagen sich jedoch noch theils frischere, theils ältere leistenförmig diese Reihen durchsetzende Blutgerinnsel vorfinden, an einzelnen Stellen auch mehr gelbliche etwas zerfallende Faserstoffcoagula. Die Grosshirnhemisphäre der linken Seite erscheint hierdurch hochgradig comprimirt und in der Weise deformirt, dass deren Aussenseite ziemlich senkrecht abfällt;

gleichzeitig ist auch der Schläfelappen comprimirt. Die Breite der Grosshirnhemi­

sphäre beträgt hier circa 4—5 Ctm. Pia mater im Ganzen ziemlich zart und blut­

reich, linkerseits entsprechend der Compressionsstelle des Gehirns von gelblichen Einlagerungen durchsetzt. Die Hirnwindungen an den comprimirten Stellen sind hochgradig verschmälert, abgeflacht, die Furchen zum Theil verstrichen; beim Ein­

schneiden sowohl der seitlichen Partieen des Scheitellappens, als auch des stark reducirten Schläfelappens sowie auch der hinteren Partie der dritten Stirnwindung erscheint die Rinde ziemlich stark reducirt, stellenweise fast vollständig geschwun­

den, und in eine etwas zähe, hell gelbbraune Masse umgewandelt; auch die weisse Substanz erscheint im Verhältniss zu der der rechten Hemisphäre vermindert, zäh;

im Hinterhauptslappen findet sich fast unmittelbar unter der Pia gelegen eine erbsengrosse, mit brauner flüssiger Masse gefüllte Cyste, in deren Nachbarschaft die Hirnsubstanz eine sehr derbe Consistenz zeigt; auch im hinteren Theile des Schläfe­

lappens finden sich ähnliche narbige Partieen wie im Hinterhauptslappen. Die Com- pression umfasst die mittlere Stirnwindung, zum grossen Theil auch die dritte Stirnwindung, ferner den ganzen Schläfelappen mit Ausnahme des innersten basalen Theiles, endlich die seitlichen Partieen des Scheitel- und Hinterhauptslappens. ‘)

Analysiren w ir die Thatsachen an der Hand des Sectionsbefundes, so

1) Seither kam en im hiesigen pathologisch-anatom ischen In s titu te zwei neue F älle z u r Section, die eine ziem lich ausgebreitete eneephalitisehe Affcction des lin k en Schläfe­

lappens anfwiesen, die G ehörorgane w aren vollstän d ig in ta c t; in den spärlichen k lin i­

schen A ngaben fand sich bem erk en sw erth er W eise au ch S chw erhörigkeit verzeichnet.

Beiträge zur Pathologie und pathologischen Anatomie des Centralnervensystems. 9

(24)

1 0 Dr. O tto K a h l e r und Dr. A r n o ld P ic k :

ergibt sieb vor Allem, dass der Beginn der Pachymeningitis int. haemor- rbagica zusammenfällt mit dem initialen Aufregungszustande, eine Tbat- sacbe, auf die neuerdings F ü r s t n e r 1) die Aufmerksamkeit lenkt; die daran anschliessende mehrwöchentliche Hemiplegie ist wohl in Verbin­

dung zu setzen mit der von dem Blutergusse verursachten Compression, dessen Resorption und Organisirung wieder das Zurückgehen derselben zu erklären im Stande ist. Der gleiche Modus dürfte auch für den zweiten hemiplegischen Anfall anzunehmen sein, während man wohl berechtigt ist, den „subparalytischen“ Zustand der Zunge richtiger als die auch später noch vorhandene Aphasie zu deuten und auf die Compression der dritten linken Stirnwindung zu beziehen; für die unzweifelhaft vorhandene W orttaubheit sind wohl die hochgradige Compression des Schläfelappens und die Herde in demselben verantwortlich zu machen. Der Fall ist durch die vorhandene Worttaubheit auch für die Symptomatologie der Pachymeningitis int. haemorrhagica interessant, ebenso wie durch das Vorkommen der Aphasie, die in derselben eine sehr seltene Erschei­

nung is t.2)

Ueberblicken wir die Literatur mit Bezug auf den in Bede stehen­

den Punkt, so ist die Ausbeute, wenn auch verhältnissmässig spärlich3), dennoch, wie uns scheint, so conclusiv, dass man wohl nicht länger an­

stehen dürfte, analog den Versuchen beim Thiere auch beim Menschen den Schläfelappen als den Sitz der Horsphäre anzusehen.4)

Voranzustellen sind die zwei Fälle W e r n i c k e ’s, auf Grund deren er wohl hauptsächlich den Sitz der Horsphäre im Schläfelappen localisirte.

In dem Falle Rother5) war das Verständniss des Gehörten hochgradig ge­

stört; die Section ergab neben allgemeiner Atrophie der Hirnwindungen und Throm­

bose des unteren Astes der Art. f'ossae Sylvii sin.: „Die ganze erste (der F. S.

nächste) Schläfewindung von ihrer Ursprungsanastomose mit der zweiten Schläfe­

windung ab, ferner der ganze Ursprung der letzteren aus der ersten Windung ( B i s c h o f ’s unteres Scheitelläppchen) und der äussere Theil ihres Längsverlaufes

1) Arch. f. P sy c h ia trie V I II . 1. H ft. S. 12. 2) vgl. F ü r s t n e r 1. c. S. 24.

3) K einesfalls ab er so gerin g fü g ig , w ie K i r e h k o f f (E in B e itra g z u r A phasie im S in n e d er L o ealisatio n psychischer F u n c tio n e n . Diss. K iel 1877. S. 8) m eint.

4) I n die nachstehende C asuistik w u rd en n u r F ä lle m it Sectionsbefund aufgenom ­ m en u n d zw ar alle, in denen entw eder als Sym ptom W o rtta u b k e it oder bei d er Section Schläfelappenaffection oder beide v erein ig t sich v o rfan d e n ; eine A nzahl höchst p rä g n a n te r F ä lle , denen jedoch d er Sectionsbefund fe h lt, m usste als fü r unsere Zw ecke u n fö rd e r­

lic h von der C asuistik ausgeschlossen bleiben. Z u r V erm eidung von M issverständnissen sei g leich erw äh n t, dass von den Sectionsbefunden m eist n u r die Seliläfelappcnaflection au fg e fü h rt w u rd e , da die C asuistik blos bestim m t i s t , zu zeig en , dass in allen F ä lle n von frischer au sg ed eh n ter Schläfelappenaffection au ch W o rtta u b h e it v o rhanden war.

5) 1. c. S. 43.

(25)

Beiträge zur Pathologie und pathologischen Anatomie des Centralnervcnsystems. 11

in einen weissgelben Brei verwandelt, an welchem die Pia fest adhärirt und ge­

trübt ist; durch die Erweichung ist die Einstrahlung des Schläfelappens in den Insellappen zum grössten Theil durchbrochen.“ — In dem Falle F unke’) „ver­

steht die Kranke nichts, was zu ihr gesprochen wird, die einfachsten Fragen und Aufträge rufen nie eine andere Reaction hervor, als das oft wiederholte Wort

„ja“ ; durch Gesten jedoch kann man sich ihr leidlich verständlich machen.“ Sec-

tionsbefund: Allgemeine Atrophie der Windungen; „links lässt sich schon hei Be­

trachtung der convexen Oberfläche ein ausgedehnter Herd gelber Erweichung con- statiren, der fast den ganzen ersten Urwindungshogen, also beide Ränder derFossa Sylvii einnimmt und oberhalb dessen die Pia adhärent und getrübt i s t ...

Eie Erweichung ist nach vorn von der Centralspalte auf die erste Stirnwindung (nach M e y n e r t ’s Zählung) beschränkt, nur das vordere Dritttheil derselben ist verschont gebliehen. Das Stück der ersten Urwindung, welches die Centralspalte von unten schliesst, ist mit betroffen, ebenso das untere Yerlaufstück beider Cen­

tralwindungen. Nach hinten von demselben dehnt sich der Proeess in die Breite aus und nimmt hier das ganze Läppchen ein, -welches durch die Anastomose des ersten und zweiten Schläfezuges gebildet w ir d ... Der Schläfelappen ist da­

gegen grösstentheils erweicht und nur der Gyrus hippocampi zeigt normale Con- sistenz.“

Die Uebereinstimmung beider Fälle einerseits in der Affection der ersten Schläfewindung und der Anastomose mit der zweiten, andererseits in der sensorischen Aphasie (Worttaubheit K u s s m a u l ) war nun für W e r n i c k e entscheidend, dass er unter Zuhülfenahme der vorher er­

wähnten anatomischen Anhaltspunkte und des sogleich zu citirenden Falles die erste Schläfewindung für den Sitz der akustischen Erinnerungs­

bilder erklärt. Gestützt wurde seine Ansicht durch den von G o g o l 2) publicirten Fall, bei dem in einem gewissen Stadium ebenfalls Unfähig­

keit, Gesprochenes zu verstehen, constatirt worden war. Die Section er­

gab neben Erweichungsherden in den Hinterhauptslappen Folgendes: der linke Schläfelappen zeigt bis 4 Ctm. nach hinten von der Fossa Sylvii eine ockergelb verfärbte Partie, an welcher die Hirnmasse beträchtlich erweicht erscheint und die Gyri sich schwer abgrenzen.

Hier reihen sich nun einige Fälle aus der neueren Literatur an, die gleichfalls die Localisation der Hörsphäre im Schläfelappen erweisen.

Vor Allem ein schöner Fall von B r o a d b e n t 3), der bisher nur im Auszuge

1) 1. c. S. 62 u n d 71.

2) E in B e itra g z u r L e h re von d e r A phasie. B reslau, (cit. bei W e r n i c k e , I .e . S. 37 u n d Ja h resh er. v. V irck o w -H irsch f. d. J . 1873. II.)

3) L a n c e t 1878. 2 M arch, p. 3 1 2 fg. B r o a d b e n t d eu tet seinen F a ll in ä h n ­ lic h e r W eise u n d fu h ren w ir h ie r seine diesbezüglichen B em erkungen a n : I t was con- sidered th a t th e loss of com prehension of words w h eth er spoken by o thers o r by him self and th e confusion o f m ind consequent up o n his in a b ility to u n d erstan d or to m ake hirn u nderstood w ould aecount for th e condition of th e p a tie n t an d th e in te rp re ta tio n was

(26)

1 2 Dr. O tto K a h le r und Dr. A r n o ld P ic k :

vorliegt; ausgesprochene Worttaubheit neben Aphasie und anderen Erscheinungen.

Die Section ergab ausgebreitete Erweichung des linken Schläfelappens. Weiter ein Fall von M a y o r 1), in welchem sich hei der Section ein die erste linke Schläfe- windung betreffender Erweichungsherd fand; dem entsprechend finden sich in der Krankengeschichte entschieden nur als Worttaubheit zu deutende Erscheinungen verzeichnet, leider nicht mit der nöthigen Ausführlichkeit. („En le questionnant ä voix tres-haute, on le tirait de cet assoupissement, il repondait alors quelques mots, mais le plus souvent saus paraitre avoir bien compris la question“.)

In einem von B r o c a 2) mitgetheilten traumatischen Falle findet sich während der Beobachtung einmal Worttaubheit notirt; „Depuis la veille il ne repond plus aux questions et les infirmiers croient qu’il est devenu sourd; mais nous nous assurons qu’il entend tres-bien le bruit de la montre. Lors qu’on l’interroge, le plus souvent il ne repond pas du tout; si on le presse davantage, il repond inva- riablement: Qa ne va pas mal, et il repete cette phrase plusieurs fois de suite“ ; aus der späteren Zeit findet sich nichts Aehnliches notirt und entspricht diesem wechselnden Verhalten nur eine unbedeutende Läsion der betreffenden Stelle; die Pia an den zwei ersten linken Schläfewindungen zerreiblich, verdickt und adhärent.

Einen wesentlichen Beitrag zu der in Bede stehenden Frage, deren Beantwortung er vorläufig noch als unlösbar erklärt3), liefert K u s s ­ m a u l selbst durch eine von ihm m itgetheilte4) Beobachtung, als deren hervorragendste Erscheinung er das mangelhafte Verständniss für W örter hervorhebt.

Bei der Section des linkshändigen Mannes, der linksseitig hemiplegisch ge­

wesen, „fand sich der rechte Schläfenlappen geschwollen, und in seinem vorderen Theil im Umfange etwa eines Gänseeies gelblich erweicht, ohne scharfe Abgrenzung von der gesunden Marksubstanz. Au der Sylvischen Grube eine haselnussgrosse Stelle dieses Lappens hämorrhagisch infiltrirt. “

An diesen Eall schliesst sich ein anderer von ihm m itgetheilter5), eine Form schwerer amnestischer Aphasie illustrirend, die wohl den Ueber- gang zu den Fällen mit W orttaubheit bildet, indem auch h ie r0) „die W örter als akustische Lautcomplexe in ihrem Gefüge erschüttert, mit­

unter bis zur Vernichtung verwischt sind.“ Die Section ergab neben einem Herde im vorderen Theil des linken Gyrus angularis einen zweiten, 2 Ctm. langen, 0’6 breiten, der den Uebergang des Gyrus occipitalis II.

in den Gyrus temporalis II. theilweise zerstörte.

th a t th is was due to d estru ctio n of th e ch an n el from th e a u d ito ry perceptive centre to th e h ig h e r centre in w hich th e nam e is associated w ith th e idea w kich i t symbolises or to destruction o f this name centre itself.

1) P ro g re s m edical 1878. N o. 13. p.j 2 3 9 fg . P erio stite phlegm oneuse diffuse;

endoeardite.

2) S u r la topographie cranio-ce'rdbrale ou su r les ra p p o rts an at. du crän e et du cerveau. (E x tr. de la Revue d 'an th ro p o lo g ie T. V. No. 2. 1876.) p- 55. D iognostic d’u n absees situ e au niveau de la re'gion du la n g a g e ; tre p a n a tio n de cet absces.

3) 1. c. S. löO fg. -4) 1. c. S. 168. 5) 1. c. S. 166. 6) K u s s m a u l 1. c. S. 165.

(27)

Beiträge zur Pathologie und pathologischen Anatomie des Centralnervensystems. 1 3

Wir lassen nun einzelne jener Fälle folgen, in welchen wohl eine Affection des Schläfelappens sich bei den Kranken vorfand, das Verständ- niss für das Gehörte jedoch ungestört war; es findet diese Erscheinung ein­

fach darin ihre Erklärung, dass, wie dies schon mehrfach hervorgehoben, die anfänglich vorhandene Worttaubheit sehr bald zurückgeht. (Ueber Ursachen dieses Zurückgehens sowie über das zuweilen vorkommende Per- sistiren derselben soll später Einiges beigebracht werden.) Es ist dies z. B.

der Fall in der bekannten vielcitirten Beobachtung B r o c a ’s ') (Fall „ T an “), wo sich bei der Section neben anderen Läsionen ein Herd in der ersten linken Schläfewindung fand; der Kranke, der 21 Jahre nach dem Auftreten derjenigen Affection, welche bei ihm den Verlust der Sprache herbeigeführt hatte, zur Beobachtung kam, zeigte volles Verständniss für das Gehörte.

Das gleiche Verhalten zeigt ein von P e r r o u d 2) mitgetheilter Fall, der bei der Section eine Zerstörung der ersten linken Schläfewindung aufwies; P e r r o u d bekam die Kranke erst nach 11 Monaten zu Ge­

sichte und über den früheren Zustand fehlen genauere D aten 3) ; er fand das Verständniss des Gehörten intact. — Nicht ganz klar zu entschei­

den ist die Frage nach dem Verständniss des Gehörten in einem von G u e n i o t 4) publicirten Falle, dessen darauf bezügliche Daten nebst dem Sectionsbefunde deshalb in die Anmerkung verwiesen seien.5) Doch dürfte die in Bede stehende Erscheinung auch in Frage kommen, indem

1) B u ll, de la soc. an at. 1861. p. 343. cit. n ach d e F o n t - R d a u l x , L ocali- sation de la faculte spe'ciale d u langage articule'. p. 43ffg.

2) J o u rn . de m ed. de L yon. 1864 n ach d e F o n t - R e ' a u l x 1. c. p. 57. Die B e obachtung V I I. desselben A utors lie g t u n s n ic h t in g enügender A u sfü h rlich k eit vor, doch is t es m it B ezug a u f die im V erlaufe d e r B e obachtung n o tirte „T a u b h e it“ bem er- kensw erth, dass die Section eine E rw e ic h u n g der re ch ten ersten S chläfew indung aufwies.

3) W ie rasch die W o rtta u b h e it sich ausgleicht, zeig t ein von C o t a r d (E tü d e sur l ’a tro p h ie p a rtie lle d u cerveau. 1868. p. 18) m itg e th e ilte r F a ll v o n rech tsseitig er H e ­ m iplegie u n d A phasie, d e r 5 W ochen n ach dem A u ftreten derselben keine W o rtta u b h e it zeigte u n d bei d er Section Z erstö ru n g d er ersten lin k e n Schläfew indung ergab.

4 )-G az. des höp. 1864. p. 62. n ach d e F o n t - R e ' a u l x 1. c. p. 37.

5) E n tw ic k lu n g im Anschluss a n eine e itrig e Affection des lin k e n O hres. „L e m alade d o n t la cephalalgie s’est aocrue les jo u rs prdcedents est comnie dgare, repond sans intelligence p a r : Oui, m o n sie u r, ä to u tes les q u estio n s, memes les plus diverses. L e lendem ain l ’intelligence est u n peu revenue et p e u t e tre fixee p o u r quelques m inutes. N eanm oins quand on v eu t le faire p a rie r il rev ien t ä sa d o u leu r de te te sans re'pondre au x questions.“

S ectio n : „dans 1 hem isphere g auche u n foyer de la dim ension d’u n e orange de moyen volum e. . . . il est situ e dans le lobe sphe'noidal et s’etend dans le lobe o ceip ital; il correspond ä la jo n o tio n du ro c h e r avee l ’ecaille du tem poral. E n a v a n t il est dloigne d ’environ deux ccntim etres de la scissure de Sylvius. I I offre u n e P erforation ä la p a rtie in ferieu re du lobe sphdnoidal.

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