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Wochenschrift des Architekten Vereins zu Berlin. Jg. 3, Nr 6

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Academic year: 2022

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I W O C H E N S C H R I F T m F1R C H I T E K T E N - V E R E I N S 1M B E R L I N I HERflUSGEGEBEN ^ V E R E IN E '

H ie W ochensch rift ersch ein t jeden Sonnabend. — B ezu gsp reis halbjährlich I D er A nzeigen p reis für die 4 g esp a lten e P etitz eilo b etrü gt 60 Pf., für Behilrdcn- 4,00 Mark, bei postfroior Zusendung 5,30 Mark, einzelne Nummern 1 Mark I A nzeigen und filr F a m ilie n -A n ze ig e n 30 Pf. — N achlaß auf W iderholungen

N u m m e r 6 Berlin den 8. Fe b ru a r 1908 III. Jahrgang

Z u b e z i e h e n d u r c h a ll e B u c h h a n d l u n g e n , P o s t ä m t e r u n d di e G e s c h ä f t s s t e l l e C a r l H e y m a n n s V e r l a g in B e r li n W . 8, M a u e r s t r . 4 3.44

A lle R e c h t e V o r b e h a l t e n

Gedächtnisfeier für Otto Schm alz

V e r s a m m l u n g d e s A r c h i ­ t e k t e n - V e r e i n s zu B e r l i n M o n t a g 14. O k t o b e r 1907

Ein Gedenkwort an Otto Schmalz

v o m M a g i s t r a t s b a u r a t J U L I U S J O S T

in B e r li n

A u fn a h m e ro n P a u l G raef

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W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu Berlin 8. F eb ru ar 1908

Abb. 79. A u s einer F estk a rte cler K öniglichen M inisterial-, M ilitär- und B au­

kom m ission zu Berlin zur F eier dos G eb urtstages S. M. des K a isers und K önigs am 27. Januar 1899 Im A rch itektenh ause

„Ein Gedenkwort an O t t o S c h m a l z “ habe ich meinen V ortrag überschriebon, in dem Bewußtsein, daß selbst eine lange Rede über ihn nur eine bescheidene D arstellung sein kann von der V ielseitigkeit seines W issens und Könnens, von der Beweglichkeit seines Empfindens, von der sprühenden M it­

teilungskraft seines Geistes.

I s t es nicht seltsam , daß für einen Mann, der m it unbe­

deutenden Unterbrechungen stets im Dienste einer Behörde arbeitete, der also B e a m t e r w ar (und zw ar durchaus nicht in einer dominierenden Stellung), und der auch — trotz aller goldgleißenden Anerbietungen — Beam ter bleiben wollte, daß für einen solchen Mann, der' nun ein volles J a h r im Grabe ruht, sich allmählich ein immer gesteigertes Interesse kund gibt, daß immer neue Aufsätze Uber ihn erscheinen, daß man sogar mit dem Gedanken um geht, was er uns hinterlioß, in einem größe­

ren W erke zu vereinigen?

Allo diese U m stände weisen zum mindesten darauf hin, daß wir es hier m it einem eigenartig fesselnden Geiste zu tun haben, und daß Otto Schmalz auch in seiner K u n s t war, was jeder, der ihm im Leben nahe stan d , erhobenen Herzens fühlte

— nach Goethes W ort — „die P ersönlichkeit“.

Diese Persönlichkeit fand freilich in der A rchitektur, von der ich hier zum eist zu reden habe, einen A usdruck, der allen nicht immer genehm war. E r bediente sich m annigfaltigster Kunstweisen, schuf Entw ürfe ägyptischen Stiles für Brücken über den Nil, zeichnete gotische Türme, R athäuser in deutscher Renaissance und moderne Geschäftshäuser. Dabei h at er sich, wie Kenner behaupten, gegen die strengsten, durch Ueberliefe- ru n g geheiligten Formen nicht selten versündigt.

Man h a t mir erzählt, ein berühm ter G otiker habe einmal einen unvergleichlichen Triumph gefeiert. Ein von ihm im gotischen Stile erbautes H aus wurde von seinen Froundon für ein w irklich altes gehalten. Solche Erfolge, deren W e rt ich durchaus nicht unterschätzen will, waren es jedenfalls nicht, die Otto Schmalz begehrte.

Die Form ensprache bot ihm ihre Buchstaben zu neuen eige­

nen W orten, die Tonskala des Stiles Töne für f r e i e r e Melodien.

Sein Auge, gefesselt vom fernen, großen Ziele, streifto nur flüchtig die Blumen am Wege.

E r tru g (ob bewußt oder unbewußt ist gleichgültig) in seinen W erken immer die eigene Persönlichkeit zur Schau.

Sein schon in früher K indheit offenbartes, durch beispiellosen Fleiß gefördertes zeichnerisches . Können, . seine schweifende, üppige Phantasie führten ihn schließlich ganz von selbst auf den W eg d e s Baustiles, in dem seine Fähigkeiten den freiesten und reichsten'A usdruck finden konnten, auf den W eg des Barock­

stiles. A eußern sich Reichtum und Prachtliebe, Glanz und Ge­

pränge unserer Zeit in A rchitektur und K unstgewerbe meistens durch kostbare M aterialien von Holz, Marmor, Granit, Bronze usw., sucht man augenscheinlich diese M aterialien an sieh unter m öglichster Einschränkung jeder Form sprache wirken zu lassen, so spiegelte sich bei ihm dieser Trieb der G egenw art in über­

schwänglichen A rchitekturform en, in der L u st an phantastischen Gebilden, in der geistreichen F estrede seiner Schöpfungon.

Und diese, der V e r g a n g e n h e i t entspringende Sprache nimmt, von ih m gesprochen, in ihren W ortschatz alle Ideen der G e g e n w a r t auf. Sie weiß je tz t von Maschinen, eisernen Brücken, Panzerschiffen und Kruppschen Kanonen ebensogut zu erzählen, wie einst von verklärten M ärtyrern, rosigen W olken und posaunenblasenden Engeln. D er M eister löste ihr die Zunge für neue Erkenntnisse und zeitgemäße Begriffe. Und so ver­

dient Otto Schmalz den E hrentitel eines wirklich modernen Künstlers.

Erheben w ir ihn aber zum höchsten Range, den die Mensch­

heit kennt, zum Range des K ünstlers, so wollen w ir auch nicht w eiter fragen, was er tun soll, und nicht befehlen, was er tun muß, sondern ihn ruhig seine eigenen W ege gehen lassen. Neh­

men wir ihm diese Freiheit, so nehmen wir ihm die Kunst.

W ie unendlich dankensw ert, daß ihm, dem Beamten, für sein größtes W erk diese volle, göttliche F reih eit gelassen wurde!!

Abb. SO. A u s dem Jubiiäum sw erk der T echn ischen H ochsch u le zu B erlin K rupps H and g reift in das Feuer — Siem ens Hand faßt nach den B litzen

von J u p iters Adler

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So viel im allgemeinen über den C harakter seiner K unst. Bei näherer Besprechung seiner W erke komme ich naturgem äß darauf zurück.

Z unächst aber möchte ich Ihnen von seinom Leben und seiner Persönlichkeit erzählen;

denn da grade mir, seinem nahen Freunde, der ehrenvolio A uftrag ward, heute über ihn zu sprechen, darf ich wohl annchmen, daß man über ihn nicht Fachliches allein zu hören wünscht.

Schwer is t es, den Lebensweg selbst des nächsten Freundes genau zu kennen. Zum Glück standen mir seine Personalakten zur Verfügung. Ich entnahm ihnen die interessantesten D aten mit der A bsicht, sie in wohlgesetzter Rede aneinander gereiht hier zum V o rtrag zu bringen.

A ber ich verw arf bald, was ich geschrieben hatte, in der E rkenntnis, daß jene Angaben, ein­

fach und ungeschm ückt hier verlesen, allein von richtiger W irkung sind. Hören Sie also:

1861: 30. März geboren zu K artliaus in W estpreußen; V ater daselbst K reisrichter, später R oichsgerichtsrat in Leipzig.

1868—78: Gymnasien zu Thorn und Bromberg.

1878: Zeugnis der Reifo unter Enthebung von der mündlichen Prüfung.

1878—83: Studium der A rch itek tu r in Berlin.

1883: 1. Staatsexam en m it Auszeichnung und Reiseprämie.

1883 - 84: Am K aiserpalast in Straßburg.

1884—86: Beim M agistrat in Berlin.

1886: Schinkel-Konkurrenz, I. P reis und große Medaille.

Im gleichen Ja h re : 2. Staatsexam en m it Auszeichnung und Reiseprämic.

1887: Am Reichsgerichtsgebäude in Leipzig.

1880 — 91: Im A telier von Ende und Böckniann.

W ährend dieser letzten zwei Ja h re :

K onkurrenzarbeit für die katholische Kirche in M ainz; engere W ahl.

Desgl. für einen Straßenbrunnen in B erlin; I. Preis.

„ „ die U raniasäule in B erlin; I. Preis.

„ „ eine Straßenbrücke im Grunewald; II. Preis.

„ „ eine Brücke im V iktoriapark; H. Preis.

„ das G eschäftshaus May und EcUich, B erlin; kleiner Preis.

„ „ das R athaus in Pforzheim ; I. Preis.

1891—95: T ätig am Reichstagsgebäudo in Berlin.

W ährend dieser Zeit:

B eteiligung an der internationalen Konkurrenz zur Z entralm arkthallo in Budapest, in Gemeinschaft m it dem V ortragenden; Il.P re is. Großer S taatspreis der Königlichen Akademie der K ünste zu Berlin. Konkurrenzarbeit für das Nationaldenkmal des F ü rsten Bismarck zu Berlin, in Gemeinschaft m it dem B ildhauer B ärw aldt; I. Preis.

1895-1905: T ätigkeit am Bau des Land- und Am tsgeriehtsgebäudes in der Grüner- und Neuen Friedrichstraße zu Berlin.

1905: Aufforderung einer englischen Gesellschaft zum E ntw urf dreier Brücken über den Nil. Aufforderung zur engeren Konkurrenz für den Ausbau des R athauses in Mannheim; I. Preis und A uftrag zur Ausführung. Entwtirfo zur architektonischen Umrahmung für das Moltkedenkmal in Berlin und das K aiser Friedrich-Donkm al in Charlottenburg.

F erner: Mehrere V ertretungen von Professoren an der Technischen Hoch­

schule in Charlottenburg. E rnennung zum Professor sowie zum Regierungs- uud B au rat; Angebote für Professuren in den Städten Braunschweig, Dresden, S tu ttg a rt, D arm stadt und Aachen.

1906: Berufung zum S ta d tb au rat von Charlottenburg.

Gestorben im gleichen Jah re, dem 45. seines Lebens.

D a s B ild von Schm alz auf der T ite lseite is t im A nfan g der neun ziger Jahre aufgenom m en. Ein Bild aus sp äterer Zeit befindet sich in Num m er 50 auf S e ite 22t der W oehensch rift vom Jahre 1006, daselb st sind auch einige R eisesk izzen von Schm alz w iedergegeben.

D ie K op fleiste auf der T ite lseite so w ie die A bbildungen SO, 89, 9 1 -9 4 , 99—100 und 109 entstam m en der Sam m lung des A rchitektur-M useum s der Technischen H ochsch ule zu C harlotten burg (S eite 33 dieser Nummer).

D ie A bbildung 112 am S ch lü sse dieser Num m er is t vom Studierenden der h iesig en K unstakadem ie P a u l R e b b e r g entw orfen.

TütMlSÜffll für.

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Abb. 83 und 84. W ettbew erb zu einem in Pforzheim

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R athaus

Nr.' 6. II I ; Ja h rg an g W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s in B erlin

A n sich t von Osten A nsicht von W esten

Abh. 81 und 82. E ntw urf zu den Passaden der Z entralm arktlialle in B udapest

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Abb. 85 b is 87. E ntw urf zu einem H errenbaus lür das R itter g u t D ah lw itz

8. F eb ru ar 1Ü08 W ochenschrift dos A rch itek ten -V erein s zu Berlin

(5)

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Abb. 88. E ntw urf zu einer P farrkirche in Gartenfeld-M ainz

Das sind die w ichtigsten Daten aus dein künstlerisöh- am tlichen Lebens wallen dieses merkwürdigen Mannes. Sie werden schon daraus erkennen, daß seine A rb eitslu st und -kraft, seine A us­

dauer und K u nstfertigkeit ganz beispiellos gewesen sein müssen.

A n dem amtlichen Tagewerk, das ihm oblag, h ätten die meisten reichlich genug gehabt. Denn was man einem solchen Manne übertrug, w ar nicht gerade das unbedeutendste; und dabei m achte es ihm stets F reude, seinen Aufgaben m öglichst verschiedene Lösungen zu geben und sich ihnen weit eingehender zu widmen, sie auch w eit schneller zu vollenden, als es in am tlicher T ätig k eit erw artet wird.

Als ju n g er Bauftihror im Dienste B erlins m it der B au­

leitung einer Volksschule in der Culmstraße, einem W erke echt Blankenstoinschen Stiles, b etrau t (und ich kenne aus eigener E rfahrung die A rb eitslast, die damals auf dem jungen B au­

leitenden lag!) war es sein Stolz, daß die Bemalung der mit klassischen Ornamenten beinahe ostentativ reich geschmückten A ula für kaum 300 M. und in denkbar kürzester Zeit ausge­

fü h rt war. E r h a tte alle Ornamento ohne irgend welche Hülfe in natürlicher Größe aufgetragen und alle Farben selbst gemischt.

E rsuchte man den alten B auschreiber jener Bauinspektion um ein M uster für die sogenannten „Revisionszeichnungen11 (zum V erständnis für die Damen bemerke ich, daß man dar­

unter die Zeichnungen versteht, die den vollendeten Bau in allen Teilen übersichtlich darstellen sollen), so holte er stets die berüchtigten Revisionszeichnungen der Culmstraßen - Schule von Schmalz hervor. Das waren allerdings W underwerke von

G ew issenhaftigkeit!' .Jeden elenden W andarm , jede Gardine, jeden Spucknapf und joden Garderobenhaken fand man darin aufgezeichnet. Die letzteren soll ein Kollege sogar gezählt und m it den Rechnungen übereinstimmend gefunden haben.

Und genau zu derselben Z eit schuf er den ersten und um­

fangreichsten seiner heute ausgestellten Konkurrenzentw ürfe, die fürstliche Sommerresidenz, m it der er den Sehinkelpreis errang.

Dies zeichnerisch noch heute sehensw erte, m it feurigem E n t­

husiasm us im buntesten Mischmasch verschiedenartigster S tilarten vorgetragenc, m it erstaunlichem Fleiß bis in die kleinsten Teilchen durchgeführte P rojekt is t also ein Erzeugnis seiner damaligen sogenannten „M ußestunden" im D ienste der S ta d t Berlin. —

Seine nie versiegende K raft schreckte auch bei späteren K onkurrenzarbeiten vor den größten Aufgaben nicht zurück (wobei ich nur auf die Konkurrenz für den Zentralbahnhof in Dresden hinweise), und das ist doppelt in teressan t m it R ück­

sicht auf die äußeren Umstände, u nter denen er seine E n t­

würfe schuf.

Wenn große A rchitekturfinnen dabei durch Scharen von Hiilfskräften u n te rstü tz t werden in liebten A teliers mit weiten, g latten Zeichenplatten, dann saß e r an seinem Schreibtisch in m a tt beleuchteter Zimmerecke einsam und allein, ohne seiner H ausfrau, die für den Abend vielleicht Gesellschaft erw artete, die geringste U nruhe zu bereiten und auf säm tlichen Tischen und Stühlen unendliche M aterialien aufzutürm en.

So zeichnete er alles, tuschte alles, beschrieb alles, packte alles ein und schleppte es womöglich noch selbst zum Postarnte. — Nr. 6. I t l . Ja h rg a n g W ochenschrift des A rch itek t.'n -V erein s zu B erlin

i • 11 AU(’T G R U N D R ß ä 1 U | A ITU A T IO X i

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32 W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu Berlin 8. F eb ru ar 1908 Sie haben vorhin gehört,

daß ihm sämtliche staatliche Prüfungskommissionen ihre reichsten Lorberen um die S tirn wanden. Bei solchem Manne kann das nicht überraschen.

V erlangte man zum B au­

führerexamen e in e Aufnahme irgend eines alten Bauwerkes, so legte er der erstaunten Prüfungskommission deren s e c h z i g auf den grünen Tisch des Hauses, nachdem er alle W inkel des ehrwürdigen Neu­

brandenburg m it k ü n stleri­

schem Auge durchforschthatte.

W ir haben unsere A usstellung auch m iteinigenProben d i e s e r A rbeiten des blutjungen A ka­

demikers geschmückt. — .Ta, er war fleißig, unend­

lich iloißig t r o t z seiner Geni­

alität, donn m it Rücksicht auf die modernsten A nschauungen vom K ünstlertum darf ich wohl das W örtchen „ tro tz “ hier an:

wenden.

„W elch ein U nsinn“, rief er einmal aus, „wenn so ein moderner K ünstler, der n a tü r­

lich ste ts ein Genie ist, auf die sogenannte „Stim m ung“

lauert. A r b e i t is t der beste Köder dafür. Goethe und Beethoven hatten ihre regel­

mäßigen A rbeitsstunden wie H andwerker. Sie glauben gar nicht, welch ein schlemmerhaf- tes Vergnügen die A rbeit is t!“

Sein T alent wurde aber auch durch zwei Vorzüge unter­

stü tz t, wie G ott sie selten in Abb. 90.

solcher Vollkommenheit ver­

leiht: ein Sehvermögen und ein Form engedächtnis, die ans Fabel­

hafte grenzten. A uf eine E ntfernung von über einem M eter ent­

deckte er die feinsten D etails auf einer P hotographie, die wir, m it der Nase darauf, vergeblich suchten. Von der letzten Bank im P a rk e tt des Opernhauses sah er in Mimes dunkler Höhle den elektrischen D rah t am Arme Siegfrieds, der den K ontakt m it dem funkensprühendon Ambos verm ittelt.

Seine angebeteto F rau fand einst auf ihrem G eburtstags­

tische vier P ostkarten (jedo m it einer vollseitigen G ratulations­

zuschrift) von A usländern, deren B ekanntschaft sie in Italien, Frankreich, England und Spanien gem acht ha tte n ; also in vier verschiedenen Sprachen, m it vier für die betreffenden Nationen charakteristischen Handschriften, m it Briefm arken, Stempeln und jedem amtlichen Zubehör. Alles hatte der liebenswürdige Ehemann gefälscht, und die Fälschungen waren erst m it der Lupe erkennbar. —

W ie sein Auge, so konnte man auch sein Gedächtnis nicht genug bewundern. Nur e in Beispiel davon! Die Inseln W ight in England und Capri in Italien zeigen beide das interessante N aturschauspiel frei im Meere ragender, vom Festland losge­

löster Klippen, „needles“ auf W ight, „faraglioni“ auf Capri ge­

nannt. Eine Dame w arf im Gespräch die F rage nach dem Größenverhältnis beider Felsengruppen auf. „Hole die Bädeker", sagte Schmalz zu mir, „und schlage auf England Seite 53 und Süditalien Seite 165“, und beides stim m te genau. —

Trotz seiner großen Begabung und seiner stolzen Erfolge bew ahrte er sich ein vollkommen ungezwungenes W esen; liebens­

würdig, neidlos, hilfsbereit, ohne jede E itelkeit, immer heiter und lebendig, voll von Schnurren und A nekdoten, überfließend

von witzigen und originellen Bemerkungen, herzgewinnend durch sein offenes, lustiges Lachen, niemals das Maß ge­

ziemender S itte überspringend.

Auch w ar er für seine Freunde immer zu habon. In den fünf­

undzwanzig Jah ren unseres in­

timen V erkehrs h a t er mir und meinen Bekannten fast nie eine Einladung abgeschlagen. Das berühm te W o rt: „ich habe so viel zu tu n !“ und das noch berühm tere: „ich biu so ner­

v ös!“ habe ich nie aus seinem Munde gehört.

Jedes K okettieren im In­

nern und Aeußern war ihm fremd; dom goldenen M ittel­

wege im L e b e n so nahe, wie fern davon in der K unst, spöt­

telte er über alle Extrem e.

„F rüher w ar die Parole des K ünstlertum s innerlich patent, äußerlich loddrig, je tz t heißt sie innerlich loddrig und äußer­

lich p a te n t“.

„W eißt du schoa“, fragte ich ihn einmal, „daß sich ein neuer K ünstlerbund gebildet hat, der Klub der Vierund­

zw anzig?“ — „Ich bitte dich“, antw ortete er. „das ist ganz unmöglich! Klub der Neun­

zehn, das will ich glauben, auch der Dreiundzwanzig oder V ierunddreißig! Aber Vierund­

zwanzig, zwei Dutzend, nein, die Zahl wäre zu gemein für’s - ■ ' ■ N . t r w a h r e K ü n stlertu m !“

E ntw ickelte er s e l b s t die hochiliegcnden Ideen seiner Kunst, zog er z. B. im Treppen­

hause des Gcrichtsgebäudes am Alexanderplatz für seine staunen­

den Zuhörer alles ans L icht, was er dort liineingeheim nist hat, so war sein V ortrag frei von jeder Pose und Phrase, von V er­

himmelung und bodenentrücktem Geistesflug, sachgemäß und logisch, avie der eines Gelehrten.

M itunter h ä tte ich ihm sogar ein wenig m ehr S e n t i m e n ­ t a l i t ä t gewünscht, die seiner N atu r beinahe gänzlich fremd war. E r verstand es nicht, daß ich beim Stiergefecht in Sevilla, nachdem der erste arme Stier zu Tode gequält w ar, wütend davonlief zum maßlosen Staunen der schönen Spanierinnen, während er dasselbe trau rig e Schauspiel siebenmal m it größtem Interesse verfolgte. —

M erkw ürdig aber w ar es, daß ihm trotz seiner starken Nerven persönliche Feindschaften im Leben aufs höchste zuwider waren. Wo es (nach der Meinung seiner aufrichtigen Freunde) richtiger war, zu brechen . als zu biegen, verharrte er lieber möglichst lange im Zustande formeller Rücksichtnahmen.

D am it h än g t es auch zusammen, daß die Kreise seiner ge­

sellschaftlichen Verpflichtungen sich fast unnatürlich erwei­

terten. M it banger Sorge habe ich’s oft beobachtet und ihm auch einmal meine Bedenken nicht verschwiegen. E r aber hielt sich m erkwürdigerweise auch körperlich für eine starke N atur und glaubte das sogar aus seiner kleinen G estalt folgern zu können.

Sein W issenstrieb legte das größte Gewicht darauf, den Zusam m enhang m it den K unsterscheinungeu der G egenwart nicht zu verlieren. Lange W interabende verbrachten w ir in der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums, forschend nach jeder neuen Veröffentlichung.

Aufnahme ein es T ores in Neubrandenburg

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Nr. 6. III. Ja h rg an g W ochenschrift d e s'A rc h ite k te n -V e re in s zu B erlin 33

Der wundervolle zeichnerische A us­

druck, das entzückende Gefühl iü r phan­

tastische S tilistik, für lebensvolle K ontraste zwischen hell und dunkel, das seine E n t­

würfe für das J u h i l ä u i n s w e r k u n s e r e r t e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e beseelt, leitet sich auf das dortige Studium moderner eng­

lischer Illustratoren zurück.

Ich benutze dio Gelegenheit, diesem W erke, das ihn in seiner K u n st jenen ge­

feierten Illustratoren an die Seite stellt, in seinem Gedankenreichtum noch über sie erhebt, ein paar W orte zu widmen. Die ganz einzigen K unstleistungen wurden uns vom A rchitekturm useum in C harlottenburg für unsere A usstellung geliehen und sind der M ittelpunkt derselben. Sie stehen ganz abseits vom Wrego eigentlicher A rchitektur und sind in der w underbaren O riginalität ihrer Erfindung und entzückenden K larheit ihrer D arstellung noch lange nicht genug gekannt und gew ürdigt.

A uf der Rückseite des Deckels befindet sich oin unscheinbarer Schnörkel, den man kaum beachtet. B etrachten Sie ihn ein­

gehender, und die ganze A rt wie Schmalz in der K unst zu reden pflegt, enthüllt sich Ihnen: Sie sehen unten zwei getrennte Blumentöpfe; aus jedem w ächst ein Stamm empor, einer m it B. A., der andere m it G. A.

bezeichnet. Beide Stämme vereinigen sich

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alsbald zu einem doppelt so stark en ; am V ereinigungspunkte liest man die Zahl 1879 und dio verschlungenen Buchstaben T. H.

ist die Zahl 1883 geschnoben, und hier der starke Stamm in sechs gerade auf­

strebende A este, die zwischen dichten L orbeerblättern sechs große Blumen tragen. — Das heißt: A nfangs wuchsen in Berlin aus zwei getrennten Erdreichen B. A. und G. A., B au­

akademie und Gewerboakadomio, selbständig nebeneinander auf. Sie vereinigten sich 1879 zu T. H., der technischen Hoch­

schule, und diese wieder spaltete sich 1883 in s e c h s ge­

tren n te Fächer (A rch itek tu r, Ingenieur w esen, Maschinenbau, Schiffbau, Chemie und M athem atik). Das sind die sechs Blumen zwischen den L orbeerblättern, und das werden fortan die sechs Töne für das L eitm otiv aller übrigen Illustrationen.

Sechs Pforten tun sich auf, sechs Rosen blühen am Strauch (Türen und Kelche tragen Embleme der sechs Fächer), sechs L ichter brennen auf einem Leuchter, sechs Flammen auf einem A ltar, sechs Planeten umkreisen dio Sonne, sechs W appen hängen im Eichenbaum, sechs Eulen hocken über sechs fleißigen Jünglingen. — M it köstlichem Hum or is t H err Geheim rat A dler im Kreise seiner Jü n g e r sym bolisiert; aber das aller­

schönste is t eine kleine Seitenleiste, ein schlanker Pfeiler der sich oben zu einem sechsstämmigen Lorbeerpavillon öffnet m it strahlender Krone darüber, zu der ein Jün g lin g sehnend die Arme emporbreitet. —

Ich kehre zu seiner Persönlichkeit zurück. N icht nur junge W e r k e wollte er studieren, auch der Jugend selbst wollte er Auge in Auge gegenüberstehen und von ihr beein­

flußt werden, gleich wie er s ie zu begeistern verstand. Bei seiner A nstellung in C harlottenburg m achte er zur Bedingung, seinen U nterricht auf der Hochschule fortführen zu können.

Noch etwas höher te ilt sich plötzlich

„Schwor w ird's mir werden, aber ich lege einen großen W ert darauf, in W issenschaft und K unst dio Verbindung m it der Jugend zu behalten. Schon das bloße Besprechen einer Aufgabe w eckt neue und frische Ideen“.

Es machte ihm dabei Freude, m öglichst auf jede Idee seiner Schüler einzugehen, so barock sie auch sein mochte. „Einer moiner Schüler“, er­

zählte er mir, „will einen E ntw urf zu einem Bismarck-Mausoleum zeichnen, wobei der Grundriß die G estalt des Bismarckschen W appens (des drei­

blättrigen K leeblatts) erhalten soll. Gar nicht übel! Ich will ihm die Freude nicht verderben!“

Und er verdarb sie ihm nicht, denn jo kompli­

zierter die Aufgaben, um so stä rk er reizten sie sein Können.

So schwärm ten denn die Schüler für ihn und sogen begierig auf, was er ihnen für die vorliegen­

den A rbeiten im besonderen und die Aufgabe der heutigen K unst im allgemeinen verkündete.

In diesen seinen Ansichten aber zeigte er sich nun als moderner A rchitekt im wahren und besten Sinne des W ortes. E r verlangte z. B. in uneingeschränktester W eise, daß bei der Anlage neuer Stadtteile in allererster Linie allen rein reellen und prosaischen menschlichen Interessen Rechnung zu tragen sei, daß man nicht e r s t das K ünstlerische ersinnen und die menschlichen Be­

dürfnisse hineinzwängon, sondern zunächst allen, selbst pedantischen Forderungen jener Bedürfnisse sich unbedingt fügen solle.

Selbst unsere heutigen Kompromisse gingen ihm dabei gegen die N atur. Die Zeiten, wo in einer M illionenstadt, wie im alten Rom, nur die W agen der kaiserlichen Fam ilie und höchstens noch die Bauwagen fahren durften, sind vorüber, und so könnte das alte Rom, wenn w ir von seiner Straßenbildung etwas wüßten, und wenn diese auch noch so künstlerisch wäre, ebenso wenig vor­

bildlich für uns sein, wie die domumwindenden m ittelalterlichen Gassen. — E r fuhr mich einmal geradezu an , als ich über die unendlich recht- winkeligen Straßennetze am erikanischer Städte

spöttelte. „Gerade so etwas auszubilden könnte mich reizen;

hier ließen sich doch endlich einmal neuo A rchitekturprinzipien für S tadtbilder finden. In Mannheim h a t man schon bescheidene aber glückliche Anfänge gemacht. V erstehen sie’s in Amerika nicht, so is t das noch kein Beweis gegen meine M einung!“ —

Auch den „G arten städ ten “, dio je tz t im Kongreß für H y­

giene lebhaft und anerkennend besprochen sind, brachte er gleich beim Bekanntwerden der ersten Idee ein ungemeines Interesse entgegen. L eider fanden w ir in England keine Zeit, uns näher danach umzusehen.

Nichts w ar ihm (bei solchon Grundsätzen) unbegreiflicher, als daß man den H ochbahnviadukt aus ä s t h e t i s c h e n Gründen u nter die E rde hinableitete. „W ird solches V ersteckspielen von praktischen Bedürfnissen gefordert, und wäre es auch nur von der R ücksicht auf das starke Geräusch, so geht meinetwegen bis zum O rkus hinab. Aber Bahnen u n ter die Erde zu stecken, weil sie oben das sogenannte Stadtbild schädigen, erscheint mir geradezu sinnlos. W as gibt wohl dem Fremden einen höheren Begriff von der großstädtischen K ultur, die K unstbrücke vor dem Halleschen Tor oder der H ochbahnviadukt darüber? Ich kenne kein w irkungsvolleres Bild, als diese Bahn, wenn sie Kanäle und Eisenbahnen überfliegt, H äuser durchquert und über Straßen hinw egrauscht. Das nenne ic h schön!“

So erregte dio G roßzügigkeit städtischer A nlagen stets seine helle B egeisterung. P aris m it seinem unvergleichlichen Z entrum w ar sein Tdeal, und in London, am Vietoria-Embank- m ent, konnte er mein A uge n ich t genug auf alle großen W ir­

kungen hinlenken. „Und sich dann sagen müssen, daß wir das in Berlin niemals erreichen werden, daß sich außer

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8. F eb ru ar 1908 W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu Berlin

Abb. 95 und 90. A us den N otizbüchern von Schm alz (W iedergabe in natürlicher Grüße)

Schloßplatz und L u stg arte n kein weiteres S tadtzentrum ent­

w ickelt, daß es auch der K önigsplatz nie m ehr zu einer stolzen G esam tw irkung bringen w ird, das sollte nicht tra u rig stim m en!?“

E r ging natürlich nicht so weit, alte schöne Bauwerke rücksichtslos dem V erkehr opfern zu wollen. Die zierlichen, auf dem Bauplatz des Gerichtsgobäudes gefundenen O rnam ent­

roste alter Zeit ließ er in eine Hofwand mauern und schrieb darunter: „findest du altes, so b ehalt’ es“. Und wie hior im kleinen, so tr a t er auch im großen für möglichste Schonung w ürdiger Gebilde der V ergangenheit ein, verschm ähte es auch zuweilen nicht (wie ich später naehweisen werde), sich ihnen stilvoll anzuschließen. Nur wollte er das A lte nicht unbedingt als Zwangsjacke um das Neue gelegt wissen und, wenn er­

forderlich, das Moderne ganz naiv neben das A lte stellen; wo­

bei er sich ja am besten auf das Zeugnis der gefeierten A lten selbst berief, die fast nie einen Dom in der ursprünglichen B au­

weise fortführten, sobald eine andere aufgekommen war, und die es dabei in zahllosen Beispielen zum reizvollsten Zusammen­

klang brachten. Oder sollen in solchen Fällen die so gefeierten A lten m it oinem Male n ich t mehr für uns vorbildlich sein? — Es erregte seinen Zorn, daß man den M a r k u s t u r m in Venedig genau nach dem alten Vorbild wieder herstellen will. „W ürde denn sein alter Meister, wenn er heute wiederkäme, sich dieses Zeugnis geistiger A rm ut geben?!“

Und nun g ar erst die sogenannte-„ S t i l r e i n i g u n g “ war

ihm zuwider! Die schöne Renaissancespitze der H radschinkirche zu P rag soll fallen, um durch swoi stilreine gotische Türme ersetzt zu werden. Welch ein Barbarism us! Setzt das K ünst­

lerische neben das K ünstlerische, dann w irk t’s immer, ob im gleichen oder anderen Stil.

Wie schön passen die G lasfenster des modernen englischen M alers Burne Jones in den alten, ernsten gotischen Dom zu Oxford, da sie eben an sich künstlerisch sind. H ätte man bei uns wohl eine solche Aufgabe oinem K ünstler zugewiesen, der nicht ein dreimal verbrieftes P a te n t als w aschechter Gotikor aufweisen könnte ? Es liegt etwas Heiliges in der alten Fonnen- sprache, und wer will der Tor sein, das Studium derselben auch n u r einzuschränken? Aber auch u n s e r e r Zeit soll man nicht das Recht bestreiten, neue Formen zu finden, ein Recht, dessen Anzweiflung auf anderen Gebieten z. B. W issenschaft und Technik geradezu komisch wirken würde. „Manche Leute predigen ihr ganzes Leben von Freiheit der Presse, des Handels, des Vereins- und Versammlungswesens usw., dem K ünstler aber bestreiten sie das Recht, zu schaffen, was ih m g efällt!“

N atürlich wollte auch Schmalz nicht, daß dieses Streben nach neuen Form en ein gesuchtes, alle historische Entw icklung m it renom m istischer V erachtung ablehnendes sei. E r verlangte, daß aus alten Gesetzen in logischer Entw icklung sich neue ab­

leiteten. „K inder“, rief Richard W agner im Freundeskreise aus, „stu d iert das A lte und schafft das N eue!“ Das soll n a tü r­

lich nicht heißen: teilt euch in zwei Teile, von denen der eine

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Nr. 6. TU. Ja h rg a n g W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu B erlin 3 5

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Abb. 07. Zwei einander gegonüb erstehendc S eiten aus den N otizbüchern von Schm alz (W iedergabe in natü rlich er Grüße)

dio alte K unst studiert, und der andere sich in gaukelnder ] P hantasio von jeder sicheren Basis befreit, sondern daß man

durch das ernste Studium der ü b e r l i e f e r t e n künstlerischen Begriffe erst zu neuen und brauchbaren gelangen kann. Und das war der Weg, den O tto Schmalz ging.

W ie w ußte er in der F ach literatu r Bescheid! Nach irgend einem W erke über persische, indischo, ägyptische oder hollän­

dische B aukunst befragt (von bekannteren Stilarten ganz zu schweigen!), konnte er sofort alles M aterial darüber an den Fingern aufzählon. S tudierte er ein großes W ork, so wendete er m it der linken H and die B lätter um, m it der rechten aber führte er eine Schreibfeder, die in ein kleines Notizbuch und im kleinsten M aßstabe die ihn interessierenden Abbildungen sofort niederlegte. Auch wissenschaftliche W erke über Tiere, Pflanzen, Muscheln, K ristalle usw. machto er sich so zu eigen.

W as ihn am T ext interessierte, schrieb er gleichfalls ab. Seine S chrift is t so unnatürlich klein, daß eine normale Hand m it seiner O ktavseite eine Beigenseite füllen würde. Nach unge­

fährer Berechnung h a t er so etw a 4000 Seiten geschrieben, die, gedruckt, an Umfang Schillers W erke übertreffen würden, von unzähligen Randbemerkungen in wissenschaftlichen Büchern g a r nicht zu reden.

E s ist ein ganz einziger Genuß, diese vielen wunderbaren Büchlein, diese zierlichen Kornspeicher geistiger N ahrung zu durchblättern. H err A rchitekt Klinck, der treue H ü ter dieses heiligen Schatzes, h a t ihn m ir für heute zur Verfügung gestellt.

Sechs von diesen dreißig Büchern liegen auf einem Tisch der A usstellung.

Das Bild seines Strebens nach W ah rh eit und Erkenntnis würde ich unvollständig geben, ließe ich unerw ähnt, daß er auch s e l b s t an einem wissenschaftlichen W erke arbeitete, Im Anfänge desselben ste h t folgender Satz: „Nicht weil ich meine Aufzeichnungen für reif, fertig oder stich- und hiebfest halte, habe ich den M ut dam it vor die Oeffontliclikeit zu treten, sondern weil ich glaube, daß in ihnen für Berufenere, als ich bin, vielleicht die A nregung liegt, auf dem gleichen W ege nach der W ahrheit zu streben und wissenschaftlich dem nachzugehen, was mir das Glück und unberechenbarer Zufall in den Schoß warf. W ird aber

Dasein dessen sich nicht bestätigen, was gewissermäßen als roter Faden diese meine B lä tte r heftet, was tu t's ? Ich habe die Beruhigung, daß keine A rbeit im D ienste der Forschung nutzlos ist, selbst dann nicht, wenn sie von falschen V oraus­

setzungen ausgeht.“

Ueber das, was ihm Glück und Zufall in den Schoß warfen, hoffe ich ein anderes Mal und in anderer W eise näheres mit- teilen zu können.

H ätte nun Schmalz, wie man zuweilen ihm nachgeredet hat, nur originell und auffallend insbesondere in seiner K unst sein wollen, w ahrhaftig, er h ä tte sich dieses rastlose und liebevolle Studium sparen können. D as Talent etwa in der A rt van de Veldes zu schaffen und W illkürlichkeiten für einen neuen Stil auszugeben, h ä tte er bei seiner unvergleichlichen P hantasie viel­

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36 W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu B erlin 8. F eb ru ar Í908

Abb. 98. N ich t ausgeführter E ntw urf

leicht noch weiter, wie jener, entfalten können. Aber er s tu ­ dierte das A l t e und schuf dann das Neue.

Aus den rauschenden Wogen der letzten P ariser W elt­

ausstellung, aus all dem dekorativen P runk und Schein, sandto er mir eine P ostkarte m it der Innenansicht einer weltbekannten Kathedrale und schrieb dazu nichts als die einfachen W orte:

„ J e tz t sehe ich erst, wie schön Notre Dame is t! “

Seine fachlichen Studien begleitete ein fieberhaftes Sehnen r nach allgemeiner Bildung. „Die W issenschaft fesselt mich | w eit m ehr als die K u n st“, habe ich ihn oft ausrufen hören.

Ueber Pflanzen und Seetiere, Eigenschaften der Erde und K räfte ; des W eltalls sprach er ebenso eifrig und anregend wie über dio K unst. D arwins W erke waren ihm v e rtrau t, Schopenhauer j verehrte er, und freudestrahlend rief er mir einmal entgegen:

„G ott sei Dank, je tz t habe ich den ganzen Nietzsche durch­

gelesen!“

In seiner N aivität verstand er gar nicht, daß man seinem Urteil über Menschen und Dinge nicht einen bestim m ten Be­

griff zii Grunde legen könne. So war es u. a. reizend, wie er einen Bekannten, dem ein viel größeres Behagen an irdischen wie an ideellen Genüssen von der S tirn redete, und der sich über R. W agner absprechend äußerte, harmlos fragte: „ach, Sie stehen wohl auf dem Standpunkt des späten N ietzsche?“ und wie darauf jen er gute Mann, dem selbst der f r ü h e Nietzsche noch keine unruhige Stunde bereitet h atte, ihn unglaublich verblüfft anblickte. —

Bei diesen Studien m annigfachster A rt u nterstützten ihn seine gleichfalls nicht gewöhnlichen Sprachkonntnisse. E r las englische, italienische, französische und spanische W erke, m it Vorliebo auch H erodot und Homer im U rtexte.

Auch seine m u s i k a l i s c h e Bildung war nicht gering. E r kannte jedos nennenswerte M usikwerk alter und neuester Zeit,

Abb. 99. V erändert ansgefflhrter E ntw urf

und wenn ich mich heute mehrfach m usikalischer Begriffe be­

diene, betrete ich nu r ein Lieblingsfeld unseres einstigen Ge­

dankenaustausches. Die spätesten W erke Beethovens und die neuesten von Richard S trauß konnte man vierhändig ganz g u t m it ihm bewältigen.

Klar, wie überall, enthüllte auch hier sein U rteil die großen Züge großer Geister. Als ich ihm erzählte, man habe mir auf der Insel Sylt etwas von Chopin vorgespielt, rief er aus: „B ist du nicht davongelaufen?! Chopin auf Sylt! Ich möchte da nur Bach oder Beethoven hören!“ —

Sein Streben nach Bildung und seine L u st am frischen E r­

fassen des Lebens fanden natürlich auf seinen vielen Reisen reichliche Nahrung. A m t l i c h e Studienreisen dienten selbst­

verständlich den vorgeschriebenen Zwecken und häuften einen wahren B allast von Photographien und Skizzen auf. Zog er aber sonst in die W elt hinaus, ste ts begleitet von seiner treuen Sophie, so wollte er in erster Linie sich als Mensch fühlen und jede geistige Einschränkung, selbst das Bewußtsein A rchitekt zii sein, w ar ihm dabei zuwider. Alles betrachtete er vom S tandpunkt allgemeiner Bildung, und naturw issenschaftliche Museen zählten ihn ebenso oft zu ihren Gästen als Kathedralen.

Treffender is t eine solche Reise nie charakterisiert, als durch seine Bem erkung: „A uf der Reise is t man der Herr, zu Hause der K necht!“ — Auch an Tollheiteil fehlte es dabei nicht.

W enn sie in einem italienischen Kaffeehause saßen, begab es sich m itunter, daß die F rau in einem Buche las, und der Mann sich m it weiblicher H andarbeit beschäftigte. Denn auch das Sticken verstand er und trieb es m it Vorliebe. Man denke sich die verblüfften G esichter der Italiener!

Eine seiner Lioblingsideen war, von Berlin schnurstracks auf den Rigi zu fahren. „Siehst du, das sind Gegensätze, wie sie sich der Fromme zwischen Himmel und Erde nicht schöner

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ausmalen kann. Und herrlich is t es, wenn bei meiner A nkunft | auf der Rigispitzo unten alles in W olken liegt, und über mir die Sonne strah lt. Welch ein Symbol für das Leben!“ - -

H eim gekehrt vom Reisen, erzählte er davon m it vollendeter A nschaulichkeit. Nahm er das W o rt in einer Gesellschaft, so verstum m te bald jedes andere Gespräch. F arbig und leuchtend zogen S tad t und Land an uns vorüber, es donnerte der Vesuv, es glänzte das Alhambraschloß, es tobte das Volk beim S tier­

kampf in Sevilla. Sonnenheiterer Humor überstrahlte die Bilder, kein unschönes W ort h a t je sie beschattet! —

Man sagt, daß sterbende Menschen sich oft an der Hoffnung auf weite Reise erbauen. Bei ihm w ar’s kein W under, wenn sich in seinen letzten Tagen, trotz seines armen, zerrütteten, bis auf wenige achtzig Pfund abgem agerten Körpers, noch die Sehnsucht nach Aegypten regte, dem W underlande, von dem ich ihm so oft erzählen mußte. Auch Indiens Zauberpracht schimmerte noch traum haft durch seine letzten Phantasien. Ihm w ar auch das v ertrau t, denn was es nur davon gab in Europas besseren Schriften war längst ein Teil seines reichen W issens geworden. — — — G estatten Sie m ir nun, zur Besprechung w eiterer k ü n st­

lerischer W erke des seltenen und seltsamen Mannes überzu­

gehen, m it dessen W esen und Persönlichkeit ich Sie v ertrau t zu machen suchte.

Dazu greife ich flüchtig agf die vorhin verlesenen D aten aus seinem Leben zurück, u nter denen es hieß: „1895— 1905 T ätigkeit am Bau des Land- und A m tsgerichtsgebäudes in der Grüner- und Neuen Friedrichstraße zu B erlin.“ Von Erfolgen in privater T ätigkeit während jener Zeit schweigen die A kten ganz. E r h a t die reifste K raft frischester Monschenjahre — die zehn Jah re vom 34. bis zum 44. seines A lters — aus­

schließlich dem M inisterium für öffentliche Arbeiten und liier fast allein dem E ntw urf der A usführung und geschäftlichen

L eitung eines einzigen Gebäudes gewidm et, das also als die Krone seines Lebens anzusehen ist.

Kein Zweifel besteht darüber, daß die gesam te künstlerischo Ausschmückung dieses Riesenbaues, der fast eine preußische Meilo Korridorlängo hat, Schmalz’s eigenstes W erk ist. Man braucht nicht A rchitekt zu sein, um zu sehen, daß von der kühnsten R aum gestaltung bis zum unscheinbarsten D ekorationsm otiv der gleiche G eist persönlichen Gefühles und subjektiven G estaltens in diesem H ause schaltet und w altet. Niemand wird bestreiten, daß, wenn der K ünstler während der A usführung des Baues ge­

storben wäre, das W erk nicht mehr im g l e i c h e n Sinne fort­

zuführen gewesen wäre. Und solch ein W under begab sich (man verzeihe m ir die Bemerkung!) bei einem Staatsgebäude!

M ußte er da nicht (wie er’s m ir gegenüber so oft getan!) m it freudiger Anerkennung aussprechen, daß ihm durch die Liebens­

w ürdigkeit seiner V orgesetzten eine F reiheit gelassen wurde, wie nie einem A rchitekten dort je zuvor? Konnte er da nicht dio häufig an ihn gerichteten Bemerkungen, daß er bei seinem unvergleichlichen Können als P r i v a t a r c h i t e k t am rechten P latze wäre, achselzuckend m it der F rage abfertigen: „Glauben Sie wirklich, daß ich als P riv a tarch itek t jem als eine solche A uf­

gabe erhalten würde und sie m it solcher F reiheit lösen könnte?“

— U nd wie groß dachte er von seinem W erke! Das H aus wurde in zwei Abteilungen erbaut. Ein Teil war bereits dom V erkehr übergeben, als man den zweiten begann. Niemand h ätte sich gew undert, wenn er sich je tz t dio A rbeit erleichtert und sich w enigstens in Nebensachen wiederholt hätte. E r aber stellte sich unseren A lten an die Seite, die in ähnlichen Fällen nur das allgemeine System eines Baues festhielten. Alle Einzel­

heiten sprossen neu hervor und noch weit üppiger als früher.

G alt es doch, sich nicht nur anders, sondern auch reicher ent­

w ickelt zu zeigen.

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Nr. 6. II I.’Jah rg an g W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu Berlin

Abb. 100. V erä n d ert aU sgefflhrter Entw urf Abb. 101. N icht a u sg efö h rter E ntw urf

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W ochenschrift des A rchitekten -V ereins zu B erlin 8. F ebruar 1908

So schuf denn die rastlose P hantasie bis in die entlegensten Höfe im m er wechselnde Gebilde, erfand Schlüsselscbilder und Tapeten, gab jedem der fünfunddreißig Sitzungszim m er andere Farben, V erzierungen und Beleuchtungskörper und dichtete auch sämtliche Sinnsprüche. Sie spielte ihre hundert V ariatio­

nen über die wohlbekannten Leitm otive der zum Schwur er­

hobenen Hand, der wütenden Kampfhähno, der klugen Schlan­

gen und reinen Tauben, des dornigen Lebensweges, des öden

Paragraphenw esens, und fand schließlich für den im S ta a ts­

dienste rastlos M aterial zusammenschleppenden Menschengeist das unvergleichliche Symbol eines ungeheuren Ameisenhaufens.

Und welche M ittel gab man ihm für seine K unst? Recht bescheidene! Was wußte er von all den kostbaren Holzsorten, womit heutzutage Bankgebäude und W einrestaurants prunken, was von grünlicher Steineiche und kaukasischer Esche, was von Havanna-Ceder, Kuba-Mahagoni, ostindischem Polisander und

Abb. 10*2. Land- und A m tsg erich t I in Berlin. M ittelbau an der N euen F riedrichstraße (aus der Sam m lung des M inisterium s der öffentlichen A rbeiten)

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Abb. 103. Land- und A m tsg erich t I in B erlin . T reppenhaus an der N euen F riedrichstraße (aus der Sam m lung des M inisterium s der öffentlichen Arbeiten)

Sykomore, Zwei Sorton Kiefernholz m it überall gleichen P ro ­ filen und Fasen, S tü c k lis te n und Leimfarben w irkten seine wechselnden W under. — „K annst du mir wirklich versichern, daß die Räume nicht wie W ohnräum e aussehen?“ fragte er ängstlich; „mein Streben ist, daß sie eine a m t l i c h e Physio­

gnomie erhalten.“ Jeden Schein vermied er angstvoll, machte alle D rähte sichtbar, schrieb jede Zimmernummer und -bezeich- nung so leserlich als möglich und kam schließlich dahin, auch

die billigen M auersteine des wunderbaren Gewölbes über dem H auptvestibül offen zu zeigen, gegen die Unw ahrhaftigkeiten und Lügen von D raht und P u tz das hohe Lied der K onstruk­

tion singend. — —

Sicherlich wird ein so eigenartiges und (wenn Sie wollen) eigenwilliges W erk, nam entlich u nter den Fachgenossen der­

selben Zeit und S tadt, zunächst eine geteilte Anerkennung finden. Jed er bildet sich für seine K unst ein Schönheitsideal

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Nr. 6. II I. Ja h rg an g W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu Berlin

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Abb. 101. Land- und A m tsg erich t 1 in B erliu. E ntw urf zum H auptportal in der N euen l'ried richstraß e (aus der Sam m lung des M inisterium s der Oil'entlichen Arbeiten)

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'W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu Berlin

Abb. 105. Land- und A m tsg erich t I in B erlin . E ntw u rf zu dein P o rta l m it dem s tilisie rten A m eisenhaufen (au s der Sam m lung des M inisterium s der öffentlichen A rbeiten)

lind v e rträ g t es selten, wenn andere sich des gleichen Rechtes bedienen. A ber ich kenne auch der begeisterten V erehrer ge­

nug, weiß, daß die Jugend dem W erke schwärmerische H in­

gabe zollt, und weiß, daß intelligente Maler und Bildhauer sich daran entzücken. A ber ich weiß noch mehr! Wo ich im A us­

lände einen Kollegen oder Kunstfreund- für Berlin zu inter­

essieren suchte, w ußte er gewöhnlieh schon vom Gerichts- gebäude. D er D irektor des B rüsseler Museums versicherte mir, daß oft französische und belgische A rchitekten Berlin besuchten, ! nur dieses einen Gebäudes wegen. Im Kaiser Friedrichm useum 1 redete mich kürzlich ein Florentiner K unsthändler an. Nur. zwei Tage bot ihm sein Program m für die B esichtigung B erlins;

schon am ersten w ar er im G erichtsgebäude gewesen. Ich freue mich, sagen zu können, daß mir im M inisterium von hoher Stelle diese meine Erfahrungen b estätig t wurden. —

Ich sagte vorhin (dem Sinne nach), daß Erfindungsgabe und Können an s ic h bei unserem jungen M eister wohl von allen hochgeschätzt würden, daß aber seine A rchitektur des Gerichtsgebäudes mannigfachen W iderspruch erführe. Lassen Sie mich hierbei noch einen Augenblick verweilen.

Z unächst is t es die W ahl des B austiles, die E rw eiterung der Formen des späten Barocks, die man vielfach ungünstig be­

urteilt. . Man verlangt für ein Gerichtsgebäude strengere K unst­

weisen, erhabenere W ürde.

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42 W ochenschrift dos A rch itek ten -V erein s zu Berlin 8. F eb ru ar 1908

Aber haben denn die Menschen nicht zwei J a h r­

hunderte lang im gleichen Stil von ihren höchsten göttlichen und menschlichen Idealen geredet? Is t nicht auch unser K am m ergerichts­

gebäude aus gleichen Schön­

heitstrieben geboren? Ist nicht die K unst unseres Gerichtsgebäudes dem Ge­

schmack jener Zeiten und jener Könige entwachsen, die uns die preußische Ge­

richtsbarkeit schufen, und deren Bildnisse — in dank­

barer E rinnerung daran — den Ehrenplatz im Hause • erhielten? Und is t nicht — so frage ich w eiter — jene

Bauweise, aus der Schmalz als Urquelle schöpfte, der noch heute klar erkennbare Stil des S tadtviertels am A lexander­

platz? Parochialkircho, Königskolonnaden, das berühm te H aus m it neunundneunzig Schafköpfen sind in diesem Stil er­

hallt, und zahlreiche P riv ath äu ser können ihn — trotz klassi­

scher L äu teru n g durch späteren P utz — noch nicht ver­

schweigen.

Von solchen Erw ägungen geleitet, beachte man die feine A nlehnung der unvergleichlichen Türm e des Goriehtsgebäudes an den Turm der Parochialkirche und freue sieh in der Straße, die G o n t a r d s so bezeichnenden Namen träg t, über den male­

rischen Zusammenklang ebenderselben Türme und ihres M ittel­

giebels mit dem üppigen Figurenschm uck auf dem Dache der Königskolonnaden. —

F ern er findet man oft die Formen des Aoußeren zu klein und zu zierlich. Aber gerade d a s entsprang bew ußter A bsicht und richtiger Erw ägung. — Allen Respekt vor der großen A rch itek tu r genuesischer Paläste, wenn man sie von Entw ürfen oder Aufnahmen ablesen kann! Sonst aber bem ächtigt sich m einer in der Via Garibaldi ein Gefühl, wie es der antike Schiffer haben m ußte zwischen jenen Felsen, von denen ihm die Sage orzählte, daß sie einst zusam m enrückten und alles zwischen sich zermalmten. H i e r aber beachtete der A rchitekt die engen Gassen rings um seinen B auplatz und fühlte, daß in ihnen nur zarte Formen und lebendige Detaillierung wirken konnten. „A lles“, so sagte er mir, „soll aussehen, wie vom Bildhauer unm ittelbar modelliert, nicht wie vom A rchitekten aus kleinem Maßstabo v erg rö ß ert.“ — W ir sehen zwar je tz t, wo das Häuserviertol vor der Schm alseite niedergelegt ist, auch eine herrliche W irkung aus der Ferne, wir hören oft

den W unsch, daß jenes Bild verbleiben möge, w ir fürch­

ten die erdrückende Allmacht eines neuen W arenhauses, aber der K ünstler s e l b s t würde alles m it größter Seelenruhe ertragen. Sein A rch itek tu r­

programm entwuchs den engen Straßen. —

Aber, so höre ich weiter, zugogebon, daß Stil und kleine Form en passend ge­

w ählt sind, warum denn zeigt der Bau kein ernsteres Ge­

sicht? Is t das Gerichtswesen ein Spiel oder der höchste Begriff menschlicher K ultur?

Seien wir nicht allzu stren g und pedantisch! W ie alle Schöpfungen unserer W eisheit, so gliedert sich auch das Gerichtswesen in sehr verschiedene Zweige, und man könnte darüber streiten, ob der architektonische Cha­

ra k te r eines öffentlichen Ge­

bäudes durch das Wesen des

darin wirkenden K u ltu r­

begriffes überhaupt oder nur durch den gerade hier vor­

herrschenden Teil desselben bestim m t werden soll. Und letzteres v o rausgesetzt, so kann ich wirklich nicht finden, daß es im G erichts­

gebäude am Alexanderplatz allzu tragisch hergeht. Von ihrem richtenden Schwort m acht die heilige J u s titia h i e r niemals Gebrauch, und auf ihrer W age wiegt sie meist recht reelle Dingo;

keine ihrer Schalen sinkt, wie einst das Los des H ektor in den Händen des V ater Zeus, bis tief zum Hades hinab. Zum Glück sind ihr nicht auch die Ohren verbunden, so daß sie sich manche Stunde herzerquickender H eiterkeit verschaffen kann. Denn hier zeigt sich nicht selten der Mensch in seiner über­

w ältigend komischen Kleinlichkeit. D urch Zufall wohnte ich einer Verhandlung bei, wo eine Frau ihre Nachbarin wegen dreißig Pfennige F utterk o sten für einen in Pension genommenen Kanarienvogel verklagte, und wo vorgeschlagen w urde, über den A ppetit eines Kanarienvogels Sachverständige zu hören.

Niemand w ird gerade in diesem Hause an Leib und Leben, an E hre und Bürgerw ürde gestraft, und von zwei Parteien ver­

lä ß t die eine gewöhnlich vergnügt das Haus. W arum also das Verlangen nach bedrückendem E rnste gerade an dieser Stelle?

W ie schön is t es dagegen, daß der arme Zeuge und Sach­

verständige, zu stundenlangem W arten verurteilt, sich immer wieder an dem bestrickenden Spiel von L ichtern und Farben beleben kann! Haben Sie jem als die staunenden Augen der L eute in diesem Gebäude beobachtet? Wo ist je die A rchi­

te k tu r oino so erhabene Trösterin im Leide der Langenweile gewesen? Die Augen folgen jedem schwarzen Talar, der die Treppe em porsteigt, sie sehen ihn plötzlich im hellsten L ich t erscheinen, dann im geheimnisvollen Dunkel verdämmern, um aufs neue aufzutauchen und wieder zu verschwinden. Ein ewig wechselndes Leben webt in diesen kunstvollen Treppen­

häusern, und n u r die Z auberkraft der Raum entfaltung, m it ihren sich verschlingenden Gängen und Stiegen, m it der leben­

digen Gruppierung von Pfeilern und Decken, m it ihren bald geheimnisvoll versteckten, bald offenen, sonnenscheindureh- zitterten Lichtquellen schafft diese unbeschreiblichen W irkungen.

Vor solchem Zauber schwei­

gen die Fragen nach Stil

• und Form! In solchem Strom des großen Kunstgedankens ertrinken alle schroffen Ein­

zelheiten! Ein Gefühl höchster W eihe beseelt mich trotz aller w e it lie h e n Formen und Ideen, die mich umringen.

W enn ich in der Villa Borghese zu Rom vor Tizians sogenannter „himmlischer und irdischer L iebe“ stehe, spricht ein gleiches hohes, religiöses W o rt zu m ir, obwohl — trocken betrachtet — alles auf jenem berühm ten Bilde dem frommen Sinne fremd sein müßte. Denn weder eine unbekleidete noch eine im Toilettenglanz prunkende Frau dürften im Leben als religiöse A usdrucksm ittel angesehen werden. Jenes M eisterwerk aber w irk t erhebender auf Herz und Gemüt, als zahl­

lose K irchenbilder m it dem ganzen A pparat von betenden

Abh. 106. D ie K ünigskolonnaden von der G ontardstraß e aus g eseh en ; dahinter die Türme und der llitte lb a u des Land- und A m tsg erich ts

Ahb. 107. H a up tpartal.am Land- und A m tsg erich t in der N euen Friedriehstrasse- •

(17)

Nr. C. III. Jah rg an g W ochenschrift des A rch itek ten -V erein s zu Borlin

HeiJigon und singenden Engeln;

gleichwie manches moderno Oratorium, m it stilvollen Cho- ralfigurationen unendlich aus­

staffiert, an himmlischer H ei­

ligkeit, tief unter einer w elt­

lichen Sinfonie Beotliovens ste h t, und manche stille, zopfige Dorfkirche überzeugen­

der zum Herzen spricht, als viele große W eltstadtkirchen, triefend von Gotik und from­

men Motiven. Spricht die wahre K unst, so heiligt sio jede Form, und Otto Schmalz verstand, sie sprechen zu lasson. —

Die für meinen V ortrag

eng gezogenen Grenzen gestatten mir nicht auf zwei kleinere W erke von Schmalz näher einzugelien. auf die architektonischen D ekorationen zum Kaiser Friedrich-Denkm al in C harlottenburg und zum Moltke-Denkmal auf dom Königsplatz, für die von Professor Uphues geschaffenen Bildwerke. Ich will mich damit begnügen, dafür H a n s S e h lie p m a n n s kurzes U rteil anzuführen aus seinem schönen N achruf auf unseren M eister in der „ T ä g ­ l ic h e n R u n d s c h a u “. „Eine ganz aus dem

Eigenen erwachsene Schöpfung von Schmalz besitzen wir noch: die A rch itek tu r des Kaiser Friedrich - Denkmals in Charlottenburg — die auch von ihm herrührende des Moltke- Donkmals is t minder für seine Grüße be­

zeichnend. W ie er hier durch die beiden flankierenden Obelisken das Denkmal nach M aßstab und L inienführung harmonisch dem viel zu ausgedehnten P latze einfügte, ist um so bew underungswürdiger und dankens­

w erter, als die völlig mißlungene Eingliede­

rung unserer zahllosen öffentlichen Bild­

werke in die Umgebung geradezu Regel geworden zu sein scheint.“ — — —

Um keinen P u n k t des W irkens von Otto

Abb. 109. Im H erzen Europas k r ista llisir t sich e tw a s an

Schulbauten in der Danckel- mann- und Spielhagenstraße entstanden.

Der erstere ist nach dem V orträge des Verfassers in den Sitzungen des M agistrats und der Stadtverordneten ohne Dobatto angenommen. „W as ist das für ein M ann!,“ hat man gesagt, „seine Rede klingt ja wie M usik.“ — Der zweite m ußte nur deswegen zurück­

gestellt werden, weil erw eiterte T errain-A nkäufe auch er­

w eiterte Pläne verlangten.

Welch ein W under, und welch ein gutes Zeichen für die, welche zu urteilen hatten!

Ich legte Ihnen vorhin die stattlich e L iste der von Schmalz erstritten en K onkurrenzpreise vor.

W ie aber stand es m it der A usführung seiner gekrönten Entw ürfe? M it Ausnahme seiner Pläne für das R athaus in M ann­

heim, die ihn (in engerer Konkurrenz m it zwei der ersten A rchi­

tekten Deutschlands) zum schönen Siege führten, und von deren A usführung ich schon gutes gehört habo, ist bei allen sonstigen Konkurrenzen ein praktischer Erfolg nicht zu verzeichnen. Und doch habe ich da, wo ich das nach anderen Entw ürfen herge- stollto, oft aus verschiedenen Gedanken v e r­

schiedener A rchitekten zusammengestoppelte W erk erblicken konnte, mich stets m it Be­

dauern der für immer aufs Papier gebannten geistvollen Ideen meines Freundes erinnert.

H i e r aber, bei C harlottenburgsBehördon, fand er für seine ersten A rbeiten gleich ein volles V erständnis. Ein neuer M orgen k ü n st­

lerischer F reiheit ging ihm auf, nachdem die helle Sonne des Staatsdienstes für ihn Untergängen und oine kurze, bange N acht gefolgt war.

W as aber sollte nun der neue Tag im Schmalz im öffentlichen Leben zu vernachlässigen, zog ich D ienste Charlottenburgs bescheinen? Viel, sehr viel des Neuen schließlich noch Erkundigungen ein über seine letzte amtliche und Großen!

T ätigkeit als S tad tb au ra t von Charlottenburg.

Meine eigene K enntnis davon beschränkte sich auf das we­

nige, was er m ir erzählt oder (besser gesagt) vorgeschwärm t h atte: von der A usbildung einer großen P rachtstraße, der­

gleichen die W elt noch nicht gesehen.

E r war unm ittelbar nach der Uebernahme seines viel v er­

heißenden und vielverlangenden Amtes für seine Freunde wenig zu sehen, und als sein m itteilsam er Mund für immer verstum m te, konnten wir nur die tra u ­ rige Tatsache feststellen, daß seine A rbeit im D ienste C harlottenburgs kaum drei Monate gedauert hatte, vom Todeskeim im schwachen Körper niedergedrückt, von zitternden H än­

den gefesselt. Konnte er auch nur den kleinsten Stein dem Aufbau des m ächtig emporblühenden Gemeinde­

wesens oingefügt haben? Und was konnte ich wohl — nachdem ich H errn Oberbürgerm eister Schustehrus um eine Rücksprache gebeten hatte

— glauben, von einem s o lc h e n W irken zu erfahren? Ich erw artete eine kurze Ablehnung. Und selbst, als s ta tt dessen eine liebenswürdige Zusage erfolgte, machte ich mich nur m it geringer Hoffnung auf den W eg. —

W ie reich sollte ich heimkehren!

— In jener schwermütigen Zeit des letzten Ringens zwischen starkem Geist und zerfallendem Körper sind zunächst u nter seiner L eitung die

beiden Entw ürfe für die großen Abb. 110. E ntw urf zu einem Schulgebäude für C harlottenburg

In steter Steigung hebt sich die B ism arckstraße von der Ringbahnbrücke zur Höhe von W estend, lebhaft erinnernd an die weltberühm te Perspektive vom Place de la Concorde zum A re de Triompho in P aris. Jenseits der Höhe aber senkt sio sich wieder, und so würde sie — beiderseitig von H äusern eingefaßt — oben auf dem H ügelrücken das (oft scherzhaft so

genannte) „Loch in der N a tu r“ bilden, das man häufig in hügeligen Städten sieht und zuweilen auch in der L and­

schaft beobachtet, z. B. auf klassischem Boden, in der römischen Campagna, wenn die von Pinien und Oelbäumen um säum te Via Appia die Höhe des A lbanergebirges überschreitet. — K ünstlerisch empfindende L eiter des C harlottenburger Gemeindewesens kamen auf den Gedanken, den eigen­

artigen C harakter dieser Lücke als ein M otiv für ein architektonisches W erk zu benutzen.

W ie es hier die N atur r ä u m l i c h gab, so sollte die A rch itek tu r Char­

lottenburgs auch g e i s t i g hier ihren H öhenpunkt finden. D urch welche M ittel, durch Tore, Türm e oder P ylo­

nen, ob in freiester P h an tastik , ob in stren g ster Form, das blieb dem K ü n st­

ler überlassen.

W ie oft war sein offenes A n t­

litz wohl jener Höhe zugewendet, und welche F a ta M organa erschien dort seinem geistigen Auge?!

Und gleich jenem Aufbau soll nun auch die zu ihm führende S traße sieh

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