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Unser Bund: Älterenblatt des Bundes deutscher Jugendvereine, Jg. 15. August/September 1926, Nr 8/9.

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UNSER BU

ÄLTEEENZUTSCHMFT DES BD.J. E.V.

15.JAHR NR. 8X9

-

AUGUSTXSEPTEMBER 1926 ERNTlNGXSCHElDlNG

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Unser Bund

herausgegebenvom Bund Deutscher JugendvereineIX.V.« Bundeoleitung:Pfarrer Gotthold Donndorf,Hamburg I, Alstertors, Thaliahof4,ProfessorDr.Wilhelijtählim Münsteri.W., Paulstr.Yo.

Kanzlei:WülsingerodebeiSollstedt.Postsrheekkonto:Berlin 333Zo.

Fusan-isten-

Schriftleitung:Jörg Erb, Lehrer, Haolaehi.K.(Baden).

sürWerk undAufgabe: ProfessorDr.Wilhelm Stählin.

Bestellung-

BeiderPost,beimBuchhandel,beimVerlag: ThüringerVerlagoanstalt undDruckerei G.m.b.H., Jena.

Preis-

JedeoHeftdoPfg.,vierteljährlich x.so Mk.

dieses Doppelt-oft 1.- Mk.

Bezahlung-F

BeiBuchhandel oder Postoder beiderThüringer Verlagoanstaltund DruckereiG.m.b.H., Jena, Postscheekkonto Erfurt3932.

Inhalt dieses Beste-:

Daheim X Die Grundlagen unserer Landarbeit X Die lieben Alten Bauernspiegel-JeremiaoGotthelf’o stauengestalten.- Jugendgemeinde, Jugendgotteodienstund daoLand- Arbeiter und Bauer XZurLand- arbeit deo Bundeo XZusammenfassung- Au ss p rach: UnsereThüringer Alterenarbeit -»Vom Schicksalund Sinn derdeutschenJugend- Die Ecke - Werk und Aufgabe: Landarbeit -Zur Lebensgestaltung- Wik

unddieandern Verbande , Buchund Bild J Anzeigen.

Anfeliriften der mitarbeiten

Pfarrer GustavKlaer, Zwinge (Südharz)XPfarrer Walther Kalbe, Sülzfeld, Post Henneberg-Jörg Erb, Haslach i.K. XPfarrer ErnstSchieber, AschbeiBlaubeurenx Pfarrer Mar Bürck,Steinen i.W.

Hans Schlemmer, Frankfurt a. O. -Professor Wilhelm Stählin, Münsteri.W.,-PfarrerGotthold Donndorf, Hamburg.

Bei diesem Heft:

EinBücherzetteldeoVerlageo Friedrich Bahn, Schwerin, aufden wiraufmerksammachen.

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FIDIUCJXÄ

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x5.Jahr August-September 3936ErntingXScheiding Heft8j9

Unser Bund

Aelterenzeitschrift des Bundes Deutscher Jugendvereine e.V.

Ihr-heim-

Ein Weg durcljKorn und roten Klee Darüber der Lerche Singen, Das stille Dorf, der ljelle See, Süßes Wehen, frohes Klingen-

Es wogt das Korn im Staunens-rund

Darüber die Glocken schallen Hei mir gegrüßt mein deutsches Band, DU schönstesBund vor allerl! v.5chönqich-Cakolach.

Die Grundlagen unserer Landarbeit.

Von Gustav Klaer-Zwinge.

Siehe,eskommt dieZeit, sprichtderist-Err, HEry daß icheinen HungerindasLand schicken werde, nichteinenHunger nachBrot oderDurst nach tVassey sondernnachdemWort desScrrn zuhören.

Ilmoss,U.

Jn dennachfolgenden Ausführungen handeltessich nichtum eineZusammen- stellungvon mehroder weniger nützlichenRatschlägenund Rezepten, sondern um denVersucheinerVerständigung.Eswird auf pädagogischemGebiet heute sounendlichvielherumprobiertund herumerpcrimentiert, daßessich erübrigt, noch einneuesExperiment hinzuzufügen.Wir wollen nichtmit einer vor- gefaßtenTheorievon irgendeinem außerhalb unserer Aufgabe liegenden Gesichts- punkteaus anunsereAufgabe gehen, sondernwir wollen uns klarwerden iiber dieWirklichkeit,derwir gegenüberstehen,und überdieAufgabe,dieuns diese Wirklichkeit stellt. Und wenn wir uns darüber einig sind,dann wollen wir einjeder seinenWegfürsich selbst gehenindergroßengemeinsamenRichtung, indieuns unsere Aufgabe weist.

Was meinen wir denn,wenn wir von ,,unsererLandarbeit« sprechen?Wir stehenalsAngehörigedesBDJ. inderJugendarbeit. DerBDJ. hatwie all dieanderen Jugendbündebereits einen langen Weghinter sich,im Verlauf dessen sich seine Tätigkeit mannigfach gewandelt hat. Ichkann das hier im einzelnen nicht ausführen. Ausgehendvon derHamburgerGroßstadtjugendhat ersichüberunserganzes Vaterland ausgebreitetund umschließtheuteneben der Stadtiugend aucheinen nichtgeringen.izundertsatz von dörflichenund länd- lichenJugendgruppen. DieseländlichenJugendgruppen, diejainihrerArtviel ältersindals derBDJ. und die früherihreneigenen Weg gegangen sind, haben nun immer wieder versucht, den gleichen Weg zu gehenwie dic

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städtifchen Gruppen,und haben wieder und immer wieder die Erfahrung machenmüssen,daß siebeideeinganzverschiedenes Marschtempo, jaich möchte fast sageneineverschiedeneGangart haben. Siesindtrotzallem guten Willen niemals zusammengekommen,Und alle Bundesbegeisterung half den Tiefer- blickenden nicht über dieErfahrung hinweg, daßdieinnere einheitliche Linieim Bunde nur einfrommer,vielleicht unerfüllbarer, jedenfalls unerfüllter Wunsch geblieben ist:eineErfahrung, dieübrigensauch andere Kreisenachdenklichge- stimmthat. Denn eshandeltsichhierUm eineErscheinung,deren Ursachenganz allgemeiner Natur sindund mit dem Bund alssolchemnichtszutun haben.

Darum istesaber auch fürdenBund wichtig, daßwir derhierauftauchenden srage ernstlich nachgehen;denndieGefahren,denen heute dieLandjugendgegen- übersteht, sind keineswegs geringerals die,deren die Stadtjugend Herr zu

werden sucht.Unddarum dürfenwir sieindiesem Kampfenichteinfach sich

selbst überlassen.

Auchdas Landgehtheute inseinerArtdenfurchtbarenSchicksalsweg unseres ganzen Volkes,von demkeiner vorauszusagen vermag, wohin erführtund wo erenden wird. Aber gerade weil es einSchicksalswegist,darum stehenviele ernsteMenschen aufdemStandpunkt, daßman diesesSchicksal sichebenvoll- ziehen lassen muß,Unddaßallemenschliche Arbeit,allesmenschlicheSinnen Und Wollen UndMachen hier umsonst ist.Jedes VolkerfülltseineBestimmung lediglich kraftderlebendigenAnlagen,dieihmGott gegebenhat. DieseAn- lagenentwickelsn sichaber unbewußt, instinktiv, wachstümlich. Wir können ihnennichts hinzusetzen,nochetwas von ihnenfortnehmen. Undesisteine große Frage,ob wir mit UnseremSinnen und Sorgen und unserer geistigen Geschäftigkeit,mit derwir alles nach unseren Wünschenleitenund führenzu könnenglauben,nicht viel mehrSchaden anrichtenalswir ahnen. Denn alles Leben,das gewaltsam an dieOberflächedes Bewußtseinsgezerrt, alsoratio- nalisiertwird, verliert seineinnere Kraft.

Das AlteTestament überliefertuns eineGeschichte,dieeinen feinenSinn für diese Dingeverrät. Das VolkIsrael, das sichals VolkGottes ansah,hieltes füreineschwere Sünde,Gottes WegemitseinemVolkgleichsam nachzuprüfen.

Darum strafteGott eineVolkszählung,diederKönig David trotzderWar- nung seines seldhauptmanns (2.Samuelis, 24)veranstaltete,miteiner schweren Pest,sodaß7o ooo Mann starben. Ricarda Such schreibtinihrem Buch ,,VomSinn derHeiligen Schrift« dazu: ,,EbendiesSichselbst-beobachtenund Sichselbst-regieren istes,was Gott nicht habenwill. Er will esnicht haben heißt sovielals: er hatnichtsdamit zutun, dieUnbewußte Kraftzieht sich vor dembewußten Verstande zurück.Das Sichselbst-beobachten istdemVolke gerade so verderblich wie dem einzelnen. Es machtunfruchtbar.«

Und sokönnteman auch hierfragen: JstdiesBeobachtcnundHerumkurierem wollen an unseremVolk nichtselbsteinKrankheitssymptom Undein Zeichen seinerganzen Heillosigkeitzmitdem wir ihmnicht helfenkönnen? Nun, die Antwort auf diese srage istletzten Endes Glaubens- und Gewissenssache. Useber denErtrag unddieWirkung unsererArbeit könnenwirnatürlich nicht imvor- aus entscheiden.Das wird überhauptineinesAndern Handliegen,und wir wollen Uns doch auch nichteinbilden, daßwir nur zukommen brauchten,da- mit all das Verfehlte wieder gut würde. Wir wollen im Gegenteil unsere Aufgabemit großerDemut angreifen und mit heiliger Ehrfurcht vor den Dingen,denen wir uns gegenübergestelltsehen.Wir wollen esaberauchmit

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gutem Gewissen und Vertrauen tun, geradeweil wir nichtglauben, unser Volkirgendeinen beliebig en Wegführenzukönnen,sondernweil wir ihm helfenwollen, seinihm bestimmtesSchicksalwirklich zuerfüllen.Denn das allein kannGottes Wille sein, daßwir das vollenden, wofüreruns indieser Welt bestimmt undwozu eruns dieKräfte gegebenhat.

Wir wollen uns fernerdarüber klarsein, daßwir ganzauf Hoffnung säen müssen,dawir kaum dieFrüchte unsererArbeit sehenwerden. Denn wir selbst gehörendemunheilvollen Geschlechtean,dasseinenunbeirrbaren Instinkt, sein Daimonion, wieesSokrates nannte, verloren hat.Undauchdie,andenen wir arbeiten, werden, selbstwenn siedenWegzum neuen Menschentum gefunden- haben sollten,nochnichtaus tiefster, innersterUnmittelbarkeit heraus leben können. Vielleichtdas Geschlecht,das nach ihnenkommt, dessen Jugend von ihrentreuen Händenbehütetwurde,das könnteerstesrucht bringen.Vielleicht!

—- Wir müssenuns aufweiteSicht einstellen.Denn was isteinMenschenalter fürdieGeschichteeinesVolkes,was bedeutet einausgefallenes Jahrhundert fürdenJahrtausenduhythmus des WeltgeschehenslWas einVolk inhundert Jahren verloren hat,daskann esnicht inzehn Jahren wiedergewinnen. Wir müssendaGeduld haben.

Wenn wir nun beiunserer Aufgabeim besonderenan unsere Landjugends denken, sowürden wir schwerlichzueinem Ergebnis kommen,wenn wir diese Jugend aus ihrerUmgebungherausgreifen und rein für sichnehmen würden.

BeiderStadtsugendistdas biszueinem gewissenGrade möglich.DieSeele derLandiugendwird uns überhauptnur inihrertiefen Verbundenheit mitder Welt desLandes zugänglich. Landjugend isteinStückLandmenschentum und nur aus derStruktur des Landmenschenheraus psychologisch beg«reifbar.Die Struktur desLandmenschenaber erhält ihrenletztenSinn wiederum aus ihrem Zusammenhangmit der Struktur desGesam-tvolks. Es wird füruns also hauptsächlichdarauf ankommen,eindeutlichesBild vom Wesenund derArt, von derinneren Struktur desLandmenschenzugewinnen.

DerEindruck,alsobinvorliegenderDarstellung Stadt- und Landmenschen- tum mit ungleichem Maße gemessen würde,kann nur dann entstehen,wenn man übersieht, daßderStadtmensch hierlediglichals solie 1««)zurschärferen Charakterisierungdes andersgearteten Landmenschentypusdient. Wir sinduns bewußt, daß unsereLanda rbeit sichvon einemhöherenGesichtspunkteaus zu orientieren hat. DennbeideMenschentypen sind notwendigeGlieder imGesamt- organismus unseresVolkes. Aberhier geht’suns ebenum denLandmenschem Was ist Struktur? —- Vielleicht kann iches am bestenan einem Beispiel zeigen.Stellen wir uns vor, wir steckten gleichzeitigunter denselbenBedin- gungen drei Eicheln,drei Tannensamen und drei Bohnen indieErde. Sie fingenalledreian zukeimen unter demEinflußvon seuchtigkeitundWärme und fingenan zuwachsennachdenchemischenund physikalischen Gesetzendes Stoffwechsels. Sie wachsenalle unter dengleichen klimatischen Bedingungen, und dochsehenwiraus denEichelnund Tannensamen Bäume,aus denBohnen Ranken hervorwachsen. UnddieBäume aus denEichelnhabeneinenganz an-

deren Stamm und ganz andere Aesteund Blätter und Früchteals dieBäume

ausdenTannensamen,unddochsinddiedreiGewächsejederGruppe unterein- ander wieder sehr ähnlich.Wir sehendaraus, daß diese Organismen sichnicht nur nach allgemeinen chemischenund physikalischen Gesetzen entwickeln, sondern

»s)Vergleichsgegenstand, Maßstab,Hintergrund- TOk—Q-

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nacheinerbesondereneigentümlichenGesetzlichkeitihreslebendigen ·Wachstums, dieschonimKeimoder Samen latent O)vorhanden ist.DieseEigengesetzlichkeit

nennt man Struktur. Die Struktur ist alsodas Gesetzder eigentümlichen

individuellen Entwicklung,alsoeinindividuelles sormgesetz.

Dieses Gesetz giltnun auchbeim Menschen. Abgesehenvon der Differen- zierungder Geschlechter istder Organismus und der äußere Lebensprozeßbei allen Menschen derselbe.Unddochsehen wir,wieinnerhalb derMenschheitsich bestimmte RassenUndVölker vermögeihrerbesondermStruktur gegeneinander abgrenzen. Die gleiche Differenzierung wiederholt sichdann auch innerhalb eines jedenVolkes selbst,wie sichz.B.dieOberbayern scharfvon denNieder- sachsenund beidewieder von ThüringernundSessen unterscheiden. JedesVolk alsGesamtorganismus gliedert sich fernernachbiologischen bzw. soziologischen Besonderheiten inverschiedene Schichten, diealle in einem bestimmten leben- digen Sinnzusammenhang stehen.Ein Volkist alsonicht wieeinSandhaufen, indemjedesKörnchen einenganz zufälligen Platz hat, sondernesisteinleben- digerOrganismus, der sichnach ganz bestimmten Lebensgesetzen gliedert, auf- baut und entwickelt.

Und indiesemOrganismus hat auchderLandmensch seinenganz bestimmten Platzund seineüberaus wichtigeBedeutung. Jedes lebendige Wesen und auch ein Volkist solcheineinheitlicheslebendiges Wesen machtimVerlauf seinesLebens diedreiStadien derJugend, der Blüte und des Alters durch.

Daneben beobachten wir aber besonders beistarkwüchsigen Organismen eine außerordentliche Verjüngungsfähigkeit,diebisindas Altersstadium hineinreicht.

Schneidet man imHerbsteinen RosenstoekbisaufdenBoden ab, sotreibt er imFrühjahr vielleichtdreibisvierneue Reiseran Stelle deralten hervor,auch wenn man alleAugenmitweggeschnitten hat. Erbesitztausßerdensichtbaren Augenusnter derRinde nochunzählige sogenannte schlafende Augen,dielebendig

werden und hervorbrechen,wenn das LebenderWurzel bedrohtist,weil keine

anderen Triebe vorhanden sind.

Was nun dieschlafenden AugenfürdenRosenstock sind,das bedeutet der Landmensch für unserganzes Volk. Wir werden das nochimeinzelnendeut- lichererkennen. Das deutscheVolk war in seiner Jugend im Gegensatzzum BeispielzudenRömern einreines Landvolk,das sichvon Ackerbau undJagd nährte. Jm LaufederJahrhunderte entwickelte essich jedochüberdiemittel- alterliche städtisch-ständische sorm zum modernen Jndustrievolk mit seinen Großstädten.Das einzigeGlied am Volkskörper,dassichnicht odernur wenig mitentwickelt hat,istdas Bauerntum, der Landmensch,der nochvor kurzem aufeinerähnlichen Kulturstufe standwie vor tausendJahren. Jchsagedas nichtetwa miteinem Ausdruck derGeringschätzungDenn unserVolkkonnte einesolcheEntwicklung indie,,Höhe«nur durchmachen,weil esdauernd das Bauerntum alsunerschöpflicheReservehintersich hatte,weil esimmer wieder aufdie schlafenden Augen,die ewig jungeSchicht des Landvolkes, zurück- greifenkonnte beiseinem Kräfteersatz.Schon daraus wird deutlich,was für eingeradezulebensnotwendiger saktordasLandvolk fürdenGesamtorganismus desVolkes ist.Es istgarnichtauszudenken,was aus unseremVolke geworden wäre,wenn sich dieseSchichtdesLandmenschennichtinihremPuppenzustande erhalten hätte. Nicht nur der rein physische Kräfteersatz, sondernauchalle geistigkulturelle Jndividuationsmöglichkeitberuht jalediglich auf diesemzu-

sle)verborgen,schlummernd,ungeweckt, gebunden·

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rückgebliebenen,unentwickelten, urwüchsigen,träumenden Menschentum,das soviel verkannt und verachtet worden ist.Denn durchschnittlich isteine samilie,dieinderdritten bisviertenGeneration inderGroßstadt lebt, physisch und geistig verbraucht. Wie wollte unser Volk als Kulturvolk weiter- existieren,wenn es nichtdauernd die Verjüngungsmöglichkeitvon unten her hätte. Nein,der Landmenschistnichteinbloßintellektuell vergröberterodesr tieferstehender Typdes durchschnittlichenNormaldeutschen, sondern er istein ganz anderer Typalsz.B.derStadtmensch. Er isteinanders strukturiertes, aber ebensounentbehrliches Glied am Körperdes VolksganzenwiederStadt- mensch,aber ebendarum auch nichtqualitativmitihmvergleichbar.

Dieausgeprägteste sormdes Landmenschen findenwir inunseremBauern- tum, undzwar beidenmittleren und Kleinbauern. Es gehörendazu aberauch - Land-und Waldarbeiter, Handwerker,Mantel-,Bergleute usw., soweit sie auf eigenemGrund und Boden und unter dengleichen wirtschaftlichenund sozialen Bedingungen lebenwie der Bauer. Diese besondere wirtschaftliche Lage ist zwar nichtdas allein Entscheidende,aber dochdieunerläßlicheVoraussetzung fürdieeigentümliche Strukturbildung desLandmenschen.OhnedieSeßhaftig- leit,ohne dieGebundenheitan einganz bestimmtesStückchen Erde würde es überhauptkeineLandmenschen geben. Letztlichhatervon dieser Eigentümlich- keiterst seinenNamen. Es istderMensch,dernichtnur irgendwo auf dem Lande wohnt, sondernder Land be-sitzt im ganz bildlichen Sinne des Wortes.

«Diese SeßhaftigkeitiimUnterschiedvon dersreizügigkeitdes Stadtmenschen bedingt die ganze Lebenshaltung des Landmenschenund in nichtgeringem Grade auch seine seelische Eigenart. Wenn man ein Samexnkorn aufden AsphaltderGroßstadt wirft, sowird esvom Winde verweht und einRegen-.

guß spültesdurch dieKanalisation indieAbwässerderStadt. Verliert man·

aufdemLande einSamenkorn,dadauert esnichtlange,sowird eslebendig, beginnt Wurzeln indieErdezutreiben und seinenKeimzuentwickeln. So- gehtesauchdemLandmenschen.Erwurzelt in derErde,erschöpftunmittelbar aus ihrseine Kraft. Darum ist seinBlick an die Erde geheftet,und sein- ganzes Denken istmit ihrbeschäftigt. Infolgedessen stehter derNatur,deren Mutter dieErde ist,vielnäher alsderStadtmensch. Erstehtwie derRiese Antäus mitbeidenBeinen aufderErde,inderErde,und kannsichnichtvon ihrlösen ohne seine Eigenart, d.h. seine Krafteinzubüßen.DieNatur istdas Haus, das seinganzes Lebenbeherbergt.

Mir wird vielleicht schon jetzt eingewendet, daßderBauer überhauptkein Verhältnis zur Natur, keinen Sinn für siehabe. Wenn man mitihmübers scld gehtund ihnaufdieSchönheitderLandschaft aufmerksam macht,dann siehter einenziemlich sonderbar und verständnislosan. Das ist richtig.Der Landmenscherlebt dieNatur ganz anders als derStadtmensch. Sie hatfür ihntatsächlicheinenganz anderen Sinn. DerStadtmensch hat zurNatur eine rein ästhetisch-romantischeEinstellung. Seinem Verhältnis fehltdie ding- licheUnmittelbarkeit, diesichnur aus einerdauernden Berührung mit der Natur ergibt. sürihnistdieNatur dasganz andere imVergleichzuseiner täglichen Umgebung,denn dieParksund Rasenplätzeund Wasseranlagen der Stadt sindkeineNatur, sondernebenAnlagen. Selbst dieSeen und Wälder an derPeripheriederStadt habenihren gesunden, naturhaften Charakterver-- loren. sürdenStadtmenschenistdieNatur entweder Sauerstofflaboratorium,

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alsoErholungsstätte,oderaber ästhetischesObjekt,an demersich vorübergehend erfreutundvon demerZufallseindriickemitnachHausenimmt. Erglaubt,die Natur allein richtig sehenund würdigenzukönnenund merkt gar nicht, daß ermitder»Na-tur«dochnur sehr homöopathischinBerührungkommt. Darum macht eraber auchmeistkeinen Unterschied zwischen freier, lebendigerNatur Und bloßem Naturerfatz. Sein Naturerleben istgenau so romantisch befangen wie seinErleben vor seinemmit Gasflammen illuminierten Kamin, dernach- seiner Meinung sounendlichviel sauberer istalsdiealten mit Holzklobenge- feuerten Dreckschlotevon früher.

Schließlich istesjaauch keinWunder, wenn derStadtmensch zueiner sol- chenEinstellung kommt. Denken wir nur einmailan dieNahrungsmittel. Sie habenfürdenStadtmenschen vollständigihren Naturcharakter verloren. Daß sieauch wachsen müssen,das weißernicht mehr.Wie sollauchz.B.ein«

Großstadtkind,demnoch nie eineKuhoderZiegevor Augen gekommen ist,dar- aufkommen, daßesdieMilchebendiesenTieren und nicht dem Milchwagen verdankt. Braucht man Salat oderZwiebeln oderKartoffeln, sogehtman inden Gemüseladen,wo diese Dingeebensomassenweisewie sinnlosneben Bananen, Apfelsinenund Ananas liegen. Wo und wie das alles gewachsen ist,darüber machtsichderStadtmensch keineVorstellungen. Essind ebenWaren, diedasind unddieman kaufen kann,wieman alles andere auchkauft,was man braucht.

Welch einanderes Verhältnis hatder Landmensch zudiesen Dingen. Er weiß zunächst einmal, daß sienicht von selbstdasind, auch nichtinbeliebiger Menge.Er weiß aber, daßersie auf seinemStückchen Erde erzeugen kann, wenn ermit seinen Händendas Land zubereitetund bestellt.Unddann sieht er,wiedieFrüchte wachsenund was alles dazugehört,damit sie wachsen:

Sonne, Regen,Wind. Er sieht auch,wie siemanchmal nicht wachsenund wie ihmeinStückViehim Stalle krank wird und verendet, wieaber alles beisorgfältiger Pflege gedeihtund beiNachlässigkeitverkommt. Kurzum die Nahrungsmittel sindihmnichteineWare, sondern lebendigeNatur, dieGott mitHilfe seinerArbeit imSchweißeseinesAngesichtswachsenläßt. Unddiese Natur hataucheinganz bestimmtes Geprägefür ihn,insofernneben seinen Kartoffeln keineMandeln und Bananen wachsen, sondern ErbsenundBohnen und Aepfel. Und das istüberhauptder ganze tiefeund ernste Sinn der Natur fürihn, daßsieihmgibt,was erzuseinesLeibes Nahrung und Not- durft gebraucht. Die Natur istihmnichtErholung und Genuß, sondernder Inhalt seinerLebensarbeit und dieüberaus ernsteAngelegenheit seinerLebens- erhaltung. Dieses Sorgen und Arbeiten und Empfangen bildet seinVer- hältniszurNatur. Gefühlvolles Gaffenund SchwätzenderNatur gegenüber gibtesfürihn nicht.Dazu stehterihrsachlichzunahe. DerLandmensch ist mitseinerganzen Lebenshaltung viel intenfiveraufdieNatur eingestellt,weil er unmittelbar von dem Ertrag des Bodens lebt. So teilt sichderlebendige Rhythmus der Natur seinemLeben mit. Der Stadtmensch verspürt diesen Unterschiedkaum. sürihnistesein vielgrößeres Ereignis,wenn frische Apfel- sinen kommen,als wenn esneues Korn und neues Mehlgibt. Diesleischver- sorgung hat ihreganz bestimmten Höhen-und Tiefpunkte. Die Bauersfrau spürtesdeutlich,wann Eierebbe und Eierflut ist.DerStadtmensch weißda- von nichts,denn Eier gibtesfürihn immer. Er ver-spürt bloßdiewechselnde Spannung des Geldbeutels an denverschiedenen Preisender Waren, dieauf denMarkt kommen.

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übungen (Ra.tionalisierung kommt von ratio = Vernunft) machen Zu Müssen, kin- fach der Tradition gemäß, nach durch Generationen erprobter Weise ihk Saus führten. Aber wir stauen