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Die Zukunft, 11. Januar, Jahrg. XXI, Bd. 82, Nr 15.

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xXL Jahrg. Berlin,den11.Januar1913. Ye.15.

OW-

Herausgehen

Maximilian Hart-m

Inhalt:

Seite Wintermond. ....-....................... st- 1912.Voncadon ......................... 56

Unchdruck verboten- f

Erscheint jedenSonn abend.

Preis vierteljährlich5Mark,die einzelne Nummer 50Pf.

Ep-

Berlin.

Verlag der Zukunft.

WilhelmstraßeZa.

1913.

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20.-—.

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wird seitJahrzehntenmitgrossen-I ErfolgezurHaustrinkkur beiNieren ries, Sicht,St01ll,Elwslss UndAmsel-enNieren- undBlasenleidon verwandt. ach denneu-essenPorsehun en istsie auch demZuckerkrunken zur Ersetzung Seinestaglichen Kallkverustesanerster stelle zuempfehlen. Fürangehencle Mütter undKinder inderEntwickelung istsiefürdenKnochenaufbuu von

hoher Bedeutung.

- 1911=

13,598Badegästeund2,071,167Flaschenversand· - Manverlange neueste Literatur portofrei von den

Fürsti. Wilsinnger Uineralquellen, BariWiltiungen 4.

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Berlin, den 11.Januar 1913.

- -—- HJN I

Wintermond.

Lustration.

ÆlfredGrafvonSchlieffen,derfünfzehnJahre lang Chefdes Großen Generalstabes war, ist gestorben.Jhm sind nicht so vieleKränze gewundenworden wie (von nichtimmer- sauberer Hand)demanderenAlfred, derihminsDunkel voranschritt.Der AchtzigjährigewardennochdesLorbers.würdiger.Generaloberst mitFeldmarschallsrang, Generaladjutant desKaisers, Mitglied despreußischenHerrenhauses EinOffizier,derdengrößtenTheil seinerDienstzeitauswichtigenGeneralstabspostenverlebt,stetsal- so für besonders tüchtiggegolten hat.AlsNachfolgerWaldersees wurde ervonManchen lautgerühmt,vonManchenleisgetadelt.

Sein WissenundKönnen war unbestritten-;aber diemoltkische Denkpräzision,hießes,fehle ihmundseineKritiklangeallzugern über denGegenstand hinaus.Jn denvonihmvorbereitetenMa- növern seien schöneBilder zusehen, fürdenKrieg nützlicheEr- fahrungenabernicht oftzusammeln.Die Rede,dieSchlieffenim Herbst1905vorderEnthüllungdesdemMarschall Moltke von deminseiner Schule erwachsenen Heer gestiftetenDenkmal hielt, unterschied sich,inJnhaltundTon, sehr angenehm vonAllem, was wirbeisolchem Anlaßzuhören gewöhntwaren. KeinPa- radepathos,keine kindischeUebertreibung;einvonzärtlicher,doch nichtblinder LiebeentworfenesBild desRömers ausParchim.

»DieWorte ,selbst«und,ich«kannte dieser hohe Geist nicht«Die

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NedesolldemAllerhöchstenKriegsherrnsowenig gefallenhaben, daßerdemGeneralstabschefden fürihnmitgebrachtenOrden nicht gab.Drei Monate danachwar Graf SchlieffenimRuhestand NochrüstigzwasseintrockenerGreisenwitz anbot, schmecktesogar denjüngstenDachsen. (AlserzumUrtheilübereinenimRang ungefährgleichenKameraden aufgefordertworden war,sprach er,nach kurzerVedächtnißpause:,,HalbTürke, halbJournalist«.) Vor vierJahrenkamerinsinternationale Gerede. Aufeinem HeftderZeitschrift»DeutscheRevue« war zulesen: »Dieses Heft enthältdenArtikel ,DerKrieginderGegenwart«,welchender DeutscheKaiserbeimNeujahrsempfang derKommandirenden Generale vorlas,mitdem ausdrücklichenVemerken,daßdiedarin niedergelegten Gedanken sichmitseinen Ansichtendecken.« Die- senArtikel hatte Schlieffengeschrieben.Was standdarin?

Seit inFrankfurt derFriede geschlossen ward, habendie Heere DeutschlandsundFrankreichsanKopfzahl,anWuchtund LeistungfähigkeitderWaffen einander zuüberbieten versucht.

DiesesrastloseMühen hat bewirkt, daßdieBewaffnungbeider Heere heute fast gleich stark istundeinewesentliche Verbesserung kaumnochdenkbar erscheint. Mußteaberauchden anderen Mäch- tendenEntschlußzurascherWehrstärkung aufzwingen. JnWest und Ostsind deshalbjetzt,bisans JapanischeundOchotskische Meer, dieWaffenvonziemlich gleichem Werth. Leichte, schnell zu ladende undweithin tragendeGeschützezrauchlosesPulver;

das Geschoß so klein, daßesdieNiederwerfung eines gelben, braunen,schwarzenMenschen(der ja schwererals einweißeraußer Gefechtzusetzen ist)kaumnochverbürgt,dochingroßenMengen aufdemHeereszug mitgeführtwerden kannunddieAusnutzung derFeuergeschwindigkeit ermöglicht.Diesen Geschossen darfkein Mann UndkeineTruppe sich ohne Deckung aussetzen. Schonbei Mars-la-Tour hateinangreifendes preußischesNegimentin einerhalben Stunde68Prozent seines Bestandesverloren;im mandschurischenKriegeineJapanerbrigadeinnochkürzererZeit 90Prozent; inSüdafrika hateingedeckterSchütze vierzehnAn- greiferniedergestreckt. AmsicherenBewußtseinderUeberlegem heitkann sichKeiner mehr rösten.UndAlle waren zuvölliger Aenderung derTaktik genöthigt.DieJnfanterievermagnurnoch unter steterDeckungandenFeind heranzukommenunddieHaupt-

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Wintermond. 37 sorgederArtillerie,dieihr dazu helfen soll-,muß sein, fichgegen dasfeindlicheFeuerzuschützen;gegen GewehrundSchrapnell versuchtsiesmitPanzerschilden. DieGefechtssrontverbreitert sich.Armeen,wiesie1866und 1870 insFeld rückten,würden heute einenviermal größerenRaum einnehmen.BeiKöniggraetzfochten 220000,bei Gravelotte 186000Mann. JetztwürdeDeutschland 4750000,Frankreichgar5500000 Mann fürdenKriegbereit haben. Freilich steht diese Bereitschaftziffernur aufdemPapier.

DerFabrikarbeiter, dernach fünfzehnJahren inReiheund Glied zurückkehrt,hatdie alteTaktik vergessen,kenntdieneue Waffe nicht undkönnte unter derLastvon Gewehr,Munition undTornister einenTagesmarschvonvierzigKilometern nichtmehrleisten. Eine MillionManm beträchtlichgrößerwirddasFeldheerauch heute kaumsein;auf Sieg darf es,demwederdieUeberlegenheitder ZahlnochdiederWaffe gesichertist,nurhoffen,wenndieMassen festzusammengehaltenund gegen eingemeinsames Ziel geführt werden. AufdemRiesenschlachtfeldist wenigzusehen.DasFuß- volk nur,wenn es inhastigem LanauseinerDeckungindie andere eilt.DerFeldherristunsichtbar: hinterderFront;sitztamSchreib- tischvor derSchlachtfeldkarte,schicktdurch DrahtundFunken, Automobile und Motorräder denFührernfeine Befehleundem- pfängtdieMeldungen, dieauslenkbarenLuftschiffenundFessel- ballons eintreffen.Seine wichtigste Pflicht ist erfüllt,wenn er,ehe einZusammenstoßmöglich wird,denCorps dasTageszielund dieStraßen angegeben hat, aufdenen eszuerreichen ist.Die Schlachtenwerden länger dauern,abernicht mehrBlutfordern alsdiealterZeit. JndenKriegenFritzensundVonapartes be- trugdertägliche Schlachtverlust 40bis50,immandschurischen KriegnurLbisZProzentz und derkurze KampfbeiMars-la-Tour hatmehrMenschenlebenhingerafftals dievierzehnTagebeiMuk- den. DieGefahrlangerFeldzugsdauer ist nichtzuunterschätzen.

DasWirthschaftlebender VölkerheischtschnelleEntscheidungund

«

würde bei einerStrategie,die denGegner allmählichmattmachen will,vonschwer heilbaremSiechthum heimgesucht.Deshalbmüssen dieGegnertrachten,einander auf zweioderdreiSeiten anzu- greifen,dieFrontundmindestenseineFlankezupacken.Den Kundschafterdienst,derfeststellt,woFrontundFlankenzufinden und zufassen sind,werden dieLastschiffezuleisten haben;die in

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derLuftabernicht ungefährdet seinwerden. DennauchderFeind hat seine Kundschaster himmelangeschicktundindemunvermeids lichen KampfwirdderAeroftat siegen,derhöherals derGegner steigen, ihnmiteinem Sprenggeschoßvernichtenundsich rasch deraufwirbelnden Flamme entziehenkann. Luftschiffewerden gegen Luftschiffe,Kanonen gegen Kanonen,Reiter (die,vom Er- kundungdienst befreit,denRücken des Feindes durchFeuer- wirkungzuschwächensuchen)gegenReiter zukämpfenhabenund danacherstzuwirksamer UnterstützungderJnfanterie fähig sein.

NocheinKampf istzu bedenken: derzwischendemJngenieur und demArtilleristen entstanden ist.Frankreichhat seineganze Oft- grenze befestigt,Deutfchland sicheinSprenggeschoßvonunwider- stehlicherDurchschlagskraftgeschaffen.NeuerWettstreitzdemauch die anderen Mächte nicht müßigzuschauendurften. Velgien,die Niederlande, Jtaliensorgtenfür starkeFestungwerke,vomZuider- seebisans Mittelmeer thürmt sicheineMauer undsogardie Schweiz hatdieGotthardpässeundalleZUgangspfade bis in die Region ewigen SchneesbefestigtundmitGarnison belegt. Nuß- land schütztderbreite, moraftige Graben,der diejenseitsvonder Weichsel liegenden deutschen Provinzen einschließtunddieVe- festigungderrussischenWestgrenze erleichtert. Auch gegenOester- reichschufendieNachbarn sichSchutzwälle.Dänemark kanndie ZugängeindieOftseesperrenundhatKopenhagenin einengroßen Waffenplatzumgewandelt. Englandkann,wann esihm beliebt, seineschwimmendeFestungin dieNordseeschickenundhat sichdie Möglichkeitgesichert,voneinemjütischenLZafenausinSchleswig einzufallen. JtalienundOesterreichhabensichgegeneinander ver- barrikadirt. DerEisenring,der diemitteleuropäischenKaiserreiche umklammern sollte, ist seitdemStreit um Bosnien geschlossen.

»Damit istdiemilitärischeLageEuropas gegeben. Jnder Mitte stehen ungeschütztDeutschlandundOesterreich,ringsherum hinterWallundGraben dieÜbrigenMächte.Dermilitärischen Lageentsprichtdiepolitische,Zwischendeneinschließendenund deneingeschlossenenMächtenbestehenschwerzubeseitigendeGe- gensätze.Frankreichhatdie 1871geschworene Rache nicht auf- gegeben.Wie dieRevancheideeganzEuropaunter dieWaffen gerufen hat,sobildet sie auchdenAngelpunktdergesammtenPo- litik. DergewaltigeAufschwungseinerJndustrie undseinesHan-

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delshatDeutschlandeinen weiteren unversöhnlichenFeindein- gebracht.DerHaß gegendenfrüher verachteten Konkurrentenläßt sichweder durch Versicherungen aufrichtigerFreundschaft und herzlicher Sympathiemildern noch durch aufreizendeWorte ver- fchärfen.Nicht Gefühlsregungen, sonderndas SollundHaben bestimmendieHöhedesGrolls. Russlandwirdebenso durchdie ererbte Antipathie desSlaven gegen denGermanen, die über- lieferte Sympathie mitdem Nomanen wiedurch sein Anleihebes dürfnißandem altenVerbündetenfestgehaltenundwirst sichjetzt auchnoch derjenigen MachtindieArme,dieihmam Meisten schadenkann. Jtalien, an jederAusdehnung nach Westenver- hindert, hältdieVerdrängungderFremden, dieeinstüber die Alpenindiefruchtbaren Gefilde derLombardei herabstiegen,noch nicht fürvollendet. Eswillsiewederan denSüdhängendes Ge- birgesnochandenKüstendesAdriatischenMeeres dulden. Es istnichtausgemacht, daßdiese LeidenschaftenundBegehrlichkeiten sichingewaltsamesHandelnumsetzenwerden. Aberdas eifrige Bemühen ist dochvorhanden,allediese Mächtezumgemeinschaft- lichenAngrifs gegendieMitte zusammenzuführen.Jm gegebenen Augenblick sollendieThoregeöffnet,dieZugbrückenherabgelassen werden unddieMillionenheere über dieVogesen,dieMaas, die Königsau,denNiemen, denBugundsogarüberdenJsonzound dieTirolerAlpen vernichtend hereinströmen.DieGefahr erscheint riesengroß.Sie verringert sich etwas,wenn man ihr näher-tritt Englandkann dendeutschenHandel nicht vernichten, ohne deneigenenargzuschädigen.Sein wohlverstandener Bortheil verlangt, seinen verabscheutenKonkurrenten, deraber gleichzeitig sein besterKunde ist,amLebenzulassen. Ehees dieangekiindete Landungin einemjütischenHafenaussührt,wird esTelegramme aus Afrika, Indien,OstasienundAmerika abwarten. Wenn es dieWelt inVrand steckt,hat esVessereszuthun, alsseineArmee nachdembismärckischenRezeptinSchleswigarretiren zulassen- Ruszland hatimBollbesitzderKraftundderMachtallen Ver-—- lockungenseinesVerbündeten zueinemAngriffwiderstanden. Ob ihm jetzt, nachdemesdas Wesendesmodernen Kriegeskennen gelernt hat, dieserAngriffoerlockender erscheint,mußsürzweifel- haft gelten.Frankreichhat sichvorgenommen, denGenußderkalt gewordenenRachenurinGesellschaftguterFreunde vorzunehmen

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AllefühlenBedenkenvor denungeheuren Kosten,denmöglichen großen Verlusten, wievordemrothen Gespenst,das imHinter- grund auftaucht. DieallgemeineWehrpflicht,welcheHochund Riedrig,Reich-undArm als gleichwerthiges Kanonenfutterver- wenden will, hatdieKampfeswuth gemildert.Diefür uneinnehms barerachtetenFestungen,hinterdenen man sichwarm undsicher fühlt,lassenesminder verlockend ers cheinen,herauszustürmenund dieBrustimGefechtezulüften.DieWaffenfabriken,Geschütz- gießereien,dieDampfhämmer, welchediePanzerthürmehärten, haben mehrfreundliche GesichterundliebenswürdigesEntgegen- kommen hervorgebracht,als alleFriedenskongressezuschaffen vermochten.Jederträgtebenso sehr Bedenken,denzahlreichen- wohlbewaffneten Gegneranzugreifen,wieersich scheut,das ei- gene Verderben bringende Werkzeug anzuwenden, das ersich mühsam geschaffen hat,von dem erabernicht recht weiß,ob eresauchzuhandhabenverstehenwird. Und wenn nun auch alleBedenken beseitigt,alleSchwierigkeiten gehobensind,der Entschluß gereift ist,dergewaltige Bormarschvon allen Sei- tenangetreten werden soll, muß sichdiebangeFrage: ,Werden auch dieAnderen kommen,werden sich auchdiefernenBer- bündeten zurrechtenZeiteinstellen,werdeich nichtalleinundver- lassendemKeulenschlagedes Uebermächtigenausgesetzt sein?«

in derBrust jedesEinzelnenvernehmbar machen. DieseZweifel zwingen,stillzustehen,abzuwarten,dieRachezuverschieben.,Die Koalition ist fertigt,wirdvonjenseitsdes Kanals herübergerufen.

DaßsiezukriegerischenThaten übergehenwird, ist trotzdem durch- auszweifelhaftundauch vorläufigkeineswegs nöthig.Die Stell- ungen, welchedieverbündetenMächte eingenommen haben, sind so günstig, daßsiealleindurchihr Vorhandensein einebeständige Drohungbilden undselbstthätigaufdas durchdenWirthschafts kampfunddieGeschäftskrisenerschüttertedeutscheNervensystem wirken.Um diesemDruck zuentgehen,mußman versuchtsein,nach- zugeben,sichdenZumuthungen zufügen,einen Bortheil nach dem anderen aus denHändenzulassen.

WährendindieserWeise gekämpft wird, hat sichdasBild plötzlichverschoben.DurchdiejüngstenEreignisseaufderBalkans halbinsel sieht sich Oesterreich fürgeraume Zeitnach jenerSeite gebunden.Es verlangtvon seinemBerbündeten Unterstützung,

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kannihm selbsteinesolche nicht gewähren.DergegnerischenTak- tikistesgelungen,JedemderVeiden einen gesonderten Kriegs- schauplatzanzuweisen, siezuverhindern, mitvereinter, vernichten- derUeberlegenheiterst einen,dann denanderen Gegnernieder- zuwerfen. Oesterreich muszdieFrontnach Süden, Deutschland nachWesten nehmen. Rußland behält sichvor,mitvollerKraft dieEntscheidunghierunddort zugeben«Trotzdersovielgünstiger gewordenen Lage scheinendieFeinderingsherum immer noch nichtzu denWaffen greifenzu wollen. DievielenVedenken sind noch nichtbeseitigt.Auch nachderTrennungsind Oesterreichwie Deutschland nochimmer zustark.«

Das schrieb,imDezember1908,einMann, derfünfzehn Jahre lang ChefdesGroßen Generalstabes gewesenwar. Zwei Monate nach derAnnexionBosniens und derHerzegowinaDas wurde,alsAusdruck kaiserlicherErdanschauung, veröffentlicht.

Das Meisterstück unsererFeinde, hörten wir,war, daß ihnen gelang,OesterreichsUngarnundDeutschland »einen gesonderten Kriegsschauplatzanzuweisen; siezuverhindern,mitvereinter,ver- nichtender Ueberlegenheit erst einen,dann den anderen Gegner niederzuwerfen.Oesterreich mußdieFrontnach Süden, Deutsch- landnachWestennehmen.Oesterreich verlangtvonseinemVer- bündetenUnterstützung,kannihmselbstabereinesolchenichtge- währen.«1908.Siehts heuteum uns nichtvielärgeraus?

Langsamer,alsManche gehofft, doch schneller,alsViele gefürchtethatten,schrumpftinEuropadieSchaar,diebereitschien,

anderSchwelledesvonWahrsagermund verrufenenJahres1913

vonOesterreichsUngarneineLustrationzufordern:weithin sicht- bareSühnungdesinfünfjährigerValkanarbeiterwirktenAergers nisses.DieNebel sinken,derHetzrufverhallt; undwenn inder viertenWochedesneuen Jahres derersteGedenktagwiederkehrt, wirdkaumirgendwo nocheinebeträchtlicheZahlErnsthaster hei- schen,aufdemBallhausplatz sollerieeinst aufdemaltrömischen Marsfeld, einStier,einSchafundeinSchwein geschlachtetund mitdem Blut dieserOpferthieredie unter sechzigMonden ent- standene Sündenkruste aufgeweichtundvom LeibdesStaates gewaschenwerden. Schon dürfenVritenlaut andas vonSalis- bury ausdemBerliner KongreßgesprocheneWort erinnern,das derwienerRegirung nachrühmte,siehabenieundnirgendsdean-

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teressenanderer Mächte sichentgegenzustemmenversucht. Schon deuten dortStimmen, diefreilich noch schüchternklingen,an, daß solcheGeschäftsstbrungindenaustrischem Einfluß offenenLän- dernauchseit1908nichtzuverzeichnen gewesen sei. Vernunft fängt wiederanzusprechen. Suovetaurilien werden nicht mehr verlangt- Der ersteGedenktagfällt nicht,wieflüchtiger,nur derBer-

.kündung derAnnexion sichnocherinnernder Sinn wähnt,in den Herbst;dersiebenundzwanzigsteJanuarmorgen bringtihn.Alois Lexa Freiherr vonAehrenthal sprichtim AusschußderUngarischen Delegation. Ahnt er,daßdieuralteSehnsuchtnacheinemBalkan- bund,dievor StephanDuschanlebteundunter derTürkenherrs schaftniestarb,inneuem Kleid wieder ansLicht trachtet? Den

Valkanländern,sagt er,nahteine Aera bedeutsamer Entwickelung;

unddaauch OefterreichsUngarn durch feine Rechte aufVosnien zueinerBalkanmacht geworden ist, darfesnicht säumen,sichden aus solcherEntwickelungihmgebührendenRutzenzusichern.Das wird durchdieEintrachtmitRußland, durchdenVerzichtauf Landerwerb, durchdie EinschränkungineinevomBerliner Ver- trag erlaubte,von jedemAuge nachprüfbareEisenbahnpolitiker- leichtert.DerBauderVahnstreckeUwac-Mitrowitza,derAnschluß dertürkischenundgriechischenVahnen schafftdiegroßeLinieWien- Budapest-Sarajewo-Athen-Piraeus, die denProduktenMittels europasdenkürzestenWegnachEgyptenundJndien öffnet.Das Programm ist einfach,vonerworbenem und erarbeitetem Rechts- anspruch gestütztundseinZielkanninkeinemUnbefangenen Ver- dachtwecken. DieHälftenderMonarchie willesindenRing eines fruchtbarenGedankens zusammenschmieden,dieRaunzer, diescheelaufdieExpansionanderer Großmächteblicken,ausihrem Winkel zwingen,OesterreichsundUngarns Versandgut aufge- radem, von ihren eigenenWächterngehütetemSchienenstrang ins Aegaeischeundins MittelländischeMeer führen. Dennoch antwortet aus OstundWesteinSturmgeheul. »Oesterreichwill denSandschakRowibazar einstecken,willnach nach Saloniki, hat Rußland geprelltundläßt sichfürdieDuldungderTürkengräuel inMakedonien miteinem Trinkgeldbezahlen,wieDeutschland mitderVagdadbahnkonzession.«Solasmans. Daß hinterdem PlänchendasDeutsche Reich stecke,galtalssicher;undwer den KalendertagderEnthüllungbedachte,konnte nichtzweifeln, daß

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demberliner ProtektordesSultans Etwas aufdenGeburtstags- tisch gelegtwerden sollte. »Der germanische Drang nach Osten spottet frechjeder Schranke« Serbien, dasnochandenFolgen desZwistesvon1906 (Goluchowski-Pasitsch)leidetund in Wien einenGewinn verheißendenHandeksoertragdurchsetzen möchte, bleibt inleidlicherRuhe; meldet seine Forderung eines freien WegesandiealbanischeAdriaküsteaberschonmitvernehmlicher Stimme an. Zwarhat Aehrenthal gesagt,erhoffe, daßdieneue

Verkehrsmöglichkeitdenmakedonischen Wilajets lohnendeAr- beitbescherenundsie dadurchvondemaltenHadererlösenwerde Dochaus allen EckenderSüdslavenwelt grolltes: »Wervon Abd "ulHamid Trassirungrechteerbittet,kann natür.ich fürdie NeformMakedoniens nichts Wirksames thun.«Andiese Reform erinnert, zweiTagenach Aehrenthals RufzunützlicherArbeit, dieThronrededesVritenkönigs Eduardz,,dieeuropäischenGroß- mächte,«heißtesdarin, »werdendemunglücklichenLandinOrd- nung helfen.«Alle ;nicht mehr OesterreichundRußlandallein.

Amdritten März legtSirEdward GreydenNegirungen sein Programmvor.Amvierundzwanzigstenerklärteine russischeNote das Sondermandat deröstlichenKaiserreiche für erloschen.Am achtzehnten April hält Herrszolskij inderNeichsduma eine spitzige Rede,die das Mützsteger Programm ein,,Protokolder Entsagung«nennt unddenOesterreichs Valkanmachtdurchden Bahnbau zufallendenVortheildickunterstreicht.AmzehntenJuni besuchtEduard inNeval denZaren.Aus zweiReformprograms men,demlondoner unddempetersburger,wirdeins: dasanglo- russische.Das willderTürkeieinen Wandel dermakedonischen Rechtszustände aufnöthigen,denderJslam, ohne seinimGlau- benandieeingeboreneUeberlegenheitderMusulmanen wurzeln- desLebenzugefährden,derNajah (derChristenheerde) nichtbe- willigenkannAm vierundzwanzigstenJulibrichtdie Osmanen- revolution aus.JmDritten Armeecorps, das in Makedonien steht unddessenHäupterdenZornüberdiedemStammundseinenGlau- bensgrundmauern drohendeSchmach nichtlängerzähmenwollen.

Fürdenwinzigen ZeitraumvonsechsMonaten istsgenug.

Jm Januar dasVekenntnißzu einemPlan nüchternerHandelss politikunddieruhige Erwähnung derThatsache, daßOesterreichs Ungarn seit1878 zudenValkanmächten gehört. Jm Julider

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Jungtürkensiegunddas Beben inallen Bezirken südslavischer Erde. Peter Schuwalow hat,vierJahre nachdemBerliner Kon- greß,geschrieben:»Ichbinüberzeugt,daßvonderHingabeBoss niens und derHerzegowinaeines TageseineBedrohung des europäischenFriedensausgehenwird. Von dortherkommtder Funke,derdasPulverentzündet;undimSchein dieserFeuers- brunst mußdann das Slavenproblem gelöstwerden-« Was als dieSchrulleeines griesgrämigAlternden belächeltworden war, soll sichnun als diefrühe Ahnung künftigerWirklichkeitent- schleiern?Als Andrassyvom Kongreßheimkam, sprachervor demOhrdesKaisersundKönigs: »Ich bringedenSchlüssel,der uns das Orientthor öffnet.«DendarfderNachfolgernichtver- rosten noch sichgar aus derHandwinden lassen.Erdarf nicht unthätigwarten, bisserbischeWühler,dieBosnien unddieHer- zegowina ihrElsaß-Lothringennennen, dieRuhederokkupirten Ländernoch tiefer gefährdenoderbisan derenBewohneraus Konstantinopel derRuf ergeht,Vertrauensmänner ins Türken- parlament abzuordnen. ,,8ndreißigjähriger rastloserArbeit hat unsere Verwaltung dieihrinden beidenProvinzen aufgebürdeten Pflichten erfüllt.SiehatindiesemfürdenFrieden sogefährlichen Wetterwinkel Ruheund Ordnung gesichert,das kulturelle und wirthschaftlicheNiveau derBevölkerung wesentlich gehobenund einemodern denkende Generation herangezogen.Nunistes Zeit, aus diesenErgebnissenunsererArbeit dieKonsequenzenzuzie- hen,denBürgernkonstitutionelle Einrichtungen zugeben,die ihremBedürfnißentsprechen,und ihnen sodieMöglichkeitzur Mitwirkung anderadministrativenThätigkeitzuschaffen.«Diese Worte desFreiherrn vonAehrenthal zeugen heute nochvondem Pflichtgefühl,das ihn handelnhieß.DieMonarchie muß ihre SüdostgrenzemitWallundGraben gegendieGefahreiner slas vischen Jrredenta schützenundkanndieihrerHutAnvertrauten nichtinschmaleresBürgerrechtpferchen,als dieTürkei,inder Midhats VerfassungstatutvomJahr 1876wieder gilt, selbstden Christen gewährt.Türkenreichstag:und Bosnien ohneVolksver- tretung? JederZweifelmuß fliehen. Fünfzehnter September:

AehrenthalsGesprächemitdem Ministeszwolskij imSchloßdes Grafen Berchtold.Vierter Oktober: VerkündungderAnnexion.

Diesmal istdas Sturmgeheul noch schrilleralsunter dem

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Wintermond. 45 Winterhimmel. Weltgetöse,Börsenpanik,Flüche,Voykottbes schlüsse,KriegsgeschreiTrotzdemdieTürkeinur insVerlustbuch zuschreiben hat,was sie längstnichtmehrbesaß,unddurch Oesters reichsBerzicht aufden Sandschakzurückgewinnt,wasihrverloren schien.Und trotzdemszolskij schonam siebentenOktober im

»Temps«erklärenläßt,einKriegwerde ausdemStreit umBosg nien gewiß nicht entstehen. DochEnglandforderteinen neuen OrientkongreßundSerbien schreit nach »Kompensationen«; be- kenntdamit alsooffiziell,daßes in dennun annektirten Ländern seinElsaßsLothringensahundsiebeigünstigerGelegenheitseinem Leibeinzugliedern trachtete.Als diebeidenWünscheeinander begegnen, zeigtsichfreilich,-daßzwischenihrenZielendieRaums streckenoch länger istalszwischen VelgradundDurazzo.Kron- prinzGeorgundHerr Pasitsch,der Führer derAltradikalen, haben ihrLeid demhohenGönner andie Newa getragen.AndieThemse wirdMilowanowitsch, derMinister fürAuswärtige Angelegen- heiten,alsWerber entsandt.JnderForeignOsfice verschäumt sein Schmerzin denSeufzer: »Die Annexion begräbtalleHoff- nungen, die wirhegten!«Undaus demleis lächelndenMunde desUnterstaatssekretärsSir Charles Hardingekommt die ab- tühlendeAntwort: »AlleJllusionen;gewiß« Noch riechtesnur nachStrohfeuer.VorderExplosion,dieSchuwalows umflortes Auge voraussah, braucht Europa fürs Erste nichtzuzittern.

Oesterreichs nördlicherBundesgenosseistganzruhig. Zu ruhig,findet,inbeidenKaiserreichen,Mancher. Dochwarum sich inLeidenschaftaufregen?Wer dieGeschichteeinVischenkennt, weiß,daßdie wiener PolitikaufdemWegist,denehrwürdige Tradition, ererbtes und errungenes Recht ihr gewiesen haben.

SchoninderZeit JosephsundKatharinens waren dieHäuser Habsburg undholsteinsGottorp darüber einig, daßderWest- balkan inOesterreichs, derOstbalkaninRußlands Einflußzone gehöre.Serbiens Volksheld KaraGeorg,zweiMenschenalter danachdessenEnkelNikolaus Petrowitsch,der-HerrscherinMons tenegro,habengewünscht,daßhabsburgischeHeere nachVosnien marschiren. DieValkanformel derGroßen Katharina war und blieb Bismarcks JnReichstadt, Budapest,Wien undBerlin sind diebeiden Provinzen deraustrosungarischenMonarchie zuge- sprochenworden. Professor AugustFourniererzählt(in seinem

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