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Die Zukunft, 18. November, Bd. 29.

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Berlin, den 18.November 1899.

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Leoniden

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Sie«, so schriebmirneulicheingescheiter,wohlwollender Herr-,

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derdieGiitehat,mirkritischeEpistelnandieregengräulicheWeichscl- mündungzusenden, »sehenSie:diesmal hatdieIhre Freunde nachgerate erschreckendeSchwarzsehereiIhneneinensehr bösenStreich gespielt.Eben hattenSieprophezeit,dieSamoawirrenwerde einVertrag beenden,in dem Upoludie RolleHelgolandsaus derZeitdesSansibarhandels zugedacht seinwerde: dawurdedasdeutsch-englischeAbkommenveröffentlicht,das demDeutschen ReichdenBesitzderSamoa-Inselnsichert. DieseSchlappe konntenSiesichersparen.Wiesteht Bülow,denSie entschiedenunter- schätzenunddenselbstFürstHerbertBismarckanerkennt,nun da?Für ihn ists docheinunbestreitbar großerErfolg,in etwas überschwänglicherRede- weise sogareinTriumph DulieberGott: wirverstehen ja, daßdielange HaftSieeinBischenverbittert hatunddaß Ihnen,alseinemUnfreien, auchdiepersönlichenJnformationen fehlen,dieSie sonstvor solchen Mißgriferbewahrte-n.AberSieverscherzensich wirklich manche nicht ganzwerthloseFreundschaft,wenn Sieinsounfruchtbarem Pessimis- mus verharren. HörenSie docheinmal bei denimAuslande leben- denDeutschen herum:dieLeutesinddes Lobesüber daswachsendeAn- sehenunseres Reichesvoll undbewundern dieThatkraftdesKaisersund seiner Minister.Wollen Sieimmerabseits stehenundsichjede Freudean demBlühenderMachtundPracht unserer Reichsgrößeversagen?Das ist—- verzeihenSieeinemKaufmann dieseErwägung auch geschäftlich nicht klug. SelbstdieSozialdemokratengebennachneunArtikeln,in denen die Gräuelunserer erbärmlichenZuständebestöhntundbezetert werden,

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ihren Lesern docheinenzehnten Artikel,der denerhebendenSieg redlicher ArbeiterüberschnödeAusbeuter anschaulichschildert. Solcher Triumph- gesangwirkt dannwie einGlasPortwein nach schwerenSpeisen.Lieben SiePortwein nicht? Ihre Leserdürftendanach. Ihnenabergefälltgar nichts;nichteinmaldie Denkmälerin derSiegesallee finden Ihren Beifall.

HaltenSieEinkehr Siehaben jetztja Zeit dazu undentschließenSie sich,inunserempolitischenLebenkünftigauchdieLichtpunktezusehen,deren GlanzundZahl wahrlichnichtgering ist.DaswirdIhnendie altenFreunde erhaltenundzu den altennochneue erwerben.«

Einemso artigen, so gutgemeintenBriefwird nureineitler Narrnicht ernstlichnachdenken.Vielleichthatderfroh geftimmteHerrRecht. Vielleicht binichwirklichblindfürdiehellen ReizeneudeutscherHerrlichkeit...Ich habe,wie mirgerathenwar, Einkehr gehalten,denVorwürerundEin- wändengewissenhaftnachgesonnenundmeinemKritiker,der mitseinemBe- denkenwohl nichtganz alleinsteht,danndasFolgende geantwortet:

UnsereguteAbsichtbrauchenwireinandernichterst feierlichzuattesti- ren. Wirwollen unsüberhauptnicht langebeiAllgemeinheitenaufhalten, sondernsofortbis zumKernIhrer Klage vorzudringen suchen.ErstdasBe- sondere, dann,wenn wirnoch Zeit haben,dasAllgemeine·Zunächstalso:

Samoa. Siefinden,ichhabe michblamirt. Mirscheint,meineProphezei- ungseibetrübendeWirklichkeitgeworden.

AlswirimIuli1890 Helgolanderhielten, erhob sichein lautes JubelgeschreiDasbritischeBanner weht nicht längermehrvom rothen Nordseefelsen·Deutschlands EhrenschildistvoneinemhäßlichenRoftfleck gereinigt,denselbstBismarcks mächtigeHandnicht beseitigenkonnte. In erfreulichsterFriedenszeitwardderKaiserzumMehrerdesReiches.Und so weiter, so gutmans damals, ohnedieheutige Gewöhnunganillumi- nirtePolitik,ebenvermochte.DerschlaueHerrStanley,derinAfrika einigermaßenBescheidweiß,meintefreilich,England habedasGeschäfteines Mannes gemacht,der gegen einenHofenknopfeinen ganzenAnzugeintauscht;

derHosenknopfwarHelgoland,der ganzeAnzugSanfibar.Bismarcknannte die den Briten überlasseneInseldenSchlüsselzumasrikanischenOsten;

undicherinneremich noch,wieeraufeinemSpazirgange,bei demich sein Begleiterwar, dieErzählungeinerdeutschenDame,der dasbefestigteHel- golandalsWohnort nicht mehr gefiel, wehmüthigglossirte. »Da haben wirnun dieBescherung«,sagteerungefähr;»diebessersituirtenLeuteziehen unsweg, als Bad wird das bröckelndeDingbaldausgelebt habenund der

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fortifikatischeWerth scheintmir, auchwenn wirMillionen hineinstecken, rechtfraglich.Unddafür Sansibarund Witu!«BeiIhnen,einemHam- burger, brauche ichwohl nichtdenGlaubenvorauszusetzen,Bismarcksei aus CaprivisErfolge neidischgewesen·Doch selbst,wenn Sieso glaubten:

woist heute nocheinernstzunehmenderMensch,der denSansibarvertrag fürein dendeutschenInteressen nützlichesWerkhielt?Erwareinwichtiger Schritt aufdemWegezurBegründungdesRiesenreiches,dasEngland, seit ihmbeimBerschlingenEgyptensderAppetitgekommenist,sichvomMit- telländischenMeerbis zumIndischen Ozean schaffenwill-. Ohneden Be- sitzSansibarskonnteesnicht nachUganda, nichtnachdemSudan dieFänge recken, ohne diesenBesitz mußte sogardie alsKraftleistungbewunderns- wertheLebensarbeit desHerenCecilRhodes unfruchtbarbleiben. Ietzt ist aufdemseit fast zweiJahrzehnten beschrittenenWegeein weitererSchritt gethan, einSchrittmitSiebenmeilenstiefeln.VomTanganjika-zum Albert-See hat England jetztdieBahn frei;derEinsprucheinerfremden Regirung istindiesemGebiet nicht mehrzubefürchten. Deutschland

und,demBeispielderam Meisten interessirten Macht folgend, jeder andereStaat-verzichtet zuEnglands Gunsten auf seineExterritorialität- rechteinSansibar.DieBritenkönnen,ohnevorfremder Einmischungzu zittern,mit derSüdafrikanischenRepublikund demOranje-Freistaat,den beidenPfählenimFlankenfleischihres Capreiches,umspringen,wie esihnen beliebtund wieihreMachtesihnenerlaubt. Sie werdenmitdiesenhart- näckigenWidersachernalsoüberkurzoderlangfertigwerdenundhabenihr vorläufig letztesZieldannerreicht:dieunbeschränkteHerrschaftvomCap bisnachKairo. Außerdemhaben siedieTonga-Inseln etwa 1000 Quadratkilometer mitrund20000 Einwohnern SavageIsland S)4Quadratkilometer mit5000 christlichenBewohnern unddenbisher deutschenTheilderSalomoninseln 22000Quadratkilometer mit90 000 Einwohnern bekommen. Dagegen erhieltdasDeutscheReichdie beiden SamoainselnUpoluundSawaii,alsoeinenTheil einerInselgruppe,deren wirthschaftlichenundpolitischenWerthHerrvonBülowam vierzehnten April diesesJahresimReichstagmitironischerGeringschätzungschilderte.

DasistderInhaltdesvonIhnen so sehrbewunderten Samoavertrages, der deneinzigen guten HasenimArchipel übrigensdenYankeeszuspricht.

England hat nichtdasgeringste Opfer gebracht,denn dieSamoainseln waren nicht seinundeshätte sich durch ihre ErwerbungdieFeind- schaftderamerikanischenIingoeszugezogen;abereshatganzaußerordent-

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liche, gerade jetztkaumzuüberschätzendeVortheile eingeheimst.UndDeutsch- land? Es konnte1880 ohneallzu großeKostendie ganzeSamoagruppe haben,derenWerthindiesemStadium unsererKolonialpolitikbeträchtlicher war,alsersheute ist;aberHerr BambergerwolltenichtundseinemRath folgtedieReichstagsmehrheit.UnterCapriviwar,wieichhier schonim Frühling erzählteundwieaus den Akten desAuswärtigenAmtes zu be- weisenwäre, eineVerständigungmöglich,nachderdieVereinigtenStaaten Hawaii, EnglanddieTonga-JnselnundDeutschlanddenSamoa-Archipel erhalten hätte; aberderritterliche Schöpferdesfranko-russischenBandes gabsichmitsokomplizirtenDingenbekanntlichnichtgernab. Jetzt hat England,dassein billiges TauschobjektkluginVereitschafthielt,einenun- gleichhöherenPreisherausgeschlagen,——nochdazuineinerZeit,woesjeder europäischenJntervention wehrlos gegenübergestandenhätte.Diedeutsche Politik hateinesolcheJntervention gehindert.DieLeiter derReichsgeschäfte tragen dieVerantwortung dafür,das3derKaiser,derdieBureninihremWider- standegegen diebritischeLandgier ermuthigt hat, jetztnachEngland gehtund mit demGlanzderGroßmacht,dieerrepräsentirt,derPolitikderSalisbury undEhamberlaindiewerthvollsteund wirksamsteUnterstützungliefert.

England hat ohnedaswinzigsteOpfer sogardie volleHandelsfreiheit bleibtihm auf Deutsch-Samoa gewahrt—eineungeheureMehrungan MachtundPrestige erreicht.Wer indiesemAbkommen einenherrlichenEr- folg deutscherStaatskunst sieht...ja,mirscheint:Derbeurtheilt unsere Verhältnissenochsehrvielpessimistischer,alsichesthue. Nachmeinerernst- lichgeprüftenUeberzeugung habenwirauchindiesemFallwieder das Ge- schäfteines Mannes gemacht,dereinen ganzenAnzuggegen einenHosen- knopfeintauscht. Gewiß:derHosenknopfist nicht werthlos.VorUpolu ist deutschesBlut geflossenunddieVerdrängungaus demSamoa-Archipel wäre inDeutschlandalsSchimpfundSchande empfundenworden. Seit wann aberlobtman DenalsgutenHaushalter, der,umsichvoneinem ehrwürdigenFamilienerbstücknichttrennen zumüssen,aufeinenLandstrich verzichtet,der denWohlstandderKinderundKindeskinder sichernkönnte?

DieSache istja rechtgeschicktinszenirtworden ;auf Theaterwirkungen verstehtman sichheutzutagebei uns. Das AeugelnmitEngland,dem namentlichunsere GroßindustrielleneinentüchtigenDenkzettelwünschten,

hatte selbstdie unter allenUmständenGouvernementalen einBischenver- stimmt.Nunhießesobendreinnoch,imSamoastreitkönnefür Deutschland leidernichts erreicht werden;ganzunmöglich; alleVerständigenmüßtenes

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einsehen. Durchdiefreiwillig offiziösenBlätter wehteeinflaues Lüftchen und die keimendeErbitterungwandeltesichintrübsinnigeResignation.Da, plötzlich,kamdieKunde, UpoluundSawaii seiendeutschgeworden,—- und nun waresZeit,HörnerundHarfenzustimmen. Sehr schön.Abersollten nüchterneLeute, ehesieTriumphmärschespielen,nicht wenigstensdieBer- öffentlichungdeszwischenDeutschlandundEnglandabgeschlossenenDele- goavertragesabwarten,dernochimmer verheimlichtwird? Dann erst könntensie dochvielleichtmitFugundRecht sagen,diedeutscheDiplomatie habewesentlicheVortheileerrungen. Wasman bisjetztsieht, istzuJubel- hymnen nicht angethan.Das DeutscheReich stützt Großbritanniens bedrohteMachtstellung,eshilft ihmbeiderAusführungfeiner imperialisti- schenPläne,diefrüheroderspäterzu einemZusammenstoßmitRußland treibenmuß,undwirddafürmit einemTrinkgeld abgefunden,dasdie rei- chenVetternlächelndausfremder Taschenehmen.Esscheint,daßman die afrikanischenHoffnungeninBerlinschoneingesargt hat.AlsErsatz haben wirKiautschou,dieKarolinen,Sawaii undUpolu.UndalsResultatin denamtlichenBezirkendiezärtlicheNeigungzuEngland,die 1890,nach denAergertagenvonNarwa,zumAbschlußdesfrankoirussifchenBünd- nisfesführte. Dieses Ergebnißdünktdurchausehrenwerthe,abernicht allzu weitsichtigeLeute eingeeigneterAnlaß,demGrafenBülow Dankadressen undFeierdepeschenzuschicken.Habenwir keinenKanzler mehr? Sonst müßte dochihm, dessenerster Vortragender Rath fürauswärtigeAnge- legenheitendenTitel einesStaatssckretärs trägt,derLorber zufallen.

Undisteswürdig, ziemteserwachsenenMenschen,einenBeamten,der seine Pflicht redlich erfüllt hat, deshalb stets gleichindenHimmelzu heben? Jnkeinem anderen Lande der Erdesiehtman solchesSchauspiel;

und durch sokritiklos gehäufteHuldigungenwerden dieSiegerehren nachundnach völlig entwerthet.DieFreude dauert ja dochnielange;

wosind heutedieruhmreichenErrungenschaften,die wir denCaprivi,Mar- schallundBoetticherverdankensollten? Auchdiesmalwirdeskaum anders kommen;schondieDepeschenausWindsorundSandringhamkönnen im LaufdernächstenachtTage dieUmstimmung bringen. Freilich:denGrafen Bülowhat auchderjetzigeFürstBismarck gelobt.Dasistnichtschwerzu Vetftehenzangenehm ists sichernicht, täglichzuhören,man seimitkeinem Leiter der internationalen Politik zufrieden,weilman denAbschiedvomAmt NichtVerschmerzenkönne. Daswarja auchderGrund,der denersten Kanz- leröffentlichsomildüber den drittenredenließ. Uebrigens entpuppt Jhr

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BülowsichamEndenochals einenschöpferischenStaatsmannzeinstweilen haternureinhübschesPlaudertalentunddieschmiegsameGewandheiteines wohlerzogenenRoutiniers gezeigt.Wermehrvonihm sagt,scheintmirsüßen Portweinesvoll zusein.UndPortweinliebeichgarnicht. Zwanzig Pro- zentAlkoholzunddergrößteTheil istganznichtsnutziggefälscht.

IneinemPunkt habenSiesicherRecht: geschäftlichistesnicht klug, sozusprechen.Aberwenn SieeingeschäftlichgutgemachtesBlatt sehen wollen,dann empfehle ichIhnendie»Woche«;dadehnt sichvorIhrem leuchtendenBlickdasWunderland derKalokagathie;daistHerrLaufsein Poet,undwenn bei einerdernächstenGruppenderSiegesalleeaus der sMarmorbank dieBüstenderHerrenSlabyundHabyherauswiichsen,dann würdenSiewahrnehmen,dieBeidenseiendierepräsentativenMänner einergroßenEpochegewesen.In diesenWettbewerb kannichnicht eintreten;

ich muß schon so verbraucht werden,wieicheinmal bin.Undwarum soll sichin dieIubelchöre,diejetztbeiTagundNachtimdeutschenNorden er- schallen, nicht auchdieunholdeStimme eines Warners mischen, der,wie Byrons Iunius, seine Heimathliebtund,wiedieserJunius, inbrünstig Diehaßt,in denenerdie Verderber derHeimath sieht?VondenSatten, dieinIsraelguteGeschäftemachten,wurde auch IeremiaseinTrübsal- bläserundSchwarzfeher gescholtenzalsdann aberdiegroßePleite kam, fanden sie,ersei dochnicht soganzunklug gewesen. DaßvieleDeutscheim Auslande jetztreichlichverdienen, ist wunderschön;daßsiesichüberunseren neuestenFlirtmitEngland freuen, glaube ich, nachdemInhaltderBriefe, dieicherhalte, nicht.Undwie dieStimmung nacheinemIndustriekrach, nacheinernicht mehrzuvertuschendenpolitischen Schlappe umschlagen würde, brauche ichIhnen nichtzuschildern.

TrotzAlledemwillich michgernbemühen,künftigmehralsbisher aufdieLichtpunkteinunserempolitischenLeben zuachten.Nur, wissenSie...

IetztwirdfurchtbarvielvondenLeonidengeschwatzt,dieumdieNovember- mitteerwartet wurden. Undwährendich ebendieSchlußzeilenschrieb,hörte ichausmeinemZellenfenster,wie einjungerDorfschullehrerzuseinenneu- gierigen Zöglingensagte,dieLeonidenseieneinebesondereSternschnuppen- art, und denweiterFolgendendannauseinemLehrbüchleinvorlas: »Stern- schnuppensind Lichtpunkte,dieplötzlichamHimmel aufleuchten, rascheine meist geradlinige, mehroder minderlange Bahn beschreiben,schnellwieder erlöschenundnichts hinterlassenalshöchstenseinennocheinekurzeWeile fortflimmernden Schweif.«

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Reaktion inderFrauenbewegung. N)SIIO

Reaktion in der Frauenbewegung.

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einigerZeit macht sich,vonhervorragendenFrauen geleitet,eineReak-

-tioninderFrauenbewegungbemerkbar. Die dreiHauptrepräsentan- tinnen dieser neuesten Richtung sind:EllenKeh,Lou Andreas-Salomå und LauraMarholm. Daß diese FahnenträgerinnenderReaktion hochbegabte Schriftstellerinnensind: müßte dieser Umstand nichtdieradikalen Elemente derBewegung stutzigmachen?Nein. Denn jede dieser Frauen stelltein Weibideal auf,dasvondemihrerGesinnungsgenossinnenvölligverschiedenist.

Die Quintessenz ihrer Anschauungvom Frauenthums läßt sichin wenigeWortezusammenfassen.BeiLauraMarholm istderDaseinszweck desWeibes derMann; beiEllenKey isterdas Kind;beiLouAn- dreas-Salom(å istdasWeibetwas Selbsteigenes,dasnur sich selbstund seineeigeneEntwickelungsucht.Danun injedem dieser KöpfedasFrauen- thumsichanders spiegelt, sodürfenwir wohl annehmen, daßkeinervon den dreienderTrägereinerewigen Wahrheit ist.

Ehe ich aufdie IdealederDichterinnen nähereingehe, möchteichihre

ArtundWeisekurz charakterisiren. .

EllenKeys Essay »MißbrauchteFrauenkrast«(indemsie ihreAn- schauungenüberFrauenwesen niederlegt) hateinenüberraschendenErfolg gehabt.Dem, derihn aufmerksam liest, gehteinMühlradimKopf herum- Ein tönendesGewirrzärtlicherMolltöne,NüchternesundsüßlichPathetisches quirlendurcheinander;und mitihren unendlichen Wiederholungen, ihren UnklarheitenundverblüffendenWidersprüchen,ihrem vorsichtigenEinhalten, wenn sieglaubt,durch zuRückschrittlichesihrgeistingRenommeezukompro- mittiren,erregt sie mirwenigstens einnervöses Uebelbefinden,das sichbiszugeistigerQual steigert.Esist,alshättesieinihrerSchriftdas Preisräthsellösenwollen, obman zugleichfürundwidereineSache schreiben könne.Einen wahrenEiertanz zwischenJaundNeinführt sie auf. Fast auf jederSeiteistman versucht, auszurufen:Dilemma! Dilemma! Sie hatdieaalhaft gewundene, sich schlängelndeArgumentationartder Frau LauraMarholm. Will man sie bei einem rechthandgreiflichenJrrthurn packen, schnellentschlüpftsieundbeweist, daßderBißeineLiebkosung war. Sienimmt auch poetischeAnläufe,aber sonderbar!—- beisolchen Glanzstellensuchte ich unwillkürlichimmer nach denGänsefüßchen,weilich siefürCitatehielt.ImGanzen:eineunerheblicheSchrift,einunbeträcht- licher Geist,dersich ethischundästhetischindieHöhereckt. DerEssaywirkt wieeinWechselbadvonKalt und Warm. Erstwarm, dannkalt, dannwieder warm undso fort. DieWechseldouchevon Kalt undWarm findenwir auchbeiLaura Marholm.Ganz pikant,wiesieoftvon dichterischem

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SchwungzuschauderhafterDerbheitund brüskemDreinhauenübergeht;

wiesie auf ihrerLeierzarte Töne anschlägtUnddazwischenspitz, hart, grell, imTrompetenton fchmettert. Jch habesieschon frühereinmalzucharakte- risiren versucht, gehe deshalb hier nicht näher auf sieein«

Undnun FrauLou Andreas-Salom(å? »AuchDu,meinSohnBru- tus!« dachte ich betrübt,alsich ihre Schrift »Der MenschalsWeinI gelesen hatte. FrauLou«(ihrvoller, vielzulangerName frißtzuviel Manns kript) Antifrauenrechtlerin!

Aus dieserSchrift heraussprichtsiezuuns wiedurch zarte Schleier oderwieaus einergewissenEntfernung;undje mehrDas, was siesagt, anzuzweifeln ist,umso subtiler tastet siedaran. Auf weichenSohlen gleitet sie,fast schwebend,selbstüberschlüpfrigenBoden;undinder Tonart von Flöte undHarferührt sie leiseundvornehmandieheikelstenDinge auf demGebietdesGeschlechtslebens.GanzNackteshüllt sieinschimmernden Nebeldunst. SingendesundKlingendessagt sie, sichimKreise Wiegendes, Schwingendes.Esist,alsblicktesie seitwärtsunter langen Wimpern her- vor,nicht geradeaus.Etwas mystischSeherisches ist auchin ihrerArt.

Abernichtwie dieSpiritisten materialisirt sieGeister, umgekehrt: rechtMa- terielles spiritisirt sieinsMystischehinein.Weitüber dieWirklichkeithin- ausfliegt ihre Psyche.Meinem suchendenAuge verschwebtsie leicht.

AlleDreihabenetwas vonderSerpentinedameinihrenFarbenund ihrenSchlangenlinien:baldrothwie Feuer,bald gelbwieGold,ätherblau, grasgrün,violet, allessprüht durcheinander.Und alle Dreigebietenüber philosophischeSchulung.BeiJedervon ihnen findenwirSätze,zumHaar- sträuben süreineEmanzipirte,undwiederandereSätze,die alsstärksteArgu- mente fürdieFrauenemanzipation geltenkönnten.

Frau LausWeibidealsPSiesprichtwenigvomMann,siesprichtnichtvom Kind; sieistkinderlosundschweigtbescheidenvonDem,wassienichtkennt.»Har- monischesAusleben, dasschön,frohundgesundmacht,«willsiefürdie Frau.

»Die Frau,«so sagt sie, »h-Jteine intaktereHarmonie, sicherereRundung (als derMann),eineruhende, größerevorläufigeVollendungundLückenlosigkeit.. Jhre Kräfte schlagengleichsamin deneigenenMittelpunktzurückundvollenden sichinihrer Selbstbeschränkung...CharakteristischfürallesWeiblicheistjeneSatt- heitderschöpferischenWiederholungvon sich selbst,desZusammenhaltens allerKräfte innerhalbder eigenen Produktion JmWeib scheint sich AllesinsLebenhinein, nichtsausihm herausentladen zusollen:esist, alskreiseinihmdasLebengleichsam innerhalb seiner eigenen Rundung, alsdürfeesohneWundeundVerletzung so wenigdaraus austreten wie

sie)Jnder»NeuenDeutschenRundschau,«Heft3.März1899.

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Reaktion inderFrauenbewegung. 281

Blutaus derKörperhaut...Das Weib istdasSinnbild allesGanzen, allesEwigen.« »Als LebensgesammtheitverbrauchtdasWeib seine Kraft undseinen Saftinnerhalbdeseigenen Wesenmarkes.«

NachEllenKey verbraucht sie ihre Kraftundihren Saft fürdasKind.

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»Das Weibistvor Allemetwas Selbsteigenes...ThunundSein fallenbeiihmzusammen,bisalleeinzelnenThaten nichts mehr sindalsder großeunwillkürlicheSeins-Akt selbstundbisdasWeibdemLebennur noch mitDem zahlt,was sie ist, nichtmitDem,was sie thut.«

Schiller sprichteinenganzähnlichenSatzaus: »EdleNaturen zahlen mitDem,wassiesind, gemeinemitDem,wassie thun.« Augenscheinlich abergehörtzuseinen »Naturen«auchderMann.

FrauLoubetont dieweiblicheSelbstherrlichkeit,dasSouveraine und UnantastbareimWeibe. »Der Mann istvonvornherein gestelltauf Differen- zirungvermögen,demirgendeinletztes seligesPhlegmaimWeibe lächelnd widerstrebt.«Essuchtnur sich selbstundseine eigeneEntwickelung... Sie mußan sich wachsennndzunehmen dürfenzu immergrößeremSeins-Um- fang. Vielleicht istdemWeibdas Loosgeworden, nach urewigen Gesetzen, einem Baumzugleichen,dessenFrüchtenicht einzelngepflücktwerden,sondernder als Baumin derGesammterscheinungseinerblühenden,reisenden,Schatten spen- dendenSchönheitdaseinundwirkenwill.« DieFrucht,dieniedersinkt, ist

»dochnur Fallobst, mühelosabgeworfen,undsoll nicht mehralsDasbedeuten wollen«...»Es bedarf nichtdesBeweiserbringens ihrer Leistungen...,sie brauchtnur ihre Schatten spendendenZweigevon sichzustrecken«.»Frauen habenEtwas von schimmerndenWassertropfen,diesich,ob klein, obgroß, zurnämlichenkugeligenForm zusammenrundenund,thätensieDas nicht, elendverfickeruwürden, bisihrletzterGlanzim Staub derDinge vergeht·«

Nochviele,vieleschöneBilder giebt sieuns. Sieklingen,klingen wieElfenreigenodersonstetwas poetisch, selig Hingeträumtes.Sie führt uns ineinMärchenlandreinerGeisterundHerzen,woalle Männertief, alleFrauenthauduftig, herrlich veranlagtinJugendschöneprangen. Und keinenHunger giebtesindiesemDorado, wederphysischennoch geistigen.

DasWeibhatessogut,so gut,insichundbeisichselbst!

Jch legteFrauLous Abhandlung,alsichdamitzu Endewar, nach- denklichaus derHand. Bestechendwar, wassie sagte, schmeichelnd,zusich hinlockend;esentsprachmeinenJnstinkten.ObsieRechthat? Zweifelan meineneigenen Ueberzeugungenstiegeninmirauf. Soll ich ihrglauben?

Ja,glauben müßteman. Unsmodernen Menschenaberistder Glaube abhanden gekommenund wirsindvorsichtig gewordeninderBehauptung vonNaturgesetzen Ueberzeugtwollen wirwerden. Beweise fordernwir.

Diebleibtsieuns mitihrer Visionvon einemWeibeschuldig. Ach ja: ich

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282 DieZukunft.

möchteauchwie»einStück uraltervornehmsterAristokratieauf eigenemSchloß daheim sein« (eins ihrerdasFrauenthum bezeichnendenBilder), ich möchte mich auch blumenhaft entfalten dürfen,insWeiteblühendundduftend; mich inselig lächelndemPhlegma,inintakter Harmoniewieeinschimmernder Wassertropfen zusammenkugeln.Abereskommtgewöhnlichganz anders.

Mitihren Zaubermelodien... halbzogmichLou,halb sank ich hin.

DalasichdieSchrift noch einmal;undderZauberwar gebrochen.Und gegen meinetiefenSympathien reagirte starkundklarmeinnüchternerVer- stand.Wiekämeich dazu,meineganzindividuelle VeranlagungzumMaß- stabder ganzen Frauenwelt zumachen?Damitverfiele ich jain denFehler derFrauen,die mitsichalleanderenFrauenidentifiziren. Nein,dieFrauen inihrerGesammtheit lassen sich nichtunter einenHut bringen. «Seheund erfahre ich nicht täglich, daßesauch völliganders gearteteFrauengiebt, FrauenwieSturm undFeuer?Esgiebt AmazonenundOpferlämmer,Hy- patiasundliebe,einfacheHausmütterchen,—- undallewollen sich nachihrer Wesensart bethätigenundallehaben Recht,tausendmalRecht-

Undnun fand ichin Frau Lous Frauenideal Etwas voneinemsubti- mirten feingeistigenHarem, ohnedenSultan freilich,aberSelbstverliebtheit istdabeiundetwas Seelenfettes;undihre idealistischenFaulpelze ähnelnin ihrer seligenSattheitdemNarzißDieWirklichkeitwidersprichtdemJdeal der Frau Louallzu grausam.Seiner Realisirung müßteeineUmgestaltung allersozialenVerhältnissevorausgehen,die der Frau eine Staatsrente sicherte, eineso beträchtliche,daß sie ,,aneigenemSchloßin uralter aristolratischer Vornehmheit«ihres Weibthumes ungehemmt sich seelischabrundcn könnte- Undsollte diesemIdealErfüllungwinken:müßtedannnichtder Mann ein WenigSklave desWeibes werden undimSchweißeseines Angesichtesdes herrlichen,Schatten spendendenBaumes derWeiblichkeitwarten,damit ihres Seins UmfanginintakterHarmonie wachse?

Frau Louhält ihr Jdeal auch fürdasWeibidealdesMannes. »Der männlicheMann«, sagt sie, ,,hatdengleichen tiefen Schaudervor dem mannesseligenwievordememanzipationseligenWeibe-« AndenSchauder vordemmannesseligen glaube ich nicht so recht.LauraMarholkn z.B. hält geradeMannesselige fürsein Genre. UndSchaudervor dementanzipatiow seligen!Sollten diese streitbarenFrauenesgerade auf Seligkeit abgesehen haben? Jchwilleinmalannehmen, ichwärenochdiejunge hübscheFrau, dieichvor vielenJahrenwar: ichkannmirgarnichtdenken,warum ein Mann vormirhätte schaudern sollen,weilmeineIdeen überFrauenthum (fürderenVerbreitung ich auch wirkte) radikalsterArtwaren, Ideen,die nichteinmalimStande waren, dasschädlicheDickichtmeinerallzuvielen- sogenannten weiblichenEigenschaftenzulichten· Schaudervorunange-

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