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Die Zukunft, 3. November, Bd. 33.

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Berlin, den Z.November 1900.

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Ein SkandaL

«HerrDr. BrunoSchoenlank,derAbgeordnetedesReichstagswahlkreises Breslau-WestundLeiterderLeipzigerVolkszeitung, hatgegen die OberstenReichsbehbrdeneinenStreich geführt,dessenFolgen sie nicht leicht verwinden werden. Erhatinseinem wieauchderpolitischeGegnerzu- gebenmuß,vorzüglichredigirten Blatt amzweiundzwanzigstenOktober einenaus demAugust1898 stammendenBrief veröffentlicht,derhöchst merkwürdigeZuständeenthüllt.DerBrief,ein inzehnbisfünfzehnExem- plaren versandtes Rundschreiben,istvondemGeneralsekretärdesCentral- verbandesDeutscherIndustriellen,HerrnH.A.-Bueck,unterzeichnet.Diesem Herrnhat »dasReichsamtdesInnern«denWunschausgesprochen,»daß dieIndustrieihm zwölftausendMarkzumZweckderAgitation fürden

EntwurfeinesGesetzeszumSchutzdesgewerblichenArbeitverhältnisseszur

Verfügungstellenmöchte«.HerrBueckhatsichmitdemihmanszärtlicheHerz gelegtenWunschzunächstandenGeheimenFinanzrath Jencke,denzweiten VorsitzendendesCentralverbandes, gewandt, »deres ausnaheliegendenGriiw densürzweckmäßigerachtethat,diesesetwaseigenthümlicheVerlangennichtzu- rückzuweisen«,undfürdievonihmvertretene Firma Krupp fünftausendMark zeichnete.Um dienochfehlendensiebentausendMark zusammenzubringen, ließHerrBueckanreicheVerbanidsmitglieder sein Rundschreibenergehen.

Wieesin die ReduktionderLeipzigerVolkszeitungkam, wissenwirnicht, brauchenwirauchnichtzuwissen.DasPharisäergeschreiiiberdieBeröffent- lichUUgprivaterBriefewirdstetsnurimLagerderParteienangestimmt,dievon folchekPublikationkeinenVortheilzuerwarten haben.UnsereHochtorieswür- denkeineSekundezögern,denFreiherrnvonThielmann,denReichsbankprä-

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184 DieZur-mer

sidentenKochodereinemächtigeSpekulantengruppezukompromittiren,wenn siedieMöglichkeitdazu hätten,undsolltenuns mitihremGejammerüber schlechtepolitischeSittendeshalblieberverschonen.HerrDr.Schoenlanl-—der in einemfrüherenFallirrthümlichalsFindereinesPrivatbriefes gescholten wurdehatgethan,waseinwichtigesParteiinteresseihmgebot;Unddaßman nachderBeschäftigungmitpolitischenDingenoftdieHändewaschenmuß,hat, nachdemOberpräsidentenvonGalilaea, schonderStaatssekretärdergoethi- schenNiederlandeerkanntHerrnBueck,derstetsals einbesondersschlauerGe- schäftsmanngeschildertwurde, hattewothiemand zugetraut,ertönnesoun- klug sein,das,,eigenthümlicheVerlangen«eines Reichsamtesin einem mindestenszehnmalabgeschriebenenBrief seinenVerbandsgenossenmitzu- theilen. Daßerdiesmal widerErwarten kluggenug war,nicht klugzusein, istimhöchstenGradeerfreulich;dennnun wissenwirwenigstens,wie dasReichsamtdesInnern sein BerhältnißzugroßenindustriellenUnter- nehmern auffaßt.DasvondemfrüherenLeiterdiesesAmtes,demvieler- fahrenenHerrnvonBoetticher,imReichstag einstdenGroßindustriellen zugerufeneWort: »WirarbeitenjanurfürSie!« konnte als einScherz, einerhetorischeEntgleisung betrachtetwerden. UndalsimJanuar1898 HerrSingerdenStaatssekretär Grafen Posadowskyden»Commisdes Unternehmerthums«nannte,sahman indiesemhäßlichenAusdrucknur die grobe UebertreibungeinesWüthenden.Heutewissenwir:dasReichsamt desInnern hat,umfüreinenGesetzentwurfagitirenzulassen,derdienicht allzubeträchtlichenFreiheitenderArbeitnehmernochmehr einschränkensollte, vondemgrößtenArbeitgeberverbandGeldgefordertund angenommen.

DiesenThatbestand hatdasReichsamtdesInnern selbstzugegeben.

EshatnurdieRichtigkeitdesBriefdatums bestrittenunderklärt,diezwölf- tausendMarkseienverwendetworden,umnachdererstenLesungder»Zueht- hausvorlage«überdiesenGesetzentwurforientirende Artikel druckenund Provinzblätternbeilegenzulassen.DieErklärungwarnicht sehr durch- sichtig;HerrVueckhat siebestätigt,HerrDr.Schoenlank hat sie bekämpft.

Nach seiner Darstellungwurde1898 einerster,1899 einzweiterTri- butvondemCentralverband gefordertunderläßtahnen, daßauchmit die- senbeidenFällendieReihedergouvernementalenGeldgesuchenoch nicht beendetwar. Dasmagrichtigoderfalschsein: fürdaspolitischeodermo- ralischeUrtheil genügtderamtlichzugestandeneSachverhalt; diesesUrtheil hängt nichtdavonab,obHerrBueckseinen BrandbriefeinJahr früher oderspätergeschriebenhat.AmsechstenSeptember1898sagtederDeutsche

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EinSinn-dal. 185

KaiserinOeynhausem »Das Gesetznaht sichseiner Vollendungund wird denVolksvertretern nochindiesemJahr zugehen,worinJeder,ermögesein, wererwill,undheißen,wieerwill,dereinendeutschenArbeiter,derwilligwäre, feineArbeit zuvollführen,daranzuhindernversuchtoder gar zu einem Strile anreizt,mitZuchthausbestraftwerdensoll.«DersofeierlichangekündeteGe- setzentwurfgingden Volksvertretern nicht mehr »indiesemJahr«, sondern erstimJuni1899 zu undsahanders aus, alsman nachdenWortendes Kaiserserwarten mußte.Jm Reichstagwurdeihm,gegen denWiderspruch derKonservativen,derAntisemitenundeinzelner Nationalliberalen,die EhrederVerathungin einerKommission verweigert. Währendderersten LesungsagteHerrDr.vonWoedtke,Direktor imReichsamtdesInnern, das in der demGesetzentwurfals»Begründung«beigefügtenDenkschriftzu-

sammengetrageneMaterial»kommevondenBehörden,die dieunparteiischen HüterdesRechtessind«. DiesesstolzeWortwurdeamzweiundzwanzigsten Juni 18999espkocheu.umdieselbeZeitaberhat, nachdemoffizielleuGe- fiändniß,derselbeHerrvonWoedtkevon dem Centralverband Deutscher IndustriellenzwölstausendMark »zumZweckderAgitation« verlangt undempfangen. DieVerbandsleiter fandendasVerlangen »etwas eigen- tkiümlich«,wolltenesaber»aus naheliegendenGründen« —Das heißt:um dieGunstdesfür ihreInteressenwichtigstenReichsamtesnichtzuverscherzen

nichtablehnen. Erstens also hatdasReichsamtdesInnern füreinen

Gesetzentwurßden es imReichstag,inoffiziellenundoffiziösenZeitungen vertheidigenkonnte,aufSchleichwegenagitirt; eshatProvinzblätternArtikel beilegenlassen,derengouverneinentalenUrsprung derLesernichtahnensollte.

Zweitens hat dieses Reichsamt,dasjawohl auchzu den»unparteiischen HüterndesRechtes«gehört,in einem erbittertenKampfwirthschaftlicherJn- teressen,in einemKampf,derjeder StaatsbehördediestrengsteNeutralität zurAnstandspflichtmachte,vonderfinanziellstärkerenParteiheimlichSub- ventionengefordertunderhalten.NurFanatikeroderNarren seheninjedem GroßindustriellendengeschworenenFeinddesLohnarbeiters;derCentral- verbandDeutscherJndustriellenaberkann und wirdnichtleugnen,daßerdas KlasseninteressedesUnternehmersvertritt. Und in demAugenblick,wodie

Verbandsmitgliederfürchtenmußten,dieRegirungwerdedievonihnener-

sehnteZuchthausvorlageohneein WorthartnäckigenWiderspruchesverschar- tenlassen,wurden sie »auf AnregungundVermittelungdesHerrnvon Woedtke«zurTributleistungherangezogen.GiebtesimDeutschenReicheinen selbständigenMenschen,der diesolchenVergehens überführteBehördever-

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186 DieZukunft

theidigenoderauchnurentschuldigenwill?...GroßeundreicheInteressenten- gruppenwünscheneineAenderungdesBörsengesetzeszwaswürden dieHer- ren,diejetztdasReichsamtdesInnerngegen denleipzigerStörenfried schützenmöchten,wohlsagen,wennihnen plötzlichderBeweisgeliefertwürde, eineReichsbehördeagitiremitvonIobbernundBankenerbetteltemGelde fürdieBeseitigungdesdiesenGeldgebernlästigenGesetzes?

Freilich: auchüber dieTugendsamen,die im NamenderMoraljetzt dasgroßeWortführen,wird derErfahrene lächelndürfen.Hatsichim ReichsamtdesInnerndennnichteinmal schoneinevielschlimmereGe- schichtezugetragen?VorvierzehnJahren hatderLeiterdiesesReichsamtes, Herr vonBoetticher,umDefeltezudecken,dieseinSchwiegervater verschul- dethatte, sichdieHilfederChefs großerBankhäuserundandererKapita- listen gefallen lassen.Damals handelteessichnichtumzwölftausendMark, sondernumeinenmehralssechzigmalgrößerenBetrag, nichtum»Zwecke derAgitation«,sondernumdieBeseitigungderSpureneinesschwerenVer- gehensgegen dasStrafgesetz.DemFürstenBismarck schien durch diese HilfeleistungeinsodrückendesAbhängigkeitverhältnißgeschaffen,wieesmit deramtlichen StellungeinesMannes unverträglichwar,zudessenKom- petenzauchdieVertretungdesReichskanzlersinwirthschaftlichenFragen und inBankangelegenheitengehörte.Wowaren dieTugendwächter,alsam

neunzehntenOktoberI895diesebetrübendenDingehierausführlichdargestellt wurden? Siewaren auchdamalsempört;aberihre Empörungrichtete sich gegenDen,derdieEnthüllunggewagthatte.Dennsiewünschten,Herrvon Boetticher,derihre Politik machte, mögerecht lange nochimReichsamtdes Innern schaltenundwalten. Undwennder beliebteHerrnichtinzwischen nachMagdeburg versetztwordenwäre,dannwäreauchdiesmal derKampf gegen dasReichsamt aufdenMachtbezirkdersozialdemokratischenPresse beschränktgeblieben.Moralhin,Moral her:dieHauptsacheift,daßanwich- tigenStellenMännersitzen,mitdenenman »arbeiten«kann.

Das CharakterbilddesGrafenPosadowsky-Wehner,derseitdrei JahrenimReichsamtdesInnern regirt, schwanktnoch,vonderParteien GunstundHaßverwirrt,in derGeschichte.AlserausPosen geholt wurde, hießes,erwisseund könnenichtsund werdeeinwillenlosesWerkzeugin der HanddesKastanienwaldmannes sein. Späterwurdeerzählt,erverkehre allzuintim mitGroßindustriellenundGroßhändlern.Undjetztwirderals MannderAgrarierverschrien.Vor ein paarWochenwurdeingroßenZeitun- gensogar behauptet,erhabe ausdieNachfolgeChlodwigs gehofftundsei

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EinStandaL 187 dUkchdieErnennungdesGrafenBiilowenttäuschtworden. Das istganz sicherfalsch. Graf Posadowskykonnte undwolltenieKanzlerwerden. Er hat sichmit derhöchstenAnerkennung würdigemFleißin einihmfremdes Riesengebiethineingearbeitet,zeigt längstschonbedenklicheSymptomeners vöfterUeberanstrengungundkann,als einMannohnePrivatvermögen,nur wünschen,baldin einemruhigenOberpräsidiumAthem schöpfenundsicher- holenzudürfen.UnterdenpreußischenMinisternund denStaatssetretären desReichesisterdieerfreulichsteErscheinung:arbeitsam,ruhig, nichtbureau- kratischverbildet,nicht aufdenblendenden Augenblickseffekt,sondernauf stilles,nützlichesWirkenbedacht. Ihm istes zudanken, daßwährendder traurigenAeraHohenloheüberhaupt-nochgearbeitetwurde. Erhatzum

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erftenMalin derReichsgeschichteeinemsozialpolitischenGesetzein ein- stimmigesReichstagsvotumzu werbenvermocht.EristdemleidigenGe- töse,das inDeutschlandModegeworden ist, fastimmerfern gebliebenund hättesichgerngewißauchdemGewimmelder zumSaalburgfestvermummten Komoediantenentzogen. ErhatnieBauernaufständezuorganisirenversucht, istUie Bankdirektor gewesen,hatdenGrafen Caprivi seinen »hochverehrten früherenChef«genanntunddennochdas Vertrauen derAgrariererworben Und wäremehralsirgendeinerseinerKollegen geeignet,dasschwierigeWerk dkkneuen HandelsverträgezugutemEnde zuführen.Undtrotzdem muß manimInteressederReichsgeschäftejetztwünschen,daßGrafPosadowsky- Wehnerbaldseinen Abschiednimmt.

Diesen Wunschwird diesozialdemokratischePartei nicht hegen. Jhr kannesnurwillkommensein,wenn derStaatssekretärrecht langeimAmte bleibt;dannist ihrdieAgitation wesentlicherleichtert.Siehatstetsbehaup- tet,derbürgerlicheKlassenstaatseidemKapitalismus dienstbar.Und was WillGrafPosadowskynun antworten, wennHerr Singer ihm wieder,wie Vorzwei Jahren, zuruft,dieRegirung habevorderGroßindustriekapita- lirt,dieHerrschaftderreichstenUnternehmeranerkannt? ErhatderSozial- dUnokratiediewuchtigsteWaffegeliefert,diesieje besaß;underistzumuthig, UmsichderVerantwortlichkeitfür seinThunzuentziehen.Esist undenkbar, daßHerrvonWoedtke,derkorrekteGeheimrath,wieerimBureaukraten bUchsteht, auf eigene FaustmitHerrnBueckverhandelt hat; hätteersge- than,dannwäreerheute nicht mehrDirektor derzweitenAbtheilungim Reich-SamtdesInnern.DerStaatssekretärmußdenbösenHandelgekannt Undgebilligthabenunderwirdkünftigdaran erinnertwerden,so ofter irgendeinegrößereAktion vorbereitet. WennerhöhereGetreidezölleem-

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188 DieZukunft

pfiehlt,wirdmanihn fragen,ob der Bund derLandwirthedieKostender Agitation trägt;undwenn erzumKampfgegenden»Umsturz«aufruft, wirderdiehöhnischeAntwort hören,dieUnternehmer forderten fürneue Geldfpendenwohlwieder eineneuerettendeJThaLSchließlichwirdihnder argeFehler dochstürzen.DerernsteMann,demeinfreundlicheresSchick- salzugönnengewesenwäre,wird den unterso ungünstigenUmständennoch immerbestenAbgang haben,wenn ermitschonungloferOffenheitdie Bor- gängeaus derZeitderZuchthausvorlageschildert,dasRäthsellöst,warum

»zumZweckderAgitation«,dadurchausagitirtwerdensollte, nichtdie be- trächtlichenDispositionfondsdes Reichsamtesverwendetwurden,unddann seinenPlatzeinem Anderen räumt,der mitruhigem Gewissendie Verant- wortlichkeitfürdieSubsidienwirthschaftablehnenkann.

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DendeutschenPolitikerdrückenheute so schwereSorgen, daßihndie Geschichtevon denlumpigen zwölftausendMark eineKleinigkeitdünken mag.Sieist sicherauchnicht annäherndso wichtigwie dieneusteVerbrüde- rungmitEngland,die desReichesZukunft gefährdetunddiekarzsichtige oderbefangeneLeutedennochals eindiplomatischesMeisterstückzupreisen wagen.Aberists wirklichnichtderRedewerth, daßwiedereinSozialdemo- kratamReichskörpereinenfaulen Fleckaufgedeckthat, nichtderRedewerth, daßDeutschlands SkandalchronikumeinenFallreicher ist?Solche Fälle häufensichseitein paarJahrenmiterschreckenderSchnelligkeitEsistUeber- treibung,wennvoneinemdeutschenPanama gesprochenwird. DieThatsache aber, daßeiner derhöchstenReichsbeamten,einMannvonungewöhnlicherBe- gabungundernsterBerufsauffassung, soweitvom rechten Wegabirren konnte,darf nicht leichtgenommenwerden. Siehateine über deneinzelnen FallhinausreichendeBedeutung: siezeigt,wohineineunstete, hastigePoli- tikführt, führenmuß,der injedemAugenblicknureinGegenstandwichtig ist,einZweckjedesMittelheiligt.DemstolzenGrafenPosadowsly hates gewißkeinVergnügengemacht, daßerfürdieReichskasseGeldvoneinem Unternehmerverbanderbittenmußte;dochersollteuntjedenPreisdasvom Kaiser zweimal feierlichangekündeteGesetzdurchbringenundbeugtesich,ohne derFolgenzudenken,unterdasJoch.Dasist seinetragischeSchuld... vestigiaterrent. Am Ende erleben wirnächstensnoch, daßeinMinister oderStaatssekretäreineihm aufgetrageneArbeitverweigert,weilerdem EintagserfolgdieGesundheitdesReichsorganismus nicht opfernwill.

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DaspäpstlicheJubeljahr-. 189

Das påpstlicheJubeljahr.

chonam elftenMai 1899 hatPapstLeo XIIL fürdasJahr1900

einenvollkommenenJubelablaßausgeschrieben.Das heißt:erhatfür dieZeitvondererstenVesperamWeihnachtfeft1899 biszurselbenStunde desJahres1900 »RachlaßallerSünden undSündenstrafen,Verzeihung UndGnade« allenEhristgläubigenzugesprochen,diemitwahrerReuedie heiligenSakramente derBußeunddes Altars empfangenund,wenn siein Rom wohnen,anzwanzig,falls siealsPilger nachRomkommen, aberan zehn TagendieKirchenderHeiligenPetrusundPaulus sowieSt.Johann im Lateran und MariaMaggiore besuchenundfürdieErhöhungderHeiligen Kirchebeten. Seinem Wesen nach istderJubelablaßeinAblaßwiejeder andere;nur unterscheidetersichdadurch, daßerein vollkommenerAblaß ist Unddaß jedem katholischenChristendieMöglichkeitgebotenwird, ihnzu cklangen.Denn dieMaibulle sagt, daß Allen,diedurch Krankheitoder eine anderegerechteUrsacheanderReife nachRomverhindert sind,beiren- müthigerBeichteundnachEmpfangdesAbendmahles auch ohnedenBesuch derKirchenRoms voller Nachlaßaller zeitlichenSündenstrafenzuTheil wird. Außerdemistesaberüblichgeworden, daßindemaufdasJubel- jahrfolgendenJahr durch besondere päpstlicheBulleeinRachjubiläumbe- willigtwird, woAlle,dienichtnachRomgepilgert sind,inderHeimath derselbenGnaden theilhaftigwerdenkönnen.

Seinen NamenhatdasJubeljahrvon dem inIsraelüblichengroßen Freiheitjahrerhalten; diesem istesnachgebildet,hat aberwohlkaumEtwas mit deraltrömischenSäkularfeierzuthun. Wennman nacheinempsycho- logischenMoment für seine Entstehungsuchenwill, so istesdieeigenthüm- licheEmpsindung,dieeinvollesHundertinderJahreszahlungimVolke WuchrustunddieseseineJahrvoranderenauszeichnet,so daßman allgemein Großesdavonerwartet. Jm Jahre1300 damals wurde dasJubeljahr zuerst gefeiert—, alsunter demPontifikateBonifaziusdesAchtendiepäpst- licheMacht ihre höchstenTriumphe feierteunddieUnterwerfungiallerKreatur forderte,konnteeinesolcheHoffnungsichleichtin derErwartungeinesgroßen Ablaffesausdrücken, da das ganzeAblaßwefengeradedamals dogmatisch begründetundausgebautwurde. DerWallfahrtenablaß,derzuerstimzehnten undelften Jahrhundert üblichwird, ist eineAusgestaltungderälteren Wall- fahrtenbuße,insoferneineschärfereBußeineine gelindere, nämlichdie WallfahrtmitgewissenGebetverpflichtungen,umgewandeltwird. DieWirkung desAblassesistaberfürdenGläubigendieselbewie dieBefreiungvonder Kirchenbuße;für dieseaber sind guteWerkealsBuß-, Besserung-und Genugthuungwerkeerforderlich,ohne daßan sichderCharakter dieserguten

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190 DieZukunft.

Werkenäher bestimmtwäre. DurchdieBezeichnungganzbestimmterund anbestimmteZeiten gebundenerguter Werke wurde dieLust, sichBefreiung von denzeitlichenSündenstrafenzu erwerben,natürlichbei denGläubigen angeregtund soeineallgemeineWallfahrtinsWerkgesetzt.Dasgrund- sätzlichNeue,was derWallfahrtenablaßdeselften Jahrhunderts bietet, ist dieallgemeineVerkündung,ohne daß aufeinebestimmtePersonundderen bestimmteSünden Bezuggenommen wird, wieesbei derLedigsprechung vonderKirchenbnße,dieauf AntragdesBüßenden nach Erfüllungseiner Bußpflichtenausgesprochenwurde, derFallwar. DasJahrhundert brachte aberauchnocheine andereVeränderung,dadurch päpstlichenMachtspruch WallfahrtverpflichtungeninGeldspendenumgewandeltwurden: eins derfrühsten Beispiele dafür istderEntscheidLeosdesNeunten,der1050 demKönig Eduard vonEngland seine Wallfahrt nach Rom,dieergelobt hatte, dahin verändert,daßerdemHeiligenApostelPetruseinKlosterbautunddadurch ebensolchenAblaß gewinnt,als oberseine Wallfahrt ausgeführthätte.

Einenrechtwesentlichenweiteren Schritt auf dieser Bahn thataber1080 GregorVlI.,alser ganzallgemein, ohne daßeineUmwandlung vorlag, Allen, die den Bauseiner KircheinRomunterstützenwürden,Ablaßbe- willigte. Freilich hatte auchdieältereKirchenebenderWallfahrtbußedie Opferbußegekannt;aber dadiesenurimeinzelnenFalleeinerbestimmtenPerson auferlegtwurde, konntenniemals solcheSummen derKirchedaraus zufallen, wieesmöglichwar, nachdem jedemSünder undjeder Christwar ein Sünder dieMöglichkeitgegebenwar, sichvonSündenstrafenzubefreien.

AuchderAblaß,deralleKreuzfahrervondenSündenstrafenbefreit,ist noch imelften Jahrhundertunter UrbandemZweiten bewilligtworden.

Jn diesenBahnen ist währenddeszwölftenJahrhundertsderAblaß fleißiggewährtundgesuchtworden;aberesmüssensichauch schondamals merklicheUnregelmäßigkeitenergebenhaben,denn dasvierteLaterankonzil von 1215 mußbereitsenergischgegenunbefugteAblaßpredigereinschreiten, dieihren eigenenmateriellen Gewinn suchen,dieAblässeweiterausdehnen- alssie gemeint sind,oderwohlgarvölligerfundeneAblässepredigen; freilich haben dieseVerordnungen nichtvielgenützt,wie dieimmerneuen Wieder- holungen beweisen. Jm Jahre1221 wurdeauf VeranlassungdesHeiligen FranzvonAssisidersogenannte ,,Portiunkulaablaß«gestiftet,der wenn auchnur aneinemTageimJahr,demzweitenAugust allenBesuchern derPortiunkulakirche ohne jedesOpferzuTheilwird. DasdreizehnteJahr- hundert siehtdanneine immergrößereVerbreitung des, Ablasses namentlich durch zeitlicheAusdehnung,abergleichzeitigwird,schon aufdemvierten Laterankonzil,dieBefugnißderAblaßoerleihunggeregelt.Dervollkommene Ablaß, alsodieMacht,diezeitlichenSündenstrafenin vollemUmfangezu

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191 erlassen,wirddemPapstvorbehalten,derfürdie ganzechristlicheWeltzu

Ablaßverleihungenberechtigtist, währenddenBischöfen,die immernur un-

vollkommenen Ablaß, alsonur Nachlaßeines TheilesderSündenstrafen, ertlJeilt haben,dasselbeRechtnur für ihre Diözesezugesprochenwird. Und auch zeitlichwirdderbischöflicheAblaß beschränkt,nämlichdahin, daßernie lärlgeralseinJahrdauern soll,und zwarnur beiEinweihungeinerKirche, WährenddenBischöfenzumjährlichenGedächtnißfestdieserEinweihungnur dieVerleihungvierzigtägigenAblasses zugestandenwird. UnterHonorius dem Drittenist1226aucheinHeiligsprechungablaß(1226) eingeführtworden, derzunächstzwanzigTagedauerte. BeispäterengleichartigenFesthandlungen wird aber dieZeitimmer verlängert;undals Leo X.1519FranzvonPaula heiligsprach, bewilligteer schonvierzig Jahreund späterePäpste gingen sogarzumvollkommenenAblaßüber.NochvorEndedesdreizehntenJahr- hunderts ist auchder»Rosenkranzablaß«Denen bewilligtworden, die abends beim Avemarialeuten denRosenkranzdreimal abbetenwürden.

Soklingtesglaubwürdig,wenn berichtetwird, dieVorstellungendes Volkesvoneinem besonderen EreignißimJahrmitdem vollenHundert seienmitdemAblaßgedankenzusammengeflossenunddiefeste Ueberzeugung seientstanden,esseienallehundert Jahre inRom besondere Ablässege- spendetworden. Jn derHoffnung, diesesvollkommenen Ablasses theilhaftig zUWerden, versammelten sichzuWeihnachten1299 viele RömerundPilger in derPeterskirchezu Rom. Das veranlaßtedenPapst Bonifaziusden AchkenzuNachforschungen,wieesimJahr1200 mitdemAblaß gehalten wordensei;aberNachrichtendarüberwaren nichtvorhanden.Esgaballer- dingsein paarhundertjährigeLeute, diebetheuerten,sichandenAblaßvon l200zuerinnern. Obetwa dieGeistlichkeitRoms diese Volksbewegung künstlichhervorgerufenhat, wissenwirnicht;derPapst gabder Stimme des Volkes,dieihmdieStimme Gottes schien, Gehörundgewährtedurchdie Bulle Antiquorum fürdaslaufendeJahr undzugleichfür jedes folgende hundertsteeinenvollkommenen AblaßAllen,dieihreSünden bereuen und beichtenunddierömischenHauptkirchenderHeiligen Apostel Petrus und Paulus,wenn sie Römersind, dreißigmal,wenn sieFremdesind,fünfzehn- malbesuchen.DemWortlaut derpäpstlichenBulle nach istdergroßeAb- laßeinWallfahrtablaßderSündenstrafen,ein.nochvollkommenerer alsder vollkommene,alsoderdenkbarvollkommenste.Aus allen Ländernkamen imLandesJahres1300 Pilger nach Rom;ihre Zahl ist natürlichnicht bekannt,aberNäheresbekannt istüber denklingendenErfolgderAblaß- gewähmvg,obwohldasOpfer nichteine unmittelbareBedingungdesStraf- nClchlasseswar: essollenüber 50000 GuldenalleinausdenkleinenSpenden derPilger,diegroßennicht mitgerechnet,eingekommenundzumAnkanvon

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Kirchenländereienverwendet worden sein.Bonifazius hieltesfürgut, die Gnadenzeit durcheineneue Bulle bisOstern1301 zuverlängern,undzu- gleicherklärteerauchAlle desAblasses theilhaftig,die zuspät nachRom gekommenoderunterwegsgestorbenseien.

DiewirthschaftlichenErfolge dieses Fremdenzuzugs nachderewigen Stadt müssenganzüberraschendgünstig-gewesensein; wenigstenshörteman schon kurz nach1340 inderrömischenBürgerschaftStimmen, diefürdas Jahr1350 einneuesGnadenjahr herbeiwünschten.AlsdannClemens VI.

1342 zumPapst gewähltwar, aberwieseinVorgängerinAvignonresidirte, begab sicheinerömifcheGesandtschaftan feinen Hof,um ihmGlück zu wünschenundihnzurRückkehrnachRomeinzuladen;zugleichaber erbittetdie BürgerschaftdieGnade,derPapst möge für1350 einneuesAblaßjahraus- schreibenundkünftigdieZwischenzeitauf fünfzigJahre herabsetzemClemens hat denBittenderRömernachgegebenund1343 inder-Balle Unjgenitus einenneuen Ablaß ausgeschrieben,wieeseinstBonifazius gethan hatte;

nur wurde dieZwischenzeitauffünfzigJahre herabgesetzt,damitauchJene, die dashundertste Jahr nichterleben,dengroßenAblaß genießenkönnen.

Wichtig ist, daßClemenszuerstdasWortJubiläum für dieseAblaßzeitan- wendet,daßman also erstvon1350 anvon einemJubeljahrundJubel- ablaßmitvollemRecht sprechenkann,wenn auch schon für1300,abernur imSinne einerJahrhundertfeier,unofsiziellderAusdruck gebrauchtworden ist. Trotzdem—- odervielleichtgeradeweil derSchwarzeTodum jene Zeit Europa heimsuchte,derallgemeinalsStrafeGottesfürdensündigen Lebenswandel derMenschheit aufgefaßtwurde,strömte1350 einegewaltige PilgerschaarnachRom. Auch für diesesJahr läßt sichdieZahl nichtbe- stimmen,abernachderMeinungderZeitgenossenwarjedenfallsderFremden- zustrom wesentlichgrößerals imJahre1300. FreilichsindVielevonDenen, dieausgezogenwaren, in RomselbstoderaufderHeimreisederPester- legen.Dieauf möglichstgroßenGeldgewinn gerichteteAbsichtderRömer kamdiesmal darinzumAusdruck, daßsiesichdempäpstlichenBefehl,wegen zugroßenAndrangesdenfünfzehnmaligenBesuch aufeinensechsmaligenzu ermäßigen,kräftigwidersetztenundschonin densiebenzigerJahrendiefünfzig- jährigeZwischenzeitabermals zulang fanden.Siewandten sichdeshalban

GregordenElften,von dessen RückkehrnachRom allgemeinvielerhofft wurde,fandenihn auch nicht abgeneigt,ihrem Begehrenzuwillfahren, doch hinderte ihnderallzu früheTod, seinenVorsatzauszuführen-—JnRom ruhteman auchferner nicht,an derVerkürzungderJubiläumsfristzu arbeiten,undUrbanVI.war dazubereit: um aber denTermin fürdas Ablaßjahrnicht allzuweithinauszufchieben,fander eszweckmäßig,inEr- innerungandenLebenswandelChristi aufErdenimmerdasdreiunddreißigste

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