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Die Zukunft, 11. November, Bd. 29.

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Berlin, den U.November 1899.

h vss A-

1917.

WasachtundvierzigstegroßeKriegsschiffwar vomStapelgelassenund aufden Namen AlfredsdesGroßen getauft worden,deserstenEr- bauers einerbritischenFlotte.DieMarinewerkstättenSchichausunddes danzigerHolmes prangteninreichemFahnenschmuck,die dortstationiren- den Kanonenboote hattenalleFlaggen gehißt,Böllerdröhnten,dieGlocken derKatharinenkircheläutetendurchdasLand und inNeufahrwasserflatterte einBrieftaubenschwarmvomLootsenthurmüber dasBaltische Meer,um nachKiel diefroheKunde zutragen, daßin derEntwickelungderdeutschen SeemachtdieersteEtappe endlicherreichtworden sei.DieersteEtappe;denn schonseitdemOktober1913 war männiglichja bekannt, daßderFlotten- plandesJahres1899 ganzveraltet,vondenEreignissen längstüberholt seiundeinem vielnmfassenderenPlan Platz machen müsse.EinenAugen- blickhattees, imJanuar1900,so ausgesehen,alssolltedasFlottengesetz, dasfür siebenzehnJahrederRegirungdieHändebandunddieMehrung der Marine inäußerstbescheidenenGrenzen hielt,andemeigensinnigen WiderstandedesReichstages scheitern. DochdieseFurcht währtenicht lange.

Achtundvierzigneue großeKriegsschiffe:daranwar viel zu verdienen. Die Besitzerund AktionärederEisen-undKohlenhütten,dieMaschinenfabrikan- ten,Werftinhaberund-Rhederwaren sofort FeuerundFlamme fürden patriotischenPlan,dieBörsenhaussierserrechnetendie zuhoffendenKurs- gewinneundauchdiesonstanJndustrieundHandel Jnteressirten sagten sich,bei einemsoungeheuren Bauunternehmen müssefürsieeinProfit herausspringen.Undwar esnichteinimhöchstenWortsinnenationales Unternehmen?...Solche Riesenschiffemüssenja nichtnurgebaut, sondern

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auchmit allemZubehör versehen,mitgewaltigen Kohlenmengen gespeist, bemanntundmitraschaufgezehrtemProviant versorgtwerden. Dasbringt Geldunterdie Leute. Lange hattedieAngstvoreinemJndustriekrachdie Gemütherbelastet.Derneue Flottenplanund dasMittelländkanalprojekt hattendenAlbvonderBrustgenommen. Eine Weileließsichdamitwieder wirthschaften.DerjäheRückgangderDividenden,vordemman seitJah- rengebebthatte,konntevorläufignochvermieden werden. DieInteressen- tenhattenderihrerMacht zugänglichenPressedasLosungwort zugeheischt und baldhattedergute Bürgerin allengroßenBlätterngelesen,einpatrio- tischesWerkdürfenichtzumGegenstandeknauferigenFeilschensundphili- ströserPfennigsuchsereigemachtwerden. Daswirkteauch aufdieParteien, derenKriegskassenja aufdasWohlwollendergroßenKapitalistenange- wiesen find. AußerdemhattedieRegirungmitgewohnterKlugheitund Diplomatenlunst operirt.DenKonservativenwaren hoheGetreidezölle,cin vom Geist Stahls erfülltesVolksschulgesetzunddieRenaissancederHof- gunst,dem Centrum dieErnennung katholischerMinisterundOberpräsi- denten,diezunächstwenigstens stille Duldung jesuitischerNiederlassungen Und ein denParteiwünschengenügendesKommunalwahlgesetz,denPolendie AbkehrvonallenhakatistischenBestrebungen verheißenworden.Die Natio- nalliberalenhatten,wiegewöhnlich,nichtsbekommen-. Siekonnten auchkeinen ernsthaften Widerstand leisten, denn ihreTradition gebotin allenFragen nationalerWehrkraftdie blindeUnterwerfungunter denWillenderRegi- rung; und dieGroßindustriellen,derenpolitischorganisirte Vertretung sie bilden, hättenin einemfür siesowichtigenHandelkeinZögernund keinBe- denken erlaubt. Zuerstwardas mit einem ganzen Bündelprovinzialer Kompenfationen bepackte—Kanalgesetzgegen die Stimmen derprotestanti- schenundkatholischenAgrarierunddervom Mittelländkanalbau Schädi- gungen fürchtendenGroßindustrievertreterimpreußischenLandtag bewilligt worden. Dann hattedasMarinepreßbureaugute Arbeit gethan;immer wiederwarden über einekünftigallzu hohefinanzielleBelastungKlagenden zugerufenworden,dasGeld bleibeja dochimLande undsetzesichersprieß- lichum dieAuguren lächelteniiberdiesebesondereArt,dennationalen Wohlstandzuheben—, undschließlichnahmeineMehrheit,der nur diedreidemokratischenFraktionen gegenüberstanden,imReichstagdasFlot- tengesetzan. Daswar eingroßerTag gewesen.DieFührerderMehrheit- parteien hattenunmittelbar nachderAbstimmungAdler-undKronenorden erhaltenund in derThronrede,mit der dieSession geschlossenwurde,war,

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nachdem DankfürdenwiederbewährtenPatriotismusderStaaterhalten- den,derfrohen ZuversichtAusdruckgegebenworden, daßnun, durcheinen denBundesrathwie denReichstagbindenden Vertrag, Deutschlands Zu- kUUftauf einesichere,allen etwanochzu erwartenden Stürmen Trotzbietende Basisgestelltwordensei. UndeingroßerTagwaresauch,als dasacht- undvierzigstederimFlottengesetzvon 1899 gefordertenKriegsschiffevom StaPelgelassenwurde. UmdieFeierlichkeitzuerhöhen,hattederReichs- kanzlerFürst ChlodwigzuHohenlohediePflichtdesTäufers auf sichge- noMitten.JnderRede,dieerfast fließendvomBlatt ablas, sagteer: Wie iUEnglandvonAlfreddemGroßen, so sindinDeutschlandvonWilhelm demGroßendieGrundmauerndermaritimen Wehrmacht errichtet worden;

wie aber die Briten erstinElifabethdiewahre Schöpferin ihrer Schlacht- flotte verehrten, so müsseauchderDeutschein dankbarem Ausblickerkennen, daßerst WilhelmderZweite, allen,zumTheilmit dengiftigsten Waffen geführtenAnfeindungenzumTort,dieWehrkraftzur See wie einen rocher debronzestabilirt habe.Derhohe Redner,derdoch schonseit zweiund- zwanzigJahrendie BürdedesReichskanzleramtestrug,sprachüberhaupt schkschön,mit derihm eigenen stilistischenFeinheit,unddieHörerkonnten nichtbestreiten, daßfein geistigesVermögenseitdemJahre1899nichtdie geringsteEinbußeerlittenhatte.Dasgabenwillig sogardieBoshaftenzu.

JndemFlottenkampfdesJahres1915 war derdamals fünfund- neUnzigjährigeHerrnicht sehr hervorgetretenzerhattedieHauptarbeitden

Staatssekretärenüberlassen.DieseArbeitwarjetztauchnicht mehr somühe- VOll wie beifrüherenMarinevorlagen. Wohl hattederBau desneuen Dop- pelgeschwadersunddesMittellandkanales vielGeldgekostet, vielmehr, alsmanursprünglichberechnethatte. Unterfeebote nacheinemverbesserten ZEdåsMusterwaren nöthig geworden,einamerikanischerJngenieur hatte eiUenTorpedotypuserfunden,derSchichaus auf diesemGebiet als unüber- trefflichgeltende Leistungenplötzlichveraltet erscheinenließ,unddieschnell aufeinanderfolgenden WandlungenderTechnik steigerten auchbeiden

SchlachtfchiffendieHerstellungskosten.DerVoranschlagdersürdenMit- tellandkanal aufzuwendendenSummen warum einFünfteldesGesammt- betkagesüberschrittenwordenundaneine Rentabilität desherrlichenKul- tUrwerkeswar für unabsehbare Zeit natürlichnoch nichtzu denken. Jn Preußenwaren dieEinnahmenderStaatsbahnen, die,um dieKanalkon- kumnzcMagenzukönnen,ihre Frachttarife herabgesetzthatten,beträchtlich gesunkenunddieSorge,wieerdieBudgetüberschüfseamBestenthesauriren

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könne,bereitetedempreußischenFinanzminister,demKali-Grafen Douglas, keineschlasloseNacht.AberistesnichtalteUnternehmerusance,dasGeschäft dadurchzuheben,daßmanalleirgend verfügbarenMittelhineinsteckt?Längst hattendieMaßgebendensichzu derAnschauungermannt, daßein Staat nicht anders zu leitenistalseingroßesHandelsunternehmen,unddieserAuffassung war dieSichaarderBesitzendennachundnachgewonnen worden.DasGerede vondenethischen,hhgienischenundnationalenPflichteneines Staates wirkte nicht mehr.Espaßteauch nichtin eineEpochedesschrankenlosenKapitalis- mus. WennderdeutscheKapitalist seinenProfitdarinfindet, daßinArgen- tinienundSüdchina Eisenbahnen,inRußlandundimbritischenDomi- nionof Soutir1—AfricaJFabriken gebaut werden,wenn derKursder deut- schenKonsolsvon londoner,pariserund petersburger Stimmungenab- hängig istundder zumbilligsten Preis Arbeitwillige,magerSizilianer, Moskowit oderKulisein,imLatifundienbereichder inOstelbien thronen- denBörsenbaronemitoffenenArmenempfangen wird,dannklingt solches GeredeausUrvätertagenrechtunmodern. NurumZweierleikonnteessich noch handeln: erstensumdenNachweis, daßdienöthigenMittelvorhanden oderdoch leichtzubeschaffenwaren;zweitensum dieGewißheit,daßdie vonderRegirung vorgeschlageneAnlageart empfehlenswerth sei. Nach beidenRichtungenwarendieZweifelbaldverscheucht.SeitdemJahr1890 war dieEntwickelungDeutschlandszumIndustrie-undHandelsstaatnach britisch-belgischemVorbild entschieden.Nocheinmal hatten,als derZoll- tarifvon1903 vorbereitet wurde,dieAgrarier dieseEntwickelungaufzu- haltenversucht;ihnenwarja,alsLohnfürdie abermals bewährteMarine- frömmigkeit,einstärkererZollschutzverheißenworden.Dochgegen dieMacht derThatsachenhilftkein inbestemGlaubengegebenesVersprechen.DerZoll aufBrotsriichtekonnteumeineKleinigkeiterhöht,aberdieEinsuhrmöglich- keit konntenichtgemindertwerden« Was wäresonstaus derIndustriege- worden,die.sich ausdenMassenexport eingerichtet hatte?Diefremden Staaten öffnetendendeutschenProduktendieSchlagbäumenur, wenn sie ausreichendeKompensationenerhielten;undsolcheKompensationenbotnur diebequemereEinfuhrvonAckerfriichten.Dazukamen diebilligeren Frach- ten undKanalgebühren,diewachsendeLeutenothundtechnischeErrungen- schaften,die den AnbaumancherFeldsruchtganzunergiebig machten.So gingdieeigentlicheAgrikultur mehrundmehr zurück,besondersaufdem undankbaren Boden derOstmarken,wojederVersucheinerKonkurrenzmit Rußland,Argentinienund densüdslavischenLändernThorheitgewesenwäre.

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BerlinerBankdirektoreu hatten hier riesigeLandflächenbillig gekauftund setzten,mit Arbeitern aus.allenWelttheilen,dasWerkderJndustrialisirung fort,das derklugeundenergischeHerrvonGoßlerinWestpreußenschon frühbegonnenhatte.DasgeflügelteWort, unsereZeit steheimZeichendes

Schornsteines,warzurWahrheit geworden.Undfürdieungeheuredeutsche Produktion,vonderkaum einZehntelimLandeunterzubringenwar,brauchte mannunAbsatzgebiete.Nur über dasWasserkonnte derWegin das»grö- ßekeDeutschland«führen,dasallerHoffnungenZukunftzielwar.Jmportund Transitverkehrtrugen alljährlichMillionenbeträgeindieZollkassendesRei- ches.An GeldfehlteesalsonichtundeinebessereAnlageals inSchlachtschiffen UndanderemRüstzeugzurSeeherrschaftwarnichtzuersinnenSolltenwiruns WiedervonEngland überholenlassen,andessenKüstenseitderAnnahmedes letztendeutschenFlottengesetzessiebenzigneueKriegsschiffevomStapelge- lauerwaren?AuchFrankreich, RußlandunddieVereinigtenStaaten hatten fett1900ihre Seemachtansehnlichgestärkt.DasDeutsche Reichdurfte nichtinsHintertreffengerathen.Dernachderpariser Weltausstellung pünktlicheingetroffeneJudustriekrachhattees, dank dengewaltigenStaats- uUttknehmungen,nur leisegestreift.Einneuer Krach müßteverhängnißvoll werden.Wirmüssen,so hießesinpatriotischen,vonVictorSchweinburg unterzeichnetenAusrufen,dieStärkstenwerdenunddieBilligstenbleiben.

lfvteineFlotte ersten RangesundArbeitlöhne,bei denenwiraufden fremdenMärktennichtunterboten werdenkönnen...Dieaufklärende,bil- dende,sittigeudeKraftdesKapitals war,demReichezumHeil,inzwischen soUnwiderstehlichgeworden, daßveralteteParteidoktrinen dagegen nicht aufkommenkonnten.DasFähnleinstarrer Budgetknausererwarmachtlos UndesgelangderRegirung leicht,denneuen Marineplandurchzusetzen.

Nur zwei Jnteressentengruppen leistetenWiderstand: dieSozialde- mokratieund dieAgrarpartei.DieZahldersozialdemokratischenStimmen hattewährendderletztenJahre außerordentlichzugenommen. Mannichfache Gründehattenvereint dieses Ergebnißbewirkt. DieLandarbeiter waren, VVUhöheremLohnundderAussicht aufeinwenigermonotones Leben ge- lockt,in dieJndustriewerkstättengeströmtunddortschnellrothgefärbtwor- den-KleineBesitzerundPächterhatten nachderProletarisirung ihre Sache auf Nichtsgestelltundsich,daihnennichtsmehrzu verlierenblieb,derPar- teiangeschlossen,die ingoldiger DämmerfernedasLuftbildeinerbesseren ZUkUUftzeigte. AuchvondenGelehrten, Künstlern,Technikern,"Beamten, Aerztenhatte sichMancherdieserParteiverpflichtet,weilihmderZanüber

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denvonTagzuTag deutlicher ausgeprägtenKlassencharakterdesgesamm- tenStaatslebens, derWiderwillegegendiebeständigverschärftenZwangs- maßregelnund derEkelanderunverhülltenGewinngierderBourgeoisieins LagerderArmennndElenden trieb.WelchenReizkonnteauf feiner organifirte Naturen einReichüben,dasnichtsAnderesmehrwarals einShndikatderBe- sitzendenund dassichvonanderenErwerbsgenossenschaftennurnoch durchdie feudal-monarchischeFassadeunterschied? DieSozialdemokratiehatteanUm- fang alsoüber alles Erwarten zugenommen. AberihreKrastwargelähmt.Jn ihrem Schoß hattensich,seitdie»Entwickelung«nichtdenLehrendes ökonomi- schenDeterminismus entsprochenhatte, zahlreicheSektengebildet.DieMehr- heit rieth nochimmer,AllesgetrostderEntwickelungzuüberlassen, die überein KleineszurBefreiungderMenschheitdurch dieArbeiterklasseführenmüsse.

Andereaberdrängten heftig nacheinergründlichenRevisionderPartei- dogmen.UndseitJahren schonwogte derStreit,obMarxens Werththeorie noch haltbar seiodermodernifirtwerdenmüsse.Zu starken politischenVor- stößenwar dieParteiindiesemZustande nicht fähig.Siekonnte mitlange geübterLeidenschastlichkeitgegen dasBestehendeprotestiren,widerMilita- rismus undMarinismus weitern undsozialkritifchWerthvolles leisten.Aber mit demStimmzettelhaufenwarihre politischeBedeutung nicht gewachsen unddieeinstvonwildemHaßerfüllten Gegner-fingenan,siegeringzuschätzen

Anders hatte sichdasSchicksalderAgrarpartei gestaltet.Diedurch dieneueHandelspolitikbewirkteEnttäuschunghattezu einemSchitsmage- führt. Alles,wasnochvonderHosgunstRettung hoffte,war vonderOr- ganisation,derenMittelpunktderBundderLandwirthebildete, abgesplittert.

Sehr großwardieZahl dieserimHoffenSeligen freilich nicht.DieMag- naten warenlängst Großindustriellegeworden·Dermittlere undkleine Grundadel konntesichaus seinerScholle nicht mehr halten;ermußtein die HinterhäuserderStädte ziehen,woerseine Verarmung eher neugierigen Blickenverbergen konnte,undcströsteteihn nicht,wenn ihm haarkleinvor- gerechnetwurde,erhabe durchzuthxuken Kauf, durch unzureichendeGeld- mittelundnnzeitgemäßeBewirthschaftung seinenRuinselbst verschuldet.

MachtendieSiemensundGutmann,dieKappelundMosfedajetzt nicht gute Geschäfte,wodierückständigenJunker gescheitertwaren? Gewiß.Die neuen GroßgrundbesitzerhattenMillionenzur-Verfügungundmerktenaufdie ZeichenderZeit.Abersie dachtenauch nicht daran, ihre Söhne kargbe- soldeteOffiziereoderBeamte werdenzulassen,—— und derexpropriirteAdel konnte die zusolcherBerufswahl nöthigenZuschüssenicht mehr zahlen.

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1917. 239 Auchwar für seine Sprossenin dervonGrund aus verändertenpreußi- schen VerwaltungkeinPlatz.DerRegirungassesfor,derfrühereRitt- meister fand sichindiesemkomplizirten Mechanismus nicht mehrzu- rechtundeinHauptmanna.D. war nicht einmalmehr alsKrimi- nalkommissarzu verwenden. AmHofe...DulieberGott:welcheRolle solltendiedürftigenFreiherrenundGrafenaneinemHofspielen,womit denEmporkömmlingendernoiiveilescouches einungewohnterGlanz eingezogenwar? Sollten sie,mitderSorgeum den kommendenMorgen im—Herzen,zuhören,wieHerrFritzvonFriedländerin einer Ecke desWeißen Saales demFreiherrnvonFürstenbergdasProgrammderParforcejagd schildert,dieernächstensbeiseinemSchloßLankeveranstaltenwerde und der dieTheilnahmehoherundhöchsterHerrschaftengesichertsei? Jn solcher Sphärekonntendiearmen Ritter,deren FrauenundTöchtervor den Toilettenderjüngst zugelassenenPrunkdamen bebten, sichnicht heimisch fühlen. Erst heimlich,dannoffen geselltensie sichwiederdenfrüherenBe- tufsgenossen,dieinentschiedensterOppositionzu denherrschendenGewal- tenstanden,in einerOpposition,diedurchdasBewußtsein,einerniederge- henden Klasse anzugehören,verschärftundverbittert wurde. Hierfanden sichAllezusammen,dievonderheutigenHerrschaftnichtszuhoffen hatten unddie ererbteAnschauungenundIdeale dochvondemAnschlußandie Sozialdemokratiezurückhielten.Siesaßenseufzendaufden Trümmern des altenPreußenstaates,prophezeiteneinschlimmesEnde derjetztbejubelten Herrlichkeit... und wurden vondenNeukonservativen,die dasHeftin der Hand hatten, ausgelacht.

Welchesunnennbar FürchterlichesolltesichumHimmelswillendenn auch ereignen?DieVerarmten würdenandereBethätigungmöglichkeiten finden.Wo EinesPlatz nimmt, mußdasAndreweichen:DasistderLauf der Welt. Aufden MärktenwurdedasGedrängeallgemachjaeinBischen arg. Jn Rußlandwar mitderHilfedesdeutschenKapitalsund der deut- schenHandelspolitikeineRiesenindustrie entstanden,diesichmitunüber- fteigbaren Zollschrankenumgabundsich anschickte,denasiatischenMarkt bisanIndiens weißleuchtendeThorezumonopolisiren.DerBereichder amerikanischenUnion war auseinemJmport- längsteinExportgebietge- worden,diegroßbritischenJmperialisten standenzuSchutzundTrutzver- eint und dieZahldersubventionirten Postdampfer,dieOstasiens Produkte UachEuropabrachten,wuchsmitbeängstigenderSchnelligkeitEbendeshalb brauchtenwirmehrSchifse,vielmehrSchiffe.DerZugangzu denAbsatzge-

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bietenmußmit Kanonen erzwungenwerden. JenseitsderWeltmeere war Raum undLohn fürAlle zuerraffen,denenin derengenHeimathderAthem ausgegangenwar. Dann würdenauchdieletztenRestederUnzufriedenheit baldschwindenundkeineUmsturzlehrewürdefortan nochMachtüber die Geister haben.Nur fordertedieSituation ebenMuthundOpferbereit- schaft.MitKleinigkeiten,wie dem1899 fürdieFlotte bewilligtenBetrag, warnichts Großeszuerreichen;demkühnWagendenaberlachtreicher, sichererGewinn. VonEthikundPhilanthropiewirdman nicht satt. Eng- landhatdasBeispiel gegeben,wie einwahrhaftmoderner Staat vorwärts kommt. Hatdort dieEntwickelungderMonarchie geschadet? Jstder KönigGeorg,derSchwiegervatereinesMarquis of RothschildundDaz- freunddesSirAlfredBeitnichtdasMustereineskonstitutionellenMonar- chen?SolangediemonarchischeFirmirung denGeschäftsleutendiebeste Gewinnbürgschaftbietet,wirdman sie nichtaufgeben; späterkannman ja weitersehen.Und dielächerlicheFurcht,demOffiziercorps, dessenStärke in einembeschränkten,aberunerschütterlichstarrenEhrbegriffundin dem Ver- zichtauf goldene Schätzewurzelte,könne dergeeigneteNachwuchs fehlen?

Unsinn! DrillmeisterundSchießlehrerwürdeman immer finden.Und außerdem:HattedasLandheerdennjetzt,daDeutfchlandsZukunftdochauf demWasser lag,etwanochdiefrühereBedeutung? Manmochtedieeinjäh- rige Dienstzeitbewilligen,vielleichtsogarzumMilizsystemübergehen,wenn man nureinestarke Schlachtflotte schuf.

AufdenStapellaufdesachtundvierzigstengroßenKriegsschiffesfolgte dieBesichtigungderModellevonsechsneuen Panzerkreuzern,dienachdem Flottengesetzvon1915 indiesemJahre gebautwerdensollten.DieFeier fiel aufdeneinundzwanzigstenMärz1917. Zehn Tage danacherklärten FrankreichundRußlanddemDeutschenReichedenKrieg.Siewolltendie MachtdesunbequemenWeltmarktkonkurrenten brechen.Englandver- pflichtetesich,wie 1870, zustrengsterNeutralität

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DieStadt. 241

Die Stadt.

ÆinGeistwandelte überFeldum Mitternacht.Da saher bei den altenPestkreuzenanderDorfgrenzeeinenMann,derauseinemweißen Feldsteinsaß.

DesMannes Angesichtwar schwermüthigundbleichundsoerkannte ihnderGeist.

Eswar derTod.

»Ich wünscheDirguteRuh«, grüßtederGeist;undalsJenerkeine Antwort gab, klopfteermitseinerhellen Geisterhand aufeins derbemoosten Kreuzeund sagte: »Daswaren wohl schöneZeiten für Dich,alsdiese Kreuzehieraus dem Stein gehauenwurden. Hei,wieblühteDeinWeizen, Wenn diePestilenzdasLanddurchzogundjedes Kauzen Schreiein Toten- Iied wir; wenn derBöse« hier bekreuzigtesichderGeist »dieLegionen seiner winzigstenVerderblingeaufdieMenschheit losließ. Fielendie.Men- schennichtinSchwaden? Jetztnun wissendieListigendenFürstenderList selbstzuüberlistenundDu, Gevatter, sristesteinkärglichesDasein. Die Zeitdünkt michnah, daß sieDirnur nochhundertjährigeGreisleinlassen.«

Da entgegnetederTod insanftemTon: »Onein, meinFreund;

dafürhabe ich jetztdiegroßeStadt. KennstDu meine Stadt noch nicht«-«

»Nein«,antwortete derGeist.

»O,so folgemir. JchwerdeDirzeigen«.Da gingderGeistmit dem Tod.

Bald kamensieaufeineEbene.Daerblicktensieeinenrothen Schein in derFerne.

»Dort mag ein Brand verlodern«,sagtederGeist.

»Ein Brand istesnicht.Es sinddieMillionen Lampenmeiner großenStadt. Es istderverpesteteAthemmeiner Stadt imScheinder Millionen Lampen.«

»Warumgehen unsere Füße auf gemauertenSteinen mittenimfrucht- baren Erdreich?«

»WirhabendieAusläusermeinerStadt erreicht;siesargtdielebendige Erde in Mörtel und Stein. MerkstDu?«

Nunkamensieindie Stadt hinein. DastautesichdieMenge;da rasten rasselnde Wagen durch steinerne Straßen;daragtenWände wie

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Thürmeundverdeckten dasHimmelsrund.Austausend Mauerlöchernquollen schlechteDünste. Tausend Lichter schimmertenundtausend Schildekündeten ingroßenBuchstabentausend Genüsse. Zehntausend Menschenirrten durch dieGassen,alsseien sie blind;Keiner sahundkannteden Anderen. Alle eilten, alsgälteesdasewigeHeil,undsie schauten nicht rechts, nichtlinks.

»Sind sie verhext?«fragtederGeist.

»Nein;abersie sindAllegezeichnet«,sagtederTodmild.

SiekamenaneinrothesHausvonungeheurer Größe,daraus ein gräulichesSausenundBrausenerscholl. Schmale rothe Cylinder überragten dasDachwiedieThürmederMorgenländer.Diese Cylinder spieenRauch undFlammen.

»IstDasnichtdieHölle?«riefderGeist schauderndundschlugeinKreuz.

»Es istnur einemeinerKunstmühlen.JndieserMühle sind hundert Arbeiter beschäftigt,künstlichenMondscheinzumachen.DieArbeiterin meinengroßenMühlen sind gezeichnet.«

Nunstandensievor einemganzdurchleuchtetenSchloßausGlas.

»Es gleichteinemFeenpalast.«

»Es isteinemeiner Giftschänlen. Hier sitzendiewohlmögenden Bürgermeinerguten Stadt. Trittein·«

Sie kamenineinen Saal, darinnen eingraublauer beißenderQualm dieAugenbrennen machte. TausendMännersaßenanTischen.Siehatten stumpfe, ausgeschwemmteGesichterund bleiche, übernächtigeGesichterund rothe, fieberhaftbrennendeGesichter-. FastAllehieltenmit denLippenbraune, glimmende Räucherrollen,denenjener beizendeQualm entstieg.

»WastreibenalledieseMänner?«

»Sie vergiften sich.«

ZwischenDenen, dieandenTrschensaßen,gingenAndereumherim feierlichenGewande derhohen Feste.Diewaren noch bleicherundstumpfer

undmüderalsdieAnderen. . «

DieMänner indenfestlichenGewänderntrugenin kristallnenKelchen Gift herbei: goldbraunes GiftmitschneeigemSchaum, sonnenhellblinkendes Giftundpurpurfarbiges UnddietausendMänner andenTischen griffen danachundtranken. Daentsetzte sichderGeistundentwich aufdieGasse.

»SieAllesind gezeichnet,«sagtederTod«

»Wann schlafendieMenscheninDeiner Stadt?«

»Wennüberm Feld dieLerchesingtund derLandmannzur Arbeitgeht«

Nun hörten sie GeigenundSchalmeienzumTanz ausspielen hinter rothschimmernden verhängtenFenstern.

»IstDies einTanzsaal?«

»Ja;einermeinerFreudensäle.Dort miethendieJünglingemeiner

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DieStadt. 243

guten Stadt Weiberliebe. MietherundVermietherinnen sind gezeichnetbis inszweiteunddritte Geschlecht. JhrBlut wandelt sichinGift.«

Dawar esdemGeistdesGräuels genug. Er schwangsichindie Höhe,umüber demzackigenRückenvon zehntausendDächernderstillen NachtinsAngesichtzusehen.

DochinderHöheeinesMastenwaldesvonSchlötenundStangen fing sich sein Fußineisernen Fäden. UnwirschbefreiteerdenFußundsah sich

um. Und, siehe:zurRechtenundzurLinken,undwoden Blickerschweifen ließ,flimmertenEisenfädenundspannten sich,Tauen gleich,von Firstzu Fcrstüberlange StraßenfluchtenundüberbreitePlätze.Undnebenihm aufschweren,dunklenSchwingen wiegte sichderTod.

DasprachderGeist: »Ichmerke, DeineStadt isteineMausefalle.

Mit Draht hastDusie überspannt,daß sieDirnicht entschlüpfen,Deine Erlesenen.«

»O nein. Wozu?Siekönnennoch nicht fliegen. Diese Eisenfäden sind Straßendes Blitzes, den dieDenkmenschenin meinerStadt einspannen,

um mit.seinerSchnellezujederStunde Botschaftaus allenStädten der Erdezuempfangen.Und die kündendenFäden münden alle in dieGehirne derDenkmenschenmeinerStadt, sodaßesihnen unablässigans Bewußt- seinklopft: Achtung! jetzt hier! jetztda!jetztdort! Also, daß sievor Auf- passen nichtmehrzusichselber kommen. Siesind gezeichnetbisinsdritte Glied.«

»Nun,« sprachderGeist, »DeineStadt wirdbaldverödetseinund

Deine Ernte vorbei.« ' «

DalächeltederTod.

»Du weißtnicht,daß meine Stadt sichstetserneut.«

»SozeugenDeine Opfer dennochein Lebenathmendes Geschlecht?!«

»O nein!VonaußenkommtihrdieVerjüngung.Denneine Sirene istmeineStadt undihrlockend Liedtöntsüß. Nachallenfernen Dörfern undFleckentönt ihrLied und ziehtund ziehtdes weiten Landes bestes Menschenthuminsich hinein.BeiTagund beiNacht strömtDas durch ihre hohendunklen Pforten. Soll ich Dich nacheiner dieserPforten führen?«

»AuchDiesnoch!« sprachderGeistund seufzte,dennderAthem ward ihm knapp.

Ein kurzes Weilchen schwebten sieimDunst dahinund faßten Fuß aufeinerschwarzenRiesenwölbung.Diewar vonGlas,dasBlöckenEises glich,Undauchvon Eisen. Der Todhauchte aufdieschwarzeDachung:

dakrümmtesichdieKohlenkruste zusammen,wie einPapier sichinder Flammekrümmt,Und wardverweht.So bliebdesGlases grünlicheDurch-

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