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Die schlesische papierverarbeilende Industrie

Schon hieraus ersehen wir, welche eminent praktische Bedeutung dem Industriezweig zukommt. Und doch ist nur selten der Begriff der papierverarbeitenden Industrie klar erfaßt worden. In Laienkreisen wird unter der papierver­

arbeitenden Industrie oft das Druckgewerbe einschließlich des Buchdruckgewerbes verstanden, während bei amtlichen und sonstigen Erhebungen wie in den statistischen Jahr­

büchern für das Deutsche Reich die papierverarbeitende Industrie der Papiererzeugung angegliedert und damit eine strenge Scheidung des Begriffes unmöglich gemacht, wie auch die Bedeutung des Faches verkannt wird.

Druckgewerbe ist die Vervielfäliigung von Geisfes- erzeugnissen mittels Scliriftzeichen oder Zeichnungen aus den Rohstoffen Papier und Farbe. Die papiererzeugende Industrie fertigt aus den Rohstoffen Zellstoff und Holzstoff Papier verschiedenster Art an. Dagegen ist die papierver­

arbeitende Industrie der Berufszweig, welcher Papier jeg­

licher Art und in der mannigfaltigsten Form zu Gebrauchs­

gegenständen weiter verarbeitet, wobei auf die Verarbeitung, Umwandlung der ursprünglichen Form des Papiers zu Fertig­

waren das Hauptgewicht zu legen ist und wobei die V er­

bindung mit einem Druckverfahren nur beigeordnete Bedeu­

tung hat. Im Gegensaß zum Druckgewerbe als einem ge­

werblichen Produktionsprozeß und zur Papiererzeugung als einer Halbstoffindustrie handelt es sich um eine Fabrikations­

art, die im allgemeinen nicht handwerksmäßig, sondern fabrikmäßig, d. h. in Form von Massenprodukten und V er­

wendung mechanischer Einrichtungen die verschiedensten Arten Papier unter Zuhilfenahme von Verfahren, die auch die Grundlage des Druckgewerbes im engeren Sinne sein können, Marktartikel aus Papier fertigt.

Hierbei können wir nun drei verschiedene Produktions­

zweige unterscheiden, die sowohl hinsichtlich der Art ihrer Produktionsweise wie ihrer Erzeugnisse nicht unwesentlich voneinander verschieden sind:

1. den Fabrikationszweig der Tüten, Beutel und Karton­

nagen, kurz aller Verpackungsmittel, die im täglichen B e ­ darf eine Rolle spielen, und die Briefumschlagfabriken;

2. die Papierausstattungsfabriken, insbesondere Präge­

anstalten mit besonderem drucktechnischen Verfahren und die Spezialpapierverarbeitung;

3. das große Gebiet der Schreibebücher, unter welchen die Herstellung von Geschäftsbüchern, Kontobüchern, Notiz­

blöcken und Heften, auch Alben zu verstehen ist.

Diese Begriffsbestimmung ist absichtlich etwas eng ge­

faßt, um mit einigermaßen klaren Gesichtspunkten arbeiten

zu können. Das einfachste wäre es gewesen, sämtliche von der Berufsgenossenschaft der papierverarbeitenden Industrie registrierten Betriebe der Betrachtung zugrunde zu legen.

Es hätten aber dann in der Beschreibung auch Unter­

nehmungen mit berücksichtigt werden müssen, die nidif in diesen engeren Kreis gehören und die organisch zweifellos entweder eine Sondergruppe darstellen, die meist von ge­

ringer Bedeutung ist, oder aber die dem Druckgewerbe nahe­

stehend zuzurechnen sind. Es sind hier ausgeschaltet wor­

den zunächst die reinen Steindruckereien und ferner die reinen Buchbindereien, die in diesem Zusammenhang als Spezialfach neben der Buchdruckerei zu stehen haben. Auch der photographische Lichtdruck sowie der keramische Zier- und Steindruck sind als besondere kleine selbständige B e ­ rufszweige unberücksichtigt geblieben.

Faßt man die mengenmäßige wirtschaftliche Bedeutung sämtlicher Gruppen ins Auge, so kann das eingeschlagene Verfahren als gerechtfertigt angesehen werden, denn zweifellos sind in obiger Begriffsbestimmung die wesent­

lichsten Betriebe der Branche berücksichtigt. Die Berufs­

genossenschaff der papierverarbeitenden Industrie S e k ­ tion II weist insgesamt aus:

im Jahre 1914 236 Betriebe mit 7371 Arbeitnehmern, im Jahre 1924 212 Betriebe mit 6097 Arbeitnehmern.

ln dieser Aufstellung sind enthalten sämtliche der papier­

verarbeitenden Berufsgenossenschaft zugefeilten Betriebe, also auch diejenigen, die wir bei unserer Betrachtung aus­

geschaltet haben, Sfeindruckereien, reine Buchbinde­

reien usw. Außerdem erfaßt diese Zahl nicht nur die schle­

sischen Unternehmungen, sondern diejenigen ganz Ost­

deutschlands, da die Berufsgenossenschaft ihre Tätigkeit er­

streckt bis in die brandenburgische Lausiß, bis kurz vor die Tore Berlins, die Grenzmark mit dem Regierungsbezirk Frankfurt a. O. sowie ferner die ganze Provinz Ostpreußen umfaßt. Diese Feststellung ist jedoch unwesentlich, da mit Ausnahme einiger größerer Werke in der Lausiß die Industrie ihr Domizil in Schlesien hat, während die übrigen, durch die obengenannten Zahlen mit einbezogenen Gebiete im V e r­

hältnis zur schlesischen Papierverarbeilung kaum eine Rolle spielen.

Aus der Gesamtzahl der schlesischen Betriebe der papierverarbeitenden Industrie scheiden wir, um Zahlenver­

gleiche haben zu können, die große Zahl der kleineren Unter­

nehmungen aus, ferner diejenigen, die zweifellos nicht direkt zur Papierverarbeifung gehören, und einige Spezialfabriken.

Es verbleiben danach 47 Betriebe mit folgenden Arbeit- nehmerzahlen:

1914: 3433 1920: 2881 1924: 3396.

Auf die oben angegebenen drei Zweige entfallen fol­

gende Betriebe und Arbeitnehmerzahlen:

1914 1920 1924 1. 17 616 564 614 2. 23 1521 1270 1459 3. 7 1296 1047 1323

An der Zahl der Beschäftigten gemessen, zeigt die Gegenüberstellung, daß neben der Tüten- und Beutelindustrie als kleinste Gruppe Papierausstattungs- und Gesdiäfts- bücherindustrie ungefähr gleich stark vertreten sind. Im ganzen betrachtet, sind jedoch die Grenzen überflüssig, da ein Teil der unter der einen oder anderen Gruppe zusammengestell­

ten Betriebe mehr oder minder in die andere Gruppe hinüber­

greift. Außerdem verschieben sich diese Stichtagszahlen insofern ziemlich stark, als in den einzelnen Zweigen mii zeitlich ganz bestimmten Konjunkturauf- und -abstiegen ge­

rechnet werden muß, die auf die Höhe der Belegschaften nicht ohne Einfluß sind. Im allgemeinen herrscht der kleinere und mittlere Betrieb vor. Nur in der Schreibebücherbranche kann von ausgesprochenen Großbetrieben geredet werden.

Von den sieben Unternehmungen, die zur Schreibebücher­

branche gerechnet worden sind, können zwei ohne jeden Zweifel den Anspruch als Großbetriebe machen, die übrigen sind Mittelbetriebe mit 50, höchstens 100 Arbeitnehmern. Die Zahl der Unternehmer, die über 100 Leufe beschäftigen, ist

gering. Es ist aber, wie hier ausdrücklich festgestellt wer­

den muß, um falsche Schlüsse zu vermeiden, zu bedenken, daß der Vergleich der Arbeitnehmerzahlen mit denjenigen anderer Industrien hier nicht ohne weiteres gezogen wer­

den kann. Die nach der Statistik als Mittelbetriebe anzu­

sprechenden Unternehmungen sind unter Umständen Firmen von allergrößter Bedeutung für den deutschen wie den inter­

nationalen Markt, was man bei Betrachtung der Beleg­

schaftsziffer nicht ohne weiteres vermuten kann. Gerade wie im Druckgewerbe und ähnlichen Gewerbezweigen, die mit hervorragendem schnellaufenden Maschinenmaterial Mengenproduktion ohne erhebliche Arbeitnehmerzahl aus­

führen, ist ausschlaggebend mit der individuellen Organisa­

tion die Art des hergestellten Produktes.

Die Standortverteilung ergibt folgendes Bild:

Betriebe: 1914 1920 1924 Breslau ... 18 1018 738 882 Brieg ... 2 1078 834 1078 sonstige schlesische Orte . 27 1337 1309 1436

Aeußerlich genommen, halten sich die schlesischen Orlc neben Breslau und Brieg untereinander das Gleichgewicht.

Zu beachten ist aber, daß unter der dritten Rubrik sich mehrere größere Unternehmungen befinden, die auf das G e­

biet des Steindrucks usw. hinübergreifen. Die Einzelauf­

stellung, die in Kürze hier nicht wiedergegeben werden kann, stellt fest, daß zweifellos Vororte der papierverarbeitenden Industrie Breslau und Brieg sind. Dieses ausschließlich für die Schreibebücherbranche, jenes für die Papierwarenfabri­

kation und sonstige Papierverarbeitung.

Im Vergleich zu den übrigen deutschen Firmen verdient hervorgehoben zu werden, daß die beiden Geschäftsbiicher- fabriken in Brieg zu den größten in Deutschland überhaupt gehören, ja, wenn man lediglich die Geschäftsbücherfabrika­

tion ins Auge faßt, wahrscheinlich die Firma T. T. Heinze, Brieg, das größte Unternehmen seiner Art in Deutschland ist, und für Notizbücher und Alben desgleichen die Firma Brieger Geschäftsbücherfabrik W. Loewenthal A.-G. Ein­

deutige Feststellungen lassen sich leider nicht treffen, da wie hier auch im übrigen Deutschland die Kombination ver­

schiedener Herstellungszweige innerhalb der Werke eine so mannigfache ist. Gleichfalls als schlesische Weltfirmen sind zu bezeichnen die unter die chromolithographische Branche fallende Firma Mamelok & Söhne, Breslau, wie einige sonstige Breslauer Werke der Tüten- und Beutel- und Spezialpapierwarenfabrikation.

Die geschichtliche Entwicklung der papierverarbeitenden Industrie liegt ganz im Rahmen der allgemeinen Wirtschafts­

expansion der leßten drei Menschenalter. Je mehr mit einer immer umfangreicheren Industriealisierung und Verkehrsver- flcchtung der Erfindergeist zur Verbesserung der Produk­

tionsmittel und Produktionsverfahren angeregt wurde, je mehr frühere Kultur- und Luxusbedürfnisse mit der Zeit zu absolut täglichen Gebrauchsgegenständen herabsanken, desto mehr mußten Papierwaren in immer stärkeren Mengen und mannigfaltigeren Formen auf den Markt gebracht wer­

den, diesen befriedigend und in Wechselwirkng zwischen B e ­ darf und Nachfrage bei steigender Wirtschaftlichkeit allent­

halben neu die Betriebe befruchten helfen. Den Gradmesser des Entwicklungsganges gibt die Mechanisierung der B e ­ triebe und des Arbeitsprozesses einerseits und die Zahl der Besdiäftigten in den Unternehmungen andererseits.

Die Grundlage bildet die Papiererzeugung. Erst als es gelungen war, Papier in großen Mengen und guter Qualität auf den Markt zu bringen, konnte die Verarbeitung von Papier ebenfalls in slärkerer Form einseßen. Bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war das Hadernpapier, aus Lumpenfasern gewonnen, das einzige nach unserem heuti­

gen Begriff recht minderwertige Gebrauchspapier. Im Jahre 1818 wurde die erste endlose Papiermaschine in Deutschland aufgestellt. Das Erzeugnis wurde ausschließlich für Zeitung- und Werkdruck gebraucht und war kaum in genügenden Mengen vorhanden, weshalb audi in jener Zeit die Lumpen­

zölle (daneben Lumpensammelprivilegien) in den Zollpositio­

162 Schlesien, Kultur und Arbeit einer deutschen Grenzmark

nen jener Tage eine so hervorragende Rolle spielten. Erst nachdem Anfang der 70er Jahre das Natron- und Sulfitver­

fahren zur Holzzellulosegewinnung erfunden war, schritt die Erzeugung mit riesigen Schritten weiter.

Das der papierverarbeilenden Industrie in seinen Neben­

abteilungen so außerordentlich verwandte Druckgewerbe im weitesten Sinne des Wortes, das unserer Industrie um viele Jahrzehnte voraus war, sei hier nur der engen Verflechtung wegen kurz erwähnt. Von der Erfindung Gutenbergs über den wandernden Buchdrucker bis zur ersten eisernen Hand­

presse im Jahre 1808 ist gewiß ein jahrhundertelanger Weg, auf dem Handwerkskunst, auf alten Bahnen wandelnd und wenig ändernd, sich mit den damaligen Mitteln als ein Kultur­

faktor ersten Ranges bereits erwies. Schon zwei Jahre später entstand die erste Tiegeldruckpresse und wenige Jahre später (1817) die erste Schnellpresse. Rotationsdruck und Stereotypie folgten in geringem Zeitabstand und als die P a ­ piererzeugung auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit an­

gelangt war, hatte sich das Vervielfältigungsgewerbe maschi­

nell ebenso schnell entwickelt, so daß es als vollwertiger Abnehmer für die Papiererzeugung auf dem Plan stand.

Die papierverarbeitende Industrie ist erst in späterer Zeit in Erscheinung getreten. Bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war es kaum üblich, die Waren im Einzelverkauf mit Papier zu umhüllen. In den wenigen Fällen wo es ge­

schah, wurde einfaches Abfallpapier (Zeitungsmakulatur usw.) verwandt. Der aufkommende Bedarf wurde späterhin befriedigt durch die handwerksmäßige Tütenkleberei, von kleinen Unternehmern durch Handklebungen teils in Heim­

teils in Gefängnisarbeif auf den Markt gebracht. Die ersten deutschen Unternehmungen dieser Art entstanden in den 1840er Jahren. Einen größeren Aufschwung konnten sie erst nehmen als im Jahre 1869 die ersten Spißtütenmaschinen ein­

geführt wurden. In den achtziger Jahren des vorigen Jahr­

hunderts folgte dann die in Amerika erfundene Falz- und Seitenbeutelmaschine, auf welcher viereckige Falz- und Seitenfaltbeutel gefertigt werden konnten. Dazu gesellte sich später die Kreuzbodenbeutelmaschine, die heute wegen der praktischen Art der hervorgebrachten Stehbodenbeutel am meisten verwandt wird. Heute sind diese Maschinen so verbessert, daß sie als Schnelläufer Rekordzahlcn im täg­

lichen Arbeitsgang hervorbringen. Die neueren Maschinen sind mit ein- oder mehrfarbigem Druckwerk, das gleich die verschiedensten Aufdrucke auf das Erzeugnis während des Arbeitsganges besorgt, ausgestattet.

Noch später seßte die Entwicklung der Kartonnagen- ündus'trie ein. Bis in die 70er Jahre war es ein Handwerk, das von Messer, Lineal und Leimpinsel regiert wurde und mit dem Buchbinderhandwerk, gleichfalls verhältnismäßig unentwickelt, eng verbunden war. Während das Binden der Bücher für die Verlagsgesellschaften ständig, jedoch in ein­

facher Form betrieben wurde, bestand die Kartonnagen- abteilung nur als Nebenbeirieb. Erst als Papierscheren und Heftmaschinen wesentlich Verbessert, die Klebemaschinen neu eingeführt und die Schneidemaschinen vergrößert wur­

den, kam ein schnellerer Fortschritt auch in diesen Berufs­

zweig. Er führte zu den jeßt schnellaufenden Maschinen in der Kartonnagenfabrik, welche das fix und fertige Erzeugnis aus der Maschine herausgleiten lassen. Die weiter entwickelte Form der Heftmaschinen ist heute in der Schreibebücher­

branche zu finden.

Jeßt stehen wir nicht am Ende der technischen Entwick­

lung; im Gegenteil muß mehr Fleiß denn früher darauf ange­

wandt werden, in der maschinellen Ausgestaltung der Unter­

nehmungen weiter zu kommen, um mit dem Auslande, ins­

besondere mit Amerika, das in der Kriegs- und Nachkriegs­

zeit Konkurrenzbetriebe in technisch vollkommener Art ge­

schaffen hat, Schritt zu halten. In welchem großen Umfange aber heute die papierverarbeitende Industrie maschinell ar­

beitet, soll an zwei Beispielen gezeigt werden. Eine Firma der Schreibbücherbranehe beherbergt zurzeit in ihren M a­

schinensälen von 15 500 qm Umfang: 83 Buchdruckmaschinen, die Mehrzahl davon Schnellpressen zum Teil für Mehrfarben­

druck, ferner Tiegel- und Bostonpressen, 292 Spezialmaschi­

nen des Buchbinderfaches, wie

Liniier-Beschneide-Perforier-usw. Maschinen, sowie 112 Hilfsmaschinen, die Antriebs-, Heiz- und Reparaturmaschinen und Einrichtungen sind dabei noch nicht eingerechnet, also insgesamt 487 Maschinen. Eine Firma der chromolithographischen Branche mit etwa 250 A r­

beitnehmern hat installiert 18 Steindruck- und 4 Flachdruck­

pressen, 1 Offset- und 1 Rotationsmaschine, dazu die ver­

schiedensten Arten Schneidemaschinen, Rollscheren und Spezialbuchbinderhilfsmaschinen und ferner für die Chromo­

papierstreicherei 3 Streichmaschinen, 5 Kalander, Ouer- schneider und sonstige Hilfsmaschinen.

Daß zu dem Aufbau dieser in jeder Beziehung ganz in­

dividuell organisierten und spezialisierten Betriebe jahr­

zehntelange Arbeit und Zielsicherheit notwendig war, abge­

sehen von dem zu der dauernden Investition erforderlichen Kapital, braucht nicht besonders erwähnt zu werden. Die maßgebenden Firmen können heute alle schon auf eine lange Tätigkeit zurückblicken. Die Neugriindungen der leßten Jahre sind dagegen ganz ohne Bedeutung.

Dieses langsame Ansteigen und Heineinwachsen in einen immer größeren Aufgabenkreis geht klar hervor aus der Ent­

wicklung der Arbeitnehmerzahl. Ein aus dem Jahre 1846 als Papierwarenhandlung, Buchbinder- und Geschäftsbücherfabri­

kation in handwerksmäßigem Umfang hervorgegangener B e ­ trieb, also eine unserer ältesten Firmen, sowie eine in den 70er Jahren gegründete andere Firma, in der Hauptsache auf Export eingestellt, und deshalb großen Schwankungen unter­

worfen, haben sich bezüglich ihrer Beschäftigungsziffer fol­

gendermaßen entwickelt: trieben sondern ganz allgemein in der Nachkriegszeit im Höchstfälle wieder erreicht worden, zum Teil unter der Zahl vor 1914 geblieben.

Die Belegschaften seßen sich zusammen zu % aus weib­

lichen Kräften, die als Ungelernte in die Betriebe kommen, an den verschiedensten Maschinen angelernt werden, um schließlich zu der Fertigkeit zu gelangen, die schnelle M a­

schinenarbeit in einem ausgebildeten Akkodsystem verlangt.

Das trifft für sämtliche Zweige der Branche zu. Handwerks­

mäßig angelernte und eingeschulte männliche Kräfte sind je nach dem Umfange der Arbeit, die mit der Hand ausgeführt wird oder eine bestimmte Berufsausbildung verlangt, vorhan­

den. Ihre Zahl ist schwankend. Jeder Betrieb hat eine durch die Jahre ziemlich gleichbleibende Belegschaftsziffer an der­

artigen qualifizierten Kräften.

Einen gänzlichen Stillstand in dieser glänzenden Ent­

wicklung brachten die Kriegserklärungen des denkwürdigen Monats August 1914. ln den Tagen der Mobilmachung, als noch nicht übersehen werden konnte, ob Schlesien als süd­

östliche Grenzmark des Reiches nicht auch zum engeren Kriegsschauplaß werden würde, war Fabrikation und V er­

sand mit einem Schlag unmöglich geworden. Wenigen B e ­ trieben gelang es in der nun einseßenden ganz auf den Kriegsbedarf eingestellten behördlich geleiteten Zwangs­

wirtschaft durch Uebernahme von Heereslieferungen ihre Pforteh für einen kleineren Teil ihrer Belegschaft, die jeßt nur noch aus Frauen und Jugendlichen bestand, offenzuhalten.

Die Kartonnagenindustrie fertigte in großen Mengen Hüllen für Infanteriemunition, Teile der Geschäftsbücherbranche stellten sich zeitweise auf die Herstellung von Tornisterteilen und ähnlichem um

Nach dem immer erhofften und dann doch überraschend gekommenen Kriegsende galt es sich abermals auf die ur­

sprüngliche Erzeugung umzustellen, da zu erwarten stand, daß bei dem seit Beginn des Krieges unterdrückten Bedarf der Käuferschaff und leeren Lägern ein flottes Geschäft ein- seßen würde. Der Kampf mit dem Rohstoff, in diesem Falle das Papier, entbrannte allenthalben wie in sämtlichen anderen Industriezweigen und führte zu den ersten im Rahmen der

Friedenszeit vollkommen unbekannten Preissteigerungen. Zu­

dem legte die Schnelligkeit der Demobilmachung mit der Pflicht, die zurückströmenden Heeresmengen in der produk­

tiven Arbeit unterzubringen, niegekannte soziale Lasten auf.

Hatte das Inlandsgeschäft in der Vorkriegszeit auch unter ständigem Preisdruck in freier Konkurrenz zu leiden gehabt, waren auch damals Preissteigerungen auf dem Rohstoff- markte fühlbar geworden, die beim Absaß der Fertigwaren nicht ausgeglichen werden konnten, hatten auch zahlreiche oft sehr lange anhaltende Arbeitskämpfe besonders in der lithographischen Branche die Dispositionen gehemmt, so war es doch Dank des sich verbreiternden Marktes und rationeller Durchorganisation der Betriebe gelungen, ständig vorwärts zu kommen. Während das Geschäft in der Verpackungskar- tonnagenindustrie im Aufstieg begriffen war, da die Lebens­

mittel- und Gebrauchsartikelfabrikanten ihren Erzeugnissen eine bessere Ausstattung und damit leichtere Verkaufsmög­

lichkeit zu geben versuchten, war die Aufnahmefähigkeit des Marktes für chromolithographische Erzeugnisse in Deutsch­

land in den einzelnen Jahren ganz uneinheitlich, weshalb dieses Geschäft bei der starken Kapitalfestlegung, die die Produktion verlangt, immer als ein risikoreiches angesehen werden mußte. In der Schreibebücherbranche sorgte tätiger Unternehmergeist dafür, durch Verbesserung der Konto­

bücher, Sonderanfertigungen nach Wunsch und die Aufnahme neuer Artikel wie Alben, die verschiedensten Arten von Notizblöcken und -biiehern den Bedarf zu erwecken und den Markt zu vergrößern. Für das Auslandsgeschäft hatten sich in sämtlichen Branchen gewisse Auslandsmärkte heraus­

gebildet, die für die Erzeugnisse der einzelnen Unternehmun­

gen ständige Abnehmer waren. Diese Märkte lagen nicht nur in sämtlichen Ländern des Kontingents, des nahen und des fernen Ostens, sondern auch UeberSee, Nord- und Südame­

rika und der Siidsee.

Ganz abgesehen von den sonstigen Verlusten durch den Krieg bedeutet für die schlesische papierverarbeiiendc Indu­

strie die gewaltsame Abtrennung Oberschlesiens vom Reiche und die Hergabe deutschen Gebietes, Polens und W est­

preußens und die dadurch bedingte Abtrennung Ostpreußens einen schweren Schlag. Die Firmen mußten sich in ihrem Aus­

bau in dem weniger dicht besiedelten Lande von vornherein auf ein breites Absaßgebiei einstellen, sollte eine gedeihliche Fortentwicklung gewährleistet sein, denn umfangreichere, dicht besiedelte Industriezentren mit entsprechender größerer Aufnahmefähigkeit waren wenige vorhanden. Als deutsdier Markt kam hierfür in Frage der gesamte deutsche Osten, ferner auch der westliche Teil des heutigen Polens und die ehemals österreichisch-ungarischen Randstaaten, die an der Entfernung gemessen kaum als Ausland anzusehen waren.

Durch die oberschlesische Gebietsteilung ist einer größeren Anzahl der Unternehmungen ein wesentliches deutsches Ab- saßgebiet verlorengegangen, und durch die Aufrechterhal­

tung der Kriegspsychose in den Nachbarländern Polen und Tschechoslowakei, handelspolitisch zum Ausdruck gebracht durch alle möglichen Handelscrschwerungen, außer den hohen Zollpositionen, ist heute an eine Absaßmöglichkeit nach dieser Richtung hin kaum mehr zu denken.

Die papierverarbeiiende Industrie war aber audi, wie aus früheren Bemerkungen bereits hervorgeht, nicht nur auf den Inlandsmarkt, der sich weiterhin über ganz Deutschland erstreckt, beschränkt, sondern in gleicher Weise eine hervor­

ragende Exportindustrie. Statistische Vergleichszahlen zu geben ist hier nicht möglich. Das statistische Jahrbuch für das Deutsche Reich nennt für ganz Deutschland für das Jahr 1913 folgende Ein- und Ausfuhrzahlen der papierverarbeitenden Industrie:

Briefumschläge .Einfuhr 461 = 0,0 Mill. M. Ausf. 46501 = 4,0 Mill. M.

Papierwaren, be­

druckt u. gestanzt „ 192,, = 0,3 „ „ „ 5372 „ = 8,4 „ „ Schreibhefte,

Preisverzeichnisse „ 761 „ — 0,8 „ „ „ 7415 „ 8,0 „ „ Farbcndruckbilder

und ähnliches . . „ 180„ = 0,6 „ „ „ 2844„=9,4 „ „ Der schlesische Anteil ist hierbei eingeredinet. Er läßt sich zahlenmäßig nicht feststellen, ist jedoch groß, da beson­

ders in Notizbüchern und Farbendruckbildcrn ein umfang- reidier Teil der sdilesisdien Produktion ins Ausland ging, ln

ders in Notizbüchern und Farbendruckbildcrn ein umfang- reidier Teil der sdilesisdien Produktion ins Ausland ging, ln