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Von Syndikus Dr. P a e s c h k e , Breslau.

Mit der Sladt- und Wirtschaftsgeschichte Schlesiens ist kaum ein Berufsstand so eng verknüpft wie das Handwerk.

Schlesien ist ein deutsches Kolonialland und erst, als die von den Herzögen aus dem Piastenstamme ins Land gerufenen Siedler aus allen Teilen des heiligen römischen Reiches deut­

scher Nation, aus Franken und Thüringen, vom Rhein und vom Nordmeer, ja selbst aus dem fernen Flamland ins Ost­

land gezogen, da kann man vom deutschen Handwerk in Schlesiens Gauen sprechen.

Zwar kannten und übten auch die Slawen so manches Handwerk, aber das Handwerk als ein eigener, geordneter Berufsstand ist erst von den deutschen Kolonisten nach Schlesien gebracht worden, ln den mit Magdeburger oder Lübischem Stadtrecht begabten Städten der deutschen An­

siedler blühten Handwerk und Gewerbe kräftig empor.

Gar bald waren die Handwerker stark genug, um ihre eigenen, mit mancherlei Privilegien begabten Korporationen, die Zünfte, zu bilden und in den verschiedensten Städten können sie auf eine Geschichte von über 700 Jahren zurück­

blicken.

So nehmen die Breslauer Fleischer, und zwar die Zunft der allen Bänke, ihre Zunftgeschichte vom Jahre 1224 an, und schon um das Jahr 1300 konnten in dem sich kräftig ent­

wickelnden Breslau nicht weniger als 28 Gewerbe gezählt werden, welche größtenteils in wohlgeleitcten, auf die Zahl und den Reichtum ihrer Mitglieder troßig pochenden Innungen vereinigt waren. Die größten und mächtigsten dieser Innun­

gen waren die Tuchmacher, welche in drei Innungen zu­

sammengeschlossen waren und den Hauptausfuhrartikel, die überall begehrten schlesischen Tuche erzeugten. Auch die Kürschner zeichneten sich durch Macht und Reichtum aus, ebenso die Fleischer und Kretschmer. Allein die Breslauer Tuchmacher waren in der Lage, um das Jahr 1300 900 Ge­

wappnete aufzustellen.

Mit dem Aufblühen des Handwerks hielt auch der schle­

sische Handel, die Gilden der Reichskrämer, gleichen Schritt.

So alt wie die Städte Schlesiens waren auch ihre Handels­

beziehungen, einerseits mit den westlichen Stammlanden und dem Süden bis nach Italien, anderseits errangen sie bald eine Art Monopolstellung in der Aufnahme der Handelsbeziehun­

gen mit den unruhigen Nachbarn im Osten und Südosten, den Polen, Ungarn und bis noch weiter in den Balkan hinein.

Kaufmannschaft einesteils und Handwerk andcrntcils stimmten, wenn auch beide glühende Patrioten und die an­

erkannten Hauptpfeiler der städtischen Macht und Größe waren, aber mit ihren Interessen durchaus nicht immer über­

ein. Dies lag vor allem auf wirtschaftlichem Gebiete, indem die Kaufleute zu eigenem Nußen de Preise für die Erzeug­

nisse des Handwerks, soweit diese nicht selbst an die Kund­

schaft direkt liefern durften, künstlich gedrückt hielten, andernteils kamen auch allmählich politische Beweggründe hinzu, indem die Handwerker, pochend auf ihre Unentbehr­

lichkeit und Waffenmacht, das Recht beanspruchten, gemein­

sam mit den kaufmännischen, häufig ritterbürtigen Patrizier­

geschlechtern im Rate der Stadt ausreichend Siß und Stimmen zu erhalten. Es ist eigenartig, daß im ganzen deutschen Reiche fast in den gleichen Jahren dieselben blutigen Zwistigkeiten zwisdicn Geschlechtern und Zünften ausbrachen. So geschah es auch in Schlesien, daß mit B e ­ ginn des 15. Jahrhunderts in den verschiedensten Städten bewaffnete Aufstände der Zünfte zu verzeichnen waren. Der blutigste brach in Breslau am 18. Juli 1418 aus, wo die durch Abweisungen ihrer Forderungen auf das tödlichste gereizten Handwerkmeister unter Führung der Tuchmacher und Fleischer die Köpfe von einem Bürgermeisler und sechs Breslau, Jahrhunderthalle.

Ratsherren an der Staupsäule des Rathauses in den Sand rollen liefen. Die Rache für dies blutige Beginnen ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Die Geschlechter wandten sich klagend an den Böhmenkönig, den damaligen Kaiser Sigis­

mund, der im Anfang des Jahres 1420 nach Breslau kam, wohin er einen Reichstag einberufen hatte, um strenges Ge­

richt zu halten. Wenn auch die eigentlichen Rädelsführer, längst entflohen waren, so mußten doch noch einige zwanzig Handwerksmeister am 4. März 1420 ihr kühnes Beginnen mit dem Tode durch Henkershand büßen. Die bisherige Macht der Zünfte in Breslau und ganz Schlesien war gebrochen und Kaiser Sigismund erließ eine neue Zunftordnung für das Breslauer und schlesische Handwerk.

Politische Ehren ,zu erringen war dem Handwerk dadurch verwehrt, aber um so mehr suchten die Zünfte ihre Berufs­

genossen zu der größtmöglichsten Höhe gewerblicher Tüch­

tigkeit zu erziehen. Die höchste Blüte deutscher Handwerks­

kunst erschloß sich im 15. und 16. Jahrhundert auch in Schlesien. Leider werden die reichen Schöße schlesischer Handwerkskunst von der einfachen Holzkirche und dem Bürgerhause an bis zu den hochragenden Domen, Klöstern und Renaissance-Palästen der Fürsten und Herzoge noch viel zu wenig gewürdigt, obwohl sie jeden Wettbewerb mit Augs­

burger und Nürnberger Arbeit aufnehmen können. Und dieses geschah unter den ungünstigsten Verhältnissen. Nidit allein, daß die Herrschaft über Schlesien ständig wechselte, wurde auch das Land Jahrhunderte hindurch von kriegerischen Ungewittern durchtobt, so von den böhmischen Revolutionen, den Hussitenkriegen, dem Dreißigjährigen Kriege, dem Nordischen Kriege, den Kriegen Friedrichs des Großen und den Napoleonischen Kriegen. Dazu kam im zeitigen Mittel­

alter noch die Unsicherheit der Straßen durch das Raubritter­

tum, das die Städte zwang, gar manches Mal zum Brechen der Raubnester ihre Mannen, darunter an erster Stelle die waffengeübten Zünfte, zum Streite aufzubieten. Und doch entwickelte sich der schlesische Handwerksstand kräftig weiter, ja einzelne Erzeugnisse, wie die der schlesischen Leineweber, Tuchmacher, Glas- und Steinschneider, Töpfer und Bierbrauer erlangten Wcltruhm und blieben eine ständige Quelle des Wohlstandes für ihre Erzeuger.

Eine besondere Eigenart des schlesischen Handwerks hat sich zum Teil sogar bis in die jeßigen Zeiten erhalten, nämlich, daß sich mit Vorliebe die Handwerker eines einzelnen G e­

werbezweiges an bestimmten Orten ansässig machten, um damit diesen Ortschaften das Gepräge ihres Gewerbes auf­

zudrücken. So finden wir noch in Hirschberg, Landeshut, Peterswaldau und Langenbiclau, sowie in vielen kleinen Orten des Eulengebirges die Leinen- und Bandweber — einen traurigen Ausschnitt der Geschichte dieses Handwerks behandelt Gerhard Hauptmann in seinen „W ebern“ . In Bunzlau und Lauban sißen die Töpfer und Ziegelformer, in Festenberg und Oels die Tischler, in Neustadt (Ober­

schlesien), Striegau und früher in Neumarkt die Schuhmacher, in Kätscher Teppichweber, in Jauer Wagenbauer, in Riemberg, Kreis Wohlau, Messerschmiede, in Warmbrunn die alte vor­

nehme Zunft der Steinschneider und in verschiedenen Orten des Riesen- und Glaßer Gebirges die Glasbläser, Glas­

schneider und Glasmaler.

Erst die Bcsißnahme Schlesiens durch Preußen brachte einigermaßen Beständigkeit in die unruhigen wirtschaftlichen Verhältnisse, und wenn auch zuerst das Handwerk noch in den Banden des Zunftzwanges gefesselt blieb, so brach mit der Wiedergeburt Preußens nadi dem Zusammenbruch im Jahre 1806 auch für das Handwerk eine neue Zeit an, indem das Edikt vom 2. November 1810 zum ersten Male den Grund­

saß der Gewerbefreiheit aufstellte und nur aus gesundheits- oder sicherheitspolizeilichen Gründen eine Beschränkung des Betriebes einzelner Gewerbe zuließ. Aber diese Erleichte­

rungen blieben vorläufig auf dem Papiere slehen, in die Masse des Handwerks drangen sie nicht ein, und in den langen Friedensjahren nach dem Sturze Napoleons versank es mit seinen seit Jahrhunderten gleichmäßig solide und tüchtig weiter arbeitenden Gliedern wieder in die alte Ruhe, zufrieden, daß der Betrieb eines Handwerks noch immer seinen Mann ernährte und ihm den W eg zu bescheidenem, bürgerlichem Wohlstände erschloß.

Erst die Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 beseitigte in der Hauptsache die ausschließlichen Gewerbeberechtigun­

gen, vor allem die Zwangs- und Bannrechte.

Auf ihr baute dann die Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 weiter, die zuerst für den Norddeutschen Bund erlassen wurde, später aber für das ganze Deutsche Reich Geltung erlangte.

Sie bestätigte nochmals in weitestem Maße die Gewerbe­

freiheit und beseitigte außerdem das die einzelnen Gewerbe seit Jahrhunderten zusammenfassende Band der Innungen als öffentlich-rechtlicher, mit reichen Privilegien begabter Körperschaften.

Die Folgen dieser schrankenlosen Freiheit waren zu­

nächst für das Handwerk, das sich mit dieser wirtschaftlichen Ungebundenheit nicht abfinden konnte, sehr unerfreuliche.

Durch das Eindringen sehr unerwünschter Elemente in die Reihen des Handwerks, das bisher in der Auswahl seines Nachwuchses sehr vorsichtig gewesen war, wurde sein alter guter Ruf auf das äußerste gefährdet. Denn diese Leute, die sich Handwerker, selbst sogar „Meister“ nennen durften, entbehrten jeder handwerksmäßigen Vorbildung, lieferten nicht mehr die alte, solide Qualitätsarbeit des Handwerks­

meisters, sondern hielten sich an die Devise der damaligen deutschen Waren: „Billig und schlecht.“

Dazu kam mit der Auflösung der alten Innungen die un­

sinnige Verschleuderung der seit Jahrhunderten auf- gespeicherten, überaus wertvollen Innungsklcinodien und Altertümer, da niemand von den Behörden sich darum kümmerte.

Es waren böse Jahre für das deutsche Handwerk, und auch Schlesien machte darin keine Ausnahme. Aber die besseren Elemente im Handwerk suchten mit allen ihnen noch zur Verfügung stehenden Mitteln, diesen Niedergang ihres geliebten, altehrwürdigen Berufsstandes zu hemmen, wenn ihnen auch selbst von den Lehrstühlen der Universitäten pro­

phezeit wurde, daß das Handwerk absterben und in der In­

dustrie aufgehen müsse. Doch die Prophezeiungen waren falsch und werden auch künftighin unrichtig bleiben. Vor allem war aber nölig, die altbewährte Organisation des Handwerks in ihren Innungen wieder zu neuem, der modernen Wirtschaft entsprechendem Leben zurückzurufen. Immer leb­

hafter wurde das Drängen des Handwerks, und so ent­

sprachen Reichsregicrung und Parlament durch die ersten sogenannten Handwerkergeseße, die Novellen zur Gewerbe­

ordnung der Jahre 1881 und 1887 diesen Forderungen und führten die Innungsorganisationen allerdings als eine solche aller Gewerbezweige wieder ein. Diesen Anfängen folgte durch das Geseß vom 27. Juli 1897 eine vollständige Hand- werker-Geseßgebung, der noch eine Ergänzung im Jahre 1908 folgte. Durch diese Geseße wurden die Handwerkskammern und Zwangsinnungen neu geschaffen, das Lehrlingswesen geregelt, die Meisterprüfung eingeführt, sowie der Meister­

titel geschüßt und mit besonderen Rechten ausgestattet. Das schlesische Handwerk blieb dabei in seinen Organisations­

bestrebungen nicht zurück. Gerade in unserer Heimat hatte sich eine große Zahl von alten Innungen auch als Privat­

vereinigungen gehallen, und so war es ein leichtes, diese mit Beginn der 80er Jahre neu zu reformieren und ihre Zahl von Jahr zu Jahr zu vergrößern. Zurzeit ist das schlesische Innungswesen eines der festgefügtesten im Deutschen Reiche.

Es dürfte keinen Teil unseres Vaterlandes geben, der sich in dieser Beziehung mit Schlesien messen könnte. Mit der Abtretung von Ost-Oberschlesien und anderer Gebietsteile von Schlesien an Polen sind zahlreiche Innungen ihren deutschen Berufsorganisationen entrissen worden. Sie werden aber auch dort die Pflanzstätte echten deutschen Handwerkertums sein und in der Zukunft bleiben. In Schlesien bestanden im Jahre 1914: 1438 Innungen, von denen auf den Regierungs­

bezirk Breslau 335 freie und 193 Zwangsinnungen, auf den Regierungsbezirk Liegniß 279 freie und 179 Zwangsinnungen, und den Regierungsbezirk Oppeln 330 freie und 122 Zwangs­

innungen entfielen.

Leider kam die unselige Abtrennung Ost-Oberschlesiens vom Deutschen Reiche, welche rund 11 900 Handwerker, meistens deutschen Stammes, abriß und damit auch eine

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Schlesien, Kultur und Arbeit einer deutschen Grenzmark ganze Anzahl von Innungen entweder völlig abtrennte oder

sie .zerriß.

So bestanden im Jahre 1925, in dem die üblen Folgen des Krieges und der Inflationszeit einigermaßen als überwunden anzusehen waren, in den Provinzen Niederschlesien und Oberschlesien zusammen 1363 Innungen, die sich wie folgt verteilten:

Im Regierungsbezirk Breslau 266 freie, 265 Zwangs­

innungen,

im Regierungsbezirk Liegniß 209 freie, 291 Zwangs­

innungen,

in der Provinz Oberschlesien 242 freie, 90 Zwangs­

innungen.

Die Interessen des Handwerks werden in beiden Pro ­ vinzen von den Handwerkskammern zu Breslau, Liegniß und Oppeln wahrgenommen, die seit dem 1. April 1900 bestehen.

In dem Bezirk Breslau wurden im Jahre 1914 33 000 Hand­

werksbetriebe gezählt, im Jahre 1925 35 000, in dem Bezirk Liegniß im Jahre 1914 26 300, im Jahre 1925 27 000 und im Bezirk Oppeln im Jahre 1914 27 300, im Jahre 1925 16 800 B e ­ triebe, insgesamt also in Schlesien im Jahre 1914 86 600, im Jahre 1925 78 800 Handwerksbetriebe.

Wenn man rechnet, daß hierzu ungefähr 200 000 Hilfs­

kräfte (Gesellen, Techniker, Lehrlinge, Verkäufer und Buch­

halter) sowie etwa 50 000 Frauen und Kinder als Angehörige von Handwerkern treten, so sind zurzeit rund 15 Prozent der schlesischen Bevölkerung von dem Handwerk und dessen wirtschaftlicher Lage abhängig.

Das Handwerk teil! sich in etwa 80 verschiedene G e­

werbezweige, die sieh in 11 größere Gruppen zusammen­

schließen.

1. Die Nahrungsmiitelgewerbe (Fleischer, Bäcker, Kon­

ditoren, Pfefferküchler, Zuckerwarenfabrikanten, Müller, Brauer, Mälzer, Kretschmer): mit ungefähr 18 000 Betrieben.

2. Die Bekleidungsgewerbe (Herrenschneider, Damen­

schneider, Konfektionsschncider, Pußmacher, Sticker, Wäschenäher, Kürschner, Müßenmacher, Hutmacher, Banda­

gisten, Handschuhmacher, Schuhmacher, Pantoffelmacher):

mit etwa 20 00 Betrieben.

3. Die Feuer und Metall bearbeitenden Gewerbe (Grob­

schmiede, Hufschmiede, Schlosser, Feilenhauer, Büchsen­

macher, Werkzeugschmiedc, Autoschlosser, Maschinen­

schlosser und Eisendreher, Former, Kesselschmiede, Kupfer­

schmiede, Fahrradschlosser, Nähmaschinenmechaniker, Fein- und Präzisionsmechaniker, Klempner, Gas- und W asser­

leitungsinstallateure, Elektroinstallateure für Schwach- und Starkstrom, chirurgische Instrumentenmacher, Optiker, Uhr­

macher u. s. f.): mit ungefähr 12 000 Betrieben.

4. Die Holz bearbeitenden Gewerbe (Korbmacher, Stell­

macher, Böttcher, Drechsler, Tischler, Holzbildhauer): mit etwa 10 000 Betrieben.

5. Die Baugewerbe (Maurer, Zimmerer, Sfeinhauer, Steinmeßen, Steinseßer, Asphalteure, Dachdecker, Töpfer, Schornsteinfeger): mit etwa 2000 Betrieben.

6. Die Reinigungsgewerbe (Färber, Wäscher, Mangler, Plätter): mit etwa 1000 Betrieben.

7. Die Verschönerungsgewerbe (Herrenfriseure, Damen­

friseure, Theaterfriseure, Perückenmacher, Haararbeiter):

mit etwa 3000 Betrieben.

8. Die schmückenden Gewerbe (Juweliere, Gold- und Silberschmiede, Graveure, Ziseleure, Steinschneider, Maler, Tapezierer, Polsterer und Dekorateure): mit etwa 5000 B e ­ trieben.

9. Die graphischen Gewerbe (Buchdrucker, Lithographen, Buchbinder, Photographen): mit etwa 2000 Betrieben.

10. Die Leder verarbeitenden Gewerbe (Gerber, Sattler, Riemer, Täschner und Korduaner): mit etwa 1500 Betrieben.

11. Die übrigen Gewerbe (Seiler, Glaser, Kammacher, Bürsten- und Pinselmacher, Orgel- und Pianofortebauer, Mühlenbauer u. a. m.): mit etwa 5000 Betrieben.

Wenn man diese verschiedenartigen, alle Lebensbedürf­

nisse der Bevölkerung befriedigenden Handwerkszweige an­

sieht, so ist von besonderer Wichtigkeit für Schlesien sein

blühendes Baugewerbe, das seinen alten guten Ruf auch in der jüngsten Zeit bewährt hat. Ebenso ist das Bekleidungs­

gewerbe besonders zu erwähnen, das namentlich Breslau zu einem der Hauptpläße der deutschen Konfektion gemacht hat.

Auch das Schuhmacherhandwerk blüht und hat sich sogar zum Teil zu bedeutenden, Wcltruhm genießenden Schuh­

fabriken ausgebildet.

In gleicher Weise sind unsere Nahrungsmittelgewerbe tätig, den Ruf ihrer Erzeugnisse in aller Welt zu verbreiten.

Schon in früheren Jahrhunderten waren „Steinauer Bier" und

„Sctnvcidnißer Schöps" wohlbekannt. Sollen sie doch sogar einen schlesischen Bischof veranlaßt haben, seiner Heimat freu zu bleiben.

Wenn auch über den Grüneberger Wein viel gescholten wird, über Grüneberger Schaumwein und Kognak hört man nur eine Stimme des Lobes. Und wer zählt alle die ver­

schiedenen wohlschmeckenden schlesischen Würste und

„Würstel“ . Breslauer, Jauerschc, Oppelner, Schöneberger waren überall bekannt und begehrt, und die konservierten

„Schweidnißer Kellerwürstchen“ gingen bis in die Tropen als schmackhafte Erinnerungen an die ferne Heimat. An sie schließen sich die vielgerühmten Kunstwerke unserer Bäcker, Pfefferküchler und Konditoren. Schlesischer Streuselkuchen, Licgnißer Bomben, Bienenkörbe und oberschlesische Schoko­

ladenwaren, sowie unsere Weihnachtsstriezel und Mohn­

kuchen erfreuen überall junge und alte Leckermäulchen.

Von hervorragender Bedeutung ist seit Jahrhunderten die schlesische Möbel- und Kunstfischlerei, die namentlich in den leßten Jahren, von tiiditigen Fachleuten geleitet, von Künstlern untersiiißt, mit Erfolg alle Anstrengungen macht, ihren alten Ruhm zu erneuern. Auch die Heimatkunst ist namentlich in unserem, im Gebirge ansässigen und bodenständigen Holz- schnißgewerbe zu neuem Leben erwacht und hat schon über­

raschend schöne Erfolge gezeitigt. Der Tischlerei schließt sich unser Wagenbau an, der besonders in Breslau, Jauer, Görliß, Liegniß und Oberschlesien gepflegt wird und im Frieden beliebte Exportartikel nach Rußland und Oesterreich bildete.

Eine wenig bekannte Spezialität ist die Anfertigung von hölzernen Spielwaren, Spankörbchen und Schachteln in den Gebirgsgegenden der Grafschaft Glaß und des Riesen­

gebirges, die bis nach Amerika, Afrika und Australien exportiert werden, und daher von großer wirtschaftlicher B e ­ deutung für die arme Bevölkerung der Gebirgsgegenden sind.

Piano- und Orgelbauer haben ebenfalls bekannte V e r­

treter in Schlesien; in Schweidniß war sogar eine der größten Orgelbauanstalten der Welt ansässig.

W er kennt weiterhin nicht unsere Bunzlauer Töpferwaren, unser schlesisches Glas und Porzellan und unsere schlesische Leinwand.

Die Hauptaufgabe für das Handwerk heißt nun Qualitäts­

arbeit bester Art zu leisten. Demnach muß auch die tech­

nische Ausbildung auf höchster Stufe gehalten bleiben. Wenn auch die Meisterlehre wie seit Jahrhunderten den besten Grund legt, so müssen dem Handwerker, damit sein tech­

nisches Können und seine Fähigkeiten nicht erlahmen, stets neue Anregungen gegeben werden. Demgemäß sind Staat, Gemeinden und Handwerkskammern bemüht, die Ausbildung der Flandwerker in besonderen Fachschulen und Kursen zu fördern.

Baugewerksschulen sind in Breslau und Görliß, vormals in Kaffowiß, eine Maschinenbauschule in Breslau, eine kera­

mische Fachschule in Bunzlau, eine Zieglerschule in Lauban errichtet. Die städtische Handwerker- und Kunstgewerbe­

schule in Breslau und die Holzschnittschule in Warmbrunn werden staatlich unterstüßt. Außerdem bestehen nodi eine Textilfachschule in Langenbielau, eine Handschuhnähschule in Ziegenhals, eine Spißenklöppelschule in Hirschberg. Den alleren Gesellen und Meistern wird außerdem noch Gelegen­

heit gegeben, in besonderen von dem Staate und den Hand­

werkskammern veranstalteten Meisterkursen ihre Kenntnisse und Fertigkeiten aufzufrischen und zu erweitern und neue Arbeitsmethoden kennenzulernen.

Schlesien, Kultur und Arbeit einer deutschen Grenzmark 113

Die Vorbereitungskurse der drei Handwerkskammern für die Meisterprüfung vermitteln den Teilnehmern namentlich kaufmännische und staatsbürgerliche Kenntnisse.

Zu diesen vielen Bildungsmöglichkeiten des schlesischen Handwerks tritt noch die große Zahl der gewerblichen Berufs­

schulen, welche für die Lehrlinge bestimmt, bemüht sind, diesen neben der hauptsächlich auf praktisches Können ge­

richteten werkstattlichen Lehre das theoretische Wissen ihres Berufs zu erschließen.

Der Weltkrieg hat natürlich auch seine tiefen Schatten auf das schlesische Handwerk geworfen. Fast 40 Prozent aller Betriebe kamen durch Einziehung zum Heeresdienst und Hilfsdienst, sowie durch den Mangel an Arbeitskräften und Rohstoffen zum gänzlichen Stillstände oder wenigstens zu einer sehr unerwünschten Verringerung der Betriebsleistun­

gen. Troßdem beteiligte sich das Handwerk lebhaft an den Lieferungen für das Heer. Es handelte sich namentlich um Uniformen. Sattlerarbeiten, Schuhwerk, Proviantwagen, Schmiedegerät und sonstige Gegenstände.

Auf Schlesien entfielen: auf den Bezirk Breslau für 14 639 847 Mark, auf den Bezirk Liegniß für 5 440 600 Mark, auf den Bezirk Oppeln für 16 407 211 Mark, also Lieferungen zusammen für 36 487 658 Mark.

Leider wurde das Handwerk durch die dem Kriege fol­

gende Inflationszeit noch schwerer betroffen, als durch den Krieg selbst: das Betriebskapital ging fast gänzlich ver­

loren, die Spargelder wurden wertlos und die schon sehr dezimierten und nach dem Kriege nur mäßig aufgefiilltcn Lager von Rohstoffen und Halbfabrikaten, die wenigen Sach­

werte, welche die Handwerker in ihrem Besiße hatten, wurden verarbeitet, ja mußten verbraucht werden, um Existenz und Leben fristen zu können.

Um so erfreulicher ist der Wagemut unserer schlesischen Handwerker, mit dem sie wieder an den Wiederaufbau ihrer zerstörten Existenz herangchen, obwohl die Kreditnot sie auf das schlimmste bedrückt und ihnen ein kräftiges Vorwärts­

arbeiten zurzeit zur Unmöglichkeit macht. Getragen wird das gesamte schlesische Handwerk von der Hoffnung auf eine schönere Zukunft, nachdem es in den schwersten wirtschaft­

lichen Zeiten des deutschen Volkes den Beweis erbracht hat, daß ohne das deutsche Handwerk das deutsche Volk verloren

lichen Zeiten des deutschen Volkes den Beweis erbracht hat, daß ohne das deutsche Handwerk das deutsche Volk verloren