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Entwicklung des Verkehrswesens

S c h ie n e n w e g e .

Von Regierungsbaurat a. D. D ö r f e r , Reichsbahnral.

Der Bau der ersten schlesischen Eisenbahn von Breslau nach Ohlau führt uns zurück in die frühesten Kindheitsiage der Lokomotiveisenbahnen Deutschlands, deren erste von Nürnberg nach Fürth im Jahre 1835 fertig wurde, rund zehn Jahre nach der Inbetriebnahme der ersten Lokomotiveisen- bahn der ganzen Erde von Stockton nach Darlington.

Preußen erhielt im Jahre 1838 seine ersten Eisenbahnen Berlin—Potsdam und Düsseldorf—Erkrath. Schlesien stand mit unter den Ersten auf dem Plane, die Morgenröte der größten Verkehrsumwälzung aller Zeiten erkennend. Schon 1834 wurden die ersten kühnen Pläne geschmiedet zur E r ­ bauung einer Bahn von Breslau nach Neuberun an der deufsch-galizischen Grenze, um dort den Anschluß zu finden an die geplante österreichisdie Kaiser-Ferdinands-Nord- bahn. Hier sollte sich das große Tor nach dem Osten öffnen und eine neuzeitliche Handelsstraße Schlesiens Wirtschaft befruchten. Doch mühevoll war der Weg bis zur Verwirk­

lichung dieser „Oberschlesischcn Eisenbahn“ troß des von höchster Stelle bekundeten Wohlwollens; schrieb doch der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm am 7. August 1837 an den Bankier Franck in Breslau:

„Ich danke Ihnen für die Mitteilung des Projekts zum Bau einer Eisenbahn von Breslau aus durch Oberschlesien.

Da die Ausführung dieses Projekts unzweifelhaft für die Provinz unmittelbar von der höchsten Wichtigkeit ist, das­

selbe aber noch in einem bedeutendem Lichte erscheint, wenn man die Verbindung mit der Bochnia-Bahn ins Auge faßt, wodurch dann hier eine europäische Straße gebildet wird; so werde Ich die fernere Entwickelung und Aus­

führung desselben mit dem größten Interesse verfolgen und gern bereit sein, wenn sich dazu Gelegenheit bietet, zur Förderung beizutragen."

Die schon 1837 gebildete „Oberschlesische Eisenbahn- Gesellschaft“ erhielt erst am 2. August 1841 die Konzession zur Herstellung einer Scliienenverbindung von Breslau über Oppeln bis zur Landesgrenze bei Neuberun. Am 22. Mai 1842

wurde die 25,7 Kilometer lange erste schlesische Eisenbahn von Breslau nach Ohlau dem Betriebe übergeben. Dieses geschichtlich bedeutsame Ereignis beschreibt uns Dr. Honig­

mann in der am 22. Mai 1867 herausgegebenen Denkschrift zur Feier des 25. Jahrestages der Eröffnung des Betriebes auf der Oberschlesischen Eisenbahn mit folgenden Worten:

„Der 22. Mai 1842, dessen fiinfundzwanzigsfe W ieder­

kehr heute gefeiert wird, brach als ein Festtag für die schlesische Hauptstadt an. In Schaaren strömte die B e ­ völkerung hinaus, weit hinter die damalige Weichbild­

grenze über den Schweidnißer Anger und war nicht wenig erstaunt, auf der öden und unheimlichen Stätte des alten Richtplaßes das stattliche Bahnhofsgebäude mitten unter freundlichen Gartenanlagen emporragen zu sehen. Die Hallen füllten sich mit Gästen und Zuschauern. Der lange Wagenzug, die blumengeschmückte Locomotive an der Spißc, erregte eine von furchtsamer Beklemmung nicht ganz freie Bewunderung. Mit Andacht lauschte die Menge der schwungvollen Weiherede des Oberregierungsraths Friedrich von Heyden, der als Commissarius des Staats für den Festact abgeordnet war. Schon wirbelt der Dampf aus der Esse der keuchenden Maschine und entfaltet sich wie eine wehende Riesenflagge durch die Lüfte. Ein gellender markerschütternder Pfiff, Kanonendonner, Trom­

petengeschmetter, tausendstimmiger Jubelruf, Tiicher- schwenken, das Riesenschiff stößt ab — und im Nu ist dieses buntbewegte großartige Bild wie eine Fata Morgana den staunenden Blicken entschwunden.“

Die erste deutsche Eisenbahn in dem Raume östlich der Linie Dresden—Frankfurt an der O der—Stettin war eröffnet.

Nur ein größeres zusammenhängendes Bahnneß finden wir damals bei Berlin und dessen Verbindung mit Halle, Leipzig und Dresden. Außer der noch beachtenswerten Strecke Straßburg—Basel sind bis dahin nur wenige kurze Bahn­

linien entstanden. Ende 1842 betrug die Gesamtlänge der deutschen Bahnen 1072 Kilometer, von denen 3,7 Prozent auf die erste schlesische Bahn entfielen. In dem benachbarten Oesterreich entwickelte sich schon eine einzige zusammen­

hängende Bahnlinie von Gloggniß über Wien, I^rerau nach Leipnik mit Abspaltung nach Brünn als Teile der „Wien — Raaber Eisenbahn“ und der „Kaiser-Ferdinands-Nordbahn“

mit zusammen 377 Kilometer Länge.

Der Anfang war gemacht. In rascher Folge vergrößert sich die schlesische Bahn. Die Oberschlesische Eisenbahn­

gesellschaft erweitert ihre Linie über Oppeln, Kandrzin bis Myslowiß und Landesgrenze bei Slupna und über Ratibor bis Oderberg, wodurch 1847 der Anschluß an die Krakau—Ober­

schlesische Eisenbahn und 1848 derjenige an die Kaiser- Ferdinands-Nordbahn erreicht wird. In gleicher Zeit ist man aber auch im Westen der Provinz tätig. Die Nicder- schlesisch-Märkische Eisenbahngesellschaft hat bis Herbst 1846 die Strecke Breslau—Liegniß—Kohlfurt—Frankfurt an der Oder und ein Jahr später die Zweigbahn Kohlfurt—Görliß dem Betriebe übergeben.

In rund sechs Jahren ist die neue . Verkehrsstraße Schlesiens von Ost nach West bzw. Nordwest und nach Süden in Verbindung mit der österreichischen Bahn her­

gestellt, ein Schienenweg, der den bis dahin noch recht un­

bekannten Osten des Reiches ohne Unterbrechung verbindet mit Stettin, Berlin—Hamburg—Kiel, Hannover—Ruhr—K ö ln - Aachen. ln weiteren vier Jahren sind auch die süddeutschen Staaten an das preußische Eisenbahnneß angeschlossen und der Weg von Schlesien nach München, Basel, der Saar, aber auch über Stettin nach Danzig und Posen steht offen, ln zehn Jahren (1842—1852) spielte sich eine der größten V e r­

kehrsumwälzungen aller Zeiten ab und Schlesien kann sich rühmen, mit der allgemeinen Entwicklung der neuen Zeit Schritt gehalten zu haben. Während in dieser Zeit sich alle deutschen Bahnen insgesamt um das 5,5fache vergrößerten, hatte Schlesien eine 15,5fache Zunahme an Eisenbahnlinien, dessen Neß Ende 1852 rund ein Zehntel des gesamten deut­

schen Eisenbahnneßes ausmachte.

Das oberschlesische Kohlenbecken ist an das neue Ver- kehrsneß angeschlossen. Es folgt der Anschluß des nieder­

schlesischen Kohlenbeckens durch Verlängerung der schon 1843 eröffneten Breslau—Freiburger Eisenbahn bis nach Waldenburg und den Kohlengruben bei Hermsdorf; leßtere Strecke wurde durch die Breslau—Schweidniß—Freiburger Eisenbahn A. G. am 1. März 1853 dem Betriebe übergeben.

Die Nachbarprovinz I^osen erhielt 1848 ihre erste Bahn.

Die Schienenverbindung zwischen den Provinzialhaupt­

städten Breslau und Posen bestand aber bis 1856 nur über Berlin—Stettin, also in einem derartigen Umwege, der für den allgemeinen Verkehr nichf in Befracht kam. Dem jedoch vorhandenen nachbarlichen dringenden Verkehrsbedürfnis wurde durch den Bahnbau Breslau—Posen der Ober­

schlesischen Eisenbahngesellschaft abgeholfen; der Betrieb dieser Strecke wurde Oktober 1856 eröffnet.

Das Rückgrat des schlesischen Eisenbahnneßes war hiermit geschaffen. Gleich Wurzeln verdichten sich die Linien im oberschlesischen Industriegebiet und seitlich wachsen gleich Aesten an dem Haupistamm einzelne Stich­

bahnen, die jedoch ihre zukünftigen. Vereinigungen zu neuen Seifenabfuhrlinien erkennen lassen. So wird bis 1867 die schlesische Gebirgsbahn von Görliß über Hirschberg nach Waldenburg als Staatsbahn fertig und damit im Anschluß an die Breslau—Freiburger Eisenbahn das Riesengebirge mit seinen Vorbergen dem Fremdenverkehr erschlossen und der niederschlesischen Kohle eine Absaßmöglichkeit nach West und Nordwest gegeben. Die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn war bereits 1852 in das preußische Staatseigen­

tum übergegangen unter Einseßung der „Königlichen Direk­

tion der Niedcrschlesisch-Märkischen Eisenbahn zu Berlin“ , während 1857 der Staat den weiteren Ausbau sowie die Verwaltung und den Betrieb des gesamten oberschlesischen Eisenbahn-Unternehmens für Rechnung der Gesellschaft übernimmt und zu diesem Zweck die „Königliche Direktion der Oberschlesischen Eisenbahn zu Breslau“ einseßt.

Eine zweite Abfuhrlinie für das oberschlesische Kohlen­

becken entsteht 1868 mit der Fertigstellung der Strecke Tarnowiß —Kreuzburg —Oels —Breslau durch die Rechte Oder-Ufer-Eisenbahn-Gesellschaft.

Durch den Bahnbau Königszelt—Schweidniß im Jahre 1844 ist der Anfang gemacht für die dritte Abfuhrünie des oberschlesischen Kohlenbeckens Kandrzin—Neiße—Schweid­

niß—Liegniß—Glogau, die im Jahre 1876 vollendet wurde.

Bessere Verbindungen mit der Provinz Posen über Kro- toschin und Ostrowo, der Anschluß der Grafschaft Glaß durch die Strecke Breslau—Camenz—Mittelwalde, die Abkürzungs- linie Arnsdorf (bei Liegniß)—Sagan—Gassen und die E r­

bauung der Teilstrecke O els—Wilhelmsbrück der Breslau - Warschauer Bahn mögen das Bild ergänzen, in dem sich das schlesische Eisenbahnneß im Jahre 1882 nach 40 Jahren seines Bestehens mit 2808,7 Kilometer Gesamtlänge dem in der Vergangenheit Suchenden zeigt.

Die Hälfte des heutigen Neßes ist erreicht. Während sich die deutschen Bahnen seit 1852 insgesamt um das 3,9fache vermehrten, haben sich die schlesischen Bahnen um das Dreifache vergrößert und umfassen im Jahre 1882 ein Zwölftel der deutschen Bahnen.

Die nädisten 40 Jahre können als das Zeitalter der Ent­

wickelung der Nebenbahnen und Kleinbahnen bezeichnet werden. Während 1881 noch 16,5mal soviel Hauptbahnen als Nebenbahnen vorhanden waren, beträgt das schlesische Hauptbahnneß im Jahre 1921 nur noch das l,5fache des Nebenbahnneßes und das l,06fache des Nebenbahn- und Kleinbahnneßes zusammen. So sind vom Jahre 1882 an die Hauptbahnen nur noch um 403 Kilometer, die Neben- und Kleinbahnen dagegen um 1652+847=2499 Kilometer ge­

wachsen. Das schlesische Eisenbahnneß ohne Kleinbahnen umfaßt Ende 1921 rund ein Zwölftel der deutschen Bahnen (mit Saarbahnen).

Die hauptsächlich als Meliorationsbahnen erbauien Nebenbahnen machen die Maschen des schlesischen Eisen­

bahnneßes vom Jahre 1882 an zusehends dichter. An wich­

tigeren Hauptbahnen aus dieser Zeit sind die Strecken Rosenberg—Tarnowiß (1884 eröffnet) und die Güierschlepp- bahn Oppeln—Karlsmarkt—Brockau (1909 eröffnet) zu nennen. Von fast nur eisenbahnbetrieblichem Interesse ist

Schlesien, Kultur und Arbeit einer deutschen Grenzmark 69

die Eröffnung der Breslauer Güterumgehungsbahn im Jahre 1896 und der Ausbau der Hauptbahn Breslau Hauptbahn- hof—Kleinmochbern—Mariahöfchcn in den Jahren 1907/08, wodurch die Bahnhöfe Mochbern und Breslau Märkisch dem Personenverkehr vollständig entzogen wurden.

Nachdem durch das preu&ische Kleinbahngeseb vom 28. Juli 1892 die Erbauung von Bahnen, die hauptsächlich dem öffentlichen Verkehr innerhalb eines Gemeindebezirks oder benachbarter Gemeindebezirke dienen sollen, geregelt wurde, werden in Schlesien vom Jahre 1894 an in kurzer Folge bis zum Jahre 1916 eine Menge solcher örtlicher Ver- kehrsbedürfnisse durch den Bau von Kleinbahnen befriedigt, für deren Anlage- und Betriebsverhältnisse größere V er­

einfachungen zugelassen sind. In diesen 23 Jahren entstehen rund 847 Kilometer Kleinbahnen oder im Jahresdurchschnitt 36,8 Kilometer.

Die gesunde Weiterentwicklung der schlesischen Bahnen vor dem Kriege hat einen jähen Abbruch erlitten durch den Weltkrieg und ist auch heute bei den schweren wirtschaft­

lichen Verhältnissen der Nachkriegszeit noch nicht wieder aufgelebt. Wenn auch heute der Kraftwagenverkehr in ungeahnter Aufwärtsentwicklung begriffen ist und durch ihn manch entlegener Ort rascher und billiger mit der groben Eiscnbahnverkehrsstra&c verbunden werden kann, so werden damit doch nicht alle Verkehrswünsche in Erfüllung gehen.

Hoffentlich werden mit der wirtschaftlichen Gesundung Deutschlands und insbesondere Schlesiens manch alte Ent­

würfe für neue Bahnen wieder hervorgeholt, um durch ihre Verwirklichung langgehegte Wünsche zu befriedigen. Es sei nur erinnert an die früher geplanten Bahnverbindungen in Niederschlesien von Jauer nach Goldberg, von Schweidnib über Költschen nach Heidersdorf mit Abzweigung nach Reichenbach und von Nikolausdorf nach Küpper im Kreise Lauban und in Oberschlesien an die geplante Bahnlinie von Nikulschüb nach Tarnowib.

Die Abtretung Ostoberschlesiens nach dem sogenannten Calonder-Abkommen vom 15. V. 1922 brachte den schlesi­

Die allgemeine Wirtschaftslage Schlesiens spiegelt sich wider in der Dichte des Eisenbahnnebes bezogen auf die Flächengröbe und die Bevölkerungszahl. Die schlesischen Verhältnisse entsprechen etwa dem Reichsdurchschnitt, wie die folgende Uebersicht zeigt: Ende 1922 gehören zur Deutschen Reichsbahn zusammen 4088,79 km schlesische Haupt- und Nebenbahnen, deren V er­

waltung und Betriebsführung sich auf folgende Reichsbahn­

direktionen verteilt:

Um nochmals einen zusammenfassenden Ueberblick der Entwicklung der wichtigsten Linien des schlesischen Eisen- bahnnebes zu geben, seien die folgenden Eröffnungsdaten genannt:

Oppeln—Myslowib (mit Anschlub an die Warschau—Wiener Bahn, an die Kaiser-

Morgenroth—Tarnowib, B rieg —Neibe (1870 er­

worben) ...

Kosel—Oderberg, Ratibor—Leobschiib, Nend- za—Nicolai—Idaweiche, Friedrichsgrube—

Mittel-Lazisk (Wilhelmsbahn, 1870 erworben) . Glogau—Hansdorf (bis 1873 „niederschlesische

Breslau—Kohlfurt—Frankfurt a. d. O .—Berlin . . 1844 Kohlfurt—Görlib ...1846 Abkürzung Hansdorf—Guben, Görlib—Lauban—

Hirsch'berg—Dittersbach—Waldenburg . . . 1875—1877 B reslau—Schweidnib—Freiburger Bahn:

(1883 vom Staate übernommen)

Strecken: eröffnet:

Breslau—Königszelt—Schweidnib und Freiburg . 1842—1844 Freiburg—Waldenburg . . . : ...1853 Schweidnib —Reichenbach —Frankenstein . . . 1855—1858 Königszelt—L i e g n i b ... 1856 Tarnosvib—Dziedib, Tichau—L a z i s k ... 1868—1870

Breslau—W arschauer Eisenbahn: (verstaatlicht 1884, Lissa—Ostrowo 1888 vom Staate erbaut).

Wenn diese Schilderungen einen Ueberblick der Ent­

wickelung des schlesischen Eisenbahnnebes gegeben haben, so wird man sich noch veranschaulichen müssen, wie der Güterverkehr als Lebensnerv der Eisenbahn sich entwickelte, dank dieses gröbten Verkehrsunternehmens, das nicht nur

flir die Kulturentwickelung der ganzen Provinz Schlesien von einschneidender Bedeutung war, sondern das auch den An­

stoß gab zu Oberschlesiens Blüte.

Der erste Eisenbahngüterverkehr Schlesiens wurde am 1. September 1842 auf der Strecke Breslau—Brieg eröffnet und hielt sich die erste Zeit noch in den bescheidensten Grenzen. In den 4 Monaten bis zum Schlüsse des Jahres 1842 betrug der Güterverkehr täglich nur etwa 17,5 Tonnen auf der 40 Kilometer langen Strecke oder 43,7 Kilogramm auf einen Kilometer. Umgerechnet entspricht dies einem Jahresverkehr von 15,9 Tonnen/Kilometer. Das winzige Aus­

maß dieses damaligen Güterverkehrs wird am treffendsten gekennzeichnet durch Vergleich mit dem Güterverkehr aller schlesischen Bahnen im Jahre 1913, der rund 14 500 Tonnen/Kilometer betrug. Und troßdem haben, wie wir lesen, die ersten Ergebnisse des Geschäftsbetriebes auf der aus­

gebauten Strecke Breslau—Brieg die gehegten Erwartungen um ein wenig überstiegen. Rasch ändert sich das Ausmaß des Güterverkehrs, nachdem das oberschlesische Industrie­

becken durch Fortseßung der Bahn bis Myslowiß im Jahre 1846 an den neuen Verkehrsweg angeschlossen ist; und fast unerreicht steht in Deutschland die mit jenem Zeitpunkte beginnende Entfaltung des Güterlebens der Oberschlesischen Bahn da. Schon 1846 werden 370 Tonnen Güter auf 1 K ilo­

meter der 195 Kilometer langen oberschlesischen Bahn be­

wegt, 1856 sind es bei 215 Kilometer Bahnlänge schon 4197 Tonnen/Kilometer und im Jahre 1865 bei 265 Kilometer Länge der oberschlesischen Bahn sogar schon 8635 Tonnen auf 1 Kilometer Bahnlänge bezogen.

Die nachstehende Uebersicht Nr. 1 zeigt die rasche Weiterentwickelung des gesamten schlesischen Eisenbahn­

güterverkehrs bis in die neueste Zeit mit der höchsten Blüte rund die Hälfte des ganzen Eisenbahn-Güterverkehrs auf den Sfeinkohlenverkehr ohne Einschluß von Koks und Briketts.

Deshalb rechtfertigt es sich, die Entwickelung dieses wich­

tigsten Eisenbahnfrachtgutes im Laufe der Jahre zu verfolgen und insbesondere mit den geförderten Steinkohlenmengen zu vergleichen.

Vor Aufschluß des oberschlesischen Kohlenbeckens durch die Eisenbahn war eine nennenswerte Kohlenausfuhr aus Oberschlesien unmöglich. Der einzige für größere Menge in Betracht kommende Verkehrsweg, die Oder, war nicht aus­

gebaut, so daß die ungünstigen Wasserstände einen beacht­

lichen Verkehr nicht aufkommen ließen; so konnte es geschehen, daß ein Breslauer Handelshaus eine im November 1834 in Gleiwiß aufgegebene Kahnladung Kohle, die auf dem Klodniß-Kanal nach Kosel und von hier Oder abwärts fahren sollte, erst im Herbst des Jahres 1836 in Breslau in Empfang nehmen konnte. Solche Fälle zählten nicht zu den seltenen.

Der Schienenweg schaffte Wandel in diesen für Handel und Industrie unerträglichen Zuständen. Die Kohlenförde­

rung stieg jeßt rasch und Oberschlesien ging einer ungeahn­

ten Blüte entgegen. Während in den oberschlesischen ge­

werkschaftlichen Gruben im Jahre 1820 nur 147 000 Tonnen und im Jahre 1842 nur 546 800 Tonnen Steinkohlen gefördert wurden, stellte sich die oberschlesische Steinkohlenförde­

rung im Jahre

Auf dem Schienenweg der Obersehlesischen Eisenbahn rollten im Jahre

1847 . . . . 14 105 Tonnen Steinkohle 1848 . . . . 26015

1849 . . . .4 8 964

Dies waren noch recht bescheidene Anfänge. Dagegen flössen der Eisenbahn im Jahre 1865 schon 1 488 423 Tonnen oberschlesische Steinkohlen zu, das sind rund 36 v. H. der Kohlenförderung. 1849 rollte die erste oberschlesische Kohle nach Berlin und nahm den Wettbewerb mit der englischen Kohle auf. Nach 20 Jahren hat sich die Kohlenfördermenge Oberschiesiens vom Jahre 1865 verdreifacht, nach weiteren 20 Jahren fast versiebenfacht und im Jahre 1913 wurde rund die zehnfache Menge des Jahres 1865 gefördert. Dies war nur möglich durch den gleichzeitigen Ausbau eines eng­

maschigen Schmalspurbahnneßes von 0,785 Meter Spur, das folgende Ausdehnung hatte:

Nach der Abtretung Ostoberschlesiens sind nur noch 63,53 Kilometer Schmalspurbahnen deutsch geblieben.

Die Beteiligung der Eisenbahn an der Abbeförderung der schlesischen Steinkohlen wird am besten durch nachstehende Uebersicht 2 erläutert.

1883 11,8 3,06 14,86 7,75 2,12 9,87 66,4

1885 12,84 2,94 15,78 8,14 2,11 10,26 64,9

1890 16,87 3,21 20,08 11,81 2,24 14,05 69,9

1891 17,73 3,39 21,12 12,51 2,51 15,02 71,1

1895 18,06 3,88 21,94 12,72 2,88 15,60 71,1

1900 25,00 4,77 29,77 17,42 3,12 20,54 68,6

1905 27,01 5,31 32,32 18,76 3,41 32,17 68,6

1910 34,50 5,53 40,03 24,65 3,09 27,74 69,3

1911 36,65 5,65 42,30 25,80 3,10 28,90 68,3

1912 41,54 5,90 47,44 30,63 3,16 33,79 71,2

1913 43,80 5,53 49,33 32,01 3,37 35,38 71,7

1914 37,00 4,85 41,85 24,15 2,92 27,07 64,6

1915 38,11 4,46 42,57 28,11 2,70 30,81 72,3

1916 41,72 4,59 46,31 28,98 2,67 31,65 68,3

1917 42,75 4,61 47,36 30,91 2,09 33,00 69,6

1918 39,65 4,66 44,31 29,34 2,70 32,04 72,3

1919 25,70 4,09 29,79 14,21 2,05 16,26 54,5

1920 31,75 4,25 36,00 20,57 2,31 22,88 63,6

1921 29,64 4.67 34,31 18,73 2,71 21,44 62,4

1922 8,84' 5,49 14,33 15,63 3,54 19,17 133,7

1923 8,74* 5,33 14,07 10,79 3,35 14,14 100,5

1924 10,90' 5,59 16,49 19,80 4,82 24,63 149,4

1925 14,27* 5,56 19,83 — — — —

*1 N u r D e u ls c h - O b c r s c h le s ie n .

Wenn hiermit ein kurzer Ueberblick der Entwickelung der schlesischen Eisenbahnlinien und ihres Güterverkehrs ge­

geben wurde, so wird er sicher den Eindruck hinterlassen, daß

Schlesien, Kultur und Arbeit einer deutschen Grenzmark 71

Schlesien beim Ausbau seines Eisenbahnneßes keineswegs stiefmütterlich behandelt wurde. Die ersten Anfänge der schlesischen Bahnen führen uns zurück in die Tage der ersten deutschen Eisenbahnen. Damals haben es tatkräftige, ziel- bewußte schlesische Männer fertig gebracht, in zehn Jahren ein Linienneß dreimal rascher als die durchschnittliche Linien­

vermehrung der deutschen Eisenbahnen anwachsen zu lassen.

Wenn dieser Geschwindigkeitsvorsprung beim Bau weiterer Bahnen auch nicht beibehalten wurde, so übertrifft die Dichte der schlesischen Eisenbahnen im Jahre 1921 nicht unwesentlich die Durchschnittsdichte aller Eisenbahnen Deutschlands; nach der Abtretung Ostoberschlesiens entsprechen die schlesi­

schen Verhältnisse etwa dem Reichsdurchschnitt.

Auf diesem Verkehrsneß entwickelte sich bis 1913 ein Güterverkehr von hoher Blüte. Wenn dieser Verkehr durch Krieg, Nachkriegszeit und insbesondere durch die Abtrennung Ostoberschlesiens stark beeinträchtigt wurde, so ist er doch auch heute noch von ausschlaggebender Bedeutung für das finanzielle Ergebnis der deutschen Reichsbahn. Die schlesi­

schen Bahnen bringen der Deutschen Reichsbahn nennens­

werte Ueberschüsse, deren sie dringend bedarf, um die durch das SachversiändigentDawesl-Gutachten übernommenen V er­

pflichtungen erfüllen zu können. Mit berechtigter Hoffnung kann auch von der Zukunft erwarte! werden, daß dieses günstige Verhältnis der schlesischen Eisenbahn zu den Bahnen des ganzen Deutschen Reiches bestehen bleiben wird.

Die Straßenbahn