J S fl 44:* Jahrgang 1 1833«
M u s e ii m,
B l ä t t e r f ü r b i l d e n d e K u n st,
B e r l i n ,
den 4.„ November.
Redacteur D r. F . Kugler. Verleger George Gropius.
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barm herzigen S chw estcrn in K oblenz, berücksichti
g e n , und S ch ad o w nahm für einen angem essenen P re is die B estellung zur A usführung einer Skizze des je tz t vollendeten Gemäldes an. E ine Reise nach Italien h ie lt den Beginn des W e rk e s auf, und nach seiner R ü c k k e h r w u rd e er von einer A ugenkrank
h e it befallen, w elch e ihm v o r der H and die A rbeit unm öglich m achte. M illon kon n te erblindet dichten, aber für den bildenden K ünstler mag es w o h l k einen grössern S chm erz geben, als den V erlust des Auges.
In dieser K ra n k h eit also gelobte S ch ad o w , nach seiner H erstellung zu e rst vor Allem ändern diese from m e Aufgabe zu vollenden, und zw a r je tz t nich t m e h r au f jene frühere B estellung, sondern als eia freies G eschenk seiner D ankbarkeit.
Zum grossen G lücke h a t e r W o r t halten k ö n n en und unsre K unst, die in m a n c h e r' Beziehung die
alten Zeiten zurückfuhrt, kann nun auch ein Votiv-
Ausstellung in Düsseldorf
I m J u l i u n d A u g u s t 1 8 3 3.
U n s r e Ausstellung w a r bei ih re r Eröffnung ziem lich m a g e r, u nbedeutender als je , allmählig w u rd e sie re ic h e r und m achte zuletzt vielleicht allen, die w ir b ish e r h ie r gehabt h atten , den R ang streitig.
U n ter den später hinzugekom m enen W e rk e n w a r auch ein grosses Bild unsres M eisters, S c h a - d o w ’s H i m m e l s k ö n i g i n . S chon durch seine E n t
stehung ist es interessant. D e r hiesige K ünst-V erein, d er bekanntlich einen T heil d er eingehenden Sum m en dazu v e rw e n d e t, K u n stw erk e für öffentliche Z w ec k e und also auch zu r A usstattung d er K irchen hervorzurufen, w o llte bald nach seiner G ründung ein ehrw ürdiges In stitu t dieser G egend, das H ospital d er
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gcm älde aufzeigen. D ie D arstellung ist sehr einfach;
cs ist die heilige Jungfrau als H im m elskönigin, auf W o lk e n steh en d , im ro th en G ew ände und blauem M antel, die K rone auf dem H au p te, das Z ep ter in d er R e ch ten , das w cltgcbietende K ind auf dem lin
k en A rm e. L ic h t u m strahlet sie, w ährend unterhalb am R ande des Bildes die Berge und T hürm e der S ta d t K oblenz v o r uns liegen, b esch a ttet von den W 'olken, auf denen sic steht. D as H aupt der Jung
frau ist sanft zu dem K inde hingeneigt, das Auge^
niedergeschlagen; ih re F inger b erühren das Z ep ter n u r leise, w ie m it jungfräulichem Zagen v o r dem Z eichen d er M acht, m it der sie b ekleidet is t; die D em uth d er Magd ist in d er H errlich k eit der K öni
gin geblieben. D as K ind ist dagegen das völlig freie, überm enschliche, m it ernsterem Blicke und m it edlem Form en, als die N alu r seinem A lte r zu geben pflegt.
E s h a t die H and lehrend und segnend aufgehoben, und schauet fest vor sich hin. D e r E in d ru ck des ganzen Bildes ist zunächst der einer im posanten E r
scheinung. D ie kolossale G estalt, die P ra c h t der F ar
ben des Gemäldes, die leuchtende G lorie, w elche sie um giebt, m achen eine einfache, m ächtige W irk u n g au f den B eschauer, und eignen das W?erk vorzugs
w eise zu einem A ltargem älde. Im Iio clialtare eines D om es, von m ächtigen architektonischen Form en um geben, in w e ite r P ersp ek tiv e erscheinend, über den C ärim onien d er Messe w ünschte ich cs zu sehn, un d cs ist v ielleicht zu bedauern, dass es n u r für den Raum einer m ässigen, w en n auch n ic h t u n w ü r
digen Kapelle bestim m t ist. Es b edarf n ich t erst der B em erkung, dass die Ausführung der einzelnen T heilc, die V erhältnisse und F arben vortrefflich sind;
der N am e des M eisters m acht es überflüssig, dies erst zu sagen.
U eber den A usdruck des Kopfes der Jungfrau sich auszusprechcn, ist sc h w ie rig , w eil er sich an k ein gew ohntes Ideal anschliesst. Man kann die M ädonnengestalten nach zw ei R ichtungen sondern, jcnachdcm die göttliche H oheit und W ürde oder die w eibliche Milde und L ieblichkeit vorherrscht.
Zu jen er Klasse sind schon die byzauliniscliQu B ilder als äusserstes E xtrem des leblosen E rnstes zu rec h nen, und Raphaels sixtinische Madonna mag h ie r das H öchste gelöst haben. D ie andre Auffassung dage
gen fü h rte natürlich zu m eh r häuslichen Scenen, w o m enschliche L iebensw ürdigkeit sich in m ensch
lichen V erhältnissen üussern konnte, und hier finden
w ir das A cusserstc bei den N iederländern vo n der frü h e m Zeit, w o m an n u r die bescheidene, liebevolle züchtige W e ib lich k e it d arste llte, bis zu R ubens, b ei dem sic als g eistreic h e, aber m eh r oder w eniger sinnliche M utterliebe erschien. Z w ischen beiden hält S ch ad o w ’s Auflassung die M itte; die S trenge ist ge
m ildert durch die Z ierlichkeit, der w eich e A usdruck durch die etw as scharfe R einheit der Züge. E s ist m eh r die jungfräuliche, schöne Königin des Himmels als die M utter. W 'enn ich vergleichen darf, so schei
nen die F orm en sich am M eisten denen zu nähern, w elch e L eonardo da Vinci seinen Jungfrauen giebt, doch fehlt ein gew isser sentim entaler A usdruck des Auges, w elc h er diesem eigen w ar, d er aber h ie r bei der E rscheinung d er G estalt in aller G lorie des Himmels seine W irk u n g verfehlt haben w ü rd e. In den m eisten altern Bildern ist die M utter bedeuten
d er als das K in d , und v ielleicht m acht n u r die six
tinische Madonna eine A usnahm e, indem beide glei
chen E rn st und gleiche W ü rd e haben. H ier ist das K ind deutlich das H ö h ere; die M utter ist n u r die T rä g erin , ih r königlicher Schm uck di^ n t m eh r zur V erherrlichung des K indes auf ihr$n A rm en , als zu ih re r eigenen; ihre Züge sind daher schön, wrie es solcher E rscheinung ju k o m m t, aber ih r eigentlich geistiger A usdruck ist n u r B escheidenheit, w ährend das K ind w irk lich göttliche und königliche hat. Seine Züge k ö n n en , dem M otive n a c h , an das K ind der sixl m ischcn Madonna e rin n e rn , doch sind sie vielfältig davon abw eichend und überhaupt au
genscheinlich das W e rk eigner tie fer Empfindung.
D ies v eränderte V erhältniss d er M utter zum Kinde ist w o h l etw as C harakteristisches für unsre Z e itj so sehr die katholische K irche dieselbe zu sein glaubt, ist doch die P eriode der U nbefangenheit vorüber, w elc h er die M adonnenbilder ihren Ursprung verdanken. Im häuslichen Zim m er als blosse . E rin
nerung tra d irte r G efühle, oder allenfalls über dem B etstühle der F rauen lässt man sich noch eine Auf7 fassung in jenem S inne gefallen. A ber an der S tätte der F röm m igkeit selbst, iu der K irche, verlangt auch der K atholik eine grössere S cheidung der göttlichen G estalten von m enschlichen Gefühlen und V erbin
dungen. Im W orte, und in Beziehung auf frühere W e rk e bekennt m an sich noch völlig zum Alten^
aber selbst erschallen mag m an n u r so, w ie man ina , tiefsten Innern em pfindet, w enn m an sich dies G eluhl auch n ic h t eingestehen w ill. D e r W e g zu? religiösen
v
K u n st Ist gew iss n ic h t die nüchterne, rationalistische Auffassung des bloss H istorischen in den heiligen U eberliefelii'ftgen, aber auch gew iss n ic h t die k a th o lische des M ittelalters, die sich
o h n eh inje tz t im m er n u r p ro testirend gegen den Protestantism us äussert.
E r liegt zw ischen beiden. O hne Zw eifel ist er sehr sc h w e r zu finden, aber vielleicht deutet das verän d e rte V erliältniss der M utter
unddes K indes, w ie w ir es in diesem Bilde sehn, die R ichtung an.
Von den ändern D arstellungen heiliger Gegen
stände -verdient den ersten Rang nach meinem G e
fühle ein kleines Bild von einem der ältesten S chü
le r S chadow ’s, der je tz t auch h ie rh e r zurü ck g ek eh rt ist, eine heilige Fam ilie von J u l i u s H ü b n e r . W e r irgend S inn für die innere H arm onie eines G anzen h a tte , den zog gew iss dieses kleine Bild m it seinen herrlich en F arben und seinen milden V erhältnissen ungem ein an. M aria sitzt auf einem thro n artig en S essel, v o r ih r das Je su sk in d , daneben der kleine -Johannes; h in te n Joseph und E lisabeth. Sie selbst is t in blauem M antel und rothem K leide, m it einem dichten w eissen S ch leier um das H au p t, h in te r ih r eine D ecke von dam astartigem , grünem Stoffe; in d er Kleidung der beiden A lten herrschen bräunliche T öne vor. Von vorzüglicher S chönheit sind die K öpfe dieser beiden letzten , besonders d er Elisabeth.
W e n ig e r befriedigt das Je su sk in d , bei dem sich der K ünstler vielleicht an irgend ein V orbild gehalten, das m it seinem etw as sta rk e n K opfe, m it den dün
n e n , blonden L o ck e n , dem entblösstcn V orhaupte lind dem Stum pfnäschen im L eben re c h t naiv und lieb sein m ag, aber doch für das K u n stw erk zu Vrenig F orm hat. Einige fanden, dass das Bild den C h a ra k te r des Heiligen n ic h t genug ausspreche, und
■wiesen dabei besonders au f die Jungfrau h in , die allerdings zw a r w o hlw ollende frische Z üge, aber n ic h t gerade ausgezeichnete S chönheit oder unge
w öhnlichen A usdruck h atte. A llein eine heilige F a
m ilie ist auch keine Aufgabe für ein A ltarbild; n ich t d e r C h arak ter g ö ttlicher M ajestät, sondern m ehr die h eitere, freundliche R uhe heiliger G estalten ist darin zu suchen. U nd auch h ie r muss m an verschiedene Auffassungen gelten lassen. D ie M alerei ste h t an sich zw ischen einer dram atischen und einer m usika
lischen Auffassung in der M itte; w ir (besonders der k ritisch e T heil des Publikum s) sind n u r allzugeneigt, stets an das D ram atische zu den k en ; dies kleine Bild aber löst se in e . Aufgabe mehr von der m usika
lischen S e ite ; w eniger durch die C harakteristik der einzelnen G estalten, als durch die H arm onie des Ganzen. Es duldet daher auch n ic h t eine K ritik, die sich n u r an Einzelnes h ä lt, sondern es ist w ie ein E delstein, d e r, obgleich von allen S eiten treff
lich geschliffen, dennoch n u r im G anzen, durch sei
nen innern Glanz auf uns w irk t.
E ine ganz andere Fröm m igkeit sprach aus einem kleinen Bilde von S e t t c g e s t in F ra n k fu rt am Main.
A uf Goldgründe sieht m an das hölzerne K reu z, aber ohne den G ekreuzigten. V or dem selben schw ebt die Ju n g frau , u n te r ih r am Fu’sse des Kreuzes eine L ilie; auf den K reuzesarm en und unterhalb m ehrere Engel. D ie A usführung ist in einigen Engelsköpfen m it sichtlicher N achahm ung des M ittelalters; aber d er K opf der Jungfrau un d einiger Engel ist sehr zart und das Ganze fleissig, m it G eschm ack und (so
w e it cs bei der w u n derlichen A nordnung m öglich is t) m it Gefühl ausgeführt.
(F o rtsetzu n g folgt.)
S T I F T U N G S F E S T
des Berlinischen (älteren) Künstler-Vereins
a m 1 8 t c n O c t o b e r 1 8 3 3.
( B e s c h l u s s . )
W ie G öthc nach allen R ichtungen h in so Vieles g e w irk t h a t, den Sinn fiir K unst und K unstgenuss m ehr und m ehr stets durch das L eben zu verbreiten, so stam m t auch vornehm lich von ihm — dessen E h ren -G ed äch tn iss eben durch ein lebendes Bild ge
feie rt w orden ist — die Einführung dieser A rt der m im isch-plastischen Bildungen, von denen er im zw e ite n Bande d er W ahlverw andschaften an v e r
schiedenen Stellen spricht. U nter A nderm w ird da
selbst angem erkt, dass dergleichen G em älde-D arstel
lungen durch runde Figuren w ahrscheinlich von dem sogenannten P räsepe ausgegangen, also von d er from m en V orstellung, die m an sonst in der heiligen W eihnachtszeit der göttlichen M utter uud dem Kinde w id m e te , w ie sie, in ih re r scheinbaren N iedrigkeit, erst von H irten und bald darauf von K önigen ver
e h rt w erden. Als edle, gesellige U nterhaltung sind dergleichen lebende Gemälde do rt besonders em pfoh
le n , deren W irk u n g en zugleich sehr hoch geschätzt
w e rd e n ; cs lieisst daselbst unter Anderem: „e in e
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solclic Bildung, w en n sie auch m anche m ühsam e An
ordnung erfo rd e rt, bringt dagegen auch ein^n un
glaublichen R eiz h e rv o r.“ S eitdem G öthe dieses ausgesprochen, haben sich bereits m ehrere andere S chriftsteller *) ausführlich vernehm en lassen über die artistische A nordnung solcher lebenden Bilder.
D ie auf dem h ie r besprochenen K ünstlerfeste gege
benen D arstellnngen dieser A rt sind in so fern noch b cm erkensw crth, als es nicht, w ie gew öhnlich, N ach
bildungen vorh an d en er Gem älde, sondern cigcnthüm - lich erfundene G ebilde sin d , u n te r denen das nun
m e h r folgende, d urch O riginalität wie- durch Effekt, vorzüglich angesprochen hat.
D r i t t e s B i l d ,
D arstellung d er drei S äulen-O rdnungen.
In dem V ordergründe dieses Bildes sah m an drei schöne w eibliche F ig u re n , das d o risch e , ioni
sche und k o rinthische K apital auf dem H au p te , als K aryatiden ein archilravirlcs G ebälk tragen, w elches, zugleich von dreien d ahinter stehenden P feilern un- te rs lü tz t, m it den G reifen, dem S ch w an e und der L eier als den A ttrib u ten des G ottes aller K ünste h ö ch st zierlich bek rö n t w ar. In dieser7 F orm bildete das Ganze gleichsam eine der B aukunst gew eihete H alle, die zugleich herrlich erglänzte iu reich er V er
goldung und h eiterer F arbenpracht. N euere U nter
suchungen haben bekanntlich dargethan, dass die griechischen B a u w erk e, selbst w enn sie aus dem kostbarsten M armor gefertigt gew esen, doch zum irrossen T heilc bem alt w o rd e n sind**): selbst am P a rth en o n linden, vieler anderer Tem pel h ie r nich t zu gedenken, sich S puren von farbigem A nstrich.
Mag auch d er heutige K unstgeschm ack über diesen G ebrauch anders entscheiden, so ist doch n ic h t zu läugnen, dass noch je tz t die bunten M auern und Säulen zu Pom peji in guter H arm onie stehen m it der lebendigen, farbenreichen N atu r jenes m ilderen H im m elsstriches, w ie denn n ic h t m inder die eben
*) Die Angabe derselben ist zu finden in C. Seidel s
„Cliarinoinos.“ Th, I, S. 229.
**)