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Hefte für Büchereiwesen. Der Volksbibliothekar und die Bücherhalle, 10. Band, H. 5.

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Hefte fiir Büchereiwesen

Mitteilungen

derDeutschenZentralstellefiir volkstümlichesBüchereiwesen

Geleitet von Walter Hofmann

österreichischer Bundesverlag, Wien

10.Band Hefts

Robert von Erdberg

zum sechzigstenGeburtstag.

Vorbemertung Am ci.Juni dieses Jahres feierteDr.Robert von Erdherg,derReferentfürdasVoltshochschul-undVolksbiichereiwesenim preußischenMinisterium für Kunst,WissenschaftundVolksbildung,derVor- sihendedesVorstandesderDeutschenZentralstelle für volkstümlichesBücherei- wesen,unter weitesterAnteilnahmederdeutschen volkspädagogischenWelt seinen sechzigstenGeburtstag.EineDarstellungdesWerdegangsDr. v.Erdbergs undeineausführlicheWürdigung seiner Verdiensteum diedeutscheVolks- bildungs-undVolksbiichereisacheheutezugeben, erscheintunsnicht angebracht beieinemManne, dernochinvollerSpannkraftmittenimvolkspädagoglschen LebenunsererZelt steht, dessen »Geschichte«also nochinkeinerWeiseab- geschlossenist.WirbringenimnachstehendenaberdasVorwort einerFest- schrift,dieanläßlichdessechzigstenGeburtstagesvonErddergsimLaufe dieses Jahres nocherscheinenwird. Alledie,dieeinen tieferenEinblickindie EntwicklungderdeutschenVolksbildungsarbeitirnletztenMenschenalter haben, werdensichergerndemzustimmen,was hierderGeschäftsführerderZentral- stelle aufGrund einernahezu zwanzigsährigenZusammenarbeitrnitRobert vonErdbergschreibt. DieSchriftleitung.

Lieber Robert von Erdberg!

Aufderzweiten TagungdesHohenrodterBundes, als die Frage derHeimatbildungzurErörterung stand, erzähltenSie, wie Sie als jungerMenschvom Baltitum nach Deutschland kamen, getriebenvon derSehnsucht nachdemgroßenMutter- lande, nachdergeistigenHeimat der Deutschen,diedraußenin der Diasporalebten. UndSie erzähltenvon der tiefenEnt- täuschung,dieSie befiel,als Sie dieseswirklicheDeutschland kennen lernten. Dieses Deutschland einseitigster Hingabe an

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Wirtschaft, Technik, Industrie, der Verleugnungseiner großen geistigen Vergangenheit Und es vollzog sich, daßSie, derSie aus derFremdekamen, berufenwurden, deutscheMenschenim alten Mutterlande wieder zusich selbst zurückführenzuhelfen.

Währendin Deutschland selbst,unter dem heißenAtem der modernen Zibilisation, sichdasReichdesGeistesund derSeele, derKultur und der Bildung auflöste,war inderDiasporadie bildende und sormendeKraft deutscherKultur länger lebendig geblieben. AuchVon anderen, die aus dem Baltikum kamen, wissen wir, daß sie,anders als wir imReiche,das Maß für dieDingedesLebens sichbewahrt hattenunddadurchzuAnsatz- punktenneuer Lebensgestaltungim alten Lande werden konnten.

Und sowar es sicherkein Zufall, daß Sie, als Sie in die deutscheVolkswohlfahrtsarbeit eintraten, die Volksbildungs- arbeit als Ihr besonderesArbeitsgebieterwühlten.Eine Not- wendigkeitaber war es, daßSie an diesemPlatze sofortin tiefsten Widerspruch gerietenzudem,was damals als Volks- bildungsarbeitinDeutschlandbetrieben wurde. Notwendigwar dieserKonflikt,weil derGedanke,das Erlebnis echterBildung,

bon dem Sie ganz erfülltund geformtwaren, inDeutschland iafastganz Verloren gegangen war auf jedenFall, unter dem Einflußdes Manchester-und Maschinenzeitalters, gerade dort nicht mehr lebendigwar, wo am eifrigsten fürdieVer- breitung bon sogenannten Bildungsgüternim Volke gewirkt wurde. Hier lagIhreMission:von einem tief innerlicherlebten Bildungsgedankenaus, dernichtsNeues,sondernetwas Uraltes, den Deutschen einst tiefVertrautes war, dem Bestehenden entgegenzutreten und langsamin derfreien Volksbildungsarbeit einen Kreis von Menschenzusammeln,dieder Bildungsarbeit mit diesemalt-neuen Maßstabgegenübertraten.Nur wer selbst diesen Maßstabals tiefstesErlebnis insichtrug, konnte diese

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Aufgabe übernehmen,die den, der sie übernahm, fiir Jahr-.

zehntezu einer Wiistenwanderungberurteilte.

Mit Ihrer besonderen Mission hing zusammen, daßdie

»PraktischeTätigkeit«,obwohlbon Ihnen nichtgemieden,weit zurücktrathinter Ihrem theoretischenWirken. In senen Jahren, als Volksbildungsarbeit inDeutschlandnur Betrieb war, als die deutscheHffentlichkeihselbstdiegeistigsiihrenden Kreiseiwie nochimJahre 1908 diePropaganda färdieScherl-Bidliothek erwies), unter Volksbildungsarbeit nichtsanderes als maschinen- mäßigen Massenbetrieb berstandenund verstehenwollten insenenJahren war nahezualles praktischeWirken dazuber- urteilt, sofortindenMahlstromdiesesBetriebes hineingezogen zu werden. Unsicherzumachen,Gesinnungen umzubilden, geistige Grundlagenzu legen das war es, was not tat. Und dieseArbeit habenSie geleistetund damit allem,was später kaman praktischenArbeitsbersuchen bertiester Erwachsenenbildung, einen Diensterwiesen, dessenGrößediejungeGeneration, die heuteaufdemBoden derintensiben Volksbildungarbeitet, nur schwer ermessenkann.

Als Sie aber dieersten AnzeichenpraktischerArbeit imGeiste Ihres Bildungsgedankenszu erkennen glaubten, da waren geradeSie es, der sichzu dieserpraktischenArbeit bekannte undihr dadurcherstdieWirkungingrößereWeiten undzugleich auchEntfaltung in dieTiefe ermöglichte.Als Sie imJahre 1908 die Gedanken und Methodender neuen Büchereiarbeit, wie siedamals schüchterninderFreien öffentlichenBibliothek Dresden-Plauen bersuchtwurden, kennen lernten, habenSie sofortundentschiedendieseSache praktischerVolksbildungsarbeit zuderIhren gemacht.Undheutedärfen wir,die Männer und Frauen der neuen Bächereiarbeit,sagen: ohne diese Hilfe,die Sie, derTheoretiker, seit nunmehr fast zwanzig Jahren unserem

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praktischenWerke leisten ohne dieseHilfewäre die neue

deutscheBücherei nichtda. EineGeschichtedieserneuen Bücherei- bewegung würde das bis in die letztenEinzelheiten hinein erhärten. Nichtdenke ichdabei an dieHilfe,die Sie imletzten JahrfünftinIhrem amtlichenWirken dieserBüchereisachehaben angedeihen lassenkönnen.Diese Hilfewar verhältnismäßiggering und oftwaren Sie hier geradedurchdieVerpflichtungen Jhres Amtes verhindert,uns dieseHilfesozuleisten,wie es Ihren eigenen innerstenÜberzeugungenwohlentsprochenhätte.Das Entscheidendeist geschehenindemJahrzehnt von 1908 bis 1918, damals, als Sie das Volksbildungsarchiv,die Zeitschriftzur wissenschaftlichen Vertiefung der Volksbildungsbestrebungen, gründetenund als Sie es der neuen Büchereimit Weitsicht, Umsichtund vor allem auch gegenüberdemoft ungebärdigen jungen Wesen mitNachsichtermöglichten,hier ihreMethoden theoretischzuentwickeln und von dieser großartigenPlattform

aus zu der deutschenBildungsweltzusprechen.

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Heute istdieneue Büchereiein starkerBaum geworden, der geistigund organisatorischaus eigenerKraftlebt. Vieles von dem,was heuteimUmkreis derBüchereierarbeitet wird, kann zurVertiefungund Befruchtungder übrigenGebiete der Erwachsenenbildungdienen. Was sie,dieBücherei. einstvon einem Nichtbibliothekar empfangen hat, kann sie heutean die Weit dernichtbibliothekarischenVolksbildner zurückerstatten.

Hiervon möchtedievorliegende Schrift,die Jhnen, lieber Freund, gewidmetist,Zeugnisablegen. Die Probleme, die heute die volkstümlicheBücherei bedrängen,sind nichtmehr dieProbleme, denen unsergemeinsamesNachdenkenund unser gemeinsamerKampfin den ersten zwölfJahren unsererZu- sammenarbeit galten. Jene Probleme unseres gemeinsamen Anfangessind heutegelöstund dieLösungensind,Sie dürfen

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es sichmit berechtigterGenugtuung sagen, Gemeingut nahezu dergesamtenbolksbibliothekarischenWelt Deutschlands geworden, jasogardasBächereiwesendes Anstandes findet heuteindiesen LösungenentscheidendeHilfe.Wenn aberheutedievolkstümliche Büchereiin eine neue Phase ihrerEntwicklung getreten istund wenn sienun um ihreeigentliche geistige Substanzringt und

um die Fragen, welche Beziehungen zwischen dieser Substanz und den einzelnen LebenskreisenunseresVolkes bestehen, so rücktsieganz nahe an die Volkshochfchule heran, die kein

»Ausleihproblem«,kaum auchdas ,,Kitschproblem«in ihrer Arbeit kennt,die aber mit derFrage nach ihrem»Lehrgut«und nachdenBeziehungen dieses LehrguteszuLebenskreisen unseres Volkes stehtünd fällt.Und hiereben istder Punkt, wo die geistigenFundierungsarbeitenderbolkstümlichenBüchereizu einer Hilfe fiirdas gesamte großeGebiet derdeutschenErwachsenen- bildung werden können. Damit sageich geradeIhnen nichts Neues. Sie haben das Ringen derBächerei auchin diesem

neuen Problemkreiswiederum bon Anfangan mit innerer An-

teilnahmeund äußerer Förderung begleitet Und habenbor anderen dahin gewirkt, daß geradebor diesen Aufgabenvolks- tiimliche Büchereiund VolkshochschuleHsichfanden.Möchten Sie in den Arbeiten der Bücherei,diehierentstehen,erneut eine RechtfertigungderTreue finden,die Sie weit iiber ein halbesMenschenalterhinausderneuen Bächerei bewahrt haben.

Ihr

Walter Hofmann.

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190 Berufstunde

Berusskunde

Die Frauund dievolkstümlicheBücherei

Vorbemertung: DienachfolgendenAusführungen hatDr.Hallbaueh der Leiter derFreien öffentlichenLandesbüchereiinGeraundderThüringischenLandesberatungs- stelle fürdasVolksbüchereiwesen,zuerstinden«Voltshochschulbiättern,herausgegeben vonderVoltshochschule Thüringen«,7.Iahrgang,Nr.12,veröffentlicht. Verfasserund Schriftleitung habenuns diesen Aufsatz freundlichstzurVerfügung gestellt.DieTat- sachen, aufdieDr.Hailbauerhinweist, sind fürdasVerhaltenunddieMaßnahmen derBücherei ohne seden Zweifelvongroßer Bedeutung. Immermehr bricht sichdie Einsicht Bahn, daßdievolkstümlicheBüchereiesnichtmit»der« Leserschaftschlechthin zu tunhat, sondernmitbiologlschundsoziologischbedingten.Leserschaften«,fiirdie dann auchdieentsprechenden.BiichereieninderBücherei«aufgebautwerdenmüssen.

Im Zuge dieser Entwicklung istderbesondere Katalog fiirdeneinzelnen »Lebenstreis«

vonganzbesonderer Bedeutung,imvorliegenden Fallederbesondere Katalog fiirdie Frau,von dem Dr.Hallbauerwiederholt sprichtundvon demwirin einem dernächsten Hefte unsererZeitschriftweitere Abschnitte hoffen vorlegenzukönnen.

Die Schriftleitung

Alle größerenVolksbiichereien machendieErfahrung, daßdieFrauen nichtzu ihren eifrigsten Besuchern gehören.Wo scheinbar gegenteilige Beobachtungen gemachtwerden, haben wir es inderRegelmit einem veralteten Thp derVolksbiichereizu tun, mit einer Bücherei,die sich bedenklichder durchschnittlichen Leihbibiiothet annähertund deren Bücher- bestandinsofernganz einseitig zusammengesetzt ist,als diebelletristische Literatur, und zwar vorwiegendder seichte, oberflächlicheUnterhaltung-s-

roman beiweitem bevorzugt ist.Wenn solcheBächereienvon Frauenstart

benutzt werden, soscheintdiesallerdingsunsereVermutungzubestätigen, daßdie Frau nicht so leichtzur Beschäftigungmit dem ernsten und gediegenen Buch zu bringen istund daß diejenigen Büchereien,diealle wichtigenLebens- und Wissensgebiete gleichermaßenberücksichtigen,vor allem auchbei derAuswahlderRomanliteratur den strengeren Maßstab derLebenswahrheitundCchtheit anlegen,eben aufdieweibliche Leserschaft wenigeranziehendwirken.

Zuerstein kurzerBlick aufdie Statistik, um unsere Behauptung zu erhärten. In derLandesbüchereiGera entfielenimJahre1925nur 27Pro- zentaller ausgeliehenenBände aufFrauen. Nur dieGruppe derHaus- frauenundHaustöchteringehobener Lebensstellung erreichtdas normale Verhältnisvon etwa soProzent; dieFrauen aller anderen Lebenstreise

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DieFkauunddievolkstümlicheBache-ei 191 bleiben zumTeilweitdahinter zurück.AusdenKreisenderArbeiter, unteren Beamten und Angestelltenwurden im vergangenen Jahre 8502 Bände entliehen, davon entfielenaber nur 2548, das sind23Prozent,aufdie Frauen dieser Kreise.Nochweit ungünstigeristdas Verhältnisbeiden jugendlichenLeserinnenzwischen14 und18Jahren.SchülerundSchülerinnen entliehenzusammen3237 Bände,davon entfielennur 21Prozentausdie Schülerinnen.Und gar nur 13Prozentaller von proletarischenJugend- lichen gelesenenBücherentfallen ausdieMädchen.1Weiter zeigtuns die Statistik, daßdieFrauenundMädchenmit Vorliebe Nomane entleihen.

Währendin denGruppender erwachsenen männlichenLeser51Prozent allerEntleihungenaus wissenschaftlicheundbelehrendeWerke entfallen, sind es beiden Frauennur 33 Prozent. iArbeiterfrauenund Arbeiterinnen 29Prozent, bürgerlicheHausfrauenundHaustöchterohne Beruf30Pro- zent,erwerbstätigeFrauenaus bürgerlichenKreisen38Prozent,akademisch gebildete Frauen, Lehrerinnen, freie Berufe52Prozent.) Noch auffallendere Unterschiede findenwir auch hierbei den jugendlichen Lesern.Bei den männlichen jugendlichen Lesern entfallen55Prozent, beiden weiblichen nur 27Prozentaller ausgeliehenenBände aufdie belehrendeLiteratur.

Noch charakteristischerwürde derUnterschiedhervortreten,wenn man was an dieserStelle zuweit führenwürde dieStatistik dermeistgelesenen Bücherund Büchergruppen für unsere Behauptung als Beweismaterial heranziehenwürde.Das sinddienüchternenTatsachen.Wiesollenwiruns

1Die von Dr.Hailbauer mitgeteilten Zahlen erfahren durchdieCrhebungender StädtischenBücherhallenzuLeipzigeineinteressanteErgänzung.Wenn wirdieLeipziger ZahlendesJahres1920nebendieHailbauerschenZahlen inämlichdieProzentzahlen) stellen würden,würdesichin beidenAnstalten fast vollständigeÜbereinstimmunginderBeteiligung derweiblichenLeseranderBüchereibenutzungzeigen.AndersimJahre1924.Daentfielen auf dieFMUM insgeismksit-asProzent aller Beteiligungen überhaupt,aufdieArbeiterfrauen 33,2tProzentallerBeteiligungen durchdieArbeiterschaft, aufdieweiblichenJugendlichen 37,o4ProzentallerBeteiligungen durch Jugendliche.DabeisinddiemännlichenLeser nicht etwa zurückgegangen,sie sind sogarvon9712eingetragenenLesernauf Magdgestiegen.Aberdie BeteiligungderFrauen istimVerhältnis sehrvielstärker gestiegenalsdieBeteiligungder Männer. Woraufist dieseErscheinung zurückzuführen?Tben darauf,daßindenLeipziger Bücherhallendiebesondere volkspädagogischeProblematikdesLebenskreisesderFrauerkannt wurdeunddaßin denletzten fünfJahren diesem Lebenskreis eine ganzbesonders hingebungs- volleArbeitgewidmetworden ist.DieLeipziger Bücherhallenverfügen nichtnur über alle besonderen Hilfsmittel,dieaus derArbeit an demFrauenkatalog hervorgehen,sondern auchüber einenKreisvonBibliothekarinnen,diesichdenhiervorliegenden besonderenund besondersschwierigenAufgabenmitganzbesonderer Hingabe gewidmet haben. Dazukommt einplanmäßiges,zum Teilsehr erfreuliches Zusammenarbeitenmit denMädchenfortbildungs- schulen.AllesdasistabernurBestätigungderHallbauerschen Ausführungen,daß auf diesem steinigenBodenErfolgnur dannsichzeigen wird,wenn dieBüchereimitbesonderenMitteln derbesondereninneren undäußeren LagederFrau gerechtwird.

· DieSchriftleitung.

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I 92 Berufskunde

zu ihnen stellen? Haben wir das Recht, aufGrund dieserüberallbeob- achtetenund sichimmer wiederholendenErscheinungvon derBildungs- fähigkeitund BildungswilligkeitderFrau geringzudenken?

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Man könnte dasVerhaltenderFrauen auf äußereUmständezurückführen:

Zeitmangel,UberlastungderHausfrau,geringereSchulbildungundanderes.

Unsere Zeitwird allerdingsnicht miide, immer wieder zubetonen, wie starkund entscheidendder EinflußäußererFaktorenausdie Bildungs- möglichkeitund diebesondere geistig-seelischeEntwicklungssähigkeiteines Menschenist. Diese Betrachtungsweisekannleicht recht oberslächlichwerden.

Ich glaube, daßman denEinflußderäußeren Umstände meist überschätzt.

DerMenschbildet sich nach Gesetzen,die tiefzuinnerst ihm eingeboren sind.Alleäußeren HemmnisseundFörderungen,dieererfährt, sindber- hältnismäßig belanglos.Das Entscheidendeistimmer das innere Müssen und Können, das durchdie besondere geistig-seelischeArt eines jeden Menschenwieder besonders bestimmtund gerichtetist.Nur sokönnenwir eserklären, daßineinund demselben sozialenMilieu trotzgleicher äußerer Lebensbedingungen immerhin so gewaltige UnterschiedeimGrade dergeistigen Entfaltung, imErreicheneines bestimmten geistigenNiveaus beidenVer- schiedenenMenschendiesesLebenskreiseszubeobachten sind.Undwenn wir auchgewisseEinförmigkeitenundGleichmäßigkeitenindergeistigenStruktur dereinzelnen sozialen Lebenskreise konstatieren müssen,soistdieswohl eher alsFolge fortgesetzter biologischerAuslesedennalsMilieuwirkungzu erklären.

Das Entscheidende istdas innereMüssen. Dieserinnere Bildungsdrang brauchtdemeinzelnenMenschen nicht bewußtzuwerden. Erkannsichin einem unbewußtenStreben nachSelbstverwirkllchungundWesensblldung, das einfasttriebhastesEntfalten ist,ausdrücken.Aber immer muß gelstlges LebenundWeiterstrebendasein, sonstkann man nichtboneinemMenschen sagen, daßer sich »bilde".Nur derimmer neu sichBildende, derMensch, derdieinlhngelegten Kräfteselbsttätigund schöpferischentwickelt, ohne sich durch äußere Widerstände irremachenzulassen,istsder wahrhaft

»Gebildete«imhöchstenSinne. DieTriebkraft,dieElastizität diesesinneren Blldungswillensistnun bei deneinzelnen Menschenganz außerordentlich verschieden.Es gibt wohlnur wenigeMenschen,die diesen Drangzur Selbstentfaltung niemals als gebleterischeForderung erlebt haben. In KindheitundJugendhat ihn wohl jedereinmal verspürt. Dochbeiden meisten erlahmter, kommt nlezurvollenEntfaltungundVollendung.Wer ihnaber hatund behält,überwindet schließlichauch äußere Widerstände, findet sichzumelgensten Wesen hindurchund bildetsichauchinbescheidensten äußerenGrenzenundVerhältnissenzurvollen,insichgesestigtenPersönlichkeit

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DieFrauunddievolkstümlicheBücherei 193

Warum dieseVorbemerkungkWeil wir immer wieder klagen, daßzu unserenschönenBildungsveranstaltungennicht alle, oder wenigstens nicht nochviel mehr Menschenkommen. Wir solltenuns darüber nicht soviel SVVSSUmachen!Wer sich wirklichbilden will, wer sich nachedler,seinem WesengemäßerLebensanschauungundLebensführung sehnt,kommt ganz bestimmtzu uns indieVolkshochschule,kommtin dieVolksbücherei.kommt zumgutenBuch, selbstwenn sicheinmal alleZufälligkeitenund Wider- ständederUmwelt gegen ihn verschwören.1

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UnddanndarfeinZweites auch nicht Vergessenwerden: Eskommen nichtallebildungswilligenMenschengerade durchdasBuch,durchdie Be- schäftigungmitBüchernzurErkenntnis und zurBildung ihrer selbst.Viele tüchtigeMenschenbilden sicham Leben,an denAufgaben,die ihnender Arbeitstag,Beruf, öffentlichesLeben stellen.Sie brauchen nicht unbedingt dieWissenschaft,dieLehre,dieAnschauungvom Leben (wiesie Dichterund Denker imSchrifttum niederlegten),um zuihremeigenstenLeben zu kommen.

Wieder andere stehenim Leben festdurchdieKraft religiöserGewißheit und aus einem gläubigen Wissenheraus. Anderebilden sichan ihrer arbeitstüglichenHandarbeit undfesttäglichenGeselligkeit.Undsokönnteman nochvieleBildungseinflüsseund -mc’ichteanführen,die neben Buchund Literatur undohnederenVermittelung zu gebrauchen ebensostark undnoch stärker auf sehrvieleMenscheneinwirken. Wir dürfenniever- gessen, daßdasBuch dochnur ein Bildungsmittel istunter vielen und daß sicheines nicht füralleschickt.Wir allekennen sicherlichwertvolle undauchgebildete Menschen,diesehrwenigBücherinihremLebenge- lesen haben.

Undnun gardaswissenschaftlicheBucht Hier gilt jaalldas Gesagte erst rechtiDietypische HaltungdesWissenschaftlerszurWelt ist ja auch nur eine Grundhaltungunter vielen möglichen,undnur wenigeMenschen sind geborene WissenschaftlerundGelehrte.Man kannsehrviellernen und leistenimLeben, ohne seinen Beruf»wissenschaftlich"zutreiben. lind so wäreesvöllig verfehlt, jedem Besucher unsererBüchereieinwissenschaft- lichesBuchaufzudrängenundnochverfehlter,etwa dieLeser,die »nur«

Nomane lesen,von vornherein geringereinzuschiitzem

Welchen großenIrrweg gingdieVolksbücherei,als sie imÜber- schwang ihrer erstenEntfaltungnoch wenignachdenkendüberihreeigentliche

1So sehrwirunsmitDr.HallbauerinderBeurteilungdereigentlichen Kräfteder Bildungeinswissen, fo glaubenwirdochdiehemmendeWirkungder Umweltbesonders beiderFrau—- fürgrößer haltenzumüssen,alsDr.Hallbauerindenvoranstehenden

Ausführungen. « DieSchriftleitung.

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i94 Berufstunde

Bestimmungund ihre besonderen Bildungszieleund-methoden sichzu- nächstdiewissenschaftlicheBüchereizumVorbild nahmund durchlange Zeit hindurch, oft nochbiszumheutigen Tage, inihrerbelehrendenAb- teilungweiter nichtsals eine verkleinerte, verwässerte,wissenschaftliche Bibliothetwar, mitWissenschaftlernalsBibliothetaren,mitAusleihmethoden, die,sachlich-unpersönlichundunpshchologisch,dieeinfacheren Leser abschrecken mußten,mitBücherverzeichnissemdiedengroßen,wissenschaftlich-shstematisch gegliederten,demunvorgebildeten Leserüberhauptnicht zugänglichenKatalogen derGelehrtenbibliothetennachgebildetwaren. KeinWunder, daß sehrViele Besucher diesen Büchereienbaldwieder denRückenkehrten,oderdaß sie nur gehaltenwerden konnten, indem man ihnenausanderen Gebieten Konzessionen machte,z. B. durchAusnahme wertloser Unterhaltungsliteratur.

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Was hatdasallesabermit unseremThemazutun? Nunwir hatten bedauert, daßwir dieFrau so seltenindenöffentlichenBüchereien sehen undhatten gefragt,obdies wohldaran liege, daßdas echteundwertvolle Buchnur geringe Anziehungstraft auf sieausübe. NachallemVorhergesagten behaupten wir nun, daßdas nichtimwesentlichendaran liegt, daßdie Frau noch weniger Zeit hatals derMann, daß sie doppeltunddreifach mitArbeitüberlastetist, daß sie infolge meist geringererSchulbildung geistig enger und begrenzter dahinlebtundweniger gewohnt ist, sichimöffent- lichenLeben zu bewegen. All dies mag im Cinzelfalle fürdie geistige Entwicklungeiner FraueinegewisseRolle spielen. Nein,dieWesensunter- schiede zwischenMann und Frau, die ganz verschiedenen pshchologischen Voraussetzungen,diewir beibeiden antreffen dasistdasEntscheidende.

Die besondereGrundhaltung derFrau dem Lebengegenüber ist von Ausnahmen abgesehen eine thpischandere als beimManne, unddas muß sich selbstverständlichinderArt derderFrau eigentümlichenLebens- und Bildungsantriebe ausdrücken. Die Seele der Frauen ist kindlicher, jugendlichenin gewisserHinsicht primitiver, aber dafür auch beweglicher undunverbildeter. Die Frau bildet sichgern am Kontretem am Anschau- lichen,am Crlebten,nicht so sehram Abstrattenund Crdachten.DieWelt, dieMenschen, öffentliches Leben, Wissenschaftund Kunst interessieren sie ersteigentlich,wenn siezu ihren persönlichenLebenundTrieben inden ihreigenen Beruer der Gattin, Mutter, CrzieherimVerwalterin des HausesininnigsteBeziehungtreten. Ihr Trieben istviel stärkergesühls- mäßigbetont und wurzeltvielfesterindenseelischen Grundtrieben, die, über alle vernünftigen Erwägungenund Überlegungendominierend, dem Wahrhaft-Menschlichen,das beimManne sooft verschüttetoder erstarrt ist,

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DieFrauunddievolkstümlicheBücherei 1.95

Uähekiind.DieFrauhat aucheinWissen,aber einWissenanderer Art:

Sie weißund begreiftintuitiver als der Mann. Ihr Wissen istdem Natürlich-Lebendigenin seiner Totalität, aber auchdem Geheimnisvoll- Unerklärlichenverstehendnäher.

Die FrauenunsererZeitwerden sich ihres besonderenseelischenWesens bewußt-;siewerden mit immer stärkeremWillen ihreForderungenauch an dieöffentlichen Bildungseinrichtungen stellen.Gan Lombrosos Buch

»Die Seele desWeibes« isteinZeichendesErwachens. Esdeutet uns wie keinanderes Buchdie weibliche Seele, und wenn wir es gelesen haben, wissen wir, daßwir sienoch nichtkannten unddaßalleunsere Bildungsarbeitan denMädchenund Frauennochsehrweitvom rechten Wegentferntwar.

So können wir, wenn wir die Eigenart der Frau berücksichtigen- niemals erwarten, daß ihrdasBuchals SpiegelbilddesLebensso nahe kommt wie das Leben selbst.DieFrauwird alsoimmer inderBücherei in der Minderheit bleiben? Vielleichtkommt von anderer Seite herein Ausgleich.Wir sagten oben,dieSeele derFrauistkindlicher,sugendlicher, unverbildeter. Das bedeutet und daraus solgt: Ihre Seele wehrt sich stärkergegen diemechanisierenden, zermürbenden,entseelenden Tendenzen unserer Zeit.Die Frau ist noch aufnahmefähigerfürneue Eindrücke als derMann, derdurchdieSpezialisierung seiner Berufsarbeit geistig-seelisch sichimmer mehr verengtundinseiner Bildungsfähigkeitleichterverkümmert.

Ich glaube,wir können getrost sagen:Die Frau istimallgemeinenin unsererZeit bildungssähigerals der Mann. Und daswird uns auchin der Bücherei zugute kommen; wir werden die Erfahrungmachenund machen sa schontagtäglichdieErfahrung,daßdieFrauen, diewireinmal fürdenBüchereibesuchgewonnen haben,die Anregungenund Vorschläge des Bibliothekarssuchenundihnengern folgen.

In derVolkshochschule,wo jadieWirkungdesLehrers aufdieSchüler vielpersönlicher,unmittelbarer seinkannalsinderBüchereiidasgesprochene Wort wirkt aufden primitivenMenschenimmer eindringlicherals das gedruckte)beobachtenwirschonimmer eine weit größere Teilnahmeweiter Frauenkreise.So war inderVolkshochschuleLeipzigdieAnteilnahmeder Fraueninmanchen Semesternnur eine um achtbiszehnProzent geringere als die der Männer. Betrachten wir allerdingsdann dieVerteilungder Frauenaufdieeinzelnen Arbeitsgebiete, so ergibtsich, daßdas günstige Verhältnisausschließlichdurchdiebesonders starke TeilnahmederFrauen

an den Kursenüber Körperbildung, Musik, Dichtung,Erziehungsfragen undandere, das äußereoder das innere Leben derFrau stark berührende Gegenstände bedingt ist. Dasselbe berichtetdieVolkshochschuleJenain ihrem letztenViertelsahrsbericht.Eine ähnliche Beobachtung machtenwir

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