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Die Zukunft, 11. März, Bd. 26.

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Academic year: 2022

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Berlin, den U.März 1899.

ff- vls Aq-

Lex Goethe.

lso sprach,daimDeutschenReichstagüber ein demHerrnvonGoethe,

MExcellenz,inStraßburgzuerrichtendesDenkmal,über diewachsende Jrreligiosität,dieVerrohungderinFabrikbetriebenarbeitenden Jugend, denGlaubenandiebeseligendeKraftderKircheundähnlicheDinge geredet wurde,derAbgeordneteFreiherrvonDunkelmann-Banausen, Majorats- herr,RitterhoherOrdenundMitgliedderJerus Mem-Vereinigungzurchrist- lichenFörderungdesbedrängtenTürkenthumes:

»MeineHerren, ich habe mich nichtetwazum Wortgemeldet,um Ihnen weitschweifigdie Gründeauseinanderzusetzen,die meineParteiver- anlassen,gegen dengeforderten Reichszuschußzudemfür Straßburgge- plantenGoethe-Denkmalzustimmen,—ichdarf, glaubeich, sagen: geschlos- senzustimmen.DieseGründesindIhnen hinlänglichbekannt. Wenndie Straßburgerdemjungen Goetheein Denkmal setzenwollen,dannsollen sie selbstdasGelddazusammeln.DieFinanzlagedesReichesist nicht so, daß ernste Patrioten sichleichtenHerzensentschließenkönnten,für Luxus- zweckefünfzigtausendMarkzubewilligen,undich bin, offengestanden,er- stauntdarübergewesen,daßdieHerrenSozialdemokraten,diesonstimmer überVergeudungdesVolksvermögenszetern,indiesemFallbereit waren, derreichenelsässischenHauptstadtdasGeldzuschenken.Unddoch auch wiedernicht erstaunt; daraufkommeichnochzurück.Mansprichtvoneiner ,nationalenPflicht«.Run,meineHerren,unser verehrterKollegeDr.Schaed- lerhatinseinen lichtvollenAusführungenschondaran erinnert, daßder deutschnationalePatriotismus Goethesalsmindestens zweifelhaftbezeichnet

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werdenmuß;erhatfernermitRecht,und unterBerufung aufden verstorbenen ProfessorDuBois-Reymond,derjawohlaufderlinken Seite desHausesals eine Autoritätgilt, gesagt,überGoetheswissenschaftlicheBedeutung seiendie Ansichtensehrgetheilt.Sourtheilte alsoeinervondenliberalenGelehrten,die als dieTräger der,Aufklärung«und,Bildung«angesehenwerden.Damitwill ichnatürlichkeinen derhierimHausesitzendenliberalenProfessorentreffen.

WirAlle wissen-undich schätzemichglücklich,esaussprechenzudürfen-, daß dieseHerrennicht mehrdenAnsprucherheben,die Vertreter derrationalisti- schenBildungunddersogenanntengeistigenInteressendesVolkes zusein.Sie schwiegenja sogar,alsneulichhiervonberufenenKunstrichternüberdieHerren Wallot undStuck der Stabgebrochenwurde.Undsiegabenunseinnochschö- neresBeispiel ihrer Abkehrvoneinem veralteten ,Jdeal«.Jn Jhren Ohren klingtnochdieherzerquickendeRedenach,in deramFreitagderverehrteKollege ProfessorDr.PaaschediebeseligendeKraftderKirche pries· In dieser Rede nun, meineHerren,dieich ohne UebertreibungwohleinenMarkstein inunsererinnerenPolitiknennen darf,kamenzweiCitatevor.Erstens(Ste- nographischesProtokollSeite12830)erklärte der liberaleNationalökonom, dieSozialdemokratievertretedenGrundsatz: ,EigenthumistDiebstahl«.Kei- nerseinerZunftgenossenwidersprachoderberichtigteihn und erstvoneinem früherenDrechslermeiftererfuhren wir,dasWortstammevondemGiron- disten Brissot, seispätervon demkleinbürgerlichenAnarchistenProudhon übernommenundvondermarxistifchenSozialdemokratieniemalsalsrichtig anerkannt worden. Aber eskommtnochbesser.Aufder selbenSeite1283(A) findenSieeinenVers,den derKollegePaascheals einBeispielder,sozial- demokratischenSpott-undHohnlieder«anführte,mit denendieJugendvers- giftetwerde. DasCitatwar nichtganz genau; esmußteeigentlichlauten:

Ein FluchdemGotte,zudemwirgebeten InWinterskälte undHungersnöthenl Wir haben vergebens gehosftundgeharrt, Erhatuns gefopptundgeäsft und genarrt.

Aber eswar auchin derpaaschischenVersion deutlichzu erkennen.

Unddochhatesda drübenKeinererkanntundicherst habe Ihnen,alsRe- sultatmeinerThätigkeitingemeinnützigenVereinen,mitzutheilen, daßdieser angeblichsozialdemokratischeVers ausdemWeberliedstammt,das derjüdische DichterHeinrichHeine1847 erscheinenließ. Also,meineHerren,denAn- spruch,die Vertreter der,modernen Bildung«zusein,können diegeehrten Herrennicht mehr erhebenunderhebenihn auch thatsächlichnicht mehr.

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Lex Goethe. 411 DaserwähnteCitaterleichertmir denUebergangzu meinemeigent- lichenThema. Daß ich michbei demHerrnHeinenichterst lange aufhalte, werdenSie mirnichtverdenken;seinefrivoleVerruchtheitistallbekanntund ich überlasseihngernseinenStammesgenossen,diesichimSchmutz wohlfühlen mögen. Dagegen möchteicheinenAugenblickbei demberühmtenGoethe verweilen. Esistmir leider! bekannt, daßeindeutscherFürstinun- begreiflicherSchwächeihnin denAdelsstand erhobenundmitTiteln geschmückt hat,dievonRechtswegen demechtenPatriotismusund demwahren Verdienst umdieErhaltung unserer heiligstenGütervorbehaltenbleibensollten.Das aberdarf mich nicht hindern, dieser überschätztenPersönlichkeitinsAntlitz zuleuchtenunddieFrageauszuwerfen,ob derMann,der esdurchschlaue Streberkunstbis zumMinister brachte,fürDas,waswir inhellererZeit heuteunterdeutschnationaler Kulturverstehen,wirklichbeachtenswertheLeist- ungenaufzuweisen-hat.SollichSieandenGötzendiensterinnern,denermit demgekröntenRevolutionärNapoleon trieb,undansein ruchlosundeutsches Wort:,,DerMannistihnen zugroß«,dasderVaterlandlosein denTagen dertiefstenErniedrigungdesdeutschenNamens zusprechenwagte? Anseinen lüderlichen,tiefunsittlichenLebenswandel,der, nachwenigergenaubekannten, dochnichtminderschlimmenBubenstreichen,mit derarglistigenVerführung einerPfarrerstochter begannund bisinshöchsteGreisenalter währte,da die BegierdeinihmdasVermögenumJahrzehnte überdauerte?AnseineGe- sinnunglosigkeit,dieihnzustetemWechselderMeinungentrieb undihn hin- derte,sichje,wieeseinemEhrenmannedochziemt,einerParteianzuschließen?

Jn diesemPunkt wenigstens hoffeich, auch aufderlinken SeitedesHohen HausesZustimmungzufinden,daselbstachtbareDemokraten,wieLudwig Börne, nachdrücklichundwirksamaufdieschwarzenFleckehingewiesenhaben, dieanderGestalt Goethessichtbarsind.(Hört!Hört!) Gewiß:erwarein be- gabterDichter.Das leugnetKeinervonuns. EinTalent,nur ebenkein Charakter. LesenSie,umzusehen,wie weitseineMusesichverirrenkonnte, dievenetianischenEpigrammeunddieParalipomenazumFaust. Lesen Sie,um seine wahrhaft heidnischeWeltanschauungkennen zulernen,im dreiunddreißigstenBandedercottaschenAusgabediekurzenLeitsätzemit der Ueberschrift,DieNatur«. Undblättern Sie in demAbschnittder,Jnvek- tiven« die Seiteaus,wo, unterdemTitel,Der Proselyt«,dieVerse stehen:

HerrWerner,einabstruserDichter, Dazuvom sinnlichstenGerichtet-, Verleugnete seinschändlichLieben,

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DieUnzucht,dieerstets getrieben;

Nunsuchterneue Lasterspur:

Ihntreibtdiesündige Natur NachRomzurbabylon’schenHur.

DalaichterdennmitMünch-undNonnen Undglaubt,erhabevielgewonnen, Daß,waserfleischlichsonstvollführt, DenLeichnamnun geistlicherbranlirt.

NunwillderKerlsichmitdentreuen Keusch-siegesfrommenDeutschenfreuen, DadochderPapst, der Antichrist, AergeralsTürk undFranzosen ist.

MeineHerren,ich frage nicht,ob dasDeutscheReichverpflichtetoder auchnur berechtigtist, fürGoethe-DenkmälerBeiträgezuleisten. Jch gehe weiter undfrage: JsteseinesgroßenKulturvolkes würdig,diesenMann, derAlles,wasdemDeutschenheilig ist,mit derLaugerohen Spottesüber- goß, seinen Glauben, seineReinheit, sein völkifchesFühlen,dersichzu einemverschwommenenWeltbürgerthumbekannte,im Sinnedesfeichtesten Materialismus sogenannte Naturwissenschaft trieb,einVorbereiterder JrrlehrevonderEntwickelungwurde,die nochheuteleider in wirrenKöpfen spukt,undinseinempersönlichenWandel dasschlimmsteBeispiel gab, istes,so frage ich,unseresVolkeswürdig,einensolchenMannals nationalen Dichterzufeiernund derheranwachsendenGenerationalsleuchtendesMuster hinzuftellen?Woherkommt denn diefurchtbare VerrohungderJugend,über diewirjetztso beweglicheKlagen hören?Woherandersalsvondemfrechen Abfall vomaltenBekenntniß,woheranders alsvondemGötzenglaubenan vermeintlich großeMänner,deren überlautgerühmtesWirken undSchaffen fürdasjetztvonunsAllenklarerkannteKulturidealnichtnur unnützlich,nein, geradezu unheilvollwar? MeineHerren,derwichtigsteGefetzentwurf,der unsindieserSessionnochbeschäftigenwird,bestimmtinseinemHauptparagrasi phen,mitGefängnißbis zusechsMonaten sollebestraft werden, wer,Schrif- ten,AbbildungenoderDarstellungen, welche,ohne unziichtigzusein,das Schamgefühlgröblichverletzen,zugeschäftlichenZweckenanöffentlichen Straßen, Plätzenoderanderen Orten,die demöffentlichenVerkehr dienen, inAergernißcrregender Weise ausstelltoderanfchlägtcMeineFreunde sind nochnichtdarüberschlüssiggeworden,obdieseallzudehnbareBestimmungweit genuggeht.Dasaberdarfich, ohneihrenEntschluser vorzugreifen, wohl heuteschonsagen, daßselbstin denbescheidenenGrenzen,die derGesetzgeber hierdemgerechtenAnspruchdersittlich Empfindendengezogenhat,die

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Schriften strafbarerscheinenmüssen,die derangeblichsoriesengroßeHerrvon Goethe,derbewußteFördererallerUmsturzbestrebungen,zugeschäftlichen Zweckendruckenundöffentlichfeilbietenließ.DerGesetzentwurfistimVolks- mundandenNameneinesZuhältersgeknüpftworden; richtigerundpassen- der wäreesvielleicht,ihn aufdenNamendesMannes zutausen,demdie HerrenSozialdemokraten,weilsieinihm Geistvonihrem Geist wittern, jetztauf Reichskostenein Denkmal setzenwollen. Jchbin mirbewußt,daß auchdamitnur einersterSchritt gethanwäre.Odermeinen SieimErnst, daßesbei demKultus bleibendarf,derseitJahrzehnten auf unserenHoch- schulenundleiderauchananderen Stellenmit densogenanntenHerdender Aufklärungzeitgetriebenwird,denKant, Fichte, Feuerbach,Schopenhauer?

Schon habenwirerlebt, daßeinMann namens Nietzscheaufzustehenund alsleibhaftiger AntichristdemHerrnundHeilanddenFehdehandschuhhin- zuwerfen sicherfrechte. Freilich schlug ihndesHöchstenZornmitunheil- baremSiechthumzaber mirist nichtbekanntgeworden, daßdieBehörden gegendieVerbreitungseinerPamphleteeingeschrittensind.Wie,meineHerren, dürfenfie sichdawundern,wennSieringsumdieehrwürdigstenUeberliefer- ungenwanken,dieJrreligiositätwachsenundalsSiegerindieParteian demVormarsch sehen,derdievonThorenalsGenienverherrlichtenMänner denWeg gebahnt habenunddiesichmitFugundRechtdie,Erbinder klasfischendeutschenPhilosophie«genannt hat? Wirksam werdenwirdiese Parteierstbekämpfenkönnen,wenn wirihren Ahnen endlichdenfalschen GlorienscheinentrissenundsiealsVolksverderber,alsFeinde derneudeutschen nationalenKultur gezeigthaben.Undheute—Das wageichwenigstenszu hoffen wirdsichindiesemSaalausdenReihenderOrdnungparteienkeine Stimme mehr dagegen erheben,daßderAnfangmit demPrometheusdichter gemachtwird,dersichnicht schämte,offeneinzugestehen,erseiein,decidirter Atheisti Jn ihmwerden SiedenKopfderHydratreffen.Das walte Gott!«

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Il-

Also sprachimDeutschen ReichstagderAbgeordneteFreiherrvon Dunkelmann-Banausen,Majoratsherr,Ritter hoherOrdenundMitglied derJerusalem-VereinigungzurchristlichenFörderungdesbedrängtenTür- kenthumes LebhafterBeifall belohnteihn.Alsergeendethatte, kichertevon derKuppelhereinemuntere,nurden GeisternverständlicheGespensterstimme:

Treibet dasHandwerknur fort,wirkönnensEuchfreilich nichtlegen Aberruhig,Das glaubt,treibtJhreskünftignicht mehr.

J

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Künstlerehreund Reichstag. »

hre istdieAnerkennung unseres persönlichenWerthes durchAndere.

Werdurch sein BetragenimVerkehr diese Anerkennungversagt,Der beleidigt.DennJedermannhateinAnrecht aufdieAnerkennungseines Werthes,esseidenn,daßersichdurchseineHandlungen dieserAnerkennung selbst verlustiggemachthabe. Nicht Jedermanns Ehreist dieselbe:esgiebt ganzbestimmte, verschiedenartigentwickelteBegriffederStandesehre.Wie derpersönlicheWertheinesMenschennieso groß ist, daßerinallenGe- bietenmenschlichenThuns einenHöhepunktersteigen,dieErfüllungder höchstenAnforderungeninsichvereinenkann, somußeinMann von Ehre vorAllemdarinseine erste Lebensaufgabesuchen,demBeruf,denerwählte, demStande,indemerlebt,angemessensichzubetragen.EinOffizier,der inFragendesMuthes sicheinesVergehens schuldigmacht, ist ehrlos,ein KaufmannodereinGeistlicherbrauchtesnichtzusein.EinKaufmann, dernichtinKlarheitüberseinen Vermögensstandist, ist ehrlos.SeineEhre beruhtdarin, daserdasinihnalsGeschäftsmannzusetzendeVertrauen nicht täuscht.«EinOfsizier,derSchulden hat, braucht deshalb keineswegs verächtlichzusein.Es ist ja besser,wenn eringeregelten Verhältnissen lebt;aberDas ist nichtdieGrundbedingungdesWirkens inseinemBeruf.

Um einenKünstlerinseiner Berufsehrezukränken,mußman ihn alseinenMann darstellen,derseinenBeruf nicht ernst erfülltoderdersich gegenDas,wasdaseigentlicheZieldesBerufes ist, vergeht.SeinBeruf

nun istdiebildlicheDarstellungvonDingenderNaturoder derEinbildungs- kraft. Man kann darüberstreiten,obesseine Hauptpslichtsei,die Natur wahr,oder,sie schöndarzustellen. Jedenfalls istseineernstesteAufgabe, sich indieDingezuvertiefen, sieinsichaufzunehmenundsie so darzustellen, wiesieinseinemFormengefühllebendigwurden. Seine Ehre bestehtalso darin,daßerfleißigansichselbst schafft,um sich künstlerischausgebenzu können,daßermitErnstundEiferandemWerkearbeitet,umDas,was

erfürdasBeste hält, sogut, wieernur irgendkann, zurErscheinungzu bringen. DiesesStreben kannihn dahin führen,einen außerordentlichen Fleißzuentwickeln;eskannihnaberauch lehren, daßeraufdieAugen- blickederEingebungzuwarten habeundinihnenmitstürmischerHast arbeite. DieFormdesHervorbringens ist verschiedenartig,für Jedeneine andere, dasletzte Zielaberistdasselbe: nach Maßgabeseiner Persönlich- keit dasBestezuschaffen,unbekümmertum BeifallundVortheil.

UnterdenKünstlernstehtderBegriffderEhre vollständigfest: nichtder Erfolg istes, der dieEhre giebt, sonderndieSicherheitdesLebensinsichund desSchaffensaussichheraus. Verachtetistder Maler,derauf Bestellungso

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KünstlerchreundReichstag. 415 schönmalt, wieesder,,Maecen«ebenhabenwill. DieseVerachtungwirkt inKünstlerkreisenso stark, daß oftmitgroßenLockmittelnkeingeschickterer Mann zu Arbeitenzuverleiten ist,diefürunkünstlerischgehaltenwerden.

Es galtin derZeitundSchuledesCornelius alsverächtlich,niedliche Genrebilder zu malen, undvielebraveKünstler sindinEhrenzuGrunde gegangen,weilsievon Dem,wassiefür echteKunst hielten, nicht ablassen wollten, selbstdann nicht,alsihreganzeDenkensart auchinKünstler- kreisenkeinenAnklang mehr fand.Viele Maler leiden unddarbenunter demMißstande,daßihrStrebennachNeuem,selbstEmpfandenem,vomVolk nochwenig verstandenwird: sodieMaler kirchlicherDinge.Abersolaut dieKirche auchdie,,traditionelle Kunst« fordert: sie findetunter den BesserenausdenReihenderJungenkaumEinen,dersichdurch Aufträge verleitenläßt, seineminneren Drange zuwiderDaszuschaffen,was die Kirchenfrommenvonihm verlangen.ErwäreehrlosimkünstlerischenSinne, thäteeres, ehrlos,weilergegen Dassichverginge,wasdasErnstesteund WichtigsteinderKunst ist:dasAufbauendesWerkesaus Eigenm-

JmReichstaghatderCentrumssührerDr.Liebergesagt,ein dekora- tiverFriesvon FranzStuckseiSchmiererei. Jch habedenFries nichtge- sehen, ichweißnur, daß hervorragendeKünstler,dieihnkennen,sichbeifällig überihn äußerten.Undichkenne Stuckalsernsten Künstler.Undda bin ichderAnsicht, HerrLieberwerdewohl einfacheinenschlechtenGeschmack haben,derihn zwingt,dasEigenartigezuverabscheuen.DaerdieseEigen- thümlichkeitmitderMehrzahlallerReichstagsmitgliederundleiderauch unseresganzen Volkestheilt, so istdarübernichteben viel zusagen.Wir Allesind gewöhnt,daßdasGute beiunsmißfällt. KunstwerkundBetrachter stehenaberineinemWechselverhältnißzu einander: Beidegeben ihr Urtheil, derBetrachterlaut, dasKunstwerkleise.Die Leute, dieeinst Beethovenver- lachten,waren sicherebensosehrüberzeugt,damiteinverständigesUrtheilzu fällen,wieHerrDr.Liebereswar, alserseine Plattheitenvorbrachte.Beide merktennicht, daßin vieleindringlicherenTönen dasKunstwerküber sielacht.

Wernun zuletztundamBesten lachenwerde,LieberoderStuck,darüber fehltuns nochdasUrtheil.Das wirdsichineinigenJahrzehnten ergeben.

Mirfreilich ist nichtzweifelhaft,wiedieDingekommenwerden.

DieWitzeLiebershabendieKünstler sehrerregt.Siefühlensichin Stuckbeleidigt. NichtetwadurchdieAblehnung:esistdie Art, wieder ganzeReichstag,wienamentlich sein Präsidium sich dazu verhielt.Lieberist

·einMann, dersichmitkünstlerischenDingensichtlichwenig beschäftigthat.

Solche ,,Urtheile«,wieersie fällt,kannman injederAusstellung hundert- fachhören.DerKünstlermuß sichdaran gewöhnen,daß,wer anderStraße baut,dieLeute redenlassenmuß.Manweistnur Denzurecht,dersein ,,Urtheil«

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416 DieZukunft.

zu laut ausspricht,undmacht ihn auf seine Pflicht aufmerksam,Anderen den Genußnichtzustören.AberderPräsidentdesReichstagessollte dochwohl, so hoffteman unter denKünstlern, sovielvomWesenderkünstlerischen Produktion- verstehen,daßererkennenkönnte,die»Kritik«Lieberstreffenichtein Kunstwerk, sondern beleidigedenKünstler,treffe ihnanseiner Ehre,dasie ihm«Schmiererei«,alsoeineVerletzungdereigentlichenkünstlerischenPflichten, vorwirft. EinKünstlersollebennichtschmieren,so wenigwieeinOffizier ausreißensoll. Werihm nachsagt;erhabe geschmiert,Derbeleidigtihn, mindert ihmdieAnerkennungseines persönlichenWerthes.Undesist Pflicht desPräsidenten,einenso Angegriffenen,daersichnicht vertheidigenkann, vor Beleidigungzuschützen.

Doch auchDas ist«nichtdasSchlimmste.Wir wissen,daß auch unsereReichtstagspräsidentenPolitikersindund daßinDeutschlanddie PolitikereinenBerufdarin zusuchen scheinen,vonKunst so wenigwie möglichzuverstehen.WersichmitdemVerhältnißderKunstzumöffent- lichenLebenbeschäftigthat,Dermuß gelernt haben, daßimReichstagseit demTodedes zwareinseitigen,aberdoch begeistertenAugust Reichensperger keinMann aufgetretenist, dessenWirkeneinernsthaftes, persönlichesVer- hältnißzurKunst verrieth.Mir nun willscheinen,alswenn einsolches VerhältnißzurBildungdesMenschen gehöre. Jchmagjadarin irren, ichmagzusehr Fachmann sein,um klar zusehen. Ja, ichbinesso sehr, daßicheinen inkünstlerischenDingen nichtHeimischenfüreinen Mann halte, der einerecht unangenehmeLücke inseiner gesellschaftlichenBildung hat, so gelehrt, geschäftskundig,gewandter sonst auch seinmag· Jch nehme im Vertrauen zu derGerechtigkeitliebedesReichstagspräsidentenan, daß es«ihmanderBildung gefehlt habe,dieich füreinevollkommene halte, unddaßernur deshalbdieBeleidigung,die einemKünstler undinihm derKunst zugefügtwurde,nichtzu erkennenvermochte.Aberdaß im ganzen ReichstagKeiner saß,der über Stuck undüber dieStelluugderVolks- vertreter zurKunsteingutes Wort zusagen hatte, daß sichKeinerfand, der aufdas fürden Reichstag so BeschämendedesVorganges hinwies, daßKeinersah, hierwerdeunter demBeifalldesHausesein ganzerStand verhöhnt,derdochauch sein Recht auf Ehre hat: dieses Schauspiel hatViele aufrichtigbetrübt. Sotief steht alsodasdeutscheVolknochinseinerKunst- bildung, so wenig ist seinReichstag befähigt,über dieDinge mitzusprechen, die uns,denmitderKunstVertrauten,alssehr ernsterscheinen!

Obgleich ich nichtzu denunbedingtenVerehrernStucksgehöre,glaube ich doch, daß,wenn LieberundStuckaneinander gewogen werden,Stück ganzerheblichschwererbefundenwird. Eskommtfreilich aufdieWagean.

MeineistdiederZeit. Mitwem wirdman sichinhundertJahren mehr

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KünstlerehreundReichstag. 417 beschäftigen:mitStuckodermitLieber? JchbinkeinFreunddesProphe- zeiens.Eins aberwird man wohl schon jetzt voraussagenkönnen:die AblehnungderWerkeStucks,namentlichdieFormderAblehnung,wird inStucksLeben zumGegentheilvonDem werden,was derReichstagbe- absichtigte.Man wird nichtStucks WerknachdemUrtheildesReichs- tagesksonderndaskünstlerischeVerftändnißdesReichstagesnachdenKunst- werkenStucks messen. Diese sinddasDauernde,diefesteGrundlagefür einUrtheilderZukunftüberunsere Zeit. Es fragt sich also:wirddie ZukunftdasVorgehendesReichstagesalseinenBeweis vonhoher Einsicht odervom Gegentheilansehen?...«Mirwillscheinen,alsbraucheStuckdie Antwort hierauf nichtzufürchten.

Auch Adolf Hildebrands Entwürfe für Stimmzettelurnen sindvom Reichstagabgelehntworden. DieSache erhält dadurchnochmehr Bedeutung.

Wäre das Selbe geschehen,wenn man denerstbestenKunstgewerbeschülermit demEntwurfbetraut hätte?Sicher nicht!SoeinnettesDingindeutscher RenaissanceoderBarockhatimmer seine Freunde. Hoffentlich findet sich ein anderer Weg,dieernsten, schlichtenArbeitenHildebrandszurAusführung zubringen.Sie könntendurch jenen Beschlußzunationalen Denkmälern werden, freilich nichtzusolchendesRuhmes fürdenReichstag.Sover- bildet, könnteesdanneinst heißen,war derGeschmackim deutschen Volk, daß ihmdasVerständnißschlichtererKunst völlig verschlossenblieb.

EsistkeineleichteAufgabe,inDeutschlandeinernst strebenderKünstler zusein.Welche ungeheure Mengevon geistigerTrägheit ist nochzuüber- winden,ehewirzu einemengerenZusammenhangzwischenKunstundLeben inunseremVolkegelangen!Wieweitsinduns andereVölker voraus! Und welcheRiesenaufgabe ruht aufWallots Schultern,daerderfMittlersein soll zwischen ernster Kunstund.Bauherren,diesoganzundgarunfähig sind,zubegreifen,wasdiese KunsterstrebtlWäre Stuck ein kleiner Beamter, sowürde derStaatssekretärGraf Posadowskygewißfür seine Pflicht gehalten haben, ihnzuvertheidigen.Nun spracherkeinWortfür ihn. DerStaat undfeineVertreter habenzwardenGrundsatz, daßdieKunst »gefördert«

werden müsse.Abersie ist ihneneinfremdes Reich,einGebiet,aufdem auch sie nicht heimischsind.Da herrschenkeineVerfügungen,daistdas Rechte nichtklarerkenntlich,dareichtdasBischen Geschäftskenntnißnicht aus. Keine Spurjenes höherenMenschenthumes,dasdieRegungendes Volksgeisteslebendiginsich wiederklingenläßt.Nur dermatteTon des zerbrochenenerengeschirrs,kein Metall, sondern eitelrisfiger Thon.

UnddieseHerrenwollen demdeutschenVolkseinen Jdealismus er-

halten! Ach,DumeineGüte!

Dresden. ProfessorDr. Cornelius Gurlitt.

Z

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418 »Die Zukunft-

Napoleonkh

Mit

demTagevonVarennes beginntdieSchreckenszeitderRevolution;

-».- sieendet mitdemachtzehntenBrumaire. AmAnfang stehtein nachgiebigerWille,eineschwacheIntelligenz,amEndeeinetrotzigeEnergie, einstarkerVerstand. LudwigXVLwurdevon derFluthwelleeinesStromes, derseiner selbstnoch nicht bewußtwar, begraben; Napoleonwar derFluth- brecher,derdemLaufedesselbstbewußten,siegreichenStromes einZiel setzte.

Was insolchenPhänomenenSchicksal heißt,ist zunächstderdunkleWille eines großenVolkes, dannderWilleeinesgroßenMannes. Dieserselbst wirdGlück,Stern,Verhängniß,Loos,SchicksalDasnennen, was seinBer- stand,seineThatkraft, seinWille,seineMoral nicht vorauszusehen,zugreifen und zubeherrschenimStandewaren. So verändernsichWesenundEr- scheinungdesSchicksals beständigjenachdemStande unsererinnerenKraft.

Jebedeutender einMensch ist, desto entfernter, unwirksamer, unzugänglicher undinosfensiverwirddieRollesein,dieerdemVerhängnißzuweist.

Ein merkwürdigesSchicksalwaltet überdemkühnenAbenteuer des achtzehntenBrumaire. Dasistnicht mehr,wie inVarennes,ein irres,un-

sicheresVerhängniß,dasgedankenlosund ziellos,wieaus Versehen,über ein armes, verschlafenes Wesen hereinbricht, nachden ersten Schlägen selbst Beistand verlangtund, ganz wieseinOpfer,am Liebstennichts thun undumAllesnicht tragisch sein möchte.Thränen, Zaudern,Mitleid,ohn- mächtigesFlehen sindvorüber.DiegroßeGöttin, dieunsunerschiitterlich, .schrankenlos,unbeschreiblichdünkt, nimmthier,wieüberall,justdieGestalt, dasAussehen,diephysischenund moralischen GewohnheitendesMenschen an, dessenAbsichtensie kreuzenwird. Jstergroß, so ist sie groß; ister energisch,so ist sie energisch;isteredel, treulosoder verwegen,so ist auch sie edel, treulos oderverwegen. Der Menschwirdvonihrüberwunden,wenn sein VerhaltendemIdeal,daserzumLeben erweckthat,derForm,dieer selbstdergeheimnißvollenSchicksalsmachtgegebenhat, nicht mehr entspricht.

Denn ahmt sieallseinGebahrenauchgetreulichnach, so sindihre Bewegungen doch tiefer, umfassender, langsamerundandauernder,folglich auch mächtiger und wirksamer. Jn Wahrheit istDas, was wir Verhängnißnennen können,wenn wirauf MystikundfigürlicheEinkleidungen,die derEitelkeit

V) Einbisher nicht veröffentlichtes,auchindiefranzösischeAusgabevon Lasagesse etladestincåenichtausgenommenesNachtragskapitel,dasaberin derdeutschenAusgabe (bei E.DiederichsinLeipzig)erscheinenwird·

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