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Die Zukunft, 5. Februar, Jahrg. XXIX, Bd. 112, Nr 19.

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XXIX* Jahrg. Berlin, den 5. Februar 1921 Nr. 19

i e S u k u r m

Herausgeber

M axim ilian Harden

INHALT

Seite

Falsch G eb ild und W o r t ...149

W elch schön es L a n d ... ... 149

U nd Trauben gleich zur H a n d ...157

Irrthum, laß lo s der Augen B a n d ... ...172

Nachdruck verboten

Erscheint jeden Sonnabend

Preis vierteljährlich

22

Mk., das einzelne Heft

2.00

Mk.

BERLIN

Verlag der Zukunft

SW47, Großbeerenstraße 67 1921

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Jplic Jir is t o n S o l d y tZ u r a tti’s J V o r ü

Regina-Palast am Zoo ReegTAmoid

(K aiser-W ilhelm -G edächtnis-K irche) Telephon: S tein p la tz 9955

Kurfürstendamm 10 und Kantstraße 167-169

7 a e S r f d l ab e Z l t t a g s E r s t e s I n t e r n . K ä m m e r - O r c h e s t e r D irig en t: O t t o H a r t m a n n . K onzertrfieister: C. B a r t h o l d y .

A m Flügel: W . L a u t e n s c h lä g e r

Bestes1

zur Pflege derZahne,

H E I N R I C H E D U A R D J A C O B

D ie P h ysik er von S yraku s

E ine D ialogn ovelle Geh. M 14.— ★ Geb. M 20.—

Dieser geistvolle Dialog, der das Zivilisationsproblem un­

ter Debatte setzt, ist ein .überzeugendes Bekenntnis zum Humanitätsgedanken

*

Z u beziehen d urch alle B u c h h a ndlu ng en oder direkt durch E m s t R o w o h lt Verlag • Berlin TV35

c BrillantenF6rlen’

Smapa9fle’ Perlschnilre kauft zu hohen P re is e n

M f i n i t 7 Frledricötsr. 91-92, l.Etg.

■ ^ zw isch. M itte l- u. D o ro th e en str.

(3)

Berlin, den 5. Februar 1921

Falsch Gebild und Wort

W e l c h e s s c h ö n e L a n d !

u f dem P odium steht eine G ip sb üste, die den K o pf W ils heim s des Z w eiten zeigt; au f dem Program m , als erste N u m m er, W agn ers Kaisermarsch. D e r Saal ist vollgepackt wie eineSardinenbüchse. „A ufm arsch der Fahnen.“ P reußens u n d die des 1871 geborenen, 1918 verschütteten D eutschen Reiches w erden, in stram m em ,gleichen Paradeschritt,von Jüng»

lingen hereingetragen u n d vor die K aiserbüste niedergelegt.

G em einsam er Sang: „ W ir treten zum Beten vor G o tt den G erech ten.“ Ein Pfarrer spricht. V on des*alten Reiches M acht u n d H errlichkeit, von E lend u n d Schmach u nsererT age. V on N e id , H a ß u n d tückischer V erschw örung der bösen W elt, die das blü hend e Reich m itten aus friedlicher K ulturarbeit r i ß ; von dem niem als geschlagenen H eer u n d dem niederträchtigen D o lch sto ß in dessen Rücken, dicht vo r dem sicheren EncU sieg. A b e r der schändliche Z u stan d von heute w erde nicht d au ern . Schon erkenne in A lldeu tsch lan d das arme V olk, wie schändlich seine A rglosigkeit betrogen, in welchen stin*

k en d en Sum pf es v o n landfrem den, vaterlandlosen G esellen verleitet w urde. Schon sam m elt alles H offen u n d Streben sich in die V orbereitung desT ages.der die g ro ße,un erbittlich strenge A b rech n u n g m it D enen bringt, die Sieg erlogen, eines from m en V olkes V ertrauen bübisch betrogen haben; des Tages, der die G ren zen des Reiches w ieder ins W eite d eh n t u n d alle Men*

ii

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1 5 0 Die Zukunft

sehen deutschen Stammes in einen Staatsverband schaart. F ü r dieseh T ag sich zu stählen, se in M o rg en ro th zu beschleunigen u n d , w enn das V aterland ruft, m it dem Strom des H erzblutes in noch tieferes P u rp u r zu färben, m üsse die einzige Auf*

gäbe, frü h d er erste, spät der letzte G ed an k e deutscher Ju g e n d sein. A ller Blicke richten in dieser Stunde sich au f das stille H a u s in D o o rn , au f den edlen D u ld e r, um den Jah rzeh n te lang uns der E rdball beneidete u n d d e r, seines geliebten V olkes Schicksal zu erleichtern, au f den ersehnten H e ld e n ­ to d verzichtete, einsam in die Frem de zog u n d in Heilands*

glorie sein K reuz trägt, bis auch sein O stern u n d m it ihm D eu tsch lan d s w ird. In den verbrausenden Beifallssturm tö n t W e b ers Ju b e lo u v e rtu re; u n d A lles singt die Schluß weise m it:

„ H e il D ir im Siegerkranz, H errscher des V aterlands, H eil, Kaiser, D ir!“ D o ch w ird die Büste nicht m it dem Sieger*

kran z geschm ückt. Lieder, G edichte, zweite Festrede. A lles h a t d en selben T o n . E rinn eru n g an Fichtes W o rt: „Cha*

rak ter h ab en u n d deu tsch sein, ist, w ahrlich, das Selbe.“ D e r philosophische V olkserzieher w ollte sagen, nur, wer C h arak ter habe, dü rfe sich einen im rechten Sinn D eu tschen nennen.

H ie r w ird , wie zu vor schon tau send m al, seinem Satz d ie h o ch fah rend e D e u tu n g gegeben, n u r d er D eutsche habe Cha*

rakter. A us der selben M iß d e u tu n g schallt danach der Chor*

gesang: „D eu tsch lan d , D eu tsch lan d über A lles, über A lles in der W e ltl“ U n te r den K längen des von der aufrecht stehen*

d e n M enge m it hym nischem Schw ünge gesungenen Preußen*

liedes folgt der „A usm arsch der Fahnen.“ So war die Ge*

dächtnißfeier im Saal einer berliner Schule. In tausend Sälen a u f dem G eb iete der D eutschen R ep ub lik war ähnliche, oft noch viel lauter schnaubende. D as w ird in ju n g e Seelen gesät. „ W e r die J u g e n d hat, D er hat die Z u k u n ft.“

D ra u ß e n w erden Z eitu n g en angeboten. A ntisem itische u n d solche, die „jeden vaterländisch gesinnten D eutschen zu der Pflicht aufrufen, dem edlen D u ld e r von H au s D o o rn zu seinem G e b u rtsta g zu bek unden, d a ß die H eim ath seiner in Liebe, in T reue, in D a n k b ark eit u n d in F ü rbitte ged en k t“ . A u f einem anderen B latt steht: „A uch ohne Festfanfaren, B echerklang, Paraden u n d Illum inationen w erden ungezählte T a u se ad e einen stillen G ru ß d a n k b ar verehrungvoller Er*

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I'alsL’h ü e b i k i u n d W o r t 151

in n eru n g in die Stätte des Exils h in ü b er senden.“ Eine schon, wie von den R edaktoren angegeben w ird, von hundertfünfzig#

tausend deutschen M ännern u n d Frauen unterschriebene „Hui#

d ig u n g sk u n d g eb u n g “ enthält dieS ätze: „ D a ß Eure M ajestät so stark, still un d ohne V erb itterun g härtestes Leid tragen, ist H ilfe u n d F reu d efü r H u n d erttau sen d e D eutscher, d ieihrv errath en es u n d in sich krankes V aterland jetzt n u r m it bitterem Schmerz zu lieben verm ögen. M öge m it den aus Leid geborenen H eilkräften G o tt, der H err, unser Volk du rch E ure M ajestät segnen!“ A uch P ostkarten m it patriotischer Inschrift w erden zu K auf angeboten. „ D a ß Eure G reise u n d K inder so kran#

ken, D as h a b t Ihr der H u ng erblo ck ade zu d an k en .“ „ W e r das gefährlichere R aubthier ist: Frankreich o der der Bol#

schew ist?“ „ D as B itten vor F einden steht Euch schlecht.

Z u fordern h a b t Ihr: fo rd ert E uer R echt!“ „ W e r sann denn V errath u n d schrie nach F ried en ? K ein D eutscher th at es, n u r im m er die Jied en .“ Eine Karte zeigt d en vom Professor E berlein gem eißelten W ilhelm , der, entfettet, doch bieder, from m u n d stark, im M antel au f einem Felsblock ho ck t; in d en Sockel sind die W o rte „V on der W e lt verlassen“ ein*

gekratzt u n d die K arte trägt die Inschrift „W ilhelm der Zw eite im E x il“ . W e r aus dem H a u p tq u a rtie r des Feldheeres, von d er Fahne ins sichere A u slan d flieht, w ird „von der W e lt verlassen“ ; u n d der im G lanz eines prächtigen Schlosses, dessen Silbergeräth allein h u n d e rt M illionen M ark w erth ist, th ro n ende Flüchtling lebt „im E xil“ . K naben u n d M ädchen, K inder deutscher R epublik, kaufen die Blätter u n d K arten.

D iese D eutsche R ep ub lik soll, nach dem Versailler Ver#

trag, kein Kriegsheer h a b e n ; h at selbst auch, d urch den M u n d des souverainen Reichstages, oft den W ille n ausgesprochen, n u r die zu W a h ru n g des B ürgerfriedens n othw endige Mann#

schaft zu halten. D iese M annschaft h e iß t Reichsw ehr; ist eine Polizeitruppe, die keine andere P flichtbürde trägt als die, in N o thfällen die innere O rd n u n g im Bereich der R epublik m it M achtm itteln zu sichern, die also dem Innenm inisterium unterstellt sein m u ß u n d n u r dem Befehl der C ivilgew alt ge*

horchen darf. D ie feste E inschränkung in diese Pflicht, der das ganze W esen d er T ru p p e sich, w eitab von allem Mi*

litärspiel, anpassen m uß te, hätte die W estv ö lk er in dem Ver#

u*

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152 Die Zukunft

langen nach rascher A b rü stu n g gestärkt. U nsere Reichsw ehr k o stet fü nftausend M illionen M ark im Ja h r; hat ein eigenes M inisterium m it R iesenpersonal (fü r ein T rü p p c h en von h u n ­ d erttau sen d K öpfen, auf deren zw anzigsten obendrein j e ein Of- fizier kom m t); ist zu N e u jah r von ihrem G eneralissim us erm ahnt w orden, den alten G eist (des K riegsheeres) zu pflegen, das Schwert scharf, d en Schild blank zu e rh a lte n ; u n d im Reichs*

tag spricht von ih r der W eh rm in ister (d er selbst zugeben m u ß te, d a ß die m eisten Offiziere „überzeugte M onarchisten “ sin d ) u n ter „stürm ischem Beifall“ genau so, als sei sie b e­

stim m t, Schlachten zu schlagen, Kriege zu führen, u n d müsse d ru m v o n „m ilitärischen Spezialisten“ geleitet w erden. D a ß diese nach H e rk u n ft (aus Unteroffizier* u n d O ffizierstand) u n d E rziehung d er R ep u b lik erzfeindliche T ru p p e je zu Er- h a ltu n g der neuen Staatsform gegen den A nprall der alten ihre K nochen, ihr B lut hingeben w erde, kann n u r ein Kinds * k ö p f o d er in seinen Liebreiz V ernarrter glauben. D a das D eutsche Reich au ßerdem Schutzpolizei u n d E inw ohner­

w ehren, d urchaus m ilitärisch ged rillt u n d gerüstet, u n d die O rg an isatio n Escherich hat, die von G eneralstabsoffizieren geleitet u n d für die vom G ru n d b e sitz allein jetzt die Ab*

gäbe von zw eieinhalb M ark für jeden M orgen geleistet w ird, ist den P artnern des Friedensvertrages, deren in D e u tsch ­ lan d thätige V ertreter all diese vollkom m en ausgestatteten Söldner sehen u n d U rk u n d e n über die m orgen m obilisir- baren „A rbeitgem einschaften“ haben, der G la u b e an gefähr*

liehe R em ilitarisirung D eutsch lan d s nicht auszureden.

Im H au p tau ssch u ß des Reichstages spricht der C h ef der R eichskanzlei: „D ie einzelnen L änder haben sich der Reichs- reg iru n g v erpflichtet, von d er E inrichtung b esonderer G e ­ sandtschaften u n ter einander abzusehen.“ D e r Bayerische Ge*

sandte erw idert: „D ie süddeu tsch en R egirungen haben vor einem Ja h r in S tu ttg art einstim m ig die R echtsauffassung ver­

treten, d a ß die Reichsverfassung sie nicht hindere, bei ein an d e r G esandtschaften zu halten. A u f diesem S tan d p u n k t steht die bayerische R egirung auch heute no ch.“ G estern h ö rte n w ir von dem R eichspräsidenten: „ D ie E inheitlichkeit unseres deutschen V aterlandes ist für uns A lle ein Stück u n ­ seres G lau b ens, unserer Liebe u n d unserer H o ffn u n g .“ A m en.

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I ' a l s c h Cjehi I d u n d W o r t 15 3

In unseren Parlam enten laufen ganze F raktionen aus dem Saal o d er randaliren wie verschnapste Frachtkutscher, w enn eine ihrer schroff w idersprechende U eb erzeugung zu W o rt kom m t. Je d er Z o ll ein Freiherr von Knigge, der das Ge*

lande des „U m ganges m it M enschen“ absteckte. U n d an die

„R othe F ahne“ schreibt der A b g eo rdn ete A d o lf H offm an n:

„A ls im Reichstag, im S chlußw ort zum Ju stizetat, unser Ge*

nosse Koenen den N am en N o sk e nannte, schrie ihm der in d er ersten Reihe sitzende H ö rsin g sinnlos zu: .Lausejunge 1 D u Schwein 1 D u H u n d ! Lausejungei* D e r A bgeord nete Braß, d er vor H ö rsin g sta n d , suchte ihn, dessen Z u stan d nicht n u r er schon vorher e rk a n n t, so nd ern auch w ir m it vor der R ed nertribün e Stehenden schon recht aufdringlich gerochen h a tte n , d ad u rch zu beruhigen, d a ß er scherzhaft zu ihm sagte: ,Sie haben sich w ohl heute gerade gekäm m t, d a ß Sie K oenen L ausejunge schimpfen?* Jetzt suchte Hör*

sing sich zu erheben, w iederholte gegen B raß die selben Schim pfw orte u n d holte au s, um B raß m it der geballten F au st ins G esich t zu schlagen. Braß packte m it g rö ß ter R uhe H ö rsin g u n d drückte ihn nieder m it den W o rte n : ,M ensch, sind Sie doch w enigstens hier vernünftig, w enn Sie total be*

soffen sin d !1 M ehrere kom m unistische u n d mehrheitsoziali*

stische A b g eo rdn ete w aren dazw ischen getreten; d a ru n te r w ar auch G enosse A d o lf H offm ann, d er den SPD *K ollegen, erregt, aber berechtigt, zurief: »Führet doch E uren G enossen

’rau s, es ist ja ein S kan dal, er ist total besoffen!* D iese W o rte hatte d er P räsident Loebe g eh ö rt u n d rief H offm ann zur O rd n u n g , w o rau f D ieser m it Recht antw ortete: ,R ufen Sie lieber den b etrunk en en A b geo rd n eten H ö rsing zur O r d ­ n u n g u n d lassen Sie ihn aus dem Saal en tfern en l4 So ist d er nackte T h atbestan d . H ö rsin g h at nicht den V ersuch gem acht, die T rib ü n e zu ersteigen, um sich gegen .unanständige Ver*

dächtigung* zu v ertheidigen.“ H e rr H ö rsin g w ard von der preußisch*sozialdem okratischenR egirung zum V ertreter d e u t­

scher K u ltu r in O berschlesien berufen u n d ist jetzt Ober*

Präsident der Provinz Sachsen. (D ie, noch in allzu g ro ß er Schaar leider, in D eu tsch lan d beam teten Landsleute der H erren Briand u n d L loyd G eorge sollten, w enn sie den neuen Schimpf*

w örterhagel nach Paris u n d L o n do n m elden, auch diese P robe

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154 Die Zukunft

unseres „guten T ones in allen Lebenslagen“ zu gefälliger K enn tniß n ahm e w eitergeben. D a n n w ürde ihren C hefs das Staunen vergehen. D ie A rm en haben gew iß ja nie den Faust gelesen, dessen Baccalaureus dem verk ap p ten T eufel die Ant*

w o rt ins G esicht p ro tz t: „Im D eu tsch en lü g t m an , w enn m an höflich ist.** W o m it nich t erw iesen ist noch sein soll, d aß nicht auch Flegelgrobheit einen L ügenkern einhülseri k önne.)

W ä h re n d die V ertreter der W estm ächte in Paris Pfeiler#

fragen der deutschen Z u k u n ft die A n tw o rt suchten, w ar die deutsche D ip lom atie an der Seine kopflos. B otschafter ist d o rt seit der W iederau fn ahm e des V erkehrs der m ünchener R echtsanw alt D r. M ayer, den die C entrum sw ähler des Kreises K aufbeuren in den Reichstag abg eo rd net haben. Ein tüch*

tiger G eschäftsjurist, der vom Schw iegervater lo thringische G ü te r geerbt hat, inFrankreich also nicht frem d ist, in m anchem A ufsichtrath sitzt u n d im Parlam ent den In d u strieken nern zugezählt w urde. D a seine D o k to rarb e it den S taatskonkurs behandelte, wäre gerade jetzt für den noch nicht Fünfzig#

jährig en in der berliner R egirung w ohl dem Reich nützliche A rb e it zu finden gewesen. Im m erhin w ar die A usw ahl der Person nicht so drollig schlecht wie in anderen Fällen, wo in achtbarer Leistung bew ährte, von dem arm en Reich zu besoldende D iplo m aten zurückgestellt u n d ungeschulte, aller P o litik ferne, n u r du rch leidliche K aufm annsbild un g emp»

fohlene Z ufallsfindlinge an die Spitze w ichtiger M issionen befö rd ert w urden. D o ch der Pflichtenkreis deutscher Bot*

schafter u n d G esan d ten ist heu te so eng, die Persönlichkeit d u rch die unzulängliche Leitung der C entrale seit zwei Jah ren in ihrem D ran g so gehem m t, d aß D ilettirerei au f diesem Feld nich t viel schaden konnte. Schlim m scheint an dem pariser Fall n u r, d a ß H e rr D r. M ayer die U ebernahm e des Botschafteram tes als eine G efälligkeit betrachtet, deren B ürde er gern abw ürfe, um w ieder fü r seine eigenen G eschäfte frei zu w erden. Schlim m : weil der P osten des B eobachters am W a ch tth u rm der W estm ächte das leidenschaftliche Interesse, die volle H in g ab e ganzer M ann esarb eit verlangt u n d ein Bot*

schafter, der n u r „aus G efälligkeit“ noch m itm acht, einem a u f den P rok u ristenp latz gesetzten V olontär gleicht, der geht u n d kom m t, w anns ihm eben beliebt, und K rittlern den Kram

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F a l s c h ü e b i l d u n d W o n 1 5 5

v o r die F üße wirft. W ä h re n d der pariser K onferenz reiste H e rr D r. M ayer von seinem A m tssitz ab. Er kom m t her, lasen wir, utii selbst zu berichten, was zwischen dem Q u a i d ’O rsay un d dem H otel C rillo n gesponnen w ird. A b er er kam nicht. F u h r nach K em pten oder M ünchen, hatte Fa*

m ilienangelegenheiten zu o rd n en oder einer A ufsichtraths*

sitzu n g b eizuw ohnen; u n d die Presse m eldete, in der näch*

sten Z eit dürfe m an ihn nicht in Berlin erw arten. M eldete zugleich, die D ra h tv e rb in d u n g Paris»Berlin sei seit ein paar T ag en (in denen w ir dreim al täglich in den Z eitu n g en pa*

riser D epeschen lasen) gestört u n d deshalb auch vo n dem Staatssekretär Bergm ann, der sich in Brüssel u n d Paris als brauchbaren, den Franzosen w illkom m enen U n terh än d ler er*

wiesen hat, noch kein Bericht angelangt. U m , endlich, zu erfah*

ren, was in Paris geschehen sei u n d vorbereitet w erde, habe die R egirung nun einen M in isteriald irek to r hingeschickt. W e n n aus G erolstein, K rähw inkel, M o tten b u rg die Schilderung sol*

chen Z u stand es gekom m en w äre,hätten w ir sie für grell über*

trieb en gehalten. D ie B ürger der D eutschen R epublik lesen sie, ohne auch nur, wie die Exam inatoren des K andidaten J o b s, die K öpfe zu schütteln. N achdem das A usw ärtige Mi*

nisterium anderthalb J a h r den Q u a rk eines „R egionalism us“

breitgetreten hat, dessen kleines V ernunftquäntchen von ge»

scheiten Fachm enschen in zwei S tunden zu nutzen, als Salz*

körnchen in den T eig m oderner D ie n sto rd n u n g einzuw alken war, zeigt es sich nun, ohne Schamschürze, im Z u stan d rath#

los unw issender O hnm acht. D a ß zehn M inister, die sich T ag vor T ag erdreisten, dem V olk Sparsam keit zu predigen, m it Frauen u n d einem R iesentroß von Staatssekretären, Direk*

to ren , G eheim räthen, um in die Z eitu n g zu kom m en u n d sich bei den M achern O effentlicher M ein u n g zu schustern, a u f den Presseball gehen u n d da m it der W eih e ihrer Ge*

genw art Alles segnen, was, von frechstem K leiderluxus, Schlem merei, Sektgesauf bis zur SarottU B onbonniere, heute nicht sein, in dieses D eutsch lan d gar nicht eingelassen wer*

d en dürfte, beleuchtet den sittlichen E rnst dieser M ahner zu tu*

gendsam er E nthaltung von allem nicht u n b e d in g t N othw endi*

g e n ; u n d m ü ß te zu dem E ntschluß genügen, sie aus den A em tern zu jagen u n d d enF o lg ern n ich tG e h a ltz u g e b en .d a s so w idrige

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1 5 6 Die Zukunft

V öllerei erm öglicht. „D erV o rstan d des V ereins Berliner Presse, an der SpitzeG eorg B ernhard,b egrü ßte die un ü b erseh b ar g ro ße Z ah l der G äste, fünf* bis sechstausend, die führenden Per*

sönlichkeiten der Politik, D iplom atie, V erw altung, Literatur, K unst, Reichsw ehr, M arine, des T heaters, Films, der M usik, W issenschaft, A ristokratie u n d F inanz.“ (V ossische Z eitu n g .) G e n an n t w erden die N am en Fehrenbach, Simons, Koch, Gies*

b eits, G eß ler, R aum er, Scholz, W irth , Z eh n h o f, H avenstein, Seeckt.Behncke, Löhlein,R um schöttel, A lbert, Le w ald,Freund, H e ilb o rn , Richter. „ D a steht Ihr, O h eim !“ A ll diese Leute sind so überzahlt, d a ß sie, w äh rend M illionen ihrer M itb ü rg er darb en u n d H u n d e rtta u sen d e deutscher K inder von A lm osen frem der V ölker leben, Bälle besuchen, die heutzutage unge*

m einen K osten für K leidung, E intritt, Speise, T rank, A u to auf*

brin gen können. Sie sin d „ ü b e ra ll“, walzen u n d schlampam*

pen in diesem zwischen M assenn o th u n d U eb e rsc h u ld u n g ruchlos schändlichen T reib en m it; u n d schäm en sich nicht, dem A usland , dessen V ertreter diese ins Berlinisch *Bisige um gekräm pten Bacchanalien sehen, am nächsten T ag das Leier*

Iied vo n D eutschlands entsetzlichem Elend u n d unlösbarer G eldklem m e vorzutragen. Ein Franzose, m it dem ich die H ärte der neuen pariser Z ah lu n g b ed in g e besprach, sagte, die R egirung scheine die Sache nicht schw er zu nehm en. „A u f dem Presseball waren, am A b e n d des Tages, d er die Konfe*

renzbeschlüsse gem eldet hatte, die H erren höchst m unter; u n d Sie w issen doch, w o u n d wie H e rr Südekum seinen fünfzig*

sten G eb u rtstag gefeiert u n d d aß , sehr lange nach M itternacht, H e rr Fehrenbach der eben so gro ß en wie, um diese Stunde, heiteren G esellschaft am Piano Lieder vorgesungen h a t? “ W as soll m an antw orten! W a s der Frage, ob der in solcher Z eit un au ffin d b ar latirende B otschafter au f seinen Posten zurück*

kehren, der M inister, in dessen A m tsbezirk solcher Z u stan d m öglich w ard, nicht m orgen in einen Ju ristenw inkel abge«

schoben w erde, w o er dem L and nicht m ehr schaden k a n n ? D e r Reichstag w ird diese theuren H ä u p te r nicht von sich sto ß en ; die Presse diesen „fü hren den Persönlichkeiten“ u n d B allzierden das Leben nicht vergällen. H ab ean t. N u r,D eu tsch e, w u n d ert Euch nicht, w enn der ausländische G läu b ig er spricht:

„D ieses D eu tsch lan d leugnet seine N iederlage u n d unseren

(11)

]' a!scl i Ck ' h i l d m u l W o r t 1 5 7

Sieg, schilt uns Betrüger u n d Blutsauger, feiert seine Mon«

archen und H eerführer, d u ld et die V erherrlichung des Fäl*

schers Bethm ann durch den M u n d des A usw ärtigen M inisters, rem ilitarisirt sich un d ru ft zu B ereitung des Rachekrieges, schwelgt in gar nicht m ehr verhohlener Lebensüppigkeit, läß t seine höchsten Beamten täglich, so zu sagen, vor unserer N ase tanzen: u n d bestreitet dann, m it zornigem Jam m ergeschrei, die M öglichkeit, uns, deren A lltag in engeren Schranken ver*

läuft, die Schuldraten zu zahlen, zu deren Leistung es durch U nterschrift sich verpflichtet hat. D as ist unerträglich. W ir m üssen ein Ende m achen.“ Riechet die F rucht des G laubens.

U n d T r a u b e n g l e i c h z u r H a n d l

,,In der Stunde, die au f Jahre h inaus das Schicksal un*

seres Landes bind en soll, fühle ich so tief die Schwierigkeit unserer Lage u n d die W u c h t der au f m ir lastenden Verant*

w ortlichkeit, d aß die B ehauptung, ich sei nicht erregt, Lüge wäre. Ich will die G rü n d e anführen, die Sie zu G ew ähru ng o d er W eigeru ng Ihres V ertrauens bestim m en können. D as Beste wäre, dieses V ertrauen v o n T h a ten abhängig zu machen.

N o ch aber kann ich Ihnen, leider, n u r W o rte bieten. D ie sollen so klar wie irgend m öglich sein. M orgen w ird in der reinen Luft aufrichtig herzlichen V ertrauens, also unter den besten A rb eitbeding u ngen , die K onferenz der V erbündeten beginnen: u n d ich m u ß gew iß sein, in der vollen W ü rd e , d er ganzen Freiheit, die dem M inisterpräsidenten Frankreichs ziemt, in diese Versam m lung treten. In allen Fragen, die un*

sere B undesgenossen b erühren, m u ß die D eb atte von T a k t un d höflichem A nstand beherrscht sein u n d sicher w ird Nie*

m and daran denken, der Regirung die H än d e zu b in d en ; auch nach m einer M einun g aber h at die Kam m er das Recht un d die Pflicht, n u r aus vollkom m ener K en n tniß Dessen, was ist, ihr V ertrauen zu gew ähren u n d zuvor von der R egirung die A ngabe von R ichtlinien, von Zw eck u n d M itteln ihres H an d elns zu fordern. U eb er die U m stände der Kabinetsbild*

un g hier w eitläufig zu reden, wäre w eder des Parlam entes noch der R egirung w ürdig. Eine M inisterkrisis spielt sich im Be*

reich der M enschlichkeit ab u n d offenbart edle Regungen, kann daneben aber auch die Befangenheit Interessirter offen*

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158 Die Zukunft

baren. M ich hat bei d erK ab in etsb ild u n g zunächst der W u n sch nach Sicherung d er nationalen A rbeitgem einschaft geleitet u n d ich versuchte, an m eine Seite sachverständige M änner zu rufen, deren m ancher sich schon au f hohem Posten be*

w äh rt hat. M an hat an eine Rede des H e rrn B arthou über die russischen A ngelegenheiten erinnert; in einem K abinet sitzen aber nicht In d iv id u en , so ndern solidarische Inhaber des Regirungsgeschäftes. D er A bgeordnete Forgeot hat vonUn*

ru h en gesprochen, die für den ersten M aitag zu fürchten seien.

Ja, der M in isterp räsid en t ist ein M ann, der einmal ju n g u n d schnell begeistert w ar; aber er w eiß auch, welche Verantwort*

lichkeit die M acht auf b ü rdet. Er ist schon sechsmal Minister*

Präsident gewesen. W e n n in ihm nicht m anche scharfe Ecke sich gerund et hätte, wäre er ein arm säliger W icht. W ie Kiesel im Strudel des Strom es, so sind die Ecken in R u n d u n g ab*

geschliffen w orden. Seine A uffassung sozialer Pflicht hat sich aber nicht etwa völlig von der Ju g en d erin n eru n g gelöst. Viele W ege führen heute ans Z iel der Freiheit. G ew alt ist der W e g des W ahn sin ns. D ro h t irgendw ie dem A u fru h r A ehnliches unserem Lande, dann w ird man den M inisterpräsidenten im D ien st des Staates finden. H e rr F orgeot sprach von der Aus*

fü h ru n g des Friedensvertrages u n d em pfahl eine These. Ich halte nicht viel von T hesen u n d Schlagw orten und bem ühe m ich, alles in Frankreichs Interesse E rlangbare zu erlangen.

D as ist meines Strebens einziges Ziel un d darin w eiß ich m ich einig m it dem französischen V olk, das nach greifbaren Ergebnissen verlangt. D eutschlands A ngriff hat die civilisir*

ten V ölker in das Elend dieser Stunde gestürzt. U nerträglich ist die V orstellung, der A ngreifer könne sich unversehrt zu#

rückziehen u n d auf U ngerechtigkeit seines W ohlstan des Ge*

bäud e errichten. D as d a rf nicht sein; niemals! N u n aber, nach zwei Jahren , fragt das V olk, ob der Paradem arsch leerer W ortform eln vor seinem A uge fortw ähren solle; u n d dieses V olk, Frankreichs, das sich im Besitz der M acht fü h lt u n d n ich t vergessen hat, wie es unter M achtanw endung litt, ver*

steht nicht m ehr, was ist. D as ausgeplünderte, verw üstete, in B lut gebadete Frankreich bleib t still, will nicht aus Gewaltan*

w end un g einS ystem b ereiten,erstreb t dieL ichtu ng d e rN e b e l, die den Frieden einschieiern. D ie Losung des gegen uns ge*

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F a l s c h G e b i l d u n d W o r t 1 5 9

führten Feldzuges sagt, w ir w eigerten die A ngabe unserer G esam m tforderung, um m it der W affe unseres H eeres im*

perialistische Ziele zu erkäm pfen. Im A ngesicht der W elt antw orte ich: D as ist n ich t w ahr. M eh r als je zuvor ver­

dien t heute Frankreich das V ertrauen u n d die B ew underung aller Völker. U n d A llen, die dieses vo n U ng lück heimge- suchte Land in R uhe u n d m it dem ernsten W illen, nicht u n ­ heilbares U ebel zu schaffen, jed e M öglichkeit zu L inderung des W eltleides erörtern hören, d ürfen wir zurufen: H u t ab!

D ie w ürdige H a ltu n g dieses Landes verdients. Schlimm aber wäre, w enn G e d u ld als Schwäche gedeutet w ürde. M eine F reunde wissen, d aß ich lärm ende G ew altan k ü n d u n g nicht liebe, u n d meine G egner sagen sogar, ich sei zwar d ip lo ­ m atisch behutsam un d schmiegsam , aber ein Bischen schwäch­

lich. Im m erhin habe ich einige Beweise festen Bestehens auf Entschlüssen erbracht; u n d an neuen Beweisen dieser A rt w irds nicht fehlen. W ie stehts d e n n ? W ir m elden unsere Schuldforderungen an un d der Schuldner antw ortet, er sei insolvent, könne nicht zahlen. D a ß wirs in seiner Lage eben so m achen w ürden, ist denkbar. Er beruft sich im m er w ie­

der au f die U nm öglichkeit, uns zu befriedigen, auf die H ärte des ü berstandenen Krieges u n d sagt, wer von ihm Schuld­

tilgung wolle, m üsse ihm dazu helfen, d ürfe ihn also nicht in K nechtschaft u n d E lend erniedern. A ll diese A ngaben brauche ich nu r cum beneficio inventarii anzunehm en; wie der Erbe, der für Schulden u n d Lasten nicht über den U m ­ fang der Erbm asse hinaus haftet. W ir w erden die A ng aben genau, bis ins Kleinste, prüfen u n d in keinem Fall so thö*

rieht sein, die Z ahlungfähigkeit nach dem T iefstand der d e u t­

schen W irthschaft von heute zu berechnen. W ir w ären ge­

prellt, w enn wirs thäten. D eutschland kann u n d w ird sich schnell erholen. U m so besser für uns. (E in paar R oyalisten to b en .) G e w iß : um so besser. W en n Sie nicht dem G ru n d ­ satz zustim m en, Frankreich m üsse das Recht seiner Z u k u n ft w ahren, das von heute aber der L eistungfähigkeit D eu tsch­

lands anpassen, bleibt Ihnen n u r eine Lösung: N u tz u n g d er W irrn iß dieser du n klen Stunde zu Beginn neuen Krieges.41 (A bg eo rd n eter Leon D a u d e t: „ D e r M inisterpräsident ver- th eid igt die These des Feindes!“) „M einetw egen mag I h r

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1 6 0 D i e Z u k u n f t

Patriotism us in dem M in isterpräsidenten u n d M inister des A usw ärtigen einen M ann sehen, der die These des Feindes vertheidigt. Sie haben unsere E rklärung: machen Sie in Ihrer Polem ik daraus, was Sie wollen. W ir m üssen uns dem Halb*

d u n kel ungenauer A ngaben entziehen u n d, m it unseren B un­

desgenossen, alle K raft ahsträngen, um zu der höchstmög»

liehen S chuldtilgung zu gelangen. N eb en uns leben Völker, die im K rieg w eniger als Frankreich gelitten haben, jetzt aber im Inneren so gefährdet sind, d a ß nichts A nderes sie so w ichtig d ü n k t wie rasche U eb erw in d u n g des U nbeha- gens, das die W irth sc h a ft hem m t. M an m ag den Friedens*

vertrag unvollkom m en finden. D o ch er ,ist‘, bietet Positives u n d sichert uns das Vorrecht, zu prüfen, ob D eu tschlan d uns alles fiskalisch Erreichbare leistet oder ob es durch Ver«»

schw endung uns ü b er die Ergiebigkeit seiner Vermögens*

quellen zu täuschen versucht. O b seine Beam tenzahl sich w irklich, wie m an behauptet, seit dem K rieg vervierfacht hat, ob sein E x p o rt leistet, was er zu leisten vermag, oder ob w irth- schaftlicher M althusianism us getrieben w ird, ob das Ruhr*

becken u n d andere Zechengebiete so viel fördern, wie sie kö n n en : D as, Alles, w erden w ir g ründlich prüfen. Frank*

reich w ar K riegsschauplatz, hat der K riegsführung Alles ge*

o p fert u n d im A u sland Schulden gem acht, deren Last uns drückt. D iese K riegsfolgen hat, bei allseinem M angel, D e u tsch ­ land nicht zu tragen. Sind seine Staatskassen leer, so sind doch Privatleute reich gew orden. G ro ß e G esellschaften geben dicke D ividenden, in der In d u strie ist kräftiges L eben: m üssen w ir u nter solchen U m stän d en nicht von V olk u n d Regirung d en G ra d von Solidarität erzw ingen, d er zu E rfüllung der d u rch D eutschlan ds U nterschrift bescheinigten Pflicht ge*

n ü g t? G äb e es keinen anderen A usw eg als den in B an­

kerot, d ann wärs doch geradezu ein Skandal, w enn Frankreich diesem B ankerot erläge u n d D eu tsch lan d ihm entschlüpfte.

G ew altsam es soll m an nich t m it entschlossenem H andeln verw echseln; u n d V ernu n ft sprechen lassen, ehe m an zu ­ schlägt. N u r Leichtfertigkeit könn te ein Land, das so furchtbar w ie unseres gelitten hat, a u f die W eg e der G ew alt drängen, ehe alle versöhnlichen M ittel au sp ro b irt sind. W e n n That*

sachen die Skepsis D erer bestätigen, die nicht an greifbare

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F a l s c h ü e b i i d u n d W o r t 161

Ergebnisse glauben, soll m an das M inisterium wegjagen. Eins aber ist schon jetzt gew iß: N iem and (ich fordere Je d en her«

aus) kann m ir wirksam e u n d zugleich ungefährliche M ittel vorschlagen, ehe w ir uns m it den B undesgenossen fest ver*

ständ igt haben. D ie Z ersplitterun g unserer Kräfte gab im Krieg den D eutschen die U eberm acht u n d w ir k on nten den Krieg verlieren, w enn uns die E inung der Kräfte nicht gelang.

M eine erste A ufgabe m u ß sein, auch au f der Friedensfront die E inheit des H an deln s zu sichern. Ist sie erreicht u n d die Schuldsum m e festgelegt, dan n w ird auch Strafandrohung in E intracht m it den G enossen m öglich. D ie Sicherung un*

seres Landes ist seine Lebensfrage. D e r Friedensvertrag ru h t auf der V oraussetzung, d aß ein B ü n d n iß m it E ngland u n d A m erika uns besser als jed e Flußgrenze.schützt. D as w erden wir den V erbündeten noch einm al sagen. M üssen w ir aber allein bleiben, dann darf Keiner uns tadeln, w enn w ir uns die zu A b wehr von Angriffsgefahr n oth wendige M acht w ahren.

A uch soziale Reform en gedeihen nicht in w üster U n o rd n u n g ; sie bedürfen der U eberlegung u n d der M itw irk u n g aller A rbeiter. W en n die A rbeiter erkannt haben, d aß die R epublik solche Reform en will un d vermag, k önnen wir H a n d in H a n d gehen u n d Alles w ird leicht. H errische Beschlüsse könnte n u r d e rZ w an g letzter N o th w endigkeit uns aufdrängen. W e n n Bürger das vom Staat ihnen anvertraute M an d at zum Schaden des Landes anw enden, bahnen sie n u r der ärgsten R eaktion den W eg. D am it glaube ich m eine sozialpolitische A uffasung klar angedeutet zu h ab en .“ (A b g eo rd n eter L afont: „ Ist das A lle s? “) „Ih n en, H err L afo n t,k ö n n te kein R egirungprogram m genügen; u n d doch sind Sie in der ro th en Sonne von M oskau schon abgeblaß t. W e n n die A b g eord n eten den A rb eitern G reifbares bringen, w ird m an sie zwar ü berbieten, die M asse aber w ird vo r der W a h l zwischen der P olitik des .Alles oder nichts* u n d d er fühlbarer V erbesserung nicht lange zaudern.

H e rr F orgeot hat den K atholizism us gepriesen. Ich stim m e ihm zu; denn auf der ruhm reichsten Seite unserer G eschichte finden w ir die Spur des K atholizism us. H e u te aber ist Frank*

reich d ieH e im ath aller Franzosen; u n d seine R egirung spricht im N am en des Frankreichs der R evolution. N iem als w erden w ir d u ld en , d aß der K atholizism us unserer internationalen

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1 6 2 Die Zukunft

P olitik den W eg weise un d ihr Vehikel werde. Ich m uß u n d w ill wissen, ob diese Kam mer in den W erk en der Re*

volutio n u n d in der republikanischen L eistung ihr V orbild sieht; ob ih r R epublikanergefühl so tie f u n d leidenschaft­

lich wie m eins ist. D ie R epublik, die Frankreich ein Stück seines Fleisches zurückgab, ist Frankreich selbst; ist untrenn*

bar von ihm. Ich begreife, d aß Jem an d für das K önigthum ist; aber die absolute G ew alt kann ihn, m it theuren T hron en u n d in Elend verschm achtenden V ölkern, in der Kriegszeit doch wohl in seinem E m pfinden nicht gestärkt haben. In dieser Stunde, die auf Jahre hinaus das Schicksal Frankreichs bind et, m üssen Sie offen aussprechen, ob Sie der R egirung, die offen zu Ihnen sprach, volles V ertrauen gew ähren.“

D iese Rede tru g dem M inisterpräsidenten B riand -fast sieben A chtel aller K am m erstim m en ein. G astw irthssoh n aus Saint-N azaire, R echtsanw alt, wegen öffentlich unzüchtiger H a n d lu n g verurtheilt u n d aus dem Barreau entfernt, soziali«

stischer R evolutionär, Rufer zum Gefoeralstrike u n d , in wie- dererlangter R o b e, V ertheidiger des noch nicht zum Patri*

oten gezähm ten H erve, der geschrien h atte,in der Kapitalisten*

rep ub lik müsse man die nationale Fahne auf den M isthaufen hissen, A b g o tt der w ildesten G ew erkschafter, Sekretär des von Jaures geschaffenen Sozialistischen G eneralausschusses, F ührer der A b o rd n u n g , die H errn M illerand, vergebens, zum R ü ck tritt aus dem K abinet W aldeck^R öusseau aufforderte, M itg lied der Kam mer und vo n ihrer M eh rh eit um jubelter Schöpfer des die Kirche vom Staate trennenden G esetzes;

1906 zum ersten M al M inister (fü r U nterrich t u n d K ultus), 1910, schon als M inisterpräsident, B ändiger der Eisenbahner, dessen „F au st“ von der B ourgeoisie besungen w urde: so ist, in and eu tender U m rißlinie, das E rlebniß des H errn A ristide B riand (dessen A n tlitz ich im zw eiten Bande der „K öpfe“

zu m alen versuchte). In der K riegszeit schw and der G laub e an seine Faust. Vielen galt er seitdem n u r noch als der große R edner, dessen B aryton, V ioloncello jed e M enge, auch deren Kam m erauslese bezau b ere,u n d als der verschlagene T aktiker, dessen „souplesse“ aller Schwierigkeit H err w erde. W eil beide Kam m ern der W u n sch eint, die M acht des Präsidenten Mille*

ran d nicht ins M onarchische wachsen zu lassen, weil beide

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F a l s c h G e b i l d u n d W o r t 163 in den T agen der w ichtigen K onferenz neben dem m ehr ge*

fürchteten als geliebten H e rrn L loyd G eorge einen M ann von A nsehen u n d E rfah ru ng h ab en w o llten , gelang dem Kam#

m erpräsidenten Peret nicht die B ildung eines Kabinets (das w ieder, wie das des H errn Leygues, ein K abinet Mille#

rand gew orden w äre); als M a n d ata r dieses D oppelw unsches lehnte Senator Poincare die U ebernahm e des Finanzministe*

rium s ab: u n d bahnte d ad u rch den W e g für H e rrn B riand, d er ihm einst auf den höchsten Sitz der R epublik geholfen u n d d urch diesen Kingmaker* D ien st den W ü th erich Clemen#

ceau gegen sich in H arnisch gebracht hatte. In sein siebentes K abinet rief H err B riand den klugen G ro ß in d u striellen Lou*

cheur, gab das K riegsm inisterium dem nationalistisch schil#

lernden A bgeordn eten B arthou u n d das Finanzm inisterium H errn D oum er, der, als B udgetreferent des Senates, im De#

zem berden unzulänglichen Finanzm inister niedergesäbelt u n d tiefen E indruck durch die V erlesung eines 1917 ü b er Hun#

gersnoth u n d Elend in dem vom deutschen H eer besetzten N o rdfrank reich von dem holländischen D eligirten erstatteten Bericht gem acht u n d gesagt hatte: „Ich gehöre nicht zu D enen, die zu V erew igung des H asses aufhetzen, un d w ollte durch die V erlesung Sie nicht in W u th bringen, sondern h u r vor übertreibendem M itleid m it dem jetzt harten Schichsal der D eu tsch en w arnen, die sich solcher U n th a te n fähig zeigten;

ohne von H a ß un d gewaltsamem D ru ck zu reden, darf u n d kann Frankreich von seinem Schuldner, dessen A ctivum viel beträchtlicher als unseres ist, Z ah lu n g erlangen.“ Schon die W a h l dieser M itarbeites verrieth B riands Streben, D enen selbst, die ihn noch unter der roth en Fahne,' als V orm ann des Rebellenzuges, erblickt hatten, sich als den Starken zu zeigen, der die gelockerte E inheit der Entente C ordiale rasch wieder festet u n d den Franzosen, endlich, G reifbares bietet.

In dieses Streben w urde er von allen Seiten gedrängt; m it dem fühlbarsten N ach d ru ck von dem ihm zu D an k verpflich#

teten H errn Poincare, der, nach heftigen A usfällen gegen Eng#

lands Politik, als M inisterpräsident u n d A usw ärtiger M inister noch nicht leicht m öglich wäre, aber an E influß u n d An#

h ang gew onnen hat, seit allen U nbefangenen erwiesen scheint, d a ß er in der M aienzeit seines Präsidium s V erständigung m it

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164 Die Zukunft

D eu tschlan d (via B unau-V arilla u n d Jules C am bon) gesucht u n d im Sommer 1914, sogar nach dem von Jaures gefällten Ur*

theil, alle zu Friedensw ahrung erdenklichen M ittel angew andt h at (nicht aus Pazifistengefühl, sondern, weil er Deutsch*

lands U eberm acht fürchtete u n d, wie sein Brief an den K önig G eo rg ü b er jed en Zw eifel stellt, bis in die Stunde des deut*

sehen E inbruches in Belgien nicht an E nglands M itw irk u n g zum A bw ehrk rieg g laubte). W ie hoch sein W o rt heute im K urs steht, lehrt die Thatsache, d a ß Revue des D e u x M o n d e s, T em ps u n d M atin ihn zu D au erm itarb eit eingeladen haben.

A u c h den H a u p tin h a lt seiner letzten A rtikel m üssen drum die D eu tschen kennen, die,statt sich ins G än g elband der Presse zu knüpfen, selbst sich den Pfad durch D ickicht lichten w ollen:

„ D e r O berste R ath w ird w ieder einm al tagen. D a wir au f diese feierlichen A ufzüge noch nicht verzichtet haben, w ollen w ir w enigstens w ünschen, d aß m ans nicht allzu k urz mache u n d d aß die Sucht, schnell zu ihrem eigensten Ge=

schäft heim zukehren, die verb ü n deten Regirer nicht zu hasti*

gern A b th u n der vielen ernsten Fragen bestim m e, die noch der A n tw o rt harren. D e r berechtigte Ehrgeiz, über alle vor*

liegenden Problem e sich zu verständigen, ist nicht in ein paar Stünden zu befriedigen; u n d w erden w ieder von der E rörterung allerlei G egenstände berü hrt, aber nicht bis zur E ntscheidung festgehalten, dann m u ß der neuen K onferenz neue E nttäuschung folgen. D ie M in iste r haben die alten Ueber*

lieferungen der D iplom atie aufgegeben, ihren Botschaftern n u r noch den schm älsten Spielraum gelassen u n d geglaubt, nach der W eltum w älzu n g im m er selbst handeln, zusammenkom*

m en, ohne Z w ischenglieder das G espräch führen zu m üssen.

Ich bleibe au f der U eberzeugung, d aß diese neue Verfahrens#

art sehr gefährlich ist. D a m an sie aber angenom m en hat u n d nich t aufgeben will, d ü rfen wir w ohl bitten, d aß man sie n u n auch bis ans Ende d u rch fü h rt u n d die logischen Schlüsse daraus zieht. W e n n die V ertreter E nglands u n d Italiens h ierherkom m en, am Q u a i d ’O rsay ein fieberhaft schnelles G espräch anfangen, bei zwei oder drei offiziellen M ahlzeiten m itschm ausen u n d auf dem T rittb re tt ihres W agons eine ge*

m einsame E rklärung unterzeichnen, w erden w ir Ende Jan uar nicht weiter sein, als w ir heute sind. Schon 1919, als der

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F a l s c h ü e b i l d u n d W o r t 1 0 5

F riedensveitrag zu redigiren war, w ollten die Regirunghäup*

ter ,farä da se‘, m it eigener H a n d eingreifen, statt eine Di*

p lom atenarbeit den D iplom aten zu überlassen. D am als nah?

men sie sich wenigstens die zu B ew ältigung solcher Auf*

gäbe nöthige Z eit u n d hö rten nicht auf, ehe sie das W erk für vollendet hielten. Sie bequem ten sich, m it ihrer ganzen G utachterm annschaft bei uns zu w ohnen, u n d bildeten sich nicht ein, nach ein paar T agen fertig zu sein. D ie A ufgabe von m orgen ist kaum w eniger schw ierig als die vom Früh*

ja h r 19 u n d n u r Leichtsinn kann wähnen, im Z eitraum eines M orgens das Z iel zu erreichen. N ic h t einmal über die Be*

ziehungen zu G riechen un d T ü rk en noch ü ber die im Nor*

den von Syrien auftauchenden Problem e scheinen w ir m it E ngland einig zu sein. U nsere Regirung hatte die Revision des Vertrages von Sevres verlangt, den unsere Kam mern noch nicht ratifizirt haben u n d nicht leichthin ratifiziren w erden.

D iesem öffentlichen V erlangen folgte die öffentliche Ant*

w ort der englischen R egirung, sie sehe keinen G ru n d zu Vertragsrevision. U nsere Stellung zur T ü rk ei w ird durch solchen W id ersp ru ch nicht verbessert. N o ch unbehaglicher ist unser V erhältniß zu G riechenland. W ir erleben im Privat*

verkehr m anchm al,daß einalter F reund sichgegen unsschlecht beträgt. D a w ir ihn von der K indheit auf duzen, w ollen w ir uns nicht durch H erau sford eru n g zum Z w eikam pf lächerlich m achen; u n d m einen, er w erde durch die W eigerung, seinen G ru ß zu erw idern, genug gestraft. D och vom T ag dieses schönen Entschlusses an ists wie V orbestim m ung: auf Schritt u n d T ritt begegnen wir dem alten F reu n d; u n d er, der u ns sein U nrecht nicht nachträgt, verd o p p elt den A usdruck der H ö flic h k e it un d zieht den H u t, wo er uns auch n u r von W eitem sieht. W as soll m an schließlich th u n ? Einmal, zwei*

mal d reht m an den K o p f weg; doch der A ndere w ird im m er aufdringlicher u n d eines schönen Tages erw idert m an, des Kam pfes m üde, den artigen G ru ß . Ich m öchte keinen E id darau f leisten, d aß es u ns m it G riechenland nicht auch so gehen werde. Statt uns gegen die Folgen seines A bfalles Sicherheit zu schaffen, haben w ir ü ber den K önig den Bann zweiten G rades verhängt; nicht einmal unsere G esandten abberufen, so ndern sie nur, wie Soldaten in der Kaserne,

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1 6 6 Die Zukunft

in ihren H äu sern zu W achbereitschaft verpflichtet. D e r K ö­

nig ist, u n ter dem Ju b e l des V olkes, im Piraeus gelandet u n d in das Schloß zurückgekehrt, aus dem er so glühende Des peschen an W ilh elm den Z w eiten geschickt hatte. Vom ersten Schritt au f die T h ro n stu fen an hat er die V erbü nd eten M ächte m it feierlichen T reu g elü b d en überschüttet. W o w ir stehen u n d gehen, w ird auch er sein, jedesm al den H u t schw enken;

u n d eines Tages w erden w ir eine R eflexbew egung m achen u n d vergessen, d aß unser K op f bedeck t bleiben soll. V er­

gessen w ir an diesem T ag m indestens nicht, m it kategori­

scher K larheit zu dem K önig K onstantin zu sprechen und der E ntkräftun g des Bannfluches die Sicherung unserer Zu*

k u n ft folgen zu lassen. U n ser V erzicht auf das 1832 uns zu­

gesprochene U eberw achung- u n d K ontrolrecht ist nicht m ehr zeitgem äß un d m u ß deshalb zurück genom m en w er­

den. V enizelos hatte uns ein rasch gewachsenes G riechen­

land gezeigt u n d w ir h atten es für m ü n dig g e h a lten ; da es selbst n u n seine U n m ü n d ig k eit gesteht, m üssen wir wohl noch ein W eilchen w arten, ehe wirs aus der V orm undschaft lösen. D ie Entw affnung D eutschlands ist ein Felsblock, den die v erb ü nd eten Sisyphoskräfte seit zwei Jah ren vergebens bergab zu wälzen suchen. Als im M ärz 19 das G erücht auf­

kam, m an wolle den D eutschen zwei? o der gar dreihundert*

tausend M ann lassen, w urde der Friedenskonferenz in einer D enkschrift aller K am m erparteien gesagt: ,Beim A u fbruch zu E ro berun g der W eltherrschaft verbarg D eutschland das Ziel seines Ehrgeizes nicht. D ie M ächte zw eiten Ranges, Däne*

m ark, H o llan d , die Schweiz, sollten ihre politische Selbstän­

digkeit verlieren, Belgien u n d N o rd fran k reich einfach an- nektirt w erden. D iesen T rau m des G rö ß enw ah nes hat der Sieg der V erb ü ndeten zerstört. W e n n sie ihren T riu m p h so auszunutzen trachteten wie der A ngreifer seinen ertiäum ten, w ürde D eu tsch lan d zerstückt. D as ist nicht unseres Stre- bens Ziel. W o z u aber dem D eutschen Reich die E rhalt­

ung m ilitärischer M achtm ittel gestatten, die, noch in den engsten Schranken, eine B ed ro h un g der N achb arn wären?*

J e tz t sehen w ir neben der R eichsw ehr die g u t bewaffnete Sicherheit- un d O rd n u n g p o lizei nebst E inw ohnerw ehren. D ie N o te des U eberw achungausschusses, die ergänzende Prüf»

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l ' a ! s c h ü e b i i d u n d W o : " 167

u n g des M arschalls Foch, die Liste, die unsere R egirung am letzten D ezem bertag veröffentlicht h at: all D as erw eist deutlich, d a ß jenseits vom Rhein die A rtikel 177 u n d 178 des Versailler Vertrages system atisch m ißachtet w erden. Uns ter welcher B edingung w urde in Spa die Frist zu Heeres*

Verringerung noch einmal v erlän gert? U n ter der B edingung, sagte, nach der H eim kehr aus Spa, H err M illerand in der Kammer, d aß die deutsche Regirung sofort die Sicherheit­

polizei u n d die E inw ohnerw ehren auflö st. .Sollten wir an irgendeinem T ag vor dem ersten Ja n u ar 21 von unseren Kom*

m issionen hören, d aß die Fristen des A bkom m ens von Spa nicht ehrlich gew ahrt w erden, dann w erden die V erbündeten sich zu B esetzung eines neuen deutschen G ebietsstückes, des R uhrbeckens o d er eines an d e re n , entschließen un d es erst räum en, w enn alle V ertragsbedingungen genau erfüllt sin d .1 W ir haben kein neues G ebietsstück D eutschlands besetzt u n d dessen Regirung w iederholt w örtlich, was sie uns in Spa gesagt hat: die Entw affnung der Einw ohnerw ehren u n d d er Sicherheitpolizei sei zu gefährlich. In dem besiegten Lande, das über H u n g er u n d Elend klagt, w ächst die Be»

am tenzahl u n d der dazu nöthige K ostenaufw and; trotzdem die V olkszahl, d u rch Menschen# u n d G ebietsverlust, kleiner gew orden ist. A uch im M ilitärb u d g et finden wir, die so viel von Entw affnung hörten, keine E rsparniß. D er O berste Rath w ird zu erw ägen haben, ob er noch länger V ertragsum gehung d u ld en dürfe, die dem G läub ig er fast zwei M illiarden M ark im Ja h r entzieht. D as angegriffene, überfallene, verw üstete Frankreich hat E ntschädigung zu fordern. D eutschland will, wie jeder S chuldner, durch Z ah lu n g seine V erm ögenslage bessern. D as d arf es: n u r nicht au f des G läubigers K osten.

W e n n w ir nicht bis zum ersten M ai die G esam m tsum m e un*

serer S ch uldforderung angeben, setzen w ir uns selbst ins Un«

recht; die D eutschen w erden sagen, d aß w ir den V ertrag ge­

brochen, uns seines Rechtes begeben haben, u n d ihnen w ird leicht sein, im m er neue Chicane gegen uns zu ersinnen. In ­ zwischen vergeht die Z eit, das Interesse unserer B undesge­

nossen erlahm t u n d schließlich stehen wir allein vor dem N ichts. H e u te können wir die Schuldziffer so errechnen, d aß nicht n u r ein Pauschalakkord draus w ird. D as W o rt Pauschal­

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1 6 8 Die Zukunft

ak k o rd (forfait) gebrauche ich hier in dem Sinne, den ihm Ju riste n u n d G eschäftsleute geben; ihnen b e d eu tet es Um*

riß b estim m u ngo h nevo rau fgeg ang en eE inzelbew erthung.N un fürchtet m an, wie m ir bekannt ist, der E ntschädigungausschuß (com m ission des reparations) werde au f eine Riesenziffer kom*

m en, die D eu tsch lan d ,d ie sogar m anchen B undesgenossen er*

schreckt. In der Schätzung des A usschusses w ird es aber, wie u n ter d e n B o n s,d ie den G eschädigten Z ahlung anw eisen,zw ei verschiedene A rten geben; auf der einen Seite steht der W e rth von 1914, auf der anderen der Zuw achs (m it unbestim m tem K oeffizienten) du rch E rh ö h u n g der Löhne u n d Preise. V on dem W e rth 1914 ist, natürlich, nichts abzu handeln; den ge*

steigerten kann der A ussch u ß nach dem G eb o t derG erechtig*

keit schätzen. DieSach verständigen em pfahlen einenZ wischen*

zustand von fünf Jahren, in d en enD eu tsch lan d , m itG e ld un d m it Stoff u n d W aare,seineSchuld abzuzahlen beginnt; w ährend dieser u n d der folgenden Z eit soll der G läubiger m ünzbare Pfänder, wie des Schuldners Z olleinnahm en, in der H an d behal*

ten. D ad u rch w ürde D eutschland in den Jahren der ärgsten Schwierigkeit geschoiit un d später wären w irT heilh aber seines Schick sals u n d M itgenießer des N utzens, den die langsame oder schnelle.B esserung seines V erm ögensstandes ihm bringt. D as ist einfach, klar u n d ich selbst habe schon vor M onaten ein ähnliches V erfahren em pfohlen, das nu r länger währen und a u f festerem G ru n d ruhen Sollte. A ufrichtig w ürde ich mich freuen, w enn der Vorschlag der H erren Seydoux u n d C h e y sso n ein brauchbares E rgebniß liefert. N o ch g rö ß er wäre aber meine Freude, w enn w ir nicht dabei stehen bleiben, sondern schon jetzt die G ru ndsätze festlegen, nach denen w ir bis zu völliger S chuldtilgung das Recht auf einen Theil der deut*

sehen Staatseinnahm en hätten. D och in jedem Fall fo rd ert d er V orschlag der Sachverständigen nu r die A n w en d u n g der V ertragsvorschriften, verpflichtet uns also durchaus nicht zu irgendw elcher ausgleichenden G egenleistung an D eutschland.

U nzulässig wäre, zum Beispiel, die (zum Zw eck der Jahres*

ratenm inderung aufgestellte) B ehauptung, D eutschland habe, d urch H in gab e von W aaren, Schiffen u n d anderen W erthen, uns schon m ehr gezahlt als die zw anzig M illiarden G o ld ­ m ark, die wir bis zum ersten M ai 21 von ihm zu fordern

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