leL Jahrg. Berlin-,den6.Februar1909.
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Herausgebers
Maximilian Karmen.
Inhalt:
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Ehrvnilm ......... .....................201
Itaakønaklxwendigkeikem Vongenug-Miit ...............212
Kplxvriømrm Vonzfokde Leut-z .............«..·......218
Industrie undKapital. VonJuden ...................222
Unkwccrt Vomziaykweruverøqud .......·..—...... .225
Edusrd Vll.........................·.....227
Uachdruck verbotenz
V Erscheint jedenSonnabend.
Preisvierteljährlich5Mark,dieeinzelne Nummer50Pf.
Berlin.
Verlag der Zukunft.
WilhelmstraßeZa.
1909.
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Berlin, den 6.Februar 1909.
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Chronikcr
Draußen·
Warumsinddie Briten nachEgypten gegangen?WeilsaufdemWeg nachIndienliegt.Warumzahlensiefür ihrePositioninPersieneinen sohohenPreisundforderndieOberaufsichtüber denPersischenGolf?Weil Persien aufdemWegnachIndienliegtunddasWasserdesPerserbusenssich mit dem desJndischen Ozeansmischt.Warum mußtensiedasKapland ha- ben?Weilsieauch diesenWeg nach Indien brauchten.Warumgewährensie demEmirvonAfghanistanSubsidien?Weil dieSchanzederindischenFe- stung nichtvon einemGegnerBritaniens beherrschtwerdendarf.Warum sucht ihrsorgenderBlick dieunwirthlichenPatnirwiisten? Weildieseöden Strecken dieNordstraßenachIndien öffnenoderschließen.Warum habensie demKönigvonSiamdengrößtenTheil seinesReiches durchBürgschaftge- sichert?WeildiesesLand dieindischeGrenzevondemGebiet eineseuropäi- schenNebenbuhlerstrennt·Was triebsiezu der traditionellen Türkenpolitik?
DieErwägung,daßihrBesitzimOstengefährdetwäre,wenn dasOsmanen- gebietunter denEinflußeinerfeindlichen Machtkäme.Diese Fragen hat LordCurzon os Kedlestongestelltundbeantwortet,alserVicekönigvonJn-v dienwar.Wir paarBriten,spracherdamals, sindhier,alsBeherrschereines FiinstelsderMenschheit,wie einwinzigerSchaumfleckaufeinemdunkel brau- sendenWeltmeer.Wer darannichtdenkt,kann dasErlebnißderletztenMonate nichtverstehen.HerrIswolskijhätte(inBud-.lauhoferersnoch)denMeerengen- schlüsselalsTropaionausLondonheimgebracht,HerrvonAehrenthaldie An- nexionderBalkanprovinzenohne ernstvesHetnmnißdurchgesetzt,wennIndien ruhiggebliebenwäre.Dochdieanglo-japanischeFreundschafthatdieHindu- .weltinheftigeBewegunggebracht,mehralsjefühltderbraunesichdemweißen
16
20 2« DieZukunft.
Mann ebenbürtig,derdunkleOzean istbisin dieTiefeaufgewühltund der winzigeSchaumfleckwürde in derBrandungzerstäuben,wenn ihn nichteine- WogeinsFreiezurücktrüge.NiewarEnglandausdiesünfundsechzigMil- lionenMohammedaner,die imindischenKaiserreich leben, soangewiesen wie indieserStunde. Drum mußeszeigen,wasesfürdenJslam thut; muß- trachten,demTürkenwunschErfüllungzuschaffen.Soziemlichwardes er- reicht. Die Meerengen? Heuteleiderunmöglich,lieberszolskij; werdazu- hülfe,hälteinMohammeds Machtbereichverspielt Aenderungdesbosnischen Besitztitels?Dafür,BaronAehrenthal, sindfünfundfünfzigMillionen zu zahlenundallerleiKonzessionenzumachen;diehabenwir dann dem Sultan unddessenVormund,demregirendenJungtürkenausschuß,verschafftNicht knickern,VetterFerdinand;dieLösungvomSuzerainistunterBrüdernhun-- dertMillionen werthunddieHohePforte brauchtGeld.Auch derHellenen- königsollsichgeduldenzindiesemAugenblickmuß,so schweresunswird,die ErlaubnißzurVerspeisungKretasgeweigertwerden. Soklanges vonder Themse.Curzons Nachfolgerkann zu denMusulmanen sprechen:Seht Ihr nun,wie wirfürdieMachtEurer Glaubensgemeinschastsorgenundsievor- Schmälerungschützen?Wirganz allein.Seidunsalso hübschdankbar!
Einneuer Britensieg. DessenGlanzfreilicheinBischengemindert- ward; durchdiepariserVerstimmungunddurchdiedeutscheEntschlossenheit, Oesterreichnichtallein imGedrängzulassen.Dieaustro-türkischeVerstän- digungist erreicht(EnglandwolltesieeinerEuropäerkonferenzvorbehalten) und derWiderstand einzelnerParlamentsfraktionenwirdimBakschischland zu überwindensein«Bulgarien hatnur nocheineGeldfragezu beantworten und inWien,Petersburg,LondonzurVermittlungbereiteFreunde.Bleiben dieSerben.SieforderndenschmalenLandstreifen,derihnendenAusgang indieAdriasichert;erklären,daßsiesonstinnachbarlicherllmklarnmerunger- stickenmüßtenundentschlossenseien,lieber dasLeben zu wagen·JhrKalkul ist nichtganzso thöricht,wieman nachdemGeplärrzuchtloserPrinzchenglau- ben könnte.DieZeit austro-rujsischerEintrachtist einstweilenvorbei. Jn Jtalien hatdieAnnexion,die dasHabsburgerreichzurBalkangroßmacht
«
wandelt,undderStreit umdieitalienischenStudenten zuöffnendeUniver- sitätdieGeister erregt. Oesterreich-Ungarnmüßteanderrussischenundan deritalienischenGrenzebeträchtlicheTruppenmassen aufstellen, eheeslos- schlüge;undhättein einemBerglandzufechten,woderHeimischeimmer- imVortheilist.Auf ihreGeschütze(oomCreuzot-Schneider)sinddie Serben- sehrstolz, halten siefürbesserals dieösterreichischenundmeinen, daßdie- SlavenwuthdieschwächlichzauderndepetersburgerRegirungzumEingriff
Chronika.. 203 zwingen.würde,wennsdenBrüdernimSüdendennochschlechtginge.Daswäre dercasus fopderisfürdasDeutscheReich;undmindestensfraglichwthnliem Frankreich,Englanddannneutral blieben.Entweder alsoeineunabsehbare Konflagration,diedurchdenHaderumein paar KilometerbilligenVulkan- landesbewirktwäre,odereinelangwierigeGuerilla, die, imGebirg,den Eindringlingmehr kostenkönnte als denVertheidigerererbten Bodens.Etwas wie einTransvaalkriegin denHaemusschluchtenSorechnetman in Bel- grad. ZehnMillionenSerben,heißtsda, lassensichnichtabwürgenwieeine HammelheetdezwerdenvonWienundvonSofia ihrLebensrechtheischen(denn auchderalteZwistmit denBulgaren drängtzurEntscheidung).UnddieDy- nastie weiß,daßnur diedicksteUnterstreichungnationaler Forderungen ihr Dasein noch füreinWeilchenfristenkann. Ganz istdieFeuersgefahralsonicht beseitigt. Dochdie Serbenbedenkenwohl, daßOesterreichdieKriegsmittel einerGroßmachtundeinenvonSachverständigenbewundertenGeneralstabhat, undwissen,wietapfersichdasbulgarischeMongolenblutschlägt.Undvergäßen sies, sowürdeEnglandsiedaranerinnern. OhneBritengold giebtskeinen Balkankrieg.AnsMeerkanndemSerbenstaat auchdieVereinigungmit Montenegrohelfen.WennjederschreiendeKnirpserhielte,wasseinHerzge- radebegehrt,bekämeEuropaniewiederRuhe.DereuropäischeKontinent wenigstenssobaldnicht. Rußlandvkann,FrankreichwillsichdesBalkans we- genjetztnichtgernengagiren.Die beidenKaiserreichealsGegner:eherver- suchenrussischeGeneraledochwohlinNordwestpersienihr Heil.Von Aska- bad insafghanischeHerirudthal ists(Eurzonhat,alsWächterIndiens, oft daraufhingewiesen)nichtallzu weit.Vorsichtalso sehrnöthig.Undfür-seinen islamischenNimbus hatBritanien zunächstjagenuggethan.
DreiMonate ohnelauteRede undauffallendenGestus: schonvermag Deutschlandfreierzuathmen.Wennsichsnur längerrechtruhighält!Daß justvorEduards Besuchin allenWinkelnvondeutsch-französischenVerhand- lungengemunkeltwird,isteinBischenbeängstigend.Brauchtbei unsJe- mandFirniß für verblichenenDiplomatenruhm?Soweitsindwirnochnicht wieder, daßwir unsdenLuxuskostspieligerBersöhnungpolitikgestattendür- sen.DiewillderBritenkönig;weilsieunsereWestslankelähmenwürde. Des- jntiåressement vonMarokkm dagegenwärenichtviel zusagen; Triftiges aber gegen einkünstlichbeschleunigtesrapprochement (mitBagdadbahn- geldund»Konzessionen«ähnlicherSorte).DerfranzösischeRentier hatein- gesehen, daßdenvonihm nach Osteuropa verliehenenMilliarden vonder englischenPolitik mehrGefahrdrohtalsvonderdeutschen.Diese Erkennt- nißwirdheilsamwirken.Nurnicht nachdriickenunddieHanddabei in die
ie-
204 DieZukuxsfe
Fallestecken.Jeder franko-deutscheVertrag brächtederRevublik jetztsiche- reren Gewinn als demKaiserreich;selbstdergünstigstewürde die Willens- freiheit mindern,diebaldvielleichtunserwichtigstesGutseinwird. Wir kön- nenwarten. Geschütz,Gewehr, SchießbedarfzAlles inbesterOrdnung.Je stillerwirsind, desto schnellerkommts zwischendenheutenochzärtlichGe- sellten zuunbequemerFriktion. Jeklarerwiraussprechen,daßwireinemnoth- wendigenKriegniemalsausweichenwerden, desto sichereristunsderFriede.
Eduardwird diestärkstenseinerKünsteanwenden. EinVereinsamter, hofft er,ist leichtzuwillsährigerLiebe zustimmen.Deutschland muß sehr höflich sein, sehrnüchternbleiben und keinenZweifeldarüberlassen,daßes in dem BesuchwedereinHuldgeschenknochdasSymptomersehnterWeltwendesieht.
Drinnen.
FürstBülowwillim Amtbleiben. DasbeweistdieRede,dieeram neunzehntenJanuarimLandtaggehaltenhat. (Schönundganzwürdigfand
ersie selbst wohl nicht; vielleichtabernöthig.UndauchdemBefehderder Römerparteiheiligt derZweckdieMittel.)Oberbleibendarf?Möglich;mit undohneBlock.DiesesKunstgebild hält,beischonenderBehandlung,wohl nocheinWeilchen;waswürde,wenns zersiele,ausdenfreisinnigenFraktio- nen,diesovieldafürthaten,daßihnenzuthun fast nichts mehr übrigblieb?
Undmußgeschiedensein, so findetderAalglatteeinen anderen modus vi- vencli. EinformellerFriedensfchlußmitdem Centrumwäresogar für ihn immerhin schwierig;leicht aber,diekonservativenKatholiken für bestimmte Ausgabenandie altenKartellparteienzu kitten.DieReichsfinanzreformist derPivot,um denAllesschwenkt.Nochsiehts aus,alsmüsseauch dieserdürf- tigeReformversuchscheitern;müsse,mitwechselndenMehrheiten, jederVor- schlag,der denReichskassenBeträchtlichesverheißt,abgelehntwerden. Noch aberliegtAllesimNebel.GroßeParteienglauben,derKanzler seinichtmehr WilhelmsMannundwerdenächstensnachFlottbeckoderRomziehen.Ein- zelnemeinengar-, dasBegräbnißderFinanzreformwerdeamHofgewünscht, weiles denKanzlerzum Rücktrittdrängen,denKaiservonlästigerInitia- tive,entbürden«unddieBehauptungermöglichenwürde,FürstBülowseifrei- williggegangen,nichtetwaanseinerKritikkaiserlichenHandelnsgestorben.
Sobald man weiß,daßnochfüreinelange FristmitdiesemKanzlerzurech-
nenistunderdasFlascheniinddesHerr Sydow überlebenwürde,wirdsam Horizont-hellenPreußensStaatsminister, denBundesrathunddieBundes- sürstenhatderListenreicheinseinemBoot; ohnedenKaiserkönnte es den- nochimSeegangkentern.Erbrauchteinensichtbaren,unzweideutigenBeweis
.Chronika. 205
kaiserlichenVertrauens. ObWilhelm,selbstwenn erdemNovembernccker grollte,jetzt,widerdenausgesprochenenoderangedeutetenWunschsämmt- licherdeutschenFürsten,zu einemKanzlerwechselLusthätte?DenKonser- vativenschillertderMann,der,unterWahrungallerihmberechtigtscheinen- deanteressenundmitsehrbedächtigerSchnelle,Preußenmodernisirenmöchte, allzuliberalundmächtigeKlüngelsind ihm verfeindet. Thutnichts. Wenn ereineAllerhöchsteBotschaftin denReichstagbringen,sichimungeschmälerten BesitzalterHuldzeigenunddiezumBundesrathBevollmächtigteninsFeuer schickenkann,isterwiederobenauf. ,,Kinder:BülowsitztmitbeidenBeinenim Sattelundist frischeralsje. OthrdieNachlaßsteuerhinunterwürgtoderaus- speit,mitdemCentrumäugeltoderdenNationalliberalen Komplimentedrech- selt:S.M. hältihn;vielleichtnochsehrlange.WolltJhrihnärgernundmitGe- waltlinkwärts stoßen?WäretJhr auchnursicher,daßnachihmeinEuchAnge- nehmererkäme?DerMarschallderHandelsverträge;derJunkerkritikerGoltz;
Wedel mit derLangensalza-Medaille;derbürgerlichhumane Bethmannmit demTröpfchenSemitenbluts DahabtJhrein paarProben. Nochaberdenkt derChefgarnichtansGehen;wird auchnichtweggejagt.Seidalsofriedlich
,-undlaßtdenWahn fahren,derSturmlauf gegenSD.machebeiS. M· be- liebt.« WennHerrvonLoebellsoredendürfte,wäredasSpielhalbschonge- wonnen. DieLiberalen kannman jedenMorgenjamit demHinweis aufdie CentrumspräsenzängstigenSo lebenwir; nochimmer.AufdieHofgeltung undHaltbarkeit,nicht aufdiePolitikdesKanzlerskommt es an; eingunst- loserBismarck wärenochheuteübler dranalseinChlodwigim Sonnen- schein.KeingroßesThemaalso;einePersonalfragenur,derenBeantwortung derKaiser,imReichsinteresse,kaumnochlangeaufschiebenkann.Füralles Uebrige laßtgetrostdanndenneuen ZweibundBülowiRheinbabensorgen·
Totenleuchten
»Dein Dichter der,Kinderthränen«iftdasTheaterlängstzum Kinder- reichgewordennndman darf, ohne ihnzukränken,sagen,daßerandeana- denpforte nicht mehrvielGepäckzurückzulasfenbraucht·Ihm istdie Welt- geschichteeinBilderbuch,in demergernblättert,ausdemerfür artigeund unartigeKinder gernlehrreicheMärenauf»dieBühne holt.ErhateinPä- dagogenzielvorAugen,dasallerlöblichste:erwill inseinenMitbürgerndas Gefühl sürdas Vaterland,denStolz aufdasVaterland stärken.Underhat einen ausfestenWurzeln aufgeschossenenGlauben,denallertröstlichsten:der protestantischeDeutsche,derritterlichmit demSchwertumzugehenweiß,ein frommesLied in derKehle trägtund einkeuschesJungfräuleinansbiedere
206 DieZukunft.
Herz drückt,ist ihmdie Krone derSchöpfung,dasdemTelosnächsteWesen.
DerEnkel eines verwegenenPreußenprinzensteht,wie lautringsum auch der Sturm brausenmag,unerschüttertimAlten,Ererbten. Jhn plagenwe- derSkrupel nochZweifel. Patriotismus ist ihm Gottesdienst.EinFürst ist ihmheilig;abernur, wenn eseindeutscherFürst,einprotestantischerFürst ist. Sonst sollihnderTeufel holen.SeineWeltanschauungistvondurch- sichtigerKlarheit.EinGott,der gern mit denstärkstenBataillonen ist,re- girtdie Welt undüberträgtmitunter einenTheil seinerRegirungsorgen demjeweiligGewaltigsten.Demsollendie Anderengehorchen,strammund forsch,ehrfürchtigunddochkreuzfidel,undseineFeinde,diegewöhnlichWelsche undniederträchtigeKatholikensind,mitdeutschenHiebenin diePfanne hauen.
JrrthümerderVorsehung sind ausgeschlossen·DerBösebekommt immer seinenLohn;derGutemanchmal erstimJenseits.Und wasgut,wasböseist, stehtinderFibelund imKatechismus.EinSolchesglaubenderMannistein Schatz für sein Volk;einnochkostbarererfür seinenKönig.Dasempfand WilhelmderZweite,als erzudemZüchtigerDietrichsQuitzowsagte:,Sieer- leichternmir meinAmt.« Und einemsolchenMannekann,wennerTemperament hatunddasBühnenhandwerkleidlichkennt,bei derMasseseinerLandsleuteder Erfolgniemals fehlen.ErgiebtWeltgeschichtefürdiereifereJugend;giebt Stücke,wiedasTheater siebraucht.EinVergnügenists,ingelassenerRuhemit-
anzusehen,wieHerrvonWildenbruchseinenStoffzueinemKnäuelzusammen-
ballt undihn dann,beiDonnerundBlitzoderbeiOrgeltonundGlockenklang, plötzlichvoneinesGewaltigenHandwieder entwickelnläßt.AlleKindheitge- fühle,Glaube, FurchtundHaß,werdenaufgefchmeicheltoderaufgepeitschtund derhemmungloseHörergeräthschließlichin einenZustandirrerBegeisterung, derihn füralleGräuel(desHistoriographen,Dichters,Technikers)blindund taubmacht«.Daswaren dieletztenSätze,dieichhierüber den Dramatiker Ernst vonWildenbruchsprach.Ungefährsowurdeerdamalsvonallenhalb- wegsKultivirtenbeurtheilt.Seitdemhater irgendwieBeträchtlichesnichtmehr geschaffen.Seinschlechteste-sTheaterstück,»DieRabensteinerin«,trugihm dengrößtenErfolg ein; welchenKalibers esist,magdieThatsachelehren, daßdieHofspielhausleiteresvonderSchwelle weisen wollten,weils zu arg anHinkos FreiknechtsgrausundanähnlicheTheaterhenkereierinnere.Kein Ernsthafter hat dieseLeistungauchnurmit Erbarmen gelobt.An Wilden- bruchs Bahrewardnun geredet,alsseieinmächtigerDichtergeistentleibt.
Muß Pietätlügenlehren? Wildenbruch istnicht unsterblich,seinWerknicht unvergänglich;desDramatikers nicht nochgar desLyrikers.3wei,dreikräftig rührendeErzählungen,ebensovieleschnurrigeBerlinerbilder:Besseresließ
Chronika 20,7»
serunsnicht.KeineGestalt,keinenGedanken,nichteinmaleinWort,denen dieZeit nichtsanzuhabenvermöchte-.AufdielängsteLebensdauer darf sein letztergereiknterWarnerruf rechnen:dasRügegedicht,das unterdemTitel ,,DeutschesNeujahr1909«(im VerlagvonGrote) erschienund ausdemich neulicheinpaarReihen ansührte;hier istsmitdenHüllenund demBehang:
»EineStunde, unsresLebensschlimmeStunde GehtmitDirzuGrabe, altesJahr.
Aber wann iverheiltinuns dieböse Wunde, DieDuuns geschlagen?Nimmerdart
Nein, sie soll auch nicht verheilenundvernarbenl Wieuns Schmutz besudelt,wieinSchmach Bettelnd wirumFeindes Freundschaft warben, Ewig geh’uns dieErinnrung nacht Nichtmitschalem Troste hergebrachter Lügen, Derdasneue JahralsRetterpreist, Wolln dieSchamwirlöschenunddenSchmerz betrügen, Derdie Seelebrennend uns zerreißt.
Nichtvom Himmel Gott, von nirgendwo aufErden TritteinEinziger noch fiiruns ein;
Wenn wirselbst nichtneue Menschen werden, Wird diesneue Jahruns furchtbar sein«
Denn diesneue Jahrhat kalte,harte Augen, HartwieSchicksal;unddasSchicksalspricht:
»Teben Denen,diezumstarkenLebentaugen, FürdenSchwächling wächstdasLebennicht.«
Sindwirstark uochP HabenwirinunsernGliedern Mark undStahl? JnunsernSeelen GluthP Nein,beimTaumelklangvon dekadenten Liedern GingzuElend unserdeutschesBlut.
Gutvergeudend,dasdieVäteruns erkämpften, Träumten wirvon eigner Tüchtigkeit;
DesGewissens dumpfe Mahnerstimme dämpften WirmitPrachtundPrnnkundEitelkeit.
Alsolebtenwirweichlebig Unsre Tage Sorglos,ewig guter Zeit gewiß, Bis daß plötzlichuns mitfürchterlichemSchlage VordenAugendasGespinnst zerriß-
Heut,von zwanzigJahrelangemTraum erwachend, BlickenwirwieBettler indieWelt:
,,NirgendsFreitnde9«Undvon allenEnden lachend Kommt derHaß,deruns die Antwort gellt.
208 DieZukunft.
Deutschland, Deutschland, rings GefahrundAngstundSchrecken-s UmDichherliDieSchicksalsvögelschreinl Wenn die Raben Dichvom Schlaf erwecken, Soll dasUnheilmirgesegnetsein.
Denn einRiese bist Du, docheinschüchternblinder, Dernichts weißvon seinesNackensKraft,
·
Darum führtman Wort für Dich, sowieman Kinder Ueberhebtdereignen Rechenschaft.
Nimm ineigne HändeDeine Sachel SprichDuselber fürDeineignesHeer Deutsche Seele,Dugefügig-weiche,schwache, EinstvorZeitenwarstDuStahlundErz.
Damals, alsErindenSattel Dich gehoben- Damals auch hatDich Gefahr umgrollt, DochdieSchrecken sindan Deiner Stirnzerstoben, Weil Du, Deutschland, selber Dich gewollt.
Werdewieder,was anDeinem großen Tage Dugewesen;zuDirselbst wach’ auf!
Lernverachtenl Buhl’um Gunstnichtl Haß ertrageli Schreib’Dirselbst GesetznndLebenslaufl LernezärnenlMitdesheiligen HornesMächten SeindieZwischenträger fortgefegt, DiezumThron hinaufzusagensich erfrechten:
»DiesesSklavenvolk,es schweigtundträgt«
Seiverflucht,wer, selbstzumKnecht geboren, DeutscheTreuealso schlecht versteht!
Seigesegnet,wervon Neujahrsdunklen Thoren FreudigenWillens indieZukunft geht, Eignen Augszusehn,derStimme selbstzulauschen, Dieaus seinesVolkes Seele dringt, Und, sich selbst ergebend, Höchsteseinzutauschen:
Liebe,dieeinfreiesVolkihmbringt.
Keingutes Gedicht;docheinNothschrei,dersichinsGedächtnißkra lljjsp DerEnkel desPreußenprinzenLouisFerdinand,derHofpoet,derwissen- mußte,daßeraufberlinerBodennur imGehegederKöniglichenSchauspiele nochsiegenkonnte,riefinsoschrillenLautenzurWehr;sprachsoharteWorte über denzwanzigjährigenTraumprunkenderEitelteitzmahnte mitRuthen- streichendasVolk,dieVormundschaftabzuschüttelnundselbstsichfortan durchs DickichtdenWegzubahnen.Einherzkrankeyfasttauber Mann. Diesetap- fereThatwird bleibenund,alsdieFruchteinerSchicksalsstunde,spätnoch- erwähntwerden.DenDramen, Sängen,Romanen istfrüherTodgewiß;
-
Chronika. 209«"
undwenninzehnJahreneins derPanzerstückehastigüberdieBretterstampst,.
wirdman,mit staunendemLächeln,fragen:DasrühmtetJhruns?Soließet Jhr Euch KarlingeundHohenzollern,GregorundErasmus so entstellen?·«
Einen,der(am Liebstenvor dembewundernden Augeder ganzen Lands- mannschaft)nachWahrhaftigkeitgestrebthat,sollmannichtmitHeuchellüge- bedienen.ErnstvonWildenbruchhatkeinenlebensfähigenMenfcheninsPoe- tenreich gezeugt,in derGrößenie dasMenschlichstegefundennochimMensch- lichstenjenur dieGröße,die unsgroßdünkt,gesucht.EineifernderMagi- ster istunsgestorben,nichteinDichter,der denGermanenhortgewehrthat«-
Wie einMagister,einvongroßstädtischerAußenkulturniebeleckter PennålertyransahderHerrGeheimrathaus.Schlechtangezogen; unbehilf-·
lichundlinlifchbis insGroteske; hinterscharfenGläsernderBlick einesExa- minators. BirgtderSchlotterrocknichtdenBakel?Daschwingtihn derArm schon,derebennochinkurzenStößenamRumpfhinpendelte. Jbsenbekommt seineTrachtund wirdvondemHerrnRektor weithinterBjörnsongesetzt(als— SelbstanzeigekritischenVermögensgenügtsolcheRangordnung). WolltJhr·
SchlingelmalflinkOptimistenwerden! Prasselnd fielendieHiebe.»Das heiligeLachen«,»Der Generalseldoberst«,,,Willehalm«:wersichstolzzu solcherBrutbekannte,hat sichselbstdiePfortezumPantheondeutscherDich- tunggesperrt.Auf-demSchaugerüstmagernocheinWeilchenthronen. Und,.
alsderPrototypusdesNeupreußenthums,längerinderErinnerungderVolks- genossenfortleben. Altpreußischwar Wildenbruch nicht; trotzderAbkunft unddemfünfundvierzigerJahrgang. WilhelminischvorWilhelm(deshalb- auch sorechtwederdesaltenKaisersnochBismarcksMann).HallendeReden, ausholende Gesten,bunte Bilder miteinemvonGottesGnadeGeweihten alsMittelpunktEinKurfürftbändigtrebellischeJunker;jagteinenfrechen- Ministerweg;verheißtdemVolk denHimmel ausErden-. EinSchauspiel
nur. DieKindersehensgern und alten Knaben leuchtetvordemSpektakel dasAuge.DasistWildenbruchsGemeinde.DernürnbergerBurggrafscheint schonzuwittern,waseinst, postmulla saecula. in derversailler Spiegel- galeriegeschehenwird. Schmarzenbergsneuer Herr hat Sybels Buchüber dieReichsgründungundWilhelmsBrandenburgerredengelesen.Hildebrand ahnt,daerden kleinenHeinrichzumerstenMalsieht, daßeralsPapstmit demErwachsenen raufenwird.UnddieserHeinrichgehtnachCanossa,weil dieSeineneinelichtloseWeihnachtverseufztenDasistWildenbruchsHistorie.
Der Menonitruft,alserhört,daßderFreiheitbringerSchill heißt:»Welch«
kleiner Namefür sogroßenMann!«EinWitz?HaroldstöhntbeimAbschied
vonderLiebsten:»DiesSchmerzenswortAdewirdsüßmirklingen,weilhalb-
«210 DieZukunft-
-·esDeinen Namenwiederholt;undso:Ade,Adele l« EinWitz?(Wildenbruch
«schriebTheater.verse,abereinegute,kräftigeProsa.)Da esmeistinsausendem
—-«Galopging,dasAugestetswaszur«Weidehatteundderrechte,,Schmiß«
niefehlte,merkteman kaum,wiedieLeute da oben redeten... Von all dem Schall istkein WortimBewußtseingeblieben;nur derNachhallfröhlicher ..Hatz.Dasist WildenbruchsErfolg.DessenZeitkonnteerstnach1888kommen.
Halsernichtselbstdie Nationin dengefährlichenTraumlullen? Einerlei- Erwarderredlichste,liebenswürdigsteRepräsentanteinerunsruchtbarenZeit,
WieConstant Coquelin,derauchimJanuar starb.Eines Bäckers Sohn,der ausBoulogneinspariser Konservatoriumliefunddenberühm- tenRegnier,derihn prüfensollte,mitSpatzendreistigkeitanpfiss: »Verbiir- genSiemireineLaufbahn,die zu denhöchstenGipfeln führt; sonstkehre ich liebergleichandenBacktrogzurück-«NachsechsMonaten darfderhäßliche Dreikäsehochmit derAffennaseund den SäbelbeinenimHausMolieres die Bretterbetreten. DerDreiundzwanzigiährigewirdSozietärundderLieb- lingderAbonnenten.quuelinspieltin PoquelinsKomoediendieClowns;wie sienievorher noch nachher jewiedergespieltworden sind.DerRhythmus derKerlchenslockt dieLeuteinsalteHaus;wenn derneueKomiker denMas- scarille,Thomas DiasoirusoderdasFaktotumimProtzenheimmimt, istkein Platzleer. DasFachwirdihmbaldzu eng. Er willFigarosein,versuchts,wird vonderBrohanbeiosfenerSzeneeinTrübsalblåsergescholten,vomPublikum skühlbehandelt,mußdieGlanzrolleabgeben;setztsichdannaberausdieHosen undruht nicht,biseralleHumoredesfevillanerSchaumschlägersamSchnür- chenhat.NunwirdseinTriumph.Sodiskret undverschlagen,sogefchmeidig undstark,sokomischundernsten Empfindens sovollwarFigaronie. Kaum ein lautesWort,keinDialogspitzchenindieHöhe.getrieben,nurin dem Mo- nologzweimaleingellenderTon;aber eine ganzeSchaar vonSturmvögeln schwirrtumdenZwergenschädeLTrissotin,DonCesar,GringoitetschOUÜbet-
strahltderNeue die Alten.AlsHerzogvonSeptmonts (in derElrangeredes zweitenDumas) zeigter,daßerauch Haltunghat.Leichtistsnicht, demFau-
«"bourgSaint-GermainsichalsHerzogvorzustellen;besondersschwerEinem,der zwischenderBernhardtund derCroizette,nebenMsounet--SullyundGot steht und wederdieFigurnochdenKreditfürsolcheRollehat. Coquelin machts;
-istzumEntzückenunverschämt,kaltwieeinHundsschnäuzchen,vonfastpossir- licherNiedertrachtund dabeivonnobelsterFassade;der vibrion inderHülle desKlubherrn feinsterSorte. quuelin machtAlles; PailleronsUnterpräfeks tensoglaubhaftwie dengreifenGrenadier desgroßenKaisers. Jst heuteein kputzigerTölpelund morgeneinHeld,umdenThränenfließen.MitderRegens