• Nie Znaleziono Wyników

Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 15. Jg. 1927, 5. August, Heft 31.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Share "Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 15. Jg. 1927, 5. August, Heft 31."

Copied!
28
0
0

Pełen tekst

(1)

Postverlag sori Leipzig

D I E

NATURWISSENSCHAFTEN

H E R A U SG E G E B E N VON

ARNOLD B E R L I N E R

U N T E R B E S O N D E R E R M IT W IR K U N G V O N HANS SPEMANN IN F R E IB U R G I. B R . ORGAN D E R GESELLSCHAFT DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE

UND

ORGAN D E R K A ISER W ILHELM -GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG D ER WISSENSCHAFTEN V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W g

HEFT 31 (SEITE 633— 656) 5 . AUGUST 1927 FÜNFZEHNTER JAHRGANG

I N H A L T : Entwicklung der Arzneistoffsynthese. Von We r n e r

Sc h u l e m a n n, E lb e r f e l d ... 633 Die Entwicklung der neuen Quantenmechanik.

Von P . Jo r d a n, z. Z . K o p e n h a g e n ... 636 Tätigkeitsbericht der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft

zur Förderung der Wissenschaften für das Halbjahr vom 1. O ktober; 1926 bis Ende März 1 9 2 7 ... 649 Zu s c h r if t e n :

Bemerkungen zur Mitteilung über eine Volks­

versammlung von Krähen. Von H. De x l e r, P™g ...653 Erwiderung. Von W. Ge r l a c h, Tübingen . . 653

Unrichtige Angaben über die Geschichte der Photographie in der naturwissenschaftlichen Literatur. Von J o s e f M a r ia E d e r , Wien 653 Be s p r e c h u n g e n:

Mü l l e r- Po u il l e t s Lehrbuch der Physik.

11. Auflage. Band II, erster Halbband;

Band III, erste Hälfte. (Ref.: Arn. Berliner, B e r lin )...654 Z s ig m o n d y , R ic h a r d , Kolloidchemie. 5. A u f­

lage. I. Band. (R e f.: Lothar Hock, Gießen) 655 F r e u n d l i c h , H e r b e r t , Fortschritte der Kolloid­

chemie. (Ref.: Lothar Hock, Gießen) . . . 656

A bb. 36. A ntenne eines stark intersexuellen’ «? von L. dispar.

Aus:

P h y s io lo g is c h e T h eo rie der V ererbung

Von

Professor Dr. Ricfiard Gofcfschmidt

2. D irektor des Kaiser W ilhelm -Instituts für Biologie in Berlin^Dahlem

Mit 59 Abbildungen. V I, 247 Seiten. 1927 RM 15.— f gebunden RM 16.50

V e r l a g v o n J u l i u s S p r i n g e r i n B e r l i n W 9

(2)

II D I E N A T U R W I S S E N S C H A F T E N . 1927. Heft 31. 5. August 1927.

D IE N A T U R W IS S E N S C H A F T E N

erscheinen wöchentlich und können im In- und 1 Preis der Inland-Anzeigen: 1/ 1 Seite RM 150.— ; Auslande durch jede Sortimentsbuchhandlung, jede Millimeter-Zeile RM 0.35. Zahlbar zum amtlichen Postanstalt oder den Unterzeichneten Verlag be- ; Berliner Dollarkurs am Tage des Zahlungseinganges, zogen werden. Preis vierteljährlich für das In- und Für Vorzugsseiten besondere Vereinbarung. — Bei Ausland RM 9 .—. Hierzu tritt bei direkter Zustellung Wiederholungen Nachlaß.

durch den Verlag das Porto bzw. beim Bezüge durch

die Post die postalische Bestellgebühr. Einzelheft Auslands-Anzeigenpreise werden auf direkte Anfrage mitgeteilt.

RM 1. zuzüglich Porto. Klischee-Rücksendungen erfolgen zu Lasten des Manuskripte, Bücher usw. an j Inserenten.

Die Naturwissenschaften, Berlin W 9, Linkstr. 23/24, V erlagsbuchhandlung Julius Springer, Berlin W 9 , Llnkstr. 23/24

erbeten. j Fernsprecher: Amt Kurfürst 605053. Telegrammadr.: Springerbuch

V E R L A G V O N J U L I U S S P R I N G E R I N B E R L I N W 9

Handbuch der experimentellen Pharmakologie

B e arb eitet von bekannten F achleuten

Herausgegeben von A. Heffter f

ehem. P rofessor der Pharm akologie an d er U niversität Berlin Fortgeführt von W . H e u b n e r

P ro fesso r d er Pharm akologie an der U niversität G öttingen E R S T E R B A N D

M it 127 Textabbildungen und 2 farbigen Tafeln. 1296 S eiten. 1923. RM 84.—

Z W E I T E R B A N D

1. H Ä L F T E : Mit 98 T extabbildungen. 598 Seiten. 1920. RM 39.—

2. H Ä L F T E : M it 184 zum Teil farbigen T extabbildungen. 1376 Seiten. 1924. RM 87.—

D R I T T E R B A N D

1. H Ä L F T E : M it 62 A bbildungen. VIII, 619 Seiten. 1927. RM 57.—

N ach dem E rsch ein en v o n B and III/2 w erd en ln A b stä n d en E r g ä n z u n g s b ä n d e e r s c h e in e n . D ie se w er d e n durch d ie fo r tsc h r e ite n d e F orsch u n g in zw isc h e n neu g e fu n d e n e s B e o b a c h tu n g sm a te ria l beh an d eln und a u c h , über den H efftersch en G en eralp lan h in a u sg e h e n d , g rö ß ere A bhandlungen über w ic h tig e

a llg e m e in e P ro b le m e d er P h a r m a k o lo g ie b rin g en .

Die Arzneimittel-Synthese

Auf G rundlage der Beziehungen zw ischen chemischem Aufbau und W irkung Für Ärzte und Pharm azeuten

von Dr. Sigmund Fraenkel

a. 0. P rofessor iür medizinische Chemie an der W iener U niversität S e c h s t e , um gearbeitete Auflage

VIII, 935 Seiten. RM 87.— ; gebunden RM 93.—

Grundzüge

der pharmazeutischen und medizinischen Chemie

Bearbeitet von Professor Dr. Hermann Thoms

Geh. Reg.-R at und Direktor des P harm azeutischen In stitu ts der U niversität Berlin Chem ischer Teil der „Schule der Pharm azie“

A c h t e , verm ehrte und verbesserte Auflage Mit 113 Textabbildungen VIII, 639 Seiten. 1927. G ebunden RM 26.—

(3)

DIE NATURWISSENSCHAFTEN

F ü n fz e h n te r J a h rg a n g 5 . A u g u st 1927 H eft 31

Entwicklung der Arzneistoffsynthese1).

Von We r n e r Sc h u l e m a n n, Elberfeld.

Die synthetische Chemie der Arzneistoffe kann in diesem Jahre auf ihr etw a vierzigjähriges B e ­ stehen als system atischer Forschungszweig zu­

rückblicken. Sie ist also noch ein recht junges K ind in der Reihe der alten W issenschaften. T rotz vieler Erfolge will sie sich heute nicht überm ütig ihrer Leistungen rühmen, sondern dankbar ihrer Eltern, der Medizin und der reinen Chemie, gedenken. Denn diesen beiden Disziplinen dankt sie nicht nur ihr Dasein, sie sind noch immer die Quellen ihrer K ra ft und werden es auch in Zukunft bleiben.

So hoffen wir nicht nur eine P flich t der P ie tät zu erfüllen, sondern auch einen A usblick für die Z u­

kunft zu gewinnen, wenn w ir rückschauend den wechselseitigen Einfluß, welchen die Ideenkreise der Medizin und der Chemie aufeinander genommen haben, in seinen Auswirkungen auf das Gebiet der Arzneistoffchem ie betrachten.

Der Grundstock der Arzneistoffe bestand in Produkten, welche schon in frühesten Zeiten die Menschen unter den von der N atur gebotenen Schätzen auffanden. Ihre Anw endung verlangte bald Spezialkenntnisse, die zuerst Zauberer und Priester hatten, bis sich später ein Ä rztestand herausbildete. Frühzeitig ging man daran, durch Kom bination der N aturstoffe nach neuen und besseren H eileffekten zu suchen, aber von einer system atischen chemischen Forschung konnte keine Rede sein.

Bis etw a zur Zeit des Paracelsus bewegte sich das chemische Forschen im wesentlichen in Bahnen, welche heute unter dem Namen Alchemie für diese W issenschaft bekannt sind. Angestrebt wurde die Verwandlung der M etalle durch den Stein der Weisen, die rote T inktu r usw. D och sei nur erinnert an die Zusammenhänge, die in den Vorstellungen vom Makrokosmos und Mikrokosmos, von den Planeten, M etallen und inneren menschlichen Organen gegeben sind, um zu zeigen, daß diese cabbalistische Verquickung von Chemie, Medizin und Astrologie die M ateria medica im wesentlichen unverändert ließ. Die Therapie hielt an dem ur­

alten Bestand ererbter galenischer Arzneim ittel fest.

Durch das Auftreten von Paracelsus wurde Anfang des sechzehnten Jahrhunderts das iatro- chemische Zeitalter eingeleitet. Chemisches Denken gewann zum erstenm al tiefen E influß auf die Medizin. Physiologische und pathologische V o r­

gänge wurden chemisch gedeutet. D urch chemische Bearbeitung der M ateria medica förderte man den

!) Vortrag in der Fachgruppe für Medizinisch-phar­

mazeutische Chemie auf der 40. Hauptversammlung des Vereins deutscher Chemiker zu Essen. 10. Juni 1927.

Arzneischatz rasch und in neuer Richtung. Dem Stande der chemischen W issenschaft entsprechend fanden vor allem die anorganischen Arzneistoffe Bereicherung und Fortentwicklung. Arsen-, A n ti­

mon- und Quecksilberverbindungen fanden E in­

gang in den Arzneischatz. Ihrer spezifischen W ir­

kung wurde man sich bew ußt und strebte schon damals danach, durch die K unst des Spagyrikers die V erträglichkeit der M ittel zu verbessern und ihre W irksam keit zu erhöhen — wie es der „Chemo- therapeut“ auch heute wieder anstrebt.

In der folgenden Zeit der phlogistischen Theorie, welche M itte des siebzehnten Jahrhunderts m it Bo y l e ihren A nfang nahm, bewegte sich der Z u ­ wachs an Arzneistoffen im wesentlichen weiter in der gleichen anorganischen Richtung. Der Z u ­ sammenhang zwischen Chemie und Medizin lockerte sich, zum al die Ä rzte sich von chemischen E r­

klärungsversuchen in ihrer W issenschaft zeitweilig wieder mehr abgewendet hatten.

Eine erneute Annäherung der beiden nun schon lange selbständig gewordenen und ebenbürtig sich gegenüberstehenden W issenschaften Chemie und Medizin verm ittelte erst wieder die Anwendung der von La v o i s i e r M itte des achtzehnten Jahr­

hunderts auf gestellte Verbrennungstheorie zur D eu­

tung der Atm ungsvorgänge durch Gi r t a n n e r. D ie Anwendung quantitativ-analytisch-chemi­

scher Forschung auf die Arzneistoffe und auf die Bestandteile des Tierkörpers knüpfte in der Folge­

zeit die Verbindung enger. Der Bildung gar zu ein­

seitig chemischer D eutung der Lebens- und. K ran k heitsvorgänge w irkte regulierend die Entdeckung des Galvanism us und seine Ü bertragung auf medizinisches Denken entgegen.

Seit A nfang des neunzehnten Jahrhunderts können wir auf allen 3 G ebieten : der Pharm azie, der immer mehr zur selbständigen W issenschaft wer­

denden Chemie und der Medizin ein viel rascheres Fortschreiten beobachten als es je in den ver­

gangenen Zeiten stattgefunden hat. Die Medizin hatte nam entlich Anatom ie und Physiologie zu großer Höhe gebracht, und die A nfänge der T ier­

versuche liegen auch in jenen Zeiten. Als deren erste V ertreter nenne ich nur die Nam en Ma r e y, Ma g e n d i e, Cl a u d e Be r n a r d, da gerade sie eine der wichtigsten Grundbedingungen zum späteren weiterenAusbau der Arzneistofforschung geschaffen haben. In der Chemie genügt die Nennung der Namen Wö h l e r, Li e b i g und vieler anderer, um daran zu erinnern, welche W eiterentw icklung diese W issenschaft hatte. D er Pharm azie ist m it der Isolierung des Morphins aus dem Opium durch den Apotheker Se r t ü r n e r ein besonderes V er­

Nw. 1927 50

(4)

634 S c h u l e m a n n : Entwicklung der Arzneistoffsynthese. r Die Natur­

wissenschaften

dienst für die E ntw icklung der Ä ra der A rznei­

stoffchem ie zuzuschreiben, da sie dam it den A n ­ stoß gab zur Isolierung einer großen Menge pharm a­

kologisch hochwichtiger Körper, welche nun die Chemie in Zusam m ensetzung und A ufbau zer­

gliederte und aufklärte, während die Medizin in die Lage versetzt wurde ihre pharm akologischen W ir­

kungen zu analysieren. E in weiterer Anstoß für die Arzneistoffsynthese ging aus von der nach der E n t­

deckung Pe r k i n s entstehenden Teerfarbstoff- industrie, welche viele Chem ikalien der Forschung zugänglich m achte, die früher nicht oder nur schwer zu erhalten waren.

So waren im A n fang des neunzehnten Jahr­

hunderts rasch die Bedingungen entstanden, welche den Boden für eine synthetische Arzneistofforschung vorbereiteten. Einen A u fta k t für die neue Ä ra bildete die Einführung des schon länger bekannten Äthers und des eben erst entdeckten Chloroforms — beide ohne natürliches Vorbild synthetisch her­

gestellte Verbindungen — in den A rzneischatz als N arkotica. Den eigentlichen Beginn system atischer A rzneistoffsynthese werden wir etw a in das Jahr 1887 legen können. In diesen Jahren fanden das Phenacetin und das A ntipyrin, das Sulfonal und viele andere Verbindungen ihren Eingang in die Therapie. E s setzte nun bald eine lebhafte A rbeit sowohl von seiten der Chem iker wie der Mediziner ein. Man w ar so fest von dem Bestehen direkter gesetzm äßiger Beziehungen zwischen chemischer K onstitution und physiologischer bzw. pharm a­

kologischer W irkung überzeugt, daß man diese neue Periode der Beeinflussung medizinischen Handelns durch chemisches Denken vielleicht vergleichen kann m it der geistigen Einstellung des iatrochem ischen Zeitalters. A ber wie damals, m ußte auch je tz t die übliche E nttäuschung einer zu einseitigen theoretischen Auffassung einsetzen.

W ohl gelang es auch weiterhin einige w ertvolle Arzneistoffe aufzufinden. A ber m an erkannte bald, daß die direkten Beziehungen zwischen K o n ­ stitution und W irkung auf ganz enge Gebiete um­

grenzt werden mußten und konnte auf rein deduk­

tivem W ege keine sicheren F ortschritte erzielen.

D ie weiteren Fortschritte jener Zeit bestanden bald nur noch darin, die M ittel ihrer m itunter unange­

nehmen Eigenschaften in bezug auf Geschm ack oder V erträglichkeit zu entkleiden, während P ro­

dukte m it neuer Indikation nur in spärlichem A us­

maß gefunden wurden. V on diesen seien hervor­

gehoben: das Urotroprin, das Atophan, die syn ­ thetischen Lokalanästhetica.

Bei kritischer B etrachtung der Leistungen dieser Periode können wir uns ferner der Erkenntnis nicht verschließen, daß die neuen Arzneistoffe fast alle nur Symptomatica waren. Nur gelegentlich und m ittelbar w irkten sie ätiologisch, wenn sie regu­

lierend in gestörte Organfunktionen des kranken Körpers eingreifend, die Selbstheilungskräfte des Organismus unterstützten.

D och schon in jenen ersten Jahren der em pi­

rischen Arzneistoff synthese waren neue F o rt­

schritte angebahnt worden. D ie Pharmakologie begnügte sich nicht mehr dam it, nur die to x ik o ­ logische A nalyse der ihr von der Chemie gelieferten Stoffe vorzunehm en und einfach Tatsachen zu registrieren. Sie begann nach Erklärungen zu suchen für die Wirkung aus der Reaktion zwischen Zell- substanz und Gift. N icht direkt die chemische K onstitution, sondern die Eigenschaften der chem i­

schen Stoffe wurden in Beziehung gebracht zu den Eigenschaften des biologischen Substrates auf das sie wirkten. H ervorgehoben seien die F arb sto ff­

arbeiten von Eh r l i c h und die Arbeiten von H. H.

Me y e r und Ov e r t o n über die Theorie der Narkose.

Eingehend wurde die V erteilung der Stoffe im tierischen Organismus untersucht und in Beziehung gesetzt zu ihren physikalisch-chem ischen E igen ­ schaften. Diese physikalisch-chem ische Auffassung kom m t auch noch ganz klar in den ersten Arbeiten Eh r l i c h s zum Ausdruck, obwohl wir doch gerade gewöhnt sind in Eh r l i c h, dem Begründer der

„Chem otherapie“ und Schöpfer der ,,Chemo- zeptorentheorie“ , den besonders chem isch orien­

tierten Forscher zu sehen. Diese neue Forschungs­

richtung — sei sie nun mehr ph ysikalisch oder chemisch eingestellt — , welche die biologische D eutung der Versuchsergebnisse ihrem Streben zugrunde legte, sollte bald auch zu praktischen E r­

gebnissen führen.

Im Salvarsan wurde der erste synthetische H eil­

stoff in die Therapie eingeführt, welcher rein ätiologisch w irkte. A ber noch in anderer W eise w ar die Schaffung des Salvarsans richtunggebend auf die Arzneistoffsynthese der folgenden Jahre.

Sie zeigte, wie die biologischen und therapeutischen Eigenschaften anorganischer Stoffe weitgehend variiert werden können durch Einführung von anorganischen Gruppen in organische Bindungen.

Zum erstenm al begegnen w ir hier der zielbew ußten Einigung anorganischer und organischer Chemie zur Synthese von Arzneistoffen, während w ir früher stets nur beobachten konnten, wie diese Zweige der Chemie mehr oder weniger getrennt sich in der Arzneistoffsynthese ausgew irkt hatten. D ie A u f­

findung weiterer ätiologisch wirksam er m etallorga­

nischer und anorganisch-organischer K om p lexver­

bindungen, z. B. des Antim on, W ism uth und Q ueck­

silber, waren die Folgen dieser Arbeitsrichtung.

D urch diese Erfolge begünstigt strebte die Chemotherapie danach, ihr A rbeitsgebiet von dem der Pharm akologie abzugrenzen m it der D efin itio n : Die Chem otherapie w ill einen von Infektions­

erregern befallenen Organism us durch chemische Stoffe heilen. D ie Pharm akologie erforscht im allgem einen die W irkung chemischer Stoffe auf höhere Lebewesen, m eist aber beschränkt sie sich darauf, die W irkung eines bestim m ten Stoffes nur auf einen einzigen Organism us oder dessen B estand­

teile zu untersuchen. D ie Chem otherapie dagegen h at es m it zweiOrganism en zu tun, m it dem Organis­

mus des W irtes und dem des Parasiten, die beide gleichzeitig der E inw irkung eines Arzneistoffes unterworfen werden.

(5)

S c h u l e m a n n : Entwicklung der Arzneistoffsynthese. 635 Dieser letzte Teil der D efinition zeigt schon, daß

eine Absonderung der Chem otherapie von der Pharm akologie nur dann berechtigt wäre, wenn die Chem otherapie auch nur in einem Falle nach- weisen könnte, daß der chemische Stoff des Chemo- therapeuten nur auf den Parasiten, gar nicht aber auf den W irt w irkte. D as wäre natürlich das Ideal eines A rzneistoffes gegen Infektionskrank­

heiten. Aber noch sind w ir nicht so weit, und der praktische T herapeut wird stets nicht nur wissen wollen, was der Stoff gegen den Parasiten leistet, er w ill vor allem auch genauestens orientiert sein über die W irkungen des Stoffes auf den W irt, ehe er m it gutem Gewissen einen Versuch am Menschen wagen darf. So wird die Chem otherapie weiter in der G efolgschaft der Pharm akologie bleiben müssen, zum al die Chemikalien, m it denen die Chem otherapie arbeitet, prinzipiell keine anderen sind, als die von der Pharm akologie verwendeten, z. B . Chinin als A n tipyreticum und gegen M alaria, N ovasurol als D iureticum und gegen Syphilis, Calo- mel als L axans und A ntisyphiliticum , Brechw ein­

stein als Em eticum und gegen K ala-azar, B ilharzia und venerisches Granulom. Dies trifft um so mehr zu, als von F all zu F all die Frage weiter geprüft werden muß, ob ein Stoff indirekt durch den W irts­

organismus oder aber direkt auf den K ran kheits­

erreger w irkt. Dann aber sind noch Serologie und Im m unitätsforschung zu berücksichtigen, da die B ildung von Im m unkörpern usw. m eist Hand in H and geht m it dem V erlauf einer Infektion und ihrer Heilung, gleichgültig auf welchem W ege diese geschieht.

Die Folgezeit brachte bald weitere F ortschritte auf dem G ebiet der ätiologisch wirkenden H eil­

m ittel, aber die theoretischen Grundlagen, auf denen sie aufgebaut wurden, waren andere als die, welche zum Salvarsan führten. Trypanocide F arb ­ stoffe waren seit langem bekannt. D a zeigte sich, daß auch diesen Farbstoffen ähnlich gebaute aber farblose Verbindungen stark gegen die T ryp an o­

som eninfektion wirken können. Die Frucht dieser E ntdeckung w ar das Germanin. W ieder andere W ege, bei denen andere Farbstoffe richtunggebend waren, führten uns zur Synthese des gegen M alaria wirksamen Plasm ochin.

Bei dieser gegenüberstellenden Bew ertung ätio­

logischer und sym ptom atischer H eilm ittel aber dürfen wir nicht vergessen, daß es viel einfacher erscheinen muß, ein ätiologisches H eilm ittel gegen eine Infektionskrankheit, deren Ursache w ir in den

— dem erkrankten Organismus artfrem den — Protozoen oder B akterien kennen, aufzubauen, als gegen organische und konstitutionelle Erkrankungen wie z. B. Gicht, Arteriosklerose, Lebercirrhose, Nephritis, grauen Star, Geisteskrankheiten, genuine Epilepsie, Carcinom usw., deren Ätiologie wir nicht oder nur ganz unvollkom m en kennen, und welche, dazu noch arteigene Zellen, Organe oder Organ­

system e, betreffen.

A ber auch hier sehen wir in der neuesten Zeit, daß das D unkel sich zu lichten beginnt. In wahrem

Heft 31. 1 5. 8. 1927J

Sinne ist hier die Medizin Führerin geworden. Auf dem G ebiet der Hormone hat man das Insulin isoliert, die antidiabetische W irkung des Galegins kennengelernt und auch schon im Synthalin synthetisch ein H eilm ittel aufgebaut, das in die Therapie des Diabetes eingeführt wurde. Thyroxin, das Hormon der Schilddrüse wurde bekannt, und die Erforschung der Hormone, welche in den Geschlechtsdrüsen enthalten sind oder auf sie w irken wie die Hormone des H ypophysenvorder­

lappens schreitet schnell fort. Besonders hervor­

zuheben aber ist die chemische Erkenntnis des gegen R achitis wirksam en Vitam ins, des bestrahl­

ten Ergosterins, das je tz t V igantol heißt, durch Wi n d a u s. Ihm verdanken wir, daß zum ersten Male der B ann gebrochen wurde, der bisher über der ätiologischen Therapie der System erkrankungen lag. D as tatk räftige Eingreifen der Physiologischen Chemie h at so schnelle und überraschende F o rt­

schritte gebracht, daß die Arzneistoffchem ie nur hoffen kann, diesen neuen Bundesgenossen nicht nur zu behalten, sondern rasch erstarken zu sehen.

Diese Erkenntnis hat ja auch bereits ihren N ieder­

schlag gefunden in einer Resolution, welche der Verein deutscher Chemiker in seiner diesjährigen Tagung gefaßt hat.

So können wir feststellen, daß die letzten 15 Jahre der Arzneistoffsynthese nicht nur weitere Fortschritte gebracht haben, sondern auch be­

rechtigte H offnung für die Zukunft erwecken. Ein Stillstand ist nicht eingetreten, dessen Sym ptom e mancher Pessim ist in der Ü berflutung des A rznei­

m ittelm arktes durch V arianten und Variatiönchen sym ptom atisch wirkender M ittel sehen wollte.

Gegen diese Auswüchse kann nur die Erziehung des A rztes zu schärfster K ritik helfen. A ber diese K ritik muß o b jek tiv sein. Von w irklicher Sach­

kenntnis getragen, darf sie nicht über das Ziel hinausschießen und dam it der ernsthaften A rznei­

stoffchem ie die A rbeit erschweren, indem sie die Prüfung selbst w ertvoller Verbindungen verweigert.

Sie muß auch dankbar eingedenk bleiben der T a t­

sache, wie vielen Millionen von Menschen selbst die Sym ptom atica Linderung, ja oft auch Heilung gebracht haben. Ohne die M ithilfe des Klinikers ist ein F ortsch ritt nicht denkbar, denn die P harm a­

kologie kann auf Grund der Tierversuche nur m it mehr oder weniger W ahrscheinlichkeit sagen, wie sich voraussichtlich ein A rzneistoff therapeutisch verhalten wird.

Sehr vielseitig sind die A ufgaben des P harm a­

kologen. E r muß in dem so erfolgreich beschritte- nen W ege der biologischen Forschung weitergehen wie z. B. in der Erforschung der Biologie des Car- cinoms, der W irkung von Hormonen und V ita ­ minen, im weiteren Ausbau der an die V ita l­

färbung anschließenden Problem e der Stoffvertei­

lung, des intermediären Stoffwechsels, der Treplion- bildung, der Reizkörpertherapie, in der Förderung der Therapie der W urm krankheiten und des fast noch jungfräulichen Bodens der Therapie bakteriel­

ler Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und

50*

(6)

636 J o r d a n : Die Entwicklung d e r neuen Quantenmechanik. T Die Natur- [wissenschaften

Sepsis usw., um dem Chem iker A n griffspun kte für seine A rbeit zu liefern. W eiterhin aber m uß er die von dem Chemiker dargestellten Verbindungen prüfen und auswerten.

Groß sind die Ansprüche, welche hier an Chemi­

ker und Pharm akologen gestellt werden. Beide müssen zähe system atische K lein arbeit leisten in dem Bew ußtsein, daß w ir von der Erkenntnis gesetzm äßiger Zusam m enhänge von K on stitution und W irkung noch w eit entfernt sind und deshalb oft noch ähnlich prim itive W ege wie unsere V o r­

fahren bei der A uffindung oder Verbesserung von A rzneistoffen gehen müssen. Rasche praktische F ortschritte aber werden nur da erzielt werden,

wo gutes Allgem einwissen, künstlerische O riginali­

tä t und Intuition diese system atische A rb eit leiten und fördern. Frei von Voreingenom m enheit und getragen von Optim ism us muß ihr Schaffen sein, reguliert von schärfster ob jektiver Selbstkritik.

Besonders aber sollten sie es auch verstehen, ihre persönlichen Interessen der Sache unterzuordnen, da die Zusam m enarbeit vieler Forscher der ve r­

schiedensten W issenschaftsgebiete notw endig ist zur Förderung der A rzneistoff synthese. D er F ortsch ritt ist im m er da gewesen, wo Chemiker, Pharm akologe und K liniker sich gegenseitig unterstützend und fördernd zusam m engestanden haben.

Die Entwicklung der neuen Quantenmechanik.

V on P . Jo r d a n, z . Zt. Kopenhagen.

(Schluß.) 5. De Brogliesche Wellen und Einsteinsche Gas­

theorie.

B ekan ntlich h at Ei n s t e i n eine R eihe schwer­

wiegender Gründe dafür angeführt, daß das Licht, das sich in den Interferenzversuchen deutlich als eine W ellenbew egung offenbart, trotzdem in ande­

rer H insicht am treffendsten beschrieben werden kann durch die V orstellung von dahinfliegenden Lichtquanten m it der Energie hv und dem trans- latorischen Im puls — ---eine H ypothese, die ins­hv besondere im CoMPTONeffekt sich glänzend bewährt hat. d e Br o g l i e1) hat es unternommen, diesen S atz gewisserm aßen um zukehren: So, wie das L ich t, das „einerseits" in ausgeprägtester Form die Eigenschaften von W ellen besitzt, in einer rätsel­

haften W eise „andererseits" sich als aus corpus- cularen Lichtquanten bestehend erweist, so sollen auch die m ateriellen Korpuskeln, die Elektronen, eine D oppelnatur besitzen und in manchen ihrer E igenschaften sich verhalten, wie eine durch den R aum verbreitete W ellenbewegung. U nter den verschiedenen Bem erkungen, die d e Br o g l i e in

•bezug auf diese V orstellung gem acht hat, ist die w ichtigste die, daß eine Zuordnung von W ellen und Korpuskeln allgem ein in invarianter Weise durchgeführt werden kann. E r ordnet einem Teil­

chen, dessen Energie (Ruhenenergie m c2 plus kinetische) gleich E und dessen translatorischer Im puls gleich G ist, eine ebene W elle zu, deren Frequenz v und Phasengeschw indigkeit V gegeben ist durch

hv — E , V = (jT

In einem anderen K oordinatensystem , das sich gleichförm ig bew egt gegen das zuerst benutzte, wird das Teilchen andere W erte E ', G ' von Energie und Im puls besitzen; und die W elle wird, von hier, aus gesehen, andere Frequenz und Phasengeschwindig-

x) L. d e Br o g l ie (26 a). — Die eingeklammerten Literaturnummern beziehen sich auf die Zusammen­

stellung S. 648.

k eit: v', V ' besitzen (D o p P L E R e ffe k t). A ber die

d e B R O G L iE sch en Gleichungen sind eben so ge­

schickt gew ählt — und es ist eine bedeutungsvolle physikalische Tatsache, daß eine derartige W ahl überhaupt m öglich ist — daß dann auch in diesem K oordinatensystem die Beziehungen zwischen T eil­

chen und W elle dieselben bleiben:

h v' = E ' , V ' = K er

d e Br o g l i e h at ferner in seiner A rbeit ausführ­

lich gewisse form ale Analogien zwischen der klas­

sischen M echanik und der O ptik studiert, die schon früher von Ha m i l t o n aufgedeckt waren. W enn wir die Bew egung des L ich tes verfolgen in einem inhomogenen (aber isotropen) Medium — w ir wollen hier auch aufgestellte Schirme m it K anten oder Ö ffnungen zu den Inhom ogenitäten des Mediums rechnen — so erhalten wir besonders einfache und anschaulich faßbare Ergebnisse, wenn wir uns auf den G renzfall sehr kleiner W ellenlängen be­

schränken. In diesem G renzfall verschwinden alle durch Beugungen entstehenden verw ickelteren E ffe k te ; man kann die A usbreitung des L ich tes m it den einfachen Begriffen des geom etrischen O ptik beschreiben. E s läß t sich dann zu jedem optischen Problem ein gewisses mechanisches Problem aus­

findig machen (und um gekehrt) derart, daß die B ahnkurven im mechanischen Problem gerade dasselbe wie die Lichtstrahlen im optischen P ro­

blem sind. D abei erkennt man eine enge Analogie zwischen optischen Begriffen und denjenigen m athem atischen Größen, welche man in der Ha m i l t o n- jA K O B is c h e n Theorie der M echanik als H ilfsm ittel zur Berechnung und Verfolgung der B ahnkurven b en u tzt: die sog. W irkungsfunktion der M echanik entspricht der Phase im optischen W ellensystem ; diejenigen Flächen im Raum e, auf denen die mechanische W irkungsfunktion konstant ist, sind dasselbe, wie die W ellenflächen der Optik, die gem äß dem H u Y G E N S sc h e n Prinzip konstruiert werden können — und die bekannte Ha m i l t o n- jA K O B isc h e D ifferentialgleichung kann gerade als

(7)

Heft 31. 1 5. 8. 1927J

J o r d a n : Die Entwicklung der neuen Quantenmechanik. 6 3 7

A usdruck dieses HuYGENSschen Prinzipes ange­

sehen werden. E ndlich ist das FERMAXsche Prinzip des kürzesten Lichtw eges, wenn man es in die M echanik überträgt, nichts anderes, als eine etw as abgeänderte Form des H A M iLX O N schen Variations- prinzipes der M echanik (nämlich das sog. M a u p e r - T U issche Prinzip).

Diese Analogie zwischen O p tik und M echanik geht verloren, wenn die W ellenlängen des Lichtes größer gew ählt werden. Die d e Br o g l i e- Ei n- STEiNschen und die anknüpfenden Sc h r ö d i n g e r- schenÜberlegungen gehen darauf aus, dieseAnalogie auch für den F all endlicher W ellenlängen wieder­

herzustellen : man muß dazu eben eine Abänderung bzw. Verallgem einerung der klassischen M echanik vornehmen, die genau dem Ü bergang der geome­

trischen O ptik zur W ellenoptik entspricht. Man kann nach diesem G esichtspunkt erwarten, daß die klassische M echanik immer dann zu praktisch richtigen R esultaten führt, wenn die W ellenlänge der d e B R O G L iE schen Strahlung k le in ist im V er­

gleich zu den Krüm m ungsradien der klassisch berechneten B ahnkurven; ist das jedoch nicht mehr der Fall, so wird die M öglichkeit, Bahnen eines M assenpunktes im klassischen Sinne anzugeben, gänzlich entfallen und eine allgemeinere wellen­

mechanische Behandlung des Problem s m uß durch­

geführt werden. Man kann in der T a t sehen, daß beispielsweise für das Elektron im Grundzustande eines W asserstoffatom s die zugeordnete d e Br o g- L iE sch e W ellenlänge durchaus nicht klein im V er­

gleich zu den Bahndim ensionen ist, und man versteht danach, daß im Bereiche der Atom e die klassische M echanik versagen m ußte.

Man kann übrigens nach Sc h r ö d i n g e r — wie hier vorausgreifend bem erkt sei — die Analogie von O ptik und M echanik noch in etw as anderer W eise erläutern. E s ist möglich, m it Hilfe von W ellen, deren Frequenzen säm tlich nur in einem sehr schmalen Bereiche dv liegen, ein „E nergie- p ak et" zu bilden, dessen Energie in einem sehr kleinen räum lichen Bereiche konzentriert ist.

D abei ist freilich die Länge dieses W ellenpaketes immerhin noch groß im Vergleich zu den W ellen­

längen, durch deren Superposition es gebildet ist.

In dem F all aber, daß diese W ellenlängen klein genug sind, um eine Beschreibung der Vorgänge m it den Methoden der geometrischen O ptik zu ermöglichen, läß t sich erreichen, daß das E nergie­

paket längere Zeit zusam m enhält. [A uf die D auer läu ft freilich, von speziellen F ällen 1) abgesehen, ein solches W ellenpaket doch auseinander.] Dieses W ellenpaket beschreibt dann eine B ahn, die über­

einstim m t m it der B ahn des M assenpunktes in dem entsprechenden Problem der klassischen Mechanik. Sc h r ö d i n g e r h at diesen U m stand v e r­

w ertet für seinen Versuch, die quantenm echani­

schen Tatsachen in den Rahm en der klassischen R aum zeitauffassung ein zu fü gen : E r m öchte der­

artige Energiepakete geradezu als Modelle von L ichtquanten oder m ateriellen Korpuskeln be-

I p E T S C H R Ö D I N G E R ( 2 7 ) .

trachten. N ach den Auffassungen, die diesem B erichte zugrunde liegen, wird man jedoch dieser A n sich t nicht beipflichten können1)

M it d e n d e B R O G L iE sch en G e d a n k e n s t e h t in enger V erbindung die E iN S T E iN sch e Gastheorie.

D ie Vorstellung, daß der elektrom agnetische H ohlraum an statt wellenförm iger Schwingungen ein corpusculares „Q u an ten gas“ enthält, führt, wenn man auf dieses Quantengas die klassische G asstatistik a n w e n d e t, n i c h t. zum P L A N C K sch en, sondern zum WiENschen Strahlungsgesetz. Man kann jedoch, wie Bo s e2) gezeigt hat, durch eine zunächst sehr sonderbar und unverständlich an­

mutende Abänderung der klassischen G asstatistik das P L A N C K sch e Gesetz erhalten. Man teilt zu ­ nächst den Phasenraum der Lichtquanten in Zellen der Größe h. Denken wir uns für den A ugen­

blick, daß der Phasenraum (statt unendlich vieler) nur z w e i Z e lle n e n t h ie lte , und daß z w e i Gasatom e darin vorhanden seien. D ann gibt es, wenn die beiden Atom e unabhängig voneinander in die Zellen geworfen werden, nach der elementaren W ahrscheinlichkeitsrechnung vier gleichw ahr­

scheinliche Verteilungen der A tom e; die W ah r­

scheinlichkeit, daß in jeder der beiden Zellen ein A tom ist (was in zwei von den vier m ög­

lichen Fällen eintritt), wird gleich — . Aber nach Bo s e verhalten sich die Lichtquanten anders: bei ihnen ist der Zustand, wo je ein Q uant in jeder Zelle ist, ebenso (n ich t: d o p p e lt so) wahrscheinlich, wie derjenige, wo z. B . in der ersten der beiden Zellen beide Quanten sitzen. Die eingefügte Zeich­

nung m ag diese V erhältnisse anschaulich erläutern.

(Neben der klassischen und der Bo s e- Ei n s x e i n- schen S tatistik ist darin auch die von Fe r m i und Di r a c auf das sog. P A U L isc h e P r in z ip g e g r ü n d e te S tatistik erläutert; diese wird in einem späteren A bschnitt besprochen.) Allgem ein ausgesprochen:

Klassisch

(Unabhängige Teilchen) Bose-Einslein Pauli-fermi

• • • •

• • • • •

Die gleichwahrscheinlichen Zustände sind bei Bo s e

nicht, wie klassisch, beschrieben durch die Angabe, welche Atom e (Quanten) in welchen Zellen sitzen, sondern durch die Angabe, w ieviel A tom e (Quan­

ten) in jeder Zelle sitzen.

Ei n s x e i n3) hat, geleitet von der H ypothese der W esensgleichheit korpuskularer und wellenförm iger Strahlung, diese B o s E s c h e S tatistik auch auf das

x) [Anmerkung bei der Korrektur. Die wirkliche Bedeutung der Wellenpakete im Sinne der hier zu­

grunde gelegten Auffassungen ist klargestellt von W. He i s e n b e r g in einer im Erscheinen begriffenen Arbeit, die sich an die im letzten Abschnitt dieses Berichtes besprochenen Untersuchungen anschließt.]

2) S. N. Bo s e (28).

3) A. Ei n s t e i n (29).

(8)

63 8 J o r d a n : Die Entwicklung der neuen Quantenmechanik. r Die N atur- Lwissenschaften

m aterielle ideale Gas übertragen. D as Pl a n c k- sche G esetz unterscheidet sich dadurch v o m W iE N -

h v

sehen, daß an Stelle von e ~kT

-v --- s t e h t . h vi In d e r E iN S T E iN sc h e n

der Ausdruck Gas­

statistik tr itt entsprechend für den in der M a x - W E L Lsch en G eschw indigkeitsverteilung auftreten-

L

den A usdruck e k T L = — m v2) der Ausdruck

a{T) L

k T

ein1 ).

e — i

D ie dam it erhaltenen Abweichungen von den Ergebnissen der klassischen Theorie sind praktisch belanglos, solange man- dem Gebiete sehr tiefer Tem peraturen fern bleibt; sie führen jedoch dazu, daß auch für das ideale Gas der NERNSTsche W ärm esatz gü ltig wird. Theoretisch führen sie ferner zu der N otw endigkeit einer (natürlich gleichfalls nur bei tiefen Tem peraturen merklichen) A bänderung am S toßzahlansatz der Gastheorie sowie an den W ahrscheinlichkeitsgesetzen für die sonstigen W echselw irkungen der A tom e unter­

einander oder m it L ich t (Absorption und Emission, Zerstreuung; Verbindungen der Atom e, D issozia­

tionen, Ionisierungen usw.). A lle diese W echsel­

w irkungen sind klassisch einfach als proportional m it den Konzentrationen aller beteiligten m ateriel­

len Partner anzusetzen [M assenwirkungsgesetz]2), doch ist diese einfache Prop ortionalität nur m it der M A X W E L Lsch en G eschw indigkeitsverteilung, nicht m it der E iN S T E iN sc h e n verträglich. E s sei erwähnt, daß die H ypothese der W esensgleichheit korpuskularer und wellenförm iger Strahlung auch diese Schw ierigkeiten in sehr einfacher und n atü r­

licher W eise aufzulösen ve rm a g3).

D ie zunächst so paradoxe Annahm e der Bo s e- schen S ta tistik wird verständlich, sobald man wieder die w ellentheoretische Seite der Sache ins A uge faßt. D er elektrom agnetische Hohlraum ist

.--- L E

Daß hierin a lT ) + — — statt -—= , wieimPLANCK-

' IcT k T

sehen Gesetz steht, rührt davon her, daß die Anzahl der Atome als fest gegeben vorausgesetzt wird. Wenn man diese Voraussetzung fallen läßt, also annimmt, daß materielle Atome durch Umwandlung ihrer Energie in Strahlung vernichtet bzw. umgekehrt neu gebildet werden — bekanntlich ist diese von Ed d in g t o n her­

rührende Vorstellung im Anschluß an die Unter­

suchungen über die durchdringende Höhenstrahlung letzthin vielfach erörtert worden — so wird durch die EiNSTEiNsche Statistik eine thermodynamische Gleich­

gewichtskonzentration des Gases bestimmt, und zwar in Übereinstimmung mit einem von O. St e r n (30) kürzlich auf anderem Wege abgeleiteten Ergebnis.

(Vgl. P. Jo r d a n [31]; P. La n g e v i n [32].)

2) D. h. insbesondere z. B. proportional mit dem Quadrate einer Konzentration, wenn sich zwei gleiche Teilchen an jedem Elementarakt der Reaktion be­

teiligen.

3) P. Jo r d a n (33).

w ellentheoretisch nichts anderes, als ein System ungekoppelter R esonatoren, Eigenschwingungen.

N ach der Q uantentheorie m uß eine jede dieser Eigenschw ingungen gequantelt sein; einer der gleichwahrscheinlichen Zustände des G esam t­

system s der Resonatoren ist zu beschreiben durch A ngabe der Q uantenzahl jeder Eigenschw ingung.

D as ist aber genau die B o s E s c h e S ta tistik ; nur daß die ,,E igenschw ingung“ in der K orpuskular­

theorie „ Z e lle “ heißt, wobei die „Q u an ten zah l der Eigenschw ingung“ als „A n zah l der Q uanten“

in dieser Zelle bezeichnet wird. Entsprechend wird m it den d e B R O G L iE sch en W ellen die Ei n- STE iN sche Gastheorie verstän d lich 1). D ie Quanten­

m echanik m acht es aber möglich, wie He i s e n b e r g

und Di r a c gezeigt haben, auch vom rein korpus­

kulartheoretischen Standpunkt aus die Ei n s t e i n- sche Gastheorie zu verstehen. W ir kommen d arauf in einem späteren A b sch nitt zurück.

Man kann noch aus einem anderen Zusam m en­

hänge eine Stütze für die d e B R O G L iE sche H ypothese gewinnen. Du a n e2) hat es verstanden, die einfach­

sten Interferenzen, näm lich diejenigen an einem unendlich ausgedehnten K rystallg itte r von fehler­

loser R egelm äßigkeit, im A nschluß an die L ic h t­

quantentheorie ganz ohne H eranziehung w ellen­

theoretischer Bilder zu deuten. N ach Co m p t o n3) kann man Du a n e s Gedanken etw a so form ulieren:

W ird ein unendliches K rystallgitter gleichförm ig translatorisch bew egt (am einfachsten etw a in der R ich tun g einer der Achsen des K rystalls), so ist diese Bew egung gewisserm aßen eine periodische:

jedesm al dann, wenn das G itter sich gerade um einen A tom abstand in der fraglichen R ich tu n g bew egt hat, ist wegen der vorausgesetzten v o ll­

kommenen R egelm äßigkeit des G itters ein von dem alten Zustand nicht unterscheidbarer Zustand wiederhergestellt und eine „P e rio d e“ der B e ­ w egung abgeschlossen. D anach kann diese B e ­ wegung also gequantelt werden. E rleidet nun das G itter einen „Z usam m enstoß" m it einem korpus­

kularen Teilchen, so kann dabei nichts anderes geschehen — man denke an die Fr a n c k- He r t z- schen Elektronenstöße als Analogie — als ein Quantensprung des K rystallgitters.

Die Quantelung der B ew egung des K ry s ta lls führt dann dazu, daß das stoßende Teilchen nur ganz bestim m te Im pulsbeträge verlieren und nur nach ganz bestim m ten R ichtungen reflektiert werden kann; und zw ar ein L ich tq u an t m it der Energie hv und dem Im puls — eben in den R ich ­h v tungen, in welchen nach v . La u e eine W ellenlänge X = — reflek tiert wird. c Ep s t e i n und Eh r e n­

x) Diese von Ein s t e in selbst gegebene Aufklärung seiner Gastheorie durch Heranziehung der d e Br o g- LiEschen Wellen is t von Sc h r ö d in g e r (34) sowie von Bo r n, He i s e n b e r g und Jo r d a n (3) ausführlicher er­

läutert worden.

2) W. Du a n e (35).

3) H. A. Co m p to n (36).

(9)

J o r d a n : Die Entwicklung der neuen Quantenmechanik. 639

f e s t1) haben gezeigt, daß diese Überlegungen auch für die Interferenzen an einem endlichen und beliebig unregelm äßigen G itter verallgem einert werden können. Sie müssen aber, wenn ihre Grundlage überhaupt richtig ist, auch für Z u s a m m e n s t ö ß e des G itters m it m ateriellen K orpuskeln gü ltig sein 2); und man ersieht leicht, daß diese sich danach bezüglich der m öglichen R eflexions­

richtungen genau wie W ellen m it dem l der en t­

sprechenden d e B R O G L iE sch en W elle verhalten.

N ach Untersuchungen von G e rm e r und Da v i s s o n3) scheint eine solche Interferenz von E lektronen­

strahlen, die an K rystallen reflektiert werden, empirisch w irklich nachweisbar zu sein. Ä ltere Ergebnisse von Da v i s s o n und Ku n s m a n n sind schon von E l s ä s s e r 4) durch die d e B R O G L iE sche H ypothese gedeutet worden.

6. D ie Schrödingersche Theorie.

W enn wir zunächst einm al die M echanik eines einzigen E lektrons in einem elektrom agnetischen Felde betrachten, so stellt die ScH R Ö DiN GER sche Theorie nichts anderes als die folgerichtige D urch­

führung und A usgestaltung der d e B R O G L iE sch en Ideen dar. D ie früher besprochenen d e BR O GLiE­

schen Gleichungen bestim m ten die Frequenz (und Phasengeschwindigkeit) für ein kräftefrei gerad­

linig bewegtes T eilch en ; die W ellenam plitude 'war dabei als im ganzen Raum e gleich große ange­

nommen. F ü r ein Teilchen m it beschleunigter und krummliniger Bew egung werden jedoch die Verhältnisse kom plizierter, und die d e B R O G LiE­

schen Gleichungen müssen geeignet verallgem einert werden. Dies ist S c h r ö d i n g e r gelungen, der eine D ifferentialgleichung angegeben hat, durch welche die A m plitude der d e B R O G L iE sch en W ellen (als F unktion des Ortes) und ihre Frequenz allgemein bestim m t wird. W ir wollen bei der Erläuterung dieser D ifferentialgleichung und bei der D arlegung ihres Zusam m enhanges m it der M atrizentheorie uns wieder auf ein System von nur einen einzigen Freiheitsgrad, also einen eindimensional bewegten M assenpunkt beziehen. Dieser h at eine gewisse Energiefunktion

H = — p2 + U (q ), 2 TO

worin wiederum p den Im puls m'q bedeutet; U (q) ist die (als nicht exp lizit abhängig von der Zeit angenommene) potentielle Energie des Teilchens.

Zur Übersetzung dieser korpuskularm echanischen

^V erhältnisse in die W ellenm echanik ersetzen wir in der Energiefunktion den Im puls p durch den D iffe re n tia lo p e ra to r ^ und b ild en die Schw in­

g u n g sgleich u n g H eft 31. 1 5. 8. 1927J

1) P. Ep s t e i n und P. Eh r e n f e s t (37).

2) P. Jo r d a n (38).

3) Ge r m e r und Da v i s s o n (39).

4) W. El s ä s s e r (40).

H ierin ist also <p(q) die A m plitude der Sc h r ö d i n g e r- schen W elle; W ist eine konstante Zahl. W ir suchen solche Lösungen 9? (q) der D ifferential­

gleichung, welche in unserem ganzen eindimensio­

nalen Raum e, also auf der ganzen g-Achse, überall eindeutig und endlich sind; auch im Unendlichen soll die Lösung noch endlich bleiben. Diese Forderungen sind nach bekannten m athem atischen Sätzen im allgemeinen nicht für jeden W ert des Param eters W zu erfüllen; diejenigen speziellen W erte W, für welche sie erfüllbar sind, werden von den M athem atikern als „E igen w erte“ der D if­

ferentialgleichung bezeichnet. E s kann Vor­

kommen, daß diese Eigenw erte alle diskret verteilt sind; es kann aber auch der F all eintreten, daß alle reellen Zahlen in einem gewissen In tervall E igen­

werte sind, oder endlich, daß sowohl diskret ver­

teilte als auch andere, sich kontinuierlich folgende Eigenw erte vorhanden sind. N ach Sc h r ö d i n g e r

sind nun diese Eigenw erte nichts anderes, als die exakten quantenm echanischen W erte der Energien des System s in seinen verschiedenen stationären Zuständen: bei System en, welche, wie der harm o­

nische Oscillator, im Sinne der K orpuskular­

m echanik nur periodische Bewegungen ausführen können und dementsprechend nur diskrete Quan­

tenzustände besitzen, sind auch säm tliche E igen­

w erte diskret verteilt. Dagegen sind beispielsweise bei der zum W asserstoffatom gehörigenDifferential- gleichung einerseits die unendlich vielen diskreten Zahlen W n = c ~ ^ ~R h (w = 1 , 2 . . . . ) Eigenw erte (B = RYDBERGkonstante) und andererseits sind auch alle Zahlen W > o Eigenw erte der D ifferential­

gleichung. Die diskreten Eigenw erte entsprechen den Ellipsenbahnen der Korpuskulartheorie und sind im E inklang m it der BA L M E R fo rm el; die kontinuier­

lich verteilten Eigenw erte entsprechen den korpus­

kularm echanischen Hyperbelbahnen, deren Energie ungequantelt ist. D ie von Sc h r ö d i n g e r gem achte Entdeckung, daß man auf dem angedeuteten W ege wirklich die richtigen Energieterm e für das W asser­

stoffatom erhält, ist nicht nur physikalisch als eine grundlegendeLeistung anzusehen, sondern auch rein m athem atisch von größter W ichtigkeit. Die M athem atiker haben, besonders unter der Führung Hi l b e r t s, schon seit langem die m it den E igen­

werten von D ifferentialgleichungen zusam m en­

hängenden m athem atischen Problem e durchforscht;

und es w ar längst bekannt, daß es D ifferential­

gleichungen geben m ußte, bei denen sowohl diskrete als auch kontinuierlich verteilte E igen­

w erte auftreten. A ber es w ar nicht gelungen, nur ein einziges Beispiel einer einfachen D ifferential­

gleichung, bei der das der F a ll ist, w irklich anzu­

geben. Sc h r ö d i n g e r hat dieses erste Beispiel geliefert.

W ir kommen nun zur A bleitun g der Matrizen aus der ScH R Ö D iN G E R schen Theorie. W ir wollen dabei der E infachheit halber annehmen, daß wir es m it einem System zu tun haben, das nur in diskreten Quantenzuständen au ftritt. W ir können

Cytaty

Powiązane dokumenty

bildung. B ekanntlich gilt im allgemeinen die Regel, daß in der Achsel eines Laubblattes stets eine, aber auch nur eine Knospe sich befindet. Treten, wie es bei einer

M is e s teilen, doch bin ich m it ihm der .Meinung, daß kaum genug geschehen kann, um unter der jüngeren Generation den Sinn für die Anwendungen zu wecken und

(Leipzig 1899, bei Oldenbourg) h at einem anderen mineralogischen Teilgebiet, näm lich der für den Geo­. logen wichtigen Petrographie, 48 Seiten

tendenz oder vom eleJctropositiven Charakter des M eta lls kann als ein neuerlicher Bew eis für die A uffa ssung der Verfärbung als Ionenneutralisierung betrachtet

Wenn nämlich A ' nicht m it einem normalen A-Molekül direkt Dianthracen bildet, sondern zunächst durch Energieübertragung beim Stoß die Brückenbindung in einem

den. Der eine Streifen wird solange geheizt, bis die D ifferenz der Thermoströme verschwindet. Die Heizung muß dann gleich der Strahlung sein, die beide Streifen vom

daß man bei Aufnahmen aus der L u ft sich neuerdings auch dem quadratischen Form at zuzuneigen scheint. W enn dann auch im K riege bei dem wilden Durcheinander

nisse und Literaturangaben auch der allerneuesten Zeit aus allen Gebieten der Bodenbiologie finden wird, sei es, daß er sich mit Bodenbakterien, Pilzen, Protozoen oder