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Die Zukunft, 26. Juli, Bd. 40.

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Berlin, den 26. Juli 1902.

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Directoire.

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MilitärkapellespielteeinPotpourri. Jn langerLinieschobdieMenge sichzwischendenBiertrinkern amSeehinUndher. MeistFremde;nichts BesonderesanToiletten. AusBerlinderbessereMittelstand, der, während dieReicherenin denBädernsind, sichauch anWochentagenmaldenZoolo- gischenGarten gönnt.DieEinheimischensinddaran zuerkennen, daßsie froh aufzucken,alsausdemFaultöpfchen,das dieKapellekredenzt,das liebe SchmatzantlitzdesKleinenCohn auftaucht;imReichder Tönewenigstens giebtesfür begrenzteGebietedesdeutschenVaterlandes dochschoneine ein- heitlicheKultur. Oben, hochüber derBiergemeinde, thronendieResteder society. Ein-paar Offiziere. »KanndenollenJubelverdy nicht soenorm finden; allerdingsimmergutenRiecher gehabt·Aber Bismarck kriegte’ne weißeZunge,wennerdenNamenhörte.«EinBischenUniversität.»Renvers giltalsderNächstezuGerhardtsKlinik;sehr gut angeschrieben,Kaiserin Friedrichbehandelt,militärischeVergangenheit,KanzlerdoktorundLeyden- schüler:wennerernstlichwill, haterdieErbschaft.«Zolltarifkommissionäre.

»Posadowskyiftebenüberreizt;kein Wundernach so langerGaleere;schließ- lichwirdsabernicht so heißgegessenwerden«. Potpourri. Natürlichauch dienochnicht AbgelöstenausIndustrie,Finanz,Advokatur.Undwasman anderSpree soCocotten nennt. WinterkundschaftvonApolloundArkadiaz werauf sichhältund einen michet fürdenSchlafwagenplatzgefundenhat, istinOstendeodermindestensinDüsseldorf,wo,trotzdem wankenden Montanmarkt,Galanteriewaaren noch hochnotiren. An einemEcktischzwei elegantgekleideteHerren.»Was nichtzulange dauert«,sagtderDicke ;,,alfo

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meinetwegen zunächstHammerår la Delmonieo.«,,Nee,«sagtderDünne;

vorKarlsbad können Siesichs leisten.Jch nehmeTimbale von Krebs- schwänzenzmehr darf ichmirnicht zumuthen. Proponire:dannPoularde inHalbtrauer;undSchluß. Abgemacht?Abernicht zuvielTrüffelnund nichtzuwenigBechamel;mehr halbalsTrauer. Undeinenleichten Moät, white star, undnachherMouton Rothschildvon78,nicht allzuwarm·«

..»EkligbleibtdieGeschichteimmer. ReinigungderAtmosphäre:

sehrschön,machtunsabernichtsatt.UndnochlangenichtzuEnde.DiePom- mernSchulzundRomeick kommennochdran,SchmidtinKassel,Terlinden,

wasweißich?BisWeihnachtenwerdendieZeitungenzuthunhaben.«

»Undbisdahin istvielleichtNeues fällig.Siekennen meine Litanei:

derHauptstonkommterst.LieberFreund, ich weiß:Sieliegengut und kön- nensmitanfehen.WennaberdieseinsteJndustrie soumvierzigbisfünfzig Prozentchen purzelt,wirdsJhnen auchindieNase steigen.Wirhabenuns zuhoch gebläht,sagtderDichter.ArmesLand; nichtszumachen.DenPro- zeßkramaber kannich nichtsotragisch nehmen.Naja, angenehm ists für Unsereinennicht; dieReputation isteinBischenindieBrüchegegangenund ichratheIhnen, sichanderTepleinfachalsKaufmannin dieListezusetzen;

nicht Direktor, namentlich nicht KommerzienrathOlet. Wirsind fürdas Volknun malsämmtlichinsAbruzzenhaftegeriickLGenirtSies sehr? Mich nicht. MariechenStuarts Renomtnce rochnochschlechterundsie hat doch ganzfidel gelebt.Bissieeingelochtwurde, allerdingsnur. Kannunsauch passiren; gewiß.Aber weilnochdasLümpchenglüht,wollenwiruns das Lebennicht saurer machen,alsessoschonist. Profit!WenndenRuf-Du erst verloren, kannstDu leben ungenoren, pflegtederseligeBambergerzusagen.«

»Sie spaßenlIchwarinParis,alsderalteReinach sichvergiftete.

Gehirnschlagnannte mans. Allesistdaraus entstanden,inclusiveDreyfus, undheute noch istsnichtvorbei. UnddieselbeErschiitterungvonTreue undGlauben habenwirjetzt.DieSolidestenwerdenmit denSchwindlern in einenTopf geworfen. Jstsdennerhört, daßinLeipzigder Staatsanwalt sagendarf,nurausGeldgierkönne einRechtsanwaltBankdirektorwerden?«

»Humn1erDelmonico,Timbale vonKrebsschwänzen!«

»So. NehmenSiediePetersilie gleichmit; ichbinnicht fürGrün- futter...Ja, Klein-Paris liegt nochimmernichtamMontmartre. Wirth- schaft, Horatio.Die ganzeJuristereiwirdjedesmalgriingelb,wenn sievon unseren Einnahmen hört, die,entre nous soitdir, ja wirklichnichtimmer derLeistung entsprechen. ,Der Angeklagte hatteeineprächtigeVillaund

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PflegteimFebruar nachMonte Carlozugehen«:beisolcherFeststellung sindwirfchon dichtamZuchthaus. DaßdieGefahr noch größerwäre, wenn wirwiearme Schluckerabgelohntwürden,unddaßes,fo langewir überhauptinKlassenstaatmachen, auchLeutegeben muß,die maltheure

«

Bilderkaufen,SäuglingheimebauenundunserekümmerlichenLuxusgewerbe lebenlassen,darandenktKeiner.Ganz Unrecht hatdersächsischeSittenwäch- terltrsotzdemnicht. Hand aufdenHerzklappenfehlerlMitwelcherSorte Speck fangenwirheutzutagedenn dieMinisterialdirektoren undnoch größere Mäuse? Jm Durchschnitt,kannman sagen,kommtbeiunskein Staats- beamterstandesgemäßaus, weder derBriefträgernochderMinister,wenn ernichtvonVateroderSchwiegervatereinenHaufen Groschenmitgebracht hat.DaswarPreußensStolz,dieweilmehrnichtzuhabenwar. Jetzt aber, Verehrtester,winktder Versuchermitgoldenem Finger;ergo laufendie Leute in dienachgepfuschtenFlorentinerpaläste,soman Bankennennt;an dieEisengittervorm Fenster gewöhntman sichdadrinallmählich.Spaßbei Seite! SieunterscheidenzwischenSoliden undSchwindlern.Werift,bei unserer Kreditausdehnung,dennsolid?UndwofängtderSchwindelan?

WoimGefchäftsberichtnicht,wieaufdemWäschezettel,jedefchmutzige Windel aufgezähltwird? Blödfinnigercantl DieBilanzen frisirenwir Alle; müssenwir,vonwegen derallerwertheftenOeffentlichkeitundderKon- kurrenz. Jede Regirung thuts auchimEtat,wenn sienicht gerade eineRiefen- erhöhungdesAltienkapitalsdurchfetzenwill,undvordengroßenParaden werden dieschlappenKerls zumKasernendienftkommandirt. Solidistman, so langeman dafür gilt.Wenn morgenirgendeinKrach,mitdemsiegar nichtszuschaffenhat,zu einemrun aufdieDeutscheBankführt,kannselbst dieserGroßmachtbeiihrerungeheurenDepositenmengederAthemftocken.Das istjaeben dasPutzigein alldiesenProzessen,daßmanmitlöblichstemAufwand vonEifer festzustellensucht,obDirektion undAufsichtrathihreBank ab- sichtlichinsVerderben gesteuerthaben,undihnen,wenns mitdiesemBe- weishapert,dasFlanellhemdderEhrenrechteläßt. ,EduardSanden war ernstlichbemüht,seineBank vorwärts zubringenh Kunststück!Exneretwa nicht?UndSchmidtunddiePommern?Dannmüßtensieentmündigtwerden.

AberwaswollenSie? Wir werdennun mal bisandenHalsmitSozial- ethikgestopft. SchondasWort macht michseekrank.Als obmitEthikReiche undAktiengesellschaftengegründetwürden.Ofenheimwar einfach erhaben, alserGevatterSchneiderundHandschuhmacherzurief,daßman mitMoral keineEisenbahnbaut. EinMinister,einBotschafterlügtden anderen an,

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daßes nur so raucht; falscheStatistiken, heimlicheVerträge,dieabgeleugnet werden,SpionageundContrespionage:alle Mittel gelten.Daheißtmans Politikzbeiunsists Verschleierung,Untreue,Betrug.Wir sollendieJungfern- schaftbisinsErzväteralterbewahren.EinTrost, daß unsereKunden es nichtverlangen;undeinzweiter, daßdieJustizinihrer Schlepprobeimmer nurnachhumpelnkann. Siesehenja,washerauskommt...Darf ich?«

»Danke;nichtzu voll!Wieso? Sechs Jahre! MitderKundschast kommenSieweniginBerührungundwissendeshalb nicht,wieuns dajetzt aufdieFinger gegucktwird.Sogar derAufsichtrathist ängstlichgeworden.«

»Machtnichts,carissimo ;unskanndochKeiner.DenAuffichtrath möchteichsehen,dermichhindernwollte ;selbstwennnichteinaufgebrauchter Ministerodereine andere adeligeNonvaleur vorsitzt.Bei unsgehtsnur mit derDiktatur;Jederinseinem Ressort SelbstherrscherallerReußen.

UndHerrnPublikus habenSienichtinsHerzgesehen.Werruhig schlafen will, lauft Konsols. JneinemLande,dasseineStaatsanleihen mitAchund trotz Krach nicht höherals bis93bringt, wäre,inParenthese,dasäußerste Mißtrauengegeandustrie-undBankpapiere übrigenskeinNationalunglück.

NatürlichwillNiemand seinGeldverlieren;stärkerals alleAngstaberistdie Gewinnsucht,wie mans,sehrmoralisch,bei Anderennennt. SetzenSieVe- stalinneninsDirektorenbureau und morgen können SieJhre Sandsteinburg alsNachtcafåvermiethen.ProtzereimitEhrlichkeitrentirtauchheutenochnicht.

Ich glaube,Kant wars, derirgendwovonchinesischenKrämernerzählte,die überihre Ladenthürschreiben: ,Allhierbetrügtmannicht.·Detaillistenkniffz nichts fürunsSehen Sie sichum.WelcheAnglerinhatdenfettstenKarpfenan derLeinePJchmeinedenblödenSwell dadrüben,derdieletztenHaaresopa- tentgescheitelthat.SeineKleine diegroßeHellblonde dienteanno

,ExcelsiorcimViktoriatheaterundistseitdemblonder, dochnicht jüngerge- worden;dickgeschminkt,ganz inEisen,aberErfahrung, daßselbstMikosch sagenwürde: AlleAchtung.VonähnlicherSchätzunghängtderKursstand jedesUnternehmens ab,dasaufMassenkundschaftangewiesenist.Uebimmer Treu undRedlichkeit,dannkommstDunichtdrei Stunden weit.Deshalb hatander ganzenGeschichtemichnichts so geärgertwie dasgräulicheFlen- nenderVertheidiger.DieCivilisten,dietüchtigin denSachen gearbeitet hatten, gingennoch; aber dieKriminalhengfte! Jeden Augenblickkonnteman erwarten,siewürdenfür ihreMandanten eineBürgerkroneodermindestens Speisung auf Staatskosten beantragen. ,UnermüdlicheTreueimDienst seiner Bank. RastloseSorge fürdasseinentreuen HändenAnvertraute. (Treu-

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händer!)BeimhohenSonnenflugschmolzfreilichdasWachsseinerFliigelz aber ausseinenBriefen sprichtdasstrengeRingeneinermiternstenDingen beschäftigtenMannesseeleunddasganze Leben desAngellagtenbietet das rührend schöneBildtreuer undernsterMannesarbeit. Wohlwaren die Angeklagtenuntreu,dochnurgegensichselbst;unddieserUntreue rühmen sie sichlaut.· Undsoweiter. Der Mann mit den treuen Händenunddem geschmolzenenWachs istderRightHonourable OttoSanden, derPor- traitistderJustizrathSello. (WirwolleneinenCognac trinken, Martell, und eafådoub1e.)Anderehaben ähnlicheRegisterzuziehenversucht. Jch binnicht sehr für großeWorte undwillnicht,wieentrüstetesZeitungleute, vonAdvokatenskandalsprechen.Aberwozu? Geglaubtwirdsnicht, aufdie Richterwirktsnichtunddraußenmachts bösesBlut. Zehntausendmalbesser istdasArgumentderDummheitundgeschäftlichenUnfähigkeit.Daswird, wie derDifferenzeinwand,vondenGerichten stetsanerkannt. Nichtimmer treffendieVertheidigeressobequemwiehier,wovondreiangeklagtenBank- direktoreneinermitdreizehn,einer mitvierzehnJahrendieSchule verlassen, einer in einerMaterialwaarenhandlung,einer in einerSchlosserwerkstatt dasHypothekengeschästgelernt hat. AufdenEinwand derUnfähigkeitaber könnensie rechnen. UnsereGerichte sind sehr strenggegen dieJntelligenzz nichtnurinFinanzprozessen. Jchwürde einenklugen, energischenMenschen, derinwüsterArbeitzumVerbrecher geworden ist, nochmilderbeurtheilen alsdenfeigen Schwächling,dernichts leistet,mitgeschlossenenAugendie zweiteUnterschriftgiebt, froh ist,wenn ervonden dessous nichts siehtund amJahresschlußdochseine zweihundertbraunen Lappen zusammen hat.

Fängtbei unsder Staatsanwalt abererstvondemhohenBildungsgrad und derunzweifelhastenIntelligenzdesAngeklagtenzu reden an, dannhats schonHalbzwölfgeschlagen.Darum, Verehrter,beherzigenSiedaselfte Gebotvorden anderenzehn:Dusollststets weniger intelligentscheinenals DeinMitdirektor, auf daßesDirwohlergehe,fallsDuverhaftet wirst!«

»Zustand!Aber ganzfalschists nicht.Keinerwillwasgethan haben.

Keiner wußte,was loswar. UndDie,denenmans glaubt,kommengut weg.Puchmüllerundseine Kumpanewaren WerkzeugeSandens, Gentzsch undKonsorten WerkzeugeExners.EduardSanden selbstwar wiedervon Spielhagen,ExnervomTreberschmidtundvonSachsenröderinBersuchung geführt.Kluggenug,umGeldeinzusteckcn,waren Alle.Diejetztam Meisten dranglauben müssen,sind schließlichdochdieEinzigen,diefürs Geschäft wasgeleistethaben.MitNullenmachtman auch ohne BetrugBankerott.«

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»Natürlich. Zusatzstrafen für Intelligenz JstdesLandessoder Brauch. Welcher AnklägerundRichterwill denn insolcherHauptverhand- lung auch feststellen,wernützlichgearbeitet,werfruchtbareGedankengehabt hatundwelcheGeschäfteChancenboten?AlleFäden sind längstabgerissen, alleWertheverschrien,alleVerbindungenvonderKonkurrenzmadig gemacht.

Nundauerts Wochenlang.DerReferentkenntdie Akten genau. Vorstellen, so daßersentstehenundwachsensieht,kannauchersichkeinGeschäft.Also Sachverständigeheran! JeeinenliefernStaatsanwaltschaftundVerthei- digung.Los! WasfürdenEinenSchwarz, ist fürdenAnderenWeiß.Und siewerdennichtetwaüberGrundsätzevernommen, nein:täglich,überjedes ruppigeDetail.DieRichterkönnensich,und wärensdiebesteninihremFach, imDickichtnicht zurechtfindenunddanken zuGunstenderSachverständigen ab.Dieherrschen;gottähnlich;undunterihnenherrschtwieder,werdie ge- ringsteSchüchternheitunddaszahlungfähigsteMundwerk hat.DenkenSie sicheinenLandgerichtsrath,dersfertig bringt,mitdenWortenNeue Berliner Baugesellschaft, Grundschuldbank, Grunderwerbsgesellschaft,Märkischer Jmmobilienverein, Kreditgesellschaftfür IndustrieundHausbesitz,Wasser- werkevonSkutari dies Allesundmehrwar Sanden ja unterthänig konkreteBegriffezu verbinden. DenSchwarzenAdlerfürdenMann,der mitsolchenFähigkeitenfür fünftausendMarkKupplerinnenundTaschen- dieben dasRecht spricht.Dasist unserTrumpf:die Damemit der Binde kannineinem noblenconcern immernur Blindekuh spielen.Aber der Trumpf hilft nicht,wenneine andereFarbeimSkatliegt.Dasheißt:wenn derGerichtshofnichtdemGutachter glaubt,denwirausgesucht haben.Der günstigereFall ist:beideSachverständigenmachengleichgutenoderschlechten Eindruck;so scheintsin Moabit jetztmanchmal gewesenzusein.Dannsagt dergewissenhafteRichter:DasistdieTintenflasche,dieichnicht durchschauen kann ;also sprecheichfrei,woder-Beweisnichtsodickwie einGalgenstrickis

»GlaubenSiewirklich? Jchbin ganz andererMeinung.Undmeine Frau schriebgesternausFranzensbad:EinGlück,daßkeinJude dabeiist!«

»Das letzteGlasaufdasWohlJhrer weisenGattin! Siehat ja so Recht.Es wäre andersgekommen,wenn dieMobilmachunggegenjüdische Bankdiebegerufen hätte.Wolff undSommerfeldwaren dochLäppereienim Vergleichmit denneustenNicderbrüchen;undwelcherLärm damals! Leip- zigerundLöwy Zuchthaus,deralteWolff zehn Jahre Gefängniß. Jetzt ist keineinziger Sohn Abrahams aufderStrecke.Derdessauer Cohn,demdie Zeugenaussage nichtzuersparen gewesenwäre, starb nochzurrechtenZeit

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und ist inzwischenein kleinerHeiliger geworden,aus dessengeruchlosem NachlaßdiedeutscheKunst gefördertwird.Höre,Jsrael,undjauchzet,alle Lande!Feine Sache.DieAntisemitenkönnennur aufumflortenHörnern TrauerchöreblasenundunsereherzigenJudenblätterknirschenzwargrim- mig,die moabiter Strafen seienzugering, dürfenabernichtgeneralisiren, sondern müssennachjedemUrtheilsspruchdie ,moralischeAtmosphäre«fürge- reinigterklären.Trotzdem glaube ichnicht, daßdieRassenverwandtschaftdie Richtermilderstimmt; nichtmal inLeipzig,woSeintiefunterPari.Nur ließder Einwand derArglosigkeitsichunterdiesenUmständenmitErfolgver- werthen. UnsereLeute werdennicht fürnaivgehalten;undwenn vonden treuenHändendesHerrn Hirschundvom FlügelwachsdesHerrnTinkeles gesprochenwordenwäre,hättederHohe Gerichtshof sichVomirens halber zurückgezogen.Wo aberderThatbestanddunkelbleibt, entscheidenEindrücke undSentiments. Jedenfalls hat Jhre FrauinsSchwarze getroffen:Ein Glück,daßkeinJudedabeiist!Wirhättennicht sovielefunkelndeSchächt- messergesehen,aber denStoßmit ganzandererWucht gefühlt.Jetztkonnte Tubalin derThiergartenstraßeschmunzeln: ,AndereLeutehaben auchUn- glück!«Undich haltedie reinarischeBesetzungderAnklagebanknichtetwa fiir bloßenZufall. Wirsind auf dieserBranche,dieuns so lange trägt, schonweitergeklettertundwissenungefähr,wassieanLast schleppenkann, ohne zubrechen. Schachtelgesellschaften,nachweisbar falscheBilanzenund Buchungen—: Das lassenwirlängstvonAnderen machen,wie der alte Fontanesagte,derso erstauntwar, alsihmzumSiebenzigsten fastnur Jakobssöhnegratulirten.Alleswillauf dieser gräßlichenWelt ebengelernt sein. JnälterenFinanzländernistman über den Sturm undDrangder ewigenBankdirektorenprozessehinausundhat eingesehen,daßman beiGe- schästen,wie wirsie machen,mit einemin diePuppenwachsendenRisiko rechnen muß.Dennwas man, theuerster Kollege, sogemüthvoll,Bank«

nennt, Das istnichtblosGeschäft,sondern eineKulturformDemMenschen- schlaghier gehts nochnichtein. DermöchteAllesbeim Altenlassenund das Neue,mitSozialethikund brauner Butter ungerührt,dazu genießen.Da- herdieKonflikte. DaherEduardSanden,derGottesmann mitdemgeist- lichenZugunddenNebengleisenfür weltlicheSchiebungen;derfamose, vollkommeneTypeinerUebergangszeit. Nach jeder faulen Sache Andacht in derHauskapelle.Sicherganzaufrichtig...Aberich möchtezahlen.«

...Jn langerLinieschobdieMenge sich zwischendenBiertrinkern amSeehinundher.DieMilitärkapellespieltediePreußenhymne.Und die erste LeuchtkugelstiegkerzengradezumwolkigenNachthimmelempor-

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144 DieZukunft Die Wagner-Frage

Muter

dem Titel »Der KernderWagner-Frage«ist jüngsteineBrochure

kmo vonPaul Marsop erschienen.SieträgtdenUntertitel »Museums- kunstoderBühnederLebenden?«undwill»dieDiskussionÜber diewichtigste, zurZeit völligversumpfte Frage unseres heutigen Musiklebens ersteinmal einleitenundinFluß bringen«Leiderist heutzutage,dankdenZuständen, dieaufdemGebiete derWagnerschriftstellereiherrschen,dankderEinseitig- keit, demDilettantismus undderkünstlerischenwiekunstgeschichtlichenUn- fähigkeit,diesichdort breiter machendenn je,und schließlichdankder KritiklosigkeitdesPublikums, dasjedes Feuilletongeplauderalsgeistige Offenbarung hinnimmt,einsachlichesUrtheilüber diehistorischeStellung Wagnersundseiner Nachfolgerhöchstseltenzusinden.Undsohatsviel- leicht fürdeneinenoderanderen Kunstfreund Zweck,sichdashohle, freilich schönund starkaufgeblasene Ding,andaswir alsJdealder Zukunft glauben sollen-denKern derWagner-Frage, näher anzusehen.

DerKern derWagner-Frage ift nach Marsops SchriftdieZukunft desMufidramas. Diewichtigste,zurZeitvöllig versumpfteFrage unseres Musiklebenslautet: »Wie gewinnenwirfür das Musikdramadienöthigen deutschen Spielhäuserä. laBayreuth,wiedas nöthigeGeld,dienöthigen Repertoirestückeunddas nöthigePublikum?« Natürlich einfach dadurch, daßwirunser ganzes Interesse auf dieseeineSache konzentriren. »Man beschränkesichimKonzertsaal"darauf,dasAndenkenderklassischenMeister pietätvollzuehren,gebe auchmitunter jüngeren,ernstvorwärts strebenden deutschenTonsetzernGelegenheit,ihre kompofitorischeTechnikebendortlernend zuüberprüfen:wendeaberdasbeste TheilderverfügbarenKräfte fernerhin

an diePflegedesmusikalischenDramas.« Sehr schönnimmtsichbeidiesem Vorschlagebereitsder KonzertsaalalsUebunglokalfür spätere Theater- komponistenaus. DochdieHauptsacheist ja:dasMusikdrama muß durch- gesetztwerden. Warum? Ja,warum wohl?WeildannerstdieWagner-Frage beantwortet ist.Softehtszulesen: »Das besteTheilderverfügbarenKräfte mußderBühnezuGute kommen. Bricht sich diese Ueberzeugungnicht Bahn,wirdsienichtinvollgiltigeThaten umgesetzt,danndarfman fürder- hin nicht mehrvon einer wagnerischenReformreden,dann kanndereinst dieGeschichteWagners AuftretenundWirkennur alseineEpisodeinder Tragikomoediederneueren Kunstentwickelungcharakterisiren. JstDas zu befürchten?Wollenwirindertraurigen WahrheiteinenkümmerlichenTrost suchen,daß dieGeschichtederVerbreitungeinesgroßenGedankensvon je herdieseiner Verflachungwar? Oder sollteesdochnochinletzterStunde gelingen,dasbereitsstark herabgebrannteFeuer desJdealismus wiederkräftig

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DieWagners-Frage 145

anzufachkmdaseinstunter soschweren KämpfenGewonnene zuerhalten Undfür dieZukunft fruchtbarzumachen?.«Das klingt hübsch.Esmacht sichstetsgut,wenn man einerSache einetragische,welterfchütterndeBedeutung giebt,mitdemGeschickdesSchriftstellers,derdasVerdienst hatte,zurZeit einesgroßenMannes gelebtzuhaben, sichindenMittelpunkteinerkünst- lekifchenAktionstelltundvonJdealismus undKampfundAehnlichemredet.

LeiderberuhtdieganzeSache aufeinemMißverständniß. WagnersAuf- treten wird nicht Episode, noch Tragikomoediewerden,auchwenn noch Schlimmeres passirtalsdieVernachlässigungdesMusikdramas.

- Undwenn wirdas Feuerdes Jdealismus anfachen,was nützts?

Wofür sollenwirsanfachen?Für dasMusikdrama. Warum? Dasind wirwiederbeiderAnfangsfrageundmüßtenantworten, weilsonst Wagners ReformzuGrunde geht.Also:warum gehtsiedenndamit zuGrunde?

Etwa,weilseine Werkenicht mehr stilvoll aufgeführtwerden? Nein. Das giebtuns derVerfasser gleichzu; ernimmt an, derenWesenbleiberein undecht erhalten.Nurum dieZukunftistihmbang:dieNachfolgersollen aufgeführtwerden. Warum? Weil siedieLebenden sind,dieFörderung brauchen,undweilsieMusikdramen geschriebenhaben.

EskannUnshiergleichgiltigfein,obdieserKalt derLebenden nicht raschineinen Kultder Freundeausarten könnte. NurdasEineist wichtig:

nicht,weils guteMusik ist—dievielenSchwächenderWerkewerden bereit- willig zugegeben—, sondern, weilsMusikdramen sind, sollenwir allebeste Kraft für diese»BühnederLebenden«freimachen.»Denn«, sofragtder Verfasser,»giebtesin den bereitsvorhandenen, ernsthaft angelegtenundliebe- vollfleißigdurchgebildetenWerkennichtStellen, Szenen, ja,ganzeAbschnitte, beidenen mitEinsatz keineswegs alltäglicherGedankenundMotive bereits eineerfreulicheEinheitderdichterisch-mufikalischenWirkunginbühnengemäßem Gewandeerzieltwird? Fragmente freilich;abertragendiese durchausge- lungenenTheilergebnifsenichtinsicheineArtGewährdafür, daßman dereinst wieder vollwichtige musikalischeTramen erwarten darf?« Also für diese WechselaufeineeventuellebessereZukunft, für diese Stellen, Szenen, ja ganzeAbschnitte, fürdieselbstderVerfassernur sehr eingeschränktePrä- dikateweiß, sollenwiralleKraft einsetzenunddafürallden»historischen Krimskrams«,allevorWagner liegendeMusiknur aus Pietätdannund wann einmalaufführen-dürfen JstDasdiewichtigste, bisher .versumpfte LebensfragederMusik? Man begriffedasAllesnicht, wüßteman nicht, welche bedauerlicheFolgen persönlicheErlebnisseundeinseitigesEindringen ineineSache fürdieEntwickelungdergesammten Anschauungenganzer KreiseundCliquen habenkönnen.

Dicsmal istdieLampe,um diedieMotten fliegen,dasblendende 11

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146 DieZukunft

Wort: Musikdrama.Das Musikdrama istderGipfelderKunst.Das hat Wagner gesagtodergemeintoderbewiesenoderahnen lassenoder... Doch daraufkommtsjagarnichtan,was erwirklichdamitgethan hat. Jeden- falls istesso: Das HöchsteistdasMusidrama. NachdemHöchstenaber sollman immer streben. Folglich sammeltalleKraft fürs Musikdrama.

Das isteinRattenkönigvon Jrrthümern. Erstens giebteskeinehöchste, keinealleinfeligmachendeKunstform,wederindenbildendenKünsten nochin denredenden. Zweitens,wenn essiegäbe,wäreesnichtdasMusikdrama- Denn wederist die Welt derBühnederGipfelderKunst noch ergiebtdie Addition,ja, selbstdieorganischeVerschmelzungmehrererKünsteeinHöheres alseineEinzelkunst.Dasist arithmetischeTäuschung.Drittens, selbstwenn dasMusikdramadasHöchstewäre,ließeessichnicht züchten;denngerade so komplizirteErscheinungen,indenenmehrere Künste zugleichvollkommen entwickelt wirkensollen, sind äußerstselteneGabengenialerNaturen. Viertens istesganzzwecklos,gerade, nachdem sieeinenHöhepunkterreicht hat, diese selbe Kunstgattung künstlichweiterbilden zu wollen. Dasmüßte schondie Geschichtelehren,wenn sich unsere Feuilletonschreiberum die bekümmern wollten. All Das,wasjetzt nach Wagner aufwächstanMusikdramen,wird einstdieBedeutung haben,dieheutedieMassedernach Schiller geschriebenen Jambendramen hat... DerKernderWagner-Frage hat sichalso rechtwurm- stichigerwiesen·SollichimEinzelnen nochallediefalschenBehauptungen aufzeigen,diemit unterlaufen?

.

Das Wichtigstebleibtdoch, einzusehen, daßwieder, wie leiderso oft, dasMißverstehenoder Uebertreiben wagnerischerGedankengängedaserste Uebelist. Hätteman Wagner wirklich erfaßt, so wüßteman, daßesnur

wenige Musikdramenin seinem Sinn gebenkann. Denn dieStoffe,die sich dazu eignen, sindbald erschöpft.Will man aber denBegriffweiter ausdehnenund alle möglichenArten deutscher musikalischenBühnenwerke miteinbezirken,somußman fallen lassen,wasselbstWagnernur fürdie größtengelten lassenkonnte,nämlich: daß fiedenGipfelderredenden Künste bedeuteten. Dann aberist nicht einzusehen,warum man gerade dieseGat- tungderKunstmitallerverschwenderischenLiebebedenkensoll. Denndaß eingutes deutsches BühnenwerkmitMusik mehr werth sein sollalseine gutesymphonischeDichtungoderguteChorwerkeoderguteKammermusik:

dafür bringt wohlNiemand einenBeweis. Esseidennder, daßWagner gesagt habe,dieabsolute Musik seibankerott unddieEntwickelungdersym- phonischenMusikmündeinsMusikdramaein. Wenn einegenialeNatur, umihrLebenswerkdurchzusetzen,zusolcherEinseitigkeitgelangt,raubts ihrer GrößekeinenZoll. Aberwenn dieNachläufer,dieihreganzeBedeutung

nur demUmstandeverdanken,daß sieZeitgenosseneinesGroßenwaren,dessen

Cytaty

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scher Entwickelung morgen Erreichbare hinauslangende Massen- sorderung sichhastig durchzusehen trachtet ; ob siesgewaltsam ver- sucht, ob mit den vom Gesetz erlaubten Mitteln und,

Das Publikum aber läßt diese Albernheiten mit wahrhaft evangelischer Gleichgiltigkeit über sich ergehen. Auf diese Weise bestärkt man in den Ver- brechern doch nur den

(Pon den fünfzig Jahren sind vierundvierzig verstxichenz und Karl hat sie weise genützt.) Aus Persaillks schreibt Bismarck: »Die Thatsache, daß Eure Hoheit von Ausz- land

zum Generalstrike aufmuntert, als Liberaler gegen den Klerikalismus kämpft oder als Priester gegen den Unglauben eifert, wenn er als Deutscher den Franz- mann haßtoder als

lassungen einschließlich der gesamten Einrichtungen. Die Bankengemeinschaft erwarb im Berichtsjahre an 36 Plätzen neue Grundstücke und Gebäude. Der Bilanzwert ergibt

«Newbutgh,Miramar, Der Gefangene von Sedan), während eine vierte (Der Sergeant von Bourg-la-Reine) lediglich als Gefäß meiner Ansichten über Krieg, Mord, Todesstrafe und

borgt, daß seine religiösenErinnerungen überall an semitischenUeberliefe- rungen orientirt sind, daß aus der durch diese moralischen und religiösen Vorstellungen

an sich mißtrauisch, daß sie nicht versucht, die bestehendenEinzelentwickelungen unter eine neue, höhere Ordnung zusammenzufassen,sondern, daß sie von jenen eine einzigehervorgreift