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Die Zukunft, 12. Juli, Bd. 40.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 12.Juli 1902.

f J Ist r f

Loå

FriedrichKarl WalterDegenhartFreiherrvonLoiå wird imSeptember

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vierundsiebenzigJahrealt. Erstammtaus demSiegkreis,ward strengkatholischerzogen,hatin Bonn einWeilchen studirtundgehörtseit dreiundfünfzigJahrendempreußischenHeeran.ErwarAdjutantdesPrinz- RegentenvonPreußen,späterMilitärattachåinParisundhat, außerden beidendeutschenKriegen,denachtundvierzigerSommerfeldzugmitgemacht- gegen denbadischenAusstandgefochtenunddieSchlachtfelderimKaukasus undinAlgerien gesehen.Weder66noch70hatteerGelegenheit,sichbe- sonders auszuzeichnen.Seit 1893ister, der alsnochnichtZwanzigjähkiger ch Dkagvnekkvckunzog,GeneraloberstderKavallerie mit demRangeines Feldmarschalls;undnachPapesTode wurde erzumOberbesehlshaberin den Marken ernannt. AlsoeinMannvonreicher militärischer,beinahe noch reichererhöfischerErfahrung,der vielerMenschenStädtegesehenundan verschiedenenKulturen desWesensKantenpolirthat. ZudenlauenLav- dikaiernwarerniezu zählen; niebargerdieInbrunst seinesGlaubens an dieungeschmälerteWeltmacht,WelthoffnungderrömischenKirche;nie, auch nichtin denTagendeshitzigstenKulturkampfes.Geradedeshalb vielleicht wardieserfrommeKavalleristunterdenkatholischenOsfizieren, aufdenen dasAugederKöniginundKaiserin AugustamitWohlgefallen ruhte.Und sichergalterdeshalbalsGegnerBismarcks. Ein LoiåhattesichderReichs- glöcknerschaargeselltunddenersten Kanzler Jahre langmitzähemHaßbe- fehdet;warum solltederGeneral,demallgemein politischerEhrgeizzuge- trautwurdeund dendieVersolgungihm heiligerPriesterdesHerrn schmerzen

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mußte,anders denken?FriedrichKarl Walter Degenhart,dessenWillens- summe nichtganzso stählernklingtwieseinvierterRufname, mochtefühlen, daßsolcherVerdacht ihmdenWeg sperrenkönne. Amsiebenundzwanzigsten Januar1894,alsderKaiserden vierJahre vorher fortgeschicktenFürsten Bismarck ausdemWaldinsalteHohenzollernschloßgeladen hatte, feierte derGeneralvonLoiå inKoblenz WirthundGastin einerRede,in der die Sätze vorkamem »FürstBismarck empfangenmit all denEhren,die der jungeHerrschersogern demunvergeßlichen,demruhmvollen erstenGehilfen undRathgeber Kaiser WilhelmsdesErsten,demgrößtennochlebendenRe- präsentanteneiner großenVergangenheitaus innerstem eigenenAntriebe spendet:DasistdieKunde,dieheutealleHerzenmitBefriedigungerfüllt.

WennaberdiegestrigenJubelrufeeinNachklangausjener großenZeit sind, daFürst Bismarck,dererste,derunbesiegteFahnenträgerseines Königs, imKampfevorausschritt,dann sollen sie nichtwie einleererSchallver- klingen.«Undsoweiter. DieseRedewarnicht so kurz noch so schlichtwie die desGenerals von Bronsart, der,alsKriegsminister,demKaiserim NamenderArmeegedanktundgesagt hatte, jedem deutschenSoldaten habe derEntschlußdesKriegsherrneinen AlbvonderBrustgenommen; dochsie warinihren rhetorifchenMitteln klugdemZweckangepaßt.Nurals»Ge- hilfeundRathgeber«deserstenKaiserswar Bismarck gerühmtundkein Wort vondenDiensten erwähnt,dieerzweianderenKaisern geleistethatte;

Undals»Fahnenträger«war erauchvom Kronprinzen Wilhelmamersten April1888 begrüßtworden.EinnützlichesEitat. Niemandkonntekünftig noch wispern,LoäseiBismarcks Feind;unddieRede konntedanichtver- stimmen,wounholderWiderhall gefährlichgewordenwäre. Oftwurde seitdemderGeneraloberstvonernsthaftenLeuten als einmöglicherKanzler genannt.HofgunstwardihmvonderGroßmutter aufdenEnkel vererbt underhätte,alsKatholik,denVortheil leichter Verständigungmitdem Centrum gehabt.Vielleichtwäreschon,alsAlbedyllabgelehnt hatte,anihn dieReihe gekommen,wenn damals nichtCaprivialseingroßerStaats- mann vordemHerrngegolten hätte.Jetzt isteszuspät.DerFreiherrvon Loäistälter alsseine Jahreundkannheute selbstnicht mehr wünschen,auf eine denGreifengefährlicheHöhegehobenzu werden. SeinNameaberist seitdreiWochennun alleneuropäischenPolitikern geläufiggeworden.

Erwar derGesandte,derLeo demDreizehntenzumJubiläumdas GeschenkunddenGlückwunschdesDeutschen Kaifers brachte.Einehalb private, halbamtlicheMission,die dem inRomnichtunbekanntenGeneraldie

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Ehreeines»intimenGespräches«mit demzweiundneunzigjährigenPapst eintrug.Dasist selbst fürDen einErlebniß,dergewohnt ist,in derNähe regirenderHerrenzuweilen,undman kannsich vorstellen,wie es diefirne Phantasiedeslebhaften Rheinländersbefruchten mußte.Alserheimkam, berichteteerdemKaiser dcrsunsinAachen erzählthat—, derPapst habe gesagt: »DasLand inEuropa,wonochZucht, OrdnungundDiszi- plin herrsche,RespektvorderObrigkeit, AchtungvorderKirche,undwo jederKatholikungestörtund.frei seinemGlaubenlebenkönne,seidasDeutsche Reich;undDasdankeerdemDeutschenKaiser.« Dieser Satz konnte, auch- so,wieerimoffiziellenBericht steht,nur heißen:DasDeutscheReich ist daseinzigeLand inEuropa,wonoch Zucht, Ordnung, Disziplin herrscht, wodieKirche geachtetwirdundjeder Katholik ungestörtundfrei seinem Glaubenleben kann.Ein anderer Sinnwar,auchwenn keineinschränken- des Advcrbhinzugefügtwar,nichtherauszuhören.Soaber konnteLeo,der von geistigen MerkmalenderSenilität nochganzfrei fein soll, nichtge- sprochenhaben. Erstens,weilRömerklugheitniezugeben wird, daß ihr in derDiasporaeinesKetzerreichesnichts mehrzufordern, nichtszuwünschen bleibt;zweitens,weilsolcheRede dieapostolischeMajeftätdesKönigsvon UngarnundmanchenminderwichtigenPotentaten verletzenmüßte.Hätte dernichtnur vonKatholikenverehrte Greis,den derKaiserdenHeiligen Vater nennt,wirklichso gesprochen,dannwärederdeutschenCentrums- partedderenProgrammimJuni einunddreißigJahrealtward,nichts Anderesübrig geblieben,alssichaufzulösen;daihrLeitwortJustitia fun- damentum regnorum inDeutschlandWahrheit geworden fei. Daßdie rührigeParteiwederanSelbstmord nochansolchesBekenntnißdenkt, weiß jedesKind;ihreklügstenFührer sind nüchterneRealisten, die,mit deman katholischenPriestern so oftauffallenden,vontausendfacherPfarrerfahrung genährtenMenschenverstand,dieihnen seit1890überreichkicherwiesenen Artigkeitenunddekorativen Ehren wohl nicht hochgenugschätzen,umunter demSonnenleuchtenderHuldzuvergessen, daß sieimGrundefür ihre KircheundihrenGlaubenimHauptstaatdeslutherischenKaisersbisheute Noch nicht mehr erreicht habenalsunter Bismarck. Der ersteKanzler Warsp starkUndso sehrder Vertrauensmann seinerprotestantischenLands- lum-daßekdenPäpstlichenZugeständnissemachenkonnte,dieeinSchwächerer nievorzuschlagennochgardurchzusehenvermocht hätte.MitdemSchicksal derdeutschenKatholikenwarLeoderDreizehnte schonleidlich zufrieden,als er,nachdemKarolinenschiedsspruch,»demgroßenKanzlerdesDeutschen

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Reiches,demausgezeichnetenManne«ausSankt Peterseinen Segenswunsch schickteundschrieb:,,Jhrer Weisheitist nichtentgangen,wievielsittlicheKraft zurWiederherstellungdesgestörtenEinvernehmensderStaaten dievon Uns geleiteteMacht besitzt,besonders,wenn ihrdieHindernisseweggeräumtsind undsiefrei handelnkann. Möge danach sichdieZukunft gestaltenundin demGescheheneneingutesVorzeichenzusehen sein.«Anders wirdkein klugerHerrderKuriejezuKetzern sprechen.UndwelchewesentlicheVor- theilehatdiedeutschePapstgemeindeseitdiesemSilvestertagedesJahres1885 erlangt,derausdemverhaßtenPsaffenhammereinen RitterdesChristus- ordensmachteundihmdasvonLeoausgestellteZeugnißin dieHandgab:

,,JhrerStaatsweisheit vorAllemhat DeutschlandeineGrößezudanken,die derErdkreisohneEinschränkunganerkennt« ?WernichtanMakropsieleidet, denEintagserfolgen politischerMächlereiennichthastiginlockerem,morgen vielleichtwiederumgepflügtenBodenMarksteine errichtet,wirdvergebens einenFortschritt suchen,den derPapstdemdrittenKaiserzu dankenhabe.

Das Centrum ist,wie andereGlieder derbürgerlichenDemokratie, durch dieWirths chaftentwickelunggenöthigtworden, sichausderstarren Opposition zulösen.DerGroßbourgeois,dererkannt hat,wasanRüstungenzu Land undSee undanfetten StaatsaufträgenandererArtzuverdienenist,willvon denLeiterndiesesihm zinsendenStaates nicht durcheineewigunüberbrück- bareKluft getrennt seinundläßt sichdurchkeinSchreckbild politischer noch religiöserKnechtschaftabhalten,mitso profitlichenHerrenGeschäfte zumachen.DieschwarzenTribunen wären,wiedieröthlichen,einsame Männer geworden,wenn sie noch länger ohneWankander altenParole festgehaltenhätten:KeinenMannundkeinenGroschen!Siethatens nicht;

undmit derraschenWärmeseines impulsiven Wesens hatderKaiser ihnen undihrem Oberhaupte dafür gedankt«Windthorst, Ledochowski,Francken- stein, Schorlemer, Kopp,Lieber:für Jeden hatte WilhelmderZweiteweit- hin sichtbareZeichenhoherSchätzungbereit;undimVerkehrmit demPapst, wie, nachdemmerkwürdigenBerichtderwienerOffiziösen,bei derletzten ZusammenkunftmitFranz Joseph, ,,überbotersichförmlichinBeweisen seinerAnhänglichkeit«.DaswurdeinRom, Berlin,Breslau dankbarhin- genommen; mehrabervermochteauchdieserMächtigenicht.Undumsolchen Lohn solltederHüterdesvinzentischenKanons, der, nachwievorLuther, HußundCalvin,Allesumschließt,quod ubique, quodsemper, quodab omnibus creditum est,solltederunfehlbare Statthalter Petri sichdazu verstanden haben, sicheinen inDeutschlandsGrenzenWunschlosenzunen-

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nenunddieSchutztruppe,diedreiJahrzehnte langinfeinem Dienst focht, für jedenneuen Kampfzuentwaffnen?Mit demWort,dasderGeneral- oberstvonLoe denPapst sprechen ließ,war jede künftigeBeschwerdedes Centrums bequem abzuweisen;undzugleichwecktediesesWort inEuropa dieFurcht, zwischendemVatikan unddemDeutschen Reich,dasmitseiner MachtdenEroberer desKirchenstaates stütztund zustürzenvermöchte, könne einneues,festeres Freundschaftverhältnißentstanden sein.

DerAlarmwar umnichts.Leohat nicht gesprochen,wie Loe be- richtet hat.AlsderInhaltdes»intimenGespräches«vomKaiser erzählt wordenwar,wurdediekatholischePresse unruhig.DashabederPapst nicht gesagt, hießes;undin einem der dem Vatikan nächstenBlätterwaren böse Sätzewider denersten deutschenFürstenzulesen.Il kautfaire parlerles dieux. DieirdischenVertreter derGottheit unterscheiden sichaberauch darin

«-nichtdarin allein von denHimmelsbewohnern,daß siepro- testiren,wenneinauf ihre LippegelegtesWortihnen lästigwird.DerPapst konntenichtselbstzumProtestantenwerden. Und da derDeutscheKaiserge- sprochenhatte-WarschrofferWiderspruchnicht rathsam. Ruhenaberdurfte man,schonwegen des Unwillensösterreichischer,spanischer,belgischerKatho- liken,dieSache nicht lassen.EineschwierigeSituation. Undmagernun Peeek,Rampolla,KoppoderHertling heißen:derMann warklug,dem zu- erstderEinfall kam,was durchLoesSchuldverwirrtworden sei,könne nur,müssevonLoesDiplomatenkunstwiederentfädeltwerden.

WITHnUngeschah-istdenProfaneninDunkelgehüllt.Nur ver- MUthenkönnenWie- daßdemeifrigenRheinländeringedämpftenGroll- töUM ngeraunt ward:SiehabendieFarben allzu pastos aufgetragen.La- vieillesse,quikixe lesfortunes,detruit les vertus. DaskonntenSie schonvondemfrommenunddennochgeistvollenVauvenargues lernen,der auch empfohlenhat, da,woder BlicknichtbisaufdenGrundderDingezu dringen vermochte,das Wort nie mit verwegenerSicherheitzuwählen.Das intimeGesprächzweier Greisewillvorsichtigbehandelt,inschwankemGe- dächtnißbehutsamweitergetragensein.DerHeiligeVaterist fürdasWohl- wollenSeinerMajestätsehrempfänglich,wünschtabernicht,inseinem hohenAlternneinZufallswörtchengeschmiedetzu werden. Erdachteseuf- zend,alsimAuftrageinesprotestantischen Herrscherseinrechtgläubiger Kathvlik ihmdenFestgrußbrachte,desKummers,den dieältesteTochterder Kirchegerade ietztihm bereitet,und derVergleichließihn fürSekunden viel- leichtdieHerzenswunschevergessen,derenErfüllungihn Königspflichtdünkt.

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WennSieein Dementi meidenwollen, müssenSie dieSacheschnellin glatte Ordnung bringen, sichdabei aberhüten,wiederirgendwo anzustoßen.

Und deralsoErmahnte ging hinundthat,wieihm geheißenwar.

Wer in derRede,diederGeneraloberftamvorletztenJunitaginBonn gehalten hat, nichtdenbangen Wunschspürte,-zwischenKlippeneinermissio exdecreto bisans umgifchteteEnde zufolgen,Dermuß diesesOrator·en- stückunverständlichgesundenhaben. WunderlichgenugklangesDemsogar, der dentransalpinenSoufsleur noch einhelfenzuhörenglaubte.WieKraut und RübenauseinemumgestülptenMarktkorb,kollerte allerleiHirngemüse, unreifesundwelkes,über einander.,,ZwischenChristenglaubenundSoldaten- katechismusgiebtesfür michkeinenWiderspruch.«Undunbedingt geltendoch dieunkriegerischenGebote:»Du sollstnichttöten!« und: »SoDirJemand einenStreichgiebt aufDeinenrechtenBacken,Dem bieteauchden anderen dar!« AlsCorpsbefehlhättederGeneralderKavalleriesolcheLehrewohlnicht verbreitet. »Wir müssendie elendenkonfessionellenZänkereienlassenund ohne UnterschieddesreligiösenBekenntnissestreuzusammenhalten.«Und einfrühererLeohatdochmit demBannstrahldenDoktor Martinus ge- troffen,dernochvomSterbebett ausallenNachfolgernPetri zurief:Pestis eram vivus,moriens eromors tha,papa. DerRuf istunwirksamver- hallt,dieStimmungdenanrünstigenbeiderLager geblieben. »Auchdie Jsraeliten hatderStifter unserer heiligen Religionmit Liebe undAchtung umfaßt«.Wohl deshalbwollteersiezuneuem Glaubenbekehren,wurdeer alsihr Todfeindans Kreuz geschlagen.Ein mit demEisernen Kreuzge- schmückterJude »lebtunter demZeichendesKreuzes«.Das erinnert an denaltenPaulKrüger,dervorerschreckendenKindern JsraelseinesTages mitentblößtemHaupt»imNamen unseresHerrnundHeilands«eine neue Synagoge weihte. »JederdeutscheOffizier müßte bedauern,wenn diefranzösischeGesetzgebungdastüchtigeHeerunserer Nachbarn schwächte«.

FürdieTüchtigkeitdesfranzösischenHeeresbrauchtederOberbesehls- haberin denMarkeneigentlichnichtzusorgen,umGesetze,dieMinister undKammern inFrankreich für nöthighalten, sichnichtzu kümmern. Wir würden barschantworten, wenn irgendeinFranzenfeldherrunerbetene KritikenüberdieGrenze riefe;undderMarquisdeGalliffet,denLoö rühmt,wurdeschonnervös,alsGraf Münster ihmdenWunsch Wilhelms desZweiten vortrug,derKriegsministerderRepublik mögedenTexteiner Gedenkredegenauzu der Stunde lesen,woderDeutscheKaiser sie aufdem lothringischenSchlachtfeld haltenwerde. Dochdergreise Kavalleristaus

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demSiegkreis hatte gehört,derPapst habein demJubiläumsgesprächan diefranzösischenFreimaurerlogen gedacht, undsorittermitverhängtem ZügeldennkeckinfremdesGelände.Trotzdemkrausen Schnörkelwerkder Ornamente aberistseineRede inihrerArt einMeisterstückpfiffigerHof- kunst.DieBerichtigung,dieihrZweckwar,verschwindetdemnicht scharf- sichtigenAuge fast hinter qualmigem Weihrauchgewölk.DieaachenerRede war »prachtvoll«und»herrlich«undhatuns wieder einmal —— einen

»weltgeschichtlichenMoment«beschert. Leise,ganzleisenur, als werdedes KaisersWort damit nicht berichtigt, sondern ergänzt,kamsdann: der Papst finde nichtetwa»Alles fürdieKatholikeninDeutschland gutbe-.

stelltundhabekeineWünschemehr auszusprechen.Dasbedarf wohlkaum derErwähnung.«Wirklich? Hattenwirnichteben alseinenAusspruchLeos die Kundevernommen, »das Deutsche Reich seidasLandinEuropa,wo jeder«Katholikungestörtundfrei seinemGlauben leben kann«? Undwelcher Wunschwäre insolchemLande demHauptderkatholischenKircheunerfüllt geblieben? ZwischenAachenundBonn fließtvielWasser durchdieFluß- betten derRheinprooinz.DasCentrum kannruhig sein.VomApostolischen Sitz herabwirdauch für deutscheKatholiken nochMancherlei postulirt.Der FreiherrvonLoiåsagtsundfügtnur hinzu,inDeutschland sehees,nachder Meinungder im VatikanHerrschenden,immerhin nochbesserausalsin der Republikder Combes undAndre"...Die Situation war schwierig.Der Generaloberst hat sichforschundmit einer beiseinen Jahrenbewunderns- werthen Geschmeidigkeitausselbst geknoteterSchlingegezogen.Undda er, demantisemitischeRegungen nicht stets fremd gebliebenseinsollen,denglück- lichenEinfall hatte,imVorbeigehendie ganzeJudenheitansalteHusaren- herzzudrücken,ist ihmAllesverziehenunderlebt der liberalenPresseals einHeld,einleuchtenderHortmodernen, humanen Empfindens.

Wiejede Altvatergeschichte,hat auch dieseeinehausbackeneMoral.

Streitbare Protestantenkönntensagen, siebeweise,wiepünktlichheute noch DöllingersWeisung befolgtwerde: »UnserChristenthum darfundsoll keinen nationalenBeigeschmackhaben«;für solcheSeelenverfassungzeuge derPkeUßsischeGeneraloberst,dender in einerstärkeralsalle Staatsver- bändegefühltenGlaubens-gemeinschaftwurzelnde fromme Wunsch fürdas WohlderfranzösischenArmeezittern läßt, derbeinahe einzigen,gegen derenAnprallwiruns rüsten.EinskeptischerGeistkönnte denKreuzritter tnitHumes Hohngeißcln:Ignorance is themother ofdevotion,ein in altpreufzischerZucht erwachsenesGemüthihn,mitLamartine,andiestrenge

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Forderung mahnen,einHeerfiihrer solle nicht redseligsein, sondern sichmit einemWort,einerknappenGeberdebegnügen.DochderFeldherrntypus hat sichoft gewandeltundwir werdenuns darein ergeben müssen,daßdieGe- neralewieder,wieinHellasundRom,alspolitischeRedner ausdenMarkt treten undpreisen,wassiebeiGefahr ihresAmtesundihrerFreiheit nicht tadelndürften.UndvorderWahl zwischenWalderseeund Loiå wirdselbst einLutherischernicht zaudern.Der NamedesMarschalls,derinpartibus iniidelium dasChristenheerführte,bringtunsdereinfachenMoral derGe- schichtenäher.Als derKaisersagte,dieErnennungdesGeneralissimus sei

»demWunschund derAnregungSeinerMajestätdesKaisersallerReußen«

entsprungen,war erebensoungenau informirtwieandemTage,daer vonderStimmungLeos desDreizehnteneineNachricht brachte,dieer»mit FreudeundStolz«insVolkweitergab. DerZar hatdieErnennung Walderseesnichtangeregt,derPapstdasDeutscheReichnichtdiebehaglichste WohnstättekatholischerEuropäergenannt· Vorsolchem widerhallendenIrr- thum mußderverantwortlicheDienerdenKaiserderDeutschenbewahren.

ManbrauchtTalentundGewandtheit zünftigerDiplomatennichtüber Ge- bührzuschätzen,umsicherzu sein, daßfiesodicklasirteVerichtenichtnachBer- linschickenwürden.SiesindimSerail ausgewachsen,kennen dieBauschun- gen undZierschnitzereiendes dortheimischenSprachgebrauchesundwissen, wieoftdasWort einesAllerhöchstenheute noch leichterwiegtals das Blätt- chenauseiner welkenGuirlande,diegesterndenfreundwilligen HerrnVet- terundBruder festlichgrüßensollte.Der dilettirendeDiplomat,dernicht rompu aumåtier ist,kannselbstbeibestemWillen undwachsamerKlug- heitverleitet werden, mehrzuhören,alsgesagt wurde, zuöffentlicher Verbreitung gesagtwerden sollte.Das scheintdemtapferenReiter aus Siegerland geschehenzusein;unddieWirkungwar leidig: jäh aufhorchen- desStaunen zuerstunddanneine inHeiterkeitumschlagendeEnttäuschung.

DergreiseKavalleristhatnichtnöthig,sichderSchlappezuschämen;tröstend hatlangevorihmderweiseStaatssekretärAlfonsosvonFerrara schonge- fragt, welcher Klugeim Vatikan nicht seinen Meister fände.DerSchöpfer dieser Gestalt aber,derseinLebenfreilichnie unter dasKreuz gestellthat, kanntedenHofundkannte diefürstlichesHandelnumlauernde Fährlichkeit aus naherBetrachtung,daerdenThronenden nicht für Vertragsschlüsse nur,nein:für allediplomatischenVerhandlungenals Xenion denRath gab:

Dubist KönigundRitter undkannstbefehlenundstreiten;

Aberzujedem Vertrag rufedenKanzler herbei.

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.ChamberlainalsErzieher. 57

Chamberlain als Erzieher.

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nter einemErzieherimgroßenStil habeichmirbisherimmer einen k-» Menschenvorgestellt,der denWillen und denMuth hat,die zur BerewigungderMediokritätdienenden Maßstäbezubrechen,dieKraft,die träg schlummernden,aberbrauchbarenJutelligenzeneiner Minderheitmit insHerz zündenderBeredsamkeit für diese Aufgabemobilzumachen,und jenenweiteWegstreckenvor- und rückwärtsüberfliegendenSpürsinn,dem esinFeststunden gelingt, fürneueSatzungen, SchätzungenundWerthungen neue Maß-undGewichtseinheitenzuprägen.Undaus nicht beschränkter Erfahrungweiß ich, daß solchenGeisternkein Mittel stark genug ist,Rück- ständigkeiteninVerrufzubringen. Es sind explosiveNaturen, diemit HestigkeitsichihrerEindrückeerledigenundmitleidenschaftlicherErbitterung

andenGrundvestenderPhilisterweltrütteln. Das färbt auf ihrenStil ab:überdielogische,derNachprüfungzugänglicheVerkettungderGedanken ragen, wieriesigeAussichtthürme,Jdeen inWolkenhöheempor;Unddurch ihrWerkrieseltdasBlut derAffekte, stürmendiebangund ungestüm pochendenRhythmeneines Großesund Neues wollenden Herzens. Jn kritischenAugenblickendenktsich freilichderWachederWirksamkeit solcher Geister aufallenSeiten Schrankengezogen,wiesolcheihrem Wissen, ihrer Erfahrung,ihrer Einsicht,ihremWillen, ihrerWeisheit jedenfalls gesetzt sind;undesscheint unmöglich,daßeinEinzelnerdieübersprudelndeFülle derErscheinungenmeistereunddenungeheuren Bereich ihrer Möglichkeiten ausschöpfe.Aberwievielesolcher kritisch wachen Augenblickegiebtes, giebtesselbstimLebenderUnzahl forschenderunddenkenderMenschen,die sich,wieesunumgänglichist,einemSpezialfach gewidmet haben?Soge- schiehtheute,was vonje her geschehenist:überall,wodiereineDenk-und WissenssphäreüberschrittenunddieUrtheils-, Geschmacks-undAktionsphäre betreten wird, wo kein Senkblei derWissenschaftdieUntiefendesLebens undderNatur auszumessenvermag, erliegenwir balddemZaubereiner machtvollenPersönlichkeit,derSuggestion ihrer JdealeundJmperative,bald derSchwarmgeiftereieinesselbstverworrenen und darumin die Jrreführenden Charlatans. DenVordergrunddergeschichtlichenSchaubühnenehmenvon je herGeniesoderCharlatans ein; meistBeidezugleich. Zu welcher Klasse gehörtnunHaustonStewart Chamberlain,derVerfasserdervielgenannten ,,Grundlagendesneunzehnten Jahrhunderts«?

Jch wiederholenur die, wiemichdünkt,ansichübertriebene kontra- diktorischeFragestellung,weilsieEinem von überallher entgegentönt.Es giebt zwischendemGenie unddemCharlataneineso reichabgestufteSkala geistigerWerthe,einesolcheFüllevon echtenundSchmarotzertalenten, daß

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esnicht nöthig scheint, gleichmitextremsten Maßstäbenzuwirthschaiten;

undlebteich zufälliginirgendeinem Utopien,nur von denWogendes Salzmeeres umraufcht,nur vonfrischenSeewinden umfächelt,nur indie Kontemplation ewigerWahrheiten versunkenundnur vonZeitzuZeit durch dieErinnerungindiechaotischeMenschenwelt zurückgeleitet,sowürdeich von diesen,,Grundlagen«,wenn einUngefährsiemirindieHände gespielt hätte,denEindruck einesstark anregenden, stark zwiespältigen,inseinen Tendenzenedlen und von Begeisterunggetragenen,inseinem Unterfangen kühnen,inseinem Vollbringenabermerkwürdig,fast auffallend ungleichen, vielfachvon beträchtlicherHöhezustammelnderOhnmacht herabsinkenden Buches erhalten haben. Solche-BüchersindansichnichtsNeues: die innere Zwiespältigkeit,derMangelanEndgiltigkeitimUrtheil,derjäheWechsel zwischengrellfter HelligkeitundmittelalterlichemDunkel, zwischen kältester Verstandesnüchternheitundbrühheißem,triebhaft sich äußerndenGesühl,von brutalsterGrausamkeitundthränenfeuchterWeichmüthigkeit,derDrang,zu verehren,anzubeten,Autoritäten sichgefangenzugeben,undderZwang,zu bekritteln, Kritikzuüben unddadurchdieFundamente bestehenderGewalten undherrschenderMeinungenzuunterwühlen,dieSehnsucht nach Freiheit unddieGebundenheitinallemPersönlichenund allemPolitischen,inReligion, Wissenschaft,Philosophie, Kunst, Wirthschaftund Recht:Das stempelt sie zumodernen Büchern.Das und nochvielesAndere: derlaute Ton,die Anreißergeberden,diefrecheUnbescheidenheit,sich,seineArt,seinVolk, seine KlassezumMaßstabdesKulturwertheszumachen. Genug:eineCharakteristik derSphinx ,,Modernität«willichgar nicht erst versuchen.Das ganze neunzehnteJahrhundertnun wimmelt von solchen beunruhigenden, auf- wühlenden,zersaserndenmodernen Büchern: seit Goethe,»derInhabereines langen,unzerbrechlichenWillens«, dieAugen schloß, scheinendiegroßen Jasager,dieMenschenmitganzem, ungetheiltem,nicht zerrissenemBewußt- seinausgestorben,wenigstensaufdenHöhenderMenschheit,vonwounsere Führer, unsere Erzieherdoch herzustammenpflegen.DieSignaturderZeiten wird das mephistophelischeWort: Mißtöne hör’ ich, garstiges Geklimper.

JmPraktischen, Mechanischen,Materiellen überstürzensichWandel und Wechsel;und dassinnlicheWeltbild ändertsich,inFolge berghochan- schtvellenderEinzelkeuntnisseundderimmergrößerwerdendenHerrschaftüber sie, so rasend schnell, daßdieZahlDererimmergeringerwird, die im Stande sind,diewichtigstendieser Wandlungen auchnur mitannähernderZuverlässig- keit inihrem Bewußtseinzuregistriren.DerMenschverliertsichin seinereigenen Schöpfung; je mehr seineSinne gefesseltwerden, destomehr entgeht ihm ihrSinn. JmSozialenundGeistigen mehr nochalsiniMechanischen.

WervomKampfum die nackte materielle ExistenzfüreinenAugenblicklos-

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Wer mit knarrenden Doppelsohlen der Kritik heranschreitet oder mit pro- fefsoraler Neugier durch die goldene Brille schielt, Der verschließt von vorn herein dem Werk die Stimme.

um die Krone ringende Dhnastien, beide national, beide um Serbien hoch- verdient; und ihr erbitterter Kampf brachte in das Volk die erste tiefeSpal- tung. Das war noch nicht

an der Börse wird mit so großen Summen gerechnet, daß es aus die paar Hundertmarkscheine nicht ankommt, die der Zeitungmann etwa in die Tasche steckt. Bares Geld, wie im Fall

Eine der merkwürdigstenErscheinungen in Frankfurt war das Preisrichkekkollegiums Nach jedem Chor, der denKaiser zu interessiren schien, unter- hielt er sich mit den

feiner Neuheit willen predigt und mit Stentorstimme ruft: »Der Lebende hat Recht!« Der Lebende, dem ja meist eine bessereVergangenheit zum Glück im Wege steht. Man braucht nicht

«Newbutgh,Miramar, Der Gefangene von Sedan), während eine vierte (Der Sergeant von Bourg-la-Reine) lediglich als Gefäß meiner Ansichten über Krieg, Mord, Todesstrafe und

an sich mißtrauisch, daß sie nicht versucht, die bestehendenEinzelentwickelungen unter eine neue, höhere Ordnung zusammenzufassen,sondern, daß sie von jenen eine einzigehervorgreift