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Geschichte der deutschen Literatur : von den Anfangen bis zur Gegenwart.

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Academic year: 2022

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^ectjter • Sefdjicfjte ber beutfdjen Citeratur

(6)
(7)

PAUL FECHTER

Sefd)id)fe ber beittfdjen

Eiteratur

Q3on ben Anfängen biś gut ®egenn>art

9)iit 500 Qlbbilbungcn

im Sejf unb 8 farbigen Bafeln

7p 1-1 p 'p

&naur 9?ac^f. Verlag

Berlin

(8)

Copyright 1941 bp S£p. Änaur SQacpf. ‘Berlin

®rucl ber Spamer 21.--®. Ceipjig Printed in Germany

(9)

3 n a l t

®n Iß ort juvor... 7

X ERSTER TEIL SMufftieg unb erfte 23lüte ®ie germanifdje grübelt... 9

®er Sinbrucf) beö Eateinifcfjen ... 30

3n>ifd)en Simmel unb Grbe ... 48

®aö Selbenepoś... 58

®aö £>i5fifcf>e Spos... 74

SRinnefang... 94

unb Sei)olaftit... •*■ • 111

®er Qlufftieg bes Q3ürgerli<i>en... 126

ZWEITER TEIL ©ie neuen QSorau^fetjungen ‘jJRartin Eutper... 155

®er Sinn beö Q3aroct... 175

Simplijtuś unb bae> beutfcpe Q3olfśtum... 198

DRITTER TEIL ©er &atnpf um bie 33ilbung ®aö Saprpunbert ber ^Reinigung... 208

“Slnfifer fform fiep näpernb... 221

Eluftlärung ... 234

(Segenoffenffoe beö Sefiiplö ... 265

VIERTER TEIL ©er Oipfel (Soetpe... 292

Schiller... 327

Sölberlin unb Segel... 354

FÜNFTER TEIL ©ie Sßenbung jur Qßirflidffeit ®ie erfte cRomanttt... 369

®er Slufftieg jum QSolfötum... 393

®er bürgerliche Qlbgefang... 413

(10)

SECHSTER TEIL

Sm Schatten ber ^laffif

Spiel mit ^orm unb Seift... 424

Äeinrich von steift... 450

55ebbel unb bie Qöiener... 482

SdiriftfteHer unb ßpigonen... 508

©er Beitrag beä Siibenö ... 525

SIEBENTER TEIL . ®ie QSorberetfung 3n>ifrf)en 3utunft unb Q3ergangenhcit... 555

‘Jütjrer... • • • 575

Sie bürgerliche QBirtlichteit... 590

Oer Stampf um ben Qluögleich... 601

QBilpelm 9?aabe... 629

ACHTER TEIL 3u neuen Ufern ©ie Spifobe beö 93aturali£muö... 640

Sauptmann unb Subermann... 652

Qlbfeit«... 672

Tyrani QBebetinb unb Stefan Seorge... 683

Sjprefftoniśmuś, Sac£>lićh>feif unb ©urcfjbrucf)... 696

grauen... 714

Oer Äampf gegen bie Sfolierung... 725

N BUNTER TEIL ©)a£ 3eitalter ber ®emeinfamteit ©ie grofje Qßenbung... ... 741

©ie neue 3eü... 758

21u3flang... 787

OScrjeiclmte ber ^erfonennamen... 789

QSerjcichniö ber QBerte... 802

03erjeict)ni£ ber farbigen tafeln Oaä ‘^arabieögärtlein. Oberrpcinifcber TOleifter um 1410 ■■ 112 Canbfcpaft. 21quareU oon Qllbrecpt Qlltborfer... 160

Qöeimar. ©aś ®ro§herjoglid>e Schlofj. Stich... 304

QSlicl auf Äeibelberg. Semälbe bon Sfarl 9?ottmann... 400

©er Stephanśbom. Olquarell bon Ohtbolf b. 21lt (1846) • ■ • • 496 3beale Canbfchaft. Semälbe bon Olbalbert Stifter ... 560

©er QJibliofhefar. Semälbe bon Ä’arl Spitjtoeg... 624

‘2lbenbftunbe. Semälbe bon Sanö Oporna... 720

(11)

(Sin Qöort guvor

„Settadjtet man genau, was ber beutfct>en spoefte fehlte, fo war es ein ®et>att, unb jioat ein nationeiler, an Talenten war niemals SKangei."

® o e t b 0, ®id>tung unb 92at>tC)<:lt, II. 7. ®ud>.

ßiterafurgefdjichten ftnb int allgemeinen <Sefcf>ic£>ten ber fchreibenben SlRenfc^en unb ihrer Qöerte, Q3üd)er, in benen man nad)fd)lagen tarnt, mann irgenbein Elutor gelebt, ma« er unb mann er gebietet unb veröffentlicht bat. Sie Satfache, baf jetnanb fd>rieb unb veröffentlichte, genügt jurQ3egrünbung einer menn auch mehr aber meniger anbeutenben <23erürfficbfigung.

Sine £iteraturgefd)id)te in biefem Sinne ift ba« vorliegenbe Q3ud) nicht. Oßa«

ber Elutor biefe# ‘Suche# verfugt fat, ift folgenbe«: er mollte junächft einmal feftftellen, mie ber ^Reichtum ber beutfćfen Sichtung unhiftorifch unmittelbar be-- tradjfef aufeinen ermachfenen heutigen Eefer mirtf,unb mie berQBeg ber geiftigen Sntmidlung gebt, ben bie ©ofumente biefer Sichtung fefflegen, menn man bie lebenbigen3eif jeic£>en ber einzelnen QBerteunb ORenfchen richtig beutet, ©er 05er-- faffer fyat ftd) infolgebeffen bie ©ERühe gemacht, bie dichter unb ihre Qöerte von ber Sbba bi« ‘Paul Srnft, von ©llfila# bi« gu ben 3üngften noch einmal ju lefen, mit ber 2lbfid)t ju erfahren, ob unb mie meit fte lebenbig geblieben ftnb, ob unb ma« fie jum heutigenunb feinen ‘Rofmenbigteitenbeitrugen. S« lodte ihn früher lange Sabre ber ©ebattfe einer Oievifton ber ^laffif unb unferer Urteile über fie;

von biefer Eodung hat er fi<h ebenfall« an vielen Stellen führen laffen. 6« tarn ihm nicht auffeine Meinung an: er mollte bie heutige Qöirtung feftftellen unb im feftftellen Orbnung unb 9łattgorbnung herau«fnben.

Sobann lodte e« ihn, in ber Betrachtung be« Qöege« ber beutfchen ©id)fung einmal nicht nur möglichst viele Srfdj)einungen beri<f)tenb nebeneinanberjuftellen, fonbern nur bie mefentlifen Snbivibuen in ihren mefentlid>en 3ügen herau«ju-- arbeiten. Sr mollte tticht über Sichterleben«umftänbe unb Bücher referieren, fon-- bertt ben Berfud) machen, ®runbtt)pen ber feelifchcn Haltung jur Oöelt, fomeif fie ftd) bichterifch äußert, ju umreihen. Srhielt ftd) nicht an bie Qßerte, fonbern an bie S0?enfdj)en, nicht nur an ihre Eeben«--, fonbern an ihre Seelengefchichte. Sr mollte am Eeitfaben ber hiftorifchen Sntmidlung tpft>chologie be« Sichten« geben - ba« mirJliche innere Eeben, bie mirflich beftimmenben ©runbfräfte in ben Sdjaf-- fenben von geftern unb heute aufjeigen. Sr empfanb bie bloft äfthetif<h4iterarifche Bewertung von Qöerfen unb Sichtern al« gleichgültig unb finnlo«; er nahm an, bah vielleicht inbi«freter, für ben Eefer aber entfliehen auffd)lufreid)er märe, bem mefentlichen Eeben unb nicht nur ben literarifchen Olbfichfen be« jeweiligen Qlutor« auf ben ®runb ju gehen.

(12)

8 Sin "Iß ort guvor

3ulept aber festen eg ihm »on jener alten Q3orftellung einer 9?e»ifton ber SUaf- fifer aug an ber 3eit, aud) bie ßiteraturgefdjicfjte einer Olevifion gu unterbieten, inbem man fie einmal auf bag fńn unterfud)te, wag benn im ßaufe beg lebten 3ahrhunbertg in ihr vielleicht Sinn, Sbee, alg 3tel fichtbar geworben ift. Qöir taben ung biö^er im allgemeinen bamit begnügt, nach Qßilhelm Sdfererg Q3or- bilb um 1800 ben lebten Äöhepunft unferer ©id)tung gu fehen unb »on ba ab

^Riebergang unb fpäter £Qaturaligmug unb Boheme feftguftellen. “-Rur 3ofef Gabler machte eine 2lugnahme, brachte bie Waffen, fo gut eg ging, »on einem geiftigen ^ringip fyer in Crbnung. ©er QSerfaffer beg »orliegenben ‘Śutheg ging

»on perfönlidjer Erfahrung aug, bie er im wefentlid)en in ben 3afren 1914-1918 gemacht fyat, ba er alg Eanbfturmmann unb Slipper burd) bie Qöelt gog; »on bem peinlichen ©efüfl, bag er hätte, fo oft in feiner Segenwart Q3olf unb lite­ ratur gufammenftiefjen, »on bem richtigen (Sefühl, bag in iljm aufffieg, fobalb ein­ mal tvirflicfje Sichtung aug bem (Sangen an bie TZänner ferantam, bie bamalg ben begriff Q3olf in einer ^Reinheit barftellten, wie wir fie nie gunor erlebt batten,

©crfnalg begriff er aug unmittelbarer (Erfahrung, bap ©ichtung nur einen Sinn bat, wenn fie aug bem lebenbigen 3ufammenbang mit ber Ólllgemeinheit entfteht, für biefe ‘Slllgemeinheitunb in ihr lebt; bamalg erlebte er gugleic£>, baf bag 3iel einer ©ichtung aug bem Q3olfgtum bei biefer jungen ^Ration, bie immer noch auf bem Qöege beg QSolfwerbeng ift, nod) lodenb unb »erpflichtenb in ber 3ufunft liegt. 03 on biefer Srtenntnig fyer aber orbneten fich gang »on felber bie ^Raffen ber (Seffalten unb 33üd)er neu; »on biefer (frfenntnig her fcEjieb »ieleg, wag feine 23egiehung gu biefer Sntwidlung fyxt, alg belanglog aug, ergab fid) faft »on felber bie Örbnung, »on berbiefeg Q3ud) berichtet.

©ie 3bee, wenn man bag grofje OB ort gebrauchenwill, bie biefen Q3erfuch trägt, ift nicht neu. Sie tritt, auggefprochen unb unauggefprochen, feit ben Sagen ber giomantif gum minbeftenimmer fichfbarer gutage, wie jebe 3bee, bie in bie ^Reali- tät brängt: benn alle wirtliche (Srfenntnig ift überperfönlich - bie 3nbi»ibuen ftnb nur ihreformenben QSerwirflicher für alle.

®g »erfteht fich bon felbft, baf? bei einem fold>en Unternehmen eine Unmenge Arbeiten anberer benutzt werben muffte, ©ie wid)tigften ftnb im Sert nic£>t nur einmal genannt worben; bie übrigen alle namentlich aufgugählen, wäre für ein Q3ud) wie biefeg, bag feinen wiffenfchaftlichen, fonbern orbnenben <£^rgei§ hat, lebiglid) Q3elaftung. ©er QSerfaffer fühlt fiel) aber aud) ben »ielen Ungenannten Wie allen Äelfern beifeiner Rlrbeit »erpflid)tet, barum wenigfteng biefer befdjeibenc

©auf!

(13)

2lufftieg unb erfte 93liite

©ie germanifche grül^eit

••

£lber ben 2lnfängen ber beutfcfjen ©ichtung liegt bać gleiche ©untel wie über ben Anfängen ber beutfdjen 5?unff, foweit fte pinaußging über bie Schaffung von ©egenftänben beß Schmucfß, beß täglichen 93ebarfß. ©ie beutfche Sichtung ber ‘Jrühjeit iftfür ttnß ebenfo verfunfen wie bie fräufer, bie Äallen, in benen fie erflang. ©ernt biefe Sichtung ber ©ermanenftämme, bie jwifchen ŚZorbfap unb Qllpen, gwifcpen ^eterßburgunb ben ©renjen ber Sallier fafjen unb wanberfen,war Qßerf attß bem lebenbigen Qöort, würbe nicht aufgejeichnet in toten OSucpftaben auf totem Rapier,fonbern inlebenbiger Überlieferung beß Sprechenß unb .frören«

weitergereichtvon ŚJZenfch ju SQlenfch, in unmittelbaremGeben empfangenunb ge-- geben. Sie hat auf©runb biefeßgesprochenen unb gehörten Qöortß fortgelebt burch bie Sahrhunberfe unbSahrtaufenbebißju bemQlugenblicf,ba biefem Qßeiterreichen beß Srerbten eine ©egenfraftentffanb, bie baß Srerbte wie baß Qßeiterreichen ver­

bot unb verwarf,- baß Slwiftenfum. ©ie ©ragif, bie über biefem Abbruch beß natürlichen geiftigen Gebenßeiner ganjen Station liegt,wirb ftcfjtbar in berberühm­

ten ©efchichte von Äarl bem ©rohen unb feinem Sohne Cubwig bem frommen.

&arl ber ©rohe, bem baß Sc£>icffal bie furchtbare Qlufgabe auferlegfe, felbft ©er-- mane, baß eigentlich ©ermanifche, baß fich ihm in ben Sachfen entgegenftellte,auf Sahrhunberte ju fnidenunb jubrechen, fo baf? eßerft nach bemVergehen unb Q3er-- wehen feiner Urform, verfchmoljenmit bem Svenen, baß baß Shriftentumgebracht hatte, auf neuem 93oben wiebererftehen tonnte, - &arlber ©rohe befaf? außfeiner itmfaffenben menfchlichen ^erfönlichfeit herauß Snftinft genug, gu ahnen, waß hier burd) fein eigeneß ©un vernichtet unb abgebrochen würbe. 3u einer 3eif, ba baß Shriftentum bereitß feitmehrgiß hunbert Saljren unter ben germanifchen Q3ölfern bie Srinnerungen an baß Qllte unb baß QBeiterwirfen ber heibnifchen ©rabitionen betämpft unb unterbrüdt hatte, gab er ben Qluftrag jufammenjufragen, waß noch an Siebern unb ©efängen, Srjählrtng, Sage unb Sichtung im QJotf lebenbig war.

Sß entffanb eine Sammlung von germanifchem Sprachgut, bereu Qöert unb ©e=

wichtig feit wir unß heute gar nicht mehr außjumalen wagen,unb bie, wenn wir fte befaßen, unfere91uffaffung von ber 21rt unb bem geiftigen ©ßefen unferer03 or fahren vielleicht vollfommenverfchieben, unfere Stellung in ber Oöeltwahrfcheinltch unend­ lich bielftärfer unterbauen würbe. Ä’arl ber ®rof?e ftarb,unb Gubwig berfromme, nur noch bem Svenen unb nicht mehr bem eingeboren 03olfhaften verbttnben, lieh baß Srgebniß biefer jahrelangen Arbeit, bie ber 03ater hatte außführen laffen, furjerhanb vernichten. Sr überantwortete bem fetter, waß fein großer 03orfahre mit bem fieberen ©efühl, bah hier eine lebte Sftöglichfeitgegeben war, 03erfinfenbeß ju retten, ju bewahren verfucht hatte. Gubwig ber fromme 50g ben bunfeln 03or--

(14)

IO Elufftieg unb erfte Q3lüte

eiderncrtfibttjuti»«:

LintLirtum uumcv-mtwtlr'ftbtirui’’' hör- nitrurnarnum lenrfan mMtotb- Apnü* ’«’«* nunotb utMniWmAnoH-'ltmnnn bmcb

heuut mA-narb-

a.w> mxnotb 'fcmvernprtrn uutru mMWrk ■' iclobrrm

U.-rbtft-mArunti ^ccernbrrm- l.eiLuę m-motK lip pH Lutir-

®ie germanifcben SJlonatönamen 2lud ßinbarb: „Eeben Äarld bed ©roßen"

hang vorbiegertnanifche Q3orjeit ©eutfdjlanbd,unb wenn heute fürbadallgemeine SBewufjtfein bie <Sefc£)idj>fe ber beutfchen Eiteratur etwa um bie Seit ber Äohen- [taufen einfefjt, fo trifftbie Sdjulb baranjumgrößten©eil biefenfränfifdjen &önig.

€r vollenbete bereuet, tvaS bad<2ßeltfd)idfal inlangfamer 2lrbeit vorbereitet hatte.

Sie gorfcbung bat biefe ®efd)id)te ind 9łeid) ber Sage verwiefen. 2lber aud) biefe Sage bat, wie viele, in einem tieferen Sinn reć^t; fte offenbart bie geiftige

Situation wieftetvirflid)mar, aud) menn bad*23 erbr ernten nid>t ftatt-- fanb. 3mifcben S?arl bem ©rofjen unb Eubtvig bem frommen voll- Siebt ftcb bad Q^erfinten bed ®er- manifcben - jebenfalld mehr unb mehrber Untergang ber unmittel­

baren münblicben Überlieferung.

Qöir hätten,befaßen mirbie Samm­ lung ^arld bed®r offen, moblmebr von germanifcben ßebendäufjerun- gen behalten,fönnten und eine [tar­

ier mit 3eugniffen belegte Q3or- [tellung von ber Qöefendart un[rer Vorfahren machen. €d gab eine 3eit, unb fie i[t nod) gar nicht [o lange her,als ihren Q3erlu[t im ©runbe niemanb bebauerte. 9J?an [tanb in großen Schichten ber Nation gerntani[d)ent Qßefen unb ger- manifdjer Sichtungohne Neigung gegenüber, bie wirtlich altgermanifche©ichtung mürbe laum ald ©id)fung unb wert ber 23ead)tung angefeben. ©ie Q3eric£>teüber Eeben, Qßefen unb Kultur ber germanifcben Q3ölter, bie mir von römifdjer Seife haben, unb von benen bei und vor allembieKapitel aud Säfard Bellum gallicum unb bie Germania bed ©acitud volfdtümlid) gemorben finb, fyatten bie Qßor- [fellung von Qlrt unb geiftigem Eeben ber germanifcben Stämme babin beftimmf, bafj man in ihnen mehr ober meniger [d)Iid)te Qlderbauer-- unb Sägervölier fah, bei benen an Sichtung unb Kultur höherer Ólrt ju benlen faft ein wenig fomifd) mirfte. Q3or allem bie Germania bed ©acitud batte eine Vorftellung gefdjaffen, bie fo efmad mie eine9?ouffeaumelt in©ierfellen geigte. ®ute, brave, in fcf>Iic£>ter Sittlichfeit, bie fte rneilenmeit von ben fulturverborbenen ^Römern ber ^aifer- geif trennt, babinlebenbe rDiänner unb grauen, bie nod) bie ganje Sinfachheit ber guten SRatur befitjen, häufen unter barten, unvermeid)lid)ten. Eebendbebingungen in bunteln, unburd)bringlicben Qöälbern, bebauenin biefen ‘Jßälbernaufetmad ge- beimnidvolle 2lrt ben 2lder, treiben jur Unterhaltung Sagb ober aud> ein menig

©otfd)lag am 9Radjbam unb laffen ftd) abenbd aud gewaltigen SDtefbörnern mehr ober meniger vollaufen, ©ad iftfo ungefähr bie Vorftellung, bie bid vor furjem in großen ©eilen ber Nation vom Eeben unb Qßefen ber germanifcben Stämme fortwucherte. ©iefe Q3etrad)tungdmeife iftnicf>terft auf ©runb neuerer (Jorfd)ungen unhaltbar, ©ie altgermanifche ©idjtung, obwohl nur in largen ^Reffenburd) glück­

liche3ufälle auf undgefommen,mar von jeherüber bieSahrhunberte hinweg ©ofu-- ment von V ölfern, bie alled anbere waren, ald wad bie normale Vorftellung von

(15)

®ie getmanifcbe 'Jriifoeit 11

Steven be« Ofebergfcbiffe«

wäbtenb feiner 2lu«grabung Q3ölferwanberung, 9?ömerfriegen unb ©ermanenzügen nad) ©üben fid)unter ihnen Pachte. SCBer einmal Safob ©rimmß ,,©eutfd>e geologie" auch nur angelefen bat, wer irgettbwo in einem ’xOtufeum einen Ó3lid geworfen l>at auf gerntanifdje Sd)mudftüde ber <5rüh&eit, wer biefen prachtvollen 9?eid)tum an formen unb Ornament, bie Reinheit biefer SUrbeit betrachtet bat, ber wirb burchau« begreifen, baf) bie Männer, zu bereu 'Befib biefe betten unb Bibeln unb Späten unb Srinf- gcfäpe auß ®olb gehörten, feinetierfellumhängtenQöalbmenfchen waren,©aß Q3ilb ber altgermanifchen Kultur hat fich in Öen Wen 9Jlenfd>enaltern auf ®runb un­ zähliger‘Junbe unb ©rabungenimmer mehr unb mehr babin verfchoben, bafj biefe Q3ölfer, bie bamalß ben 9?aum jwif^en ber <ERewa unb ben Qllpen, jwifchen ber Ołbeinmiinbung unb ber weiten ungarischen ©onauebene innebatfen, geiftig unb ful- turell auf einer Äöbe ftanben, bie bie

<Jurd)t ber fpäten 9?ömer vor ihnen wohl begreiflich) macht. Qöaß in ©er- manien fd)on vorben erften Sufanttnen- ftöfjen mit ber römifchen Qöelt lebte, waren QSölfer von zwar offenbar fehr anberer Kultur, alß eß bie beß Mittel- meerß war; biefe Kulturaberfonnte fiel) fehr wohl trotj tyvex (Sonberart vor allem neben bie römifche ftellen. Sebenfallß ift eß heute gefieberte« ‘Sßiffen, baf baß geiftig-tulturelle ßeben ber germanifchen (Stämme im mitteleuropäifchen Olaunt von ganz anberer 55öf>e gewefen ift alß bie allgemeine Q3orftellung früher an­

nahm, bevor bie Spatenforfdjung ihre vielenüberzeugenbenSrgebniffe vorlegte.

©ie flrfachen für biefeß QSerfagen ber QSorftellungßfraft vor ber altgermani­

fchen Kultur liegen nabe; eß fehlt an allen großen, weithin fichtbaren ©ofu- menten biefer 3eit. ©ie Q3aufen ber

©ermanen ftnb verfchwunben; fie waren nicht in (Stein wie bie ber Otömer unb

ber ©riechen, fie waren im fjeimifdjen Äolz außgefübrt unb ftnb ohne Ołeft ber 3eif zum9łaube gefallen, ©a unb bort gibt eß Q3efcbreibungen; ba unb bort ful man ©runbriffe auß ben (Spuren beß verwitterten Polzeß refonftruiert; weithin fichtbar zeigen läft ftch ö°u biefen ©ofumenten ber ßebenßumftänbe unfererVer­

fahren nid)fß. ©Roel) beute tarnt jeber Ołeifenbe fehen, wie bie tleinen ßeute in

‘pontpeji, in gried)ifd)en unb römifchen ‘provinzneftern gewohnt buben; auß ber

©ermanenzeit ftnb nic£>t einmal SRönigßpaläfte unb Vurgett erhalten. Qßaß von ben Vorfahren auf ttnß getommen ift, ftnb fleine Singe, (Schtnudffüde ber Q3or- nebnten, bie bem täglichen ©ebraiid) bienten, VSir müffen von biefen fargen heften auß verfingen, bie <23orffetlitng in Sätigleit zu fefen; bie Pbuutafie aber fo weit

(16)

12 “Jlufftieg unö erfte QJliitc

® olbfibelau« Sammerśborf, ©ftpreufjen, 'Btuftfcfjeibeau« Sztfógp-Somlpó (®olb) itnbfttbel

<utś bem ©rab be« ©ermanenfurften Uffilctau« QBitti«lingen, Schwaben(Silber, vergöltet) anzuregen, baf? eine wirfticf) lebenbige *23orftellung bont ©afein ber einftmal« hier hetmifchen ©ermanenber 'Jrühzeit entfielt, vermögen biefe ©inge nicht. ©ie ver­

langt offenbarmehr; ba« einzige Qtüä, bei beffen Q3etraif)tung etma« aufbämmert von ber formenben 5?raft, bie auch bie QSöHer ber ^rühzeit an bem ihnen natür­ lichen ©runbftoffihrer bauenben©ätigleitgeübt haben, iftber Q3ug be« QBikinger- fcfiiff«, ba« ein glücklicher fjunb in Ofeberg in 9?ormegen freilegte. Q3or bem

^Reichtum biefer gefirnißten Ornamentik, vor berSleganz ber formen biefe« höl­

zernen ^önig«fchiffe« fteigt auch £lneinfirf)tigen von meitern eine Slhnung auf, baf?

QJölter, bie folcße« fcßufen, gang anber« maren, al« bie fßmpathifchenBarbaren, bie Cfäfar unb ©acitu« gezeichnet haben.

©ie germanifche Qöelt mar vielleicht in einem feßr großen £eben«ftolz Qöege gegangen, bie von benen ber Wtelmeervölfer unenblich entfernt maren; fie hatte ba« Äanbmerf be« Schreiben«, ba« ffeftlegen be« gebrochenen, lebenbigen Qßort«

in toten 3eid>en entmeber au« gutemSnftinftnichtgefunben ober bemühtfo lange verfbmäht, bi« ber 3ufammenftoß mit ber Qöelt be« ©hriftenfum« bei bem Stamm ber ©oten ba« erfte unb einzige fchriftlicße ©otumentin germanifchem Sprachgut erzeugte, ©ie germanifche QBelt verfanf infolgebeffen, al« bie ©ragöbie ihre« 3u- fammenftof e«mit berc£>riftlicf>=lafeinifchen überfte hereinbrach, in ein jahrhunberte- lange« Schmeigen, au« bem fte erft heute langfamzu ermaßenbeginnt.OCßir fönnen fie nicht an greifbaren, großen Objekten ber Q3ergangenheitrefonftruieren; mir fönnen ihr ©ichtenunb ©enfen, felbftihre fprachliche Eigenart nur au« 23ruchftü(fen, bie ber 3erftörung entgangen finb, erfennen unb zu erfaffenverfugen, unb ftnb im übrigen barauf angemiefen, un« ihre 23efonberheit au« viel fpäteren 3eugniffen, bie fie an anberer Stelle ineinem feltfamen®lücf«zufallhinterlaffen hat, riicffcfjliefenb mieber erkennbar z« machen.

(17)

®ic gerinnnifcbe ęjrfi b5c.it

13

Solbener Ä'orb auß ^tetroaffa

®en Oiuimi, alß bie 53äter ber germanifdjen Selbenbidjtung gu gelten, fyatman, n>ie fo vieles vom beffen ©rbe ber 23orgeit, aufbie Säupter ber ©oten gelegt, ©ie

‘Junbein ©räbern beß Oftenß, mo fie etmagu OSeginn ber d?r*iftlid?en 3eitredmung um bie Qöeicbfelmünbung herumihre (Si$e batten, geigen fd>onaufß beutlid)fte, mit meld)en 2lnfpritd)en biefe 03 älter in ihren fübrenben vO?enfd)en bem £eben unb feinen 9J?ögli(f)ieiten gegenüberffanben. 3uvoller ©ntfaltung fd)einen biefe Kräfte erft ge­

kommen gu fein, alß ber grofje SOtenfd)enübetfluf biefeß Sermanenftammeß fid)auf­

malte unb feine Qßanberung nach Süboften begann, auf beute rufftfchem Q3oben 9łeid>e grünbete, am ©njepr, inRumänien, am(SchmargenSJZeer ©empel unbSai­

len fcf>nf unb aufbiefem alten ^ulfurboben mitbem fpäten ©rbe beß ©riedfentumß, mit I?elleniftifd?em Sanbmerfunb belleniftifcber $unff in Q3erüt)rung tarn. 2luß bie­ fem Sufammenftofj frübgermanifcben Qöefenß mit fpäter Wtelmeertulfur bat fid?

bie ‘Jormentvelt ergeben, bie mir mit beglitdfem (Staunen an ben ‘Junben von ^ietro- affa, an ben ^runffibeln von Sgilógp-Somlpó, an all biefen

©ebilben voll Fracht unb Sfraft, 'Jorminftinft unb ftärf- ffem Qlußbrutfßmillen bemun- bern. Q3onben fpätgried)ifd)en

©olbfcbmieben habenbie©oten mobl mamfjeß vonber©ed)nit beß 3ellenfcbmelgeß unb bie Steinfaffunggelernt, maß bann unter ihren Sänben gu bem führte, maß mir beute Q3ölter- manberungßftil nennen. 3u gleicher 3eit haben fie, alß bie

erftenunter ben ©ermanen, von Solbfdjale auß Sjildgp-Sontlpb,Siebenbürgen (unt400)

(18)

Olufftieg unb erfte Slittc

t>af3 ein fd?riff=

lofeß Q3olf ein* fad) bei bent fchreibenben in bie Eehre ging, bie fd)on vor* hanbenenEaute unb <23ud)fta* benftd) jueigen machte. ©ie

®oten über* nahmen von biefen Eautjei- d)en wohl hier 14

biefen fpäten ©riechen ben Elnftofj jur Schaffung bet' Schrift befontmen. ©ie

®oten finb eß gewefen, bie von ber ©rabition beß münbli<hen Qöeiterreichenß bet

®efchid)fe unb ber. ®efd)id)ten unb Eieber abgingen unb von ben dornten ber oftrömifd)en, beffer ber fpätgriec£>ifc£>en Schrift auß bie ©rftnber ber erften ger* manifdjen <33ud?ftabenfd)rift, ber erften juliterarifcfyen 3weden verwerteten9?unett würben.

®ie 'Jorm biefer ©ebilbe, erfüllt von ber gleichen, planten Traft wie bie Qßerte ber ®olbfd)miebetunft, wie Qöaffett unb Seltne, §eigt bie Tulturhöhe, mit ber biefe Nationen, in benen man fo lange nur wanbernbe Triegerhorben feften wollte, ber fretnbengeiftigen Qöelt gegenüberftanben. 9li<htß hättenäber gelegen, alß

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ęRunenfcbrtft au« einem Kober in ber <5tiftßbibliott>et in <St. ©allen

unbba eineAnregung, hierunb baeinegorm, aber fie bauten barüber in Freiheit unb Selbffänbigteit ihren eigenengeiftigen ‘Sefitjauf.©ie 9?unenfd)rift ber frühen©oten jeigt beutlićheralß vieleß anbere, wieweitbiefe9J?enfcf)en auchin ber 23eherrfd)ung ber geiftigen Qßelt fd)on vorgebrungengewefen fein muffen, ©ah fie ber ungeheuren Qöuchtt, mit ber ihnen bie gried)ifd)--oftröntifche QBelt mit ihrer längft abftraft ge* worbenen Gilbung entgegentrat, mit felbftverftänblicher ©laftijitätihreeigene Qöelt entgegenbauten,war nur möglich auf ber Q3oraußfehung eineß innerenQSefiheß, ber, wenn aud) von anberer 2lrt,jumminbeftenvon gleicher menfd>entragenber Traft war.

©ie ©rfinbung ber 9lunen würbe bißher allgemein von ber <5orfd)ung in baß jweite na<h<hriftlid>e 3ahrhunbert in ben 9łaunt um baß Schwarte tDleer verlegt.

<23on bort ift bie 9?unenfd)rift ju benanbern ©ermanenftämmen gewanberf unb mit biefen Stämmen burćh ganj Europanad) Spanien, nach Elfrita, hinauf in bie nor* bifdjen Eänber, wo fte biß inß ftebjehnieSahrhunbert hinein bie eigentlich geiftliche, fafrale Schrift blieb- ®enn biefe Nationen waren viel §u fehr mit ber Qöelt unb bem©afein verbunben, um bie Schriftjei<d)en einfach alß baßübernehmen ju tönnen, maß fie für bie fdjon alte, abgefalapte gried)ifd)e Qöelt waren, nämlich alß blofe Schriftlichen. Sie Ołunenwaren für bie ©ermatten nicht nur QBuchffaben, fonbern 3auberjeid)en, Sinnbilber von geheimnisvoller Traft, mit benen man bie Mächte befd)Wören tonnte; Eeben unb ©ob,ber Sturm, bie Trautheiten unterftanben biefen rätfelvollen ©ebilben, bereu jebeß einzelne fcfjon baburch, bah eß irgenbein bebeuf-- fameß Qöort begann, felbft wieber eine tiefere ^ebeutung betam.

(19)

Oie germanifcpe ęjriifoeit 15

fechften 3ahr=

ijunbertg auf un^ geforn»

men ift, ift ber berühmte Co­ dex argen- teus in Sil­ ber» unb®olb»

fchrift auf Sßergament, ber nach man»

djerlei 3rr=

führten burd) bag Ołeid) nad) ilpfala inbie Slniver»

fttäfgbiblio»

thef gelangt ift.

®ie unmit­ telbare S3e»

©ie ungebrochene Q3erbinbuitg biefer Böller mit bem 9?eid) ihreg 3enfeitigen, (Seiffigen, lieftben Olunen iafjrftunbertelang einen9łeft von bem Sdjauber vorbem SBunber beg ©runbvorgangg. ©ie SSRenfdjen empfanbenmit 9ied)t beim Slnblid biefer 3eid)en immer mieber bie ungeheure Seltfamleit unb ‘SRerlmürbigfeit beg Q3organgg, bie barin lag, baft irgenbeine gorm, irgenbeine in ben <23ud)enffab ge»

fd>nittene Einte fo viel von ber Qßirflicpteitunb bem Sßefen beg burch fte begeid)»

neten ©egenffanbeg einftng, baft ber ©egenftanb nacpper für anbere, ‘Jrembe, mieber burd) biefeg 3eid)en ‘Zöirilicftteit befam, aug ihm heraugfprang.

®ag mefentlid)fte ©ofument, bag ung in biefer Schrift ober genauer in einer iftrer fpäteren ^ortbilbungen erhalten ift, unb bem mir hauptfädjlich unfere$ennt=

nig ber germanifchen Sprachen bergrüftseif entnehmen, ift bieQ3ibelüberfeftung beg ülfilag aug bem vierten nad)chriftlichen 3ahrhunberf.Sßulfila ober ülfilag, „bag Qöölfdjen", entftammte einer d»riftlid)en familieim Äappabo§ifchen, bie fchon im britten 3ahrhunbert vonben ©oten in ®efangenfd)aft geführt morben mar unb fich fpäter bem ©ermanifchen völlig angefchloffen hatte. ®r ift ungefähr um 311 ge»

boren, erhielt eine grünbliche gelehrte €r§iehung unb mar feit etma340 ©Bifchof ber Qßeftgoten. €r führt feine ©emeinbe fübmärfg über bie©onau, ermirbf für fte vom Gaffer ^onffantiug in ber ®egenb von 9lilopolig neue Sßohnftfte unb ftirbt in H’onftantinopel bei ©elegenheit eineg ^ongilg in ben acfttjiger 3ahren beg vierten 3ahrhunbertg. Seine Hauptarbeit ift bie Übertragung ber Heiligen Schrift in bie Sprache ber Sßeftgoten. €r hat bag Sllte fomohl mie bag '■Reue ^eftamenf über»

feftt, mie bie Sage mill, mit Slugnahme ber 93ücher ber Könige, burch bereu irtegerifchen 3nhalt erben Solbatengeiftfeiner®oten neu ju entflammen fürchtete,

©ag gröftte Q3rud)ftüd biefer Überfettung, bag in einerSlbfchrift beg fünften unb jiehung juber Sprache, bie hier biefen

vertrauten Seęt trägt, ift ung verloren»

gegangen.

Qöir fühlen nur ba unb bort bie ver»

manbten Stämme ber 'SBorte, Sin»

Hänge an Heutigeg, gu»

meilen auch eine Q3ejie»

hung jum

®ried)ifchen hinüber. Sßir empfinben

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(Schriftprobe aug bem 03aferunfer beg Ulfilag

©ag ©ebet lautet vollffänbig:

Attar unsarthu in himinam, weihnai namö thein.

qimaithiudinassus theins. wairthaiwilja theins, swe in himina jah ana airthai. hlaif unsarana thana sinteinan gif uns himma daga, jah aflet uns thai skulans si jaima, swas we jahweis afle- tam thaim skułam unsaraim. jah nih briggais uns in fraistubnjai, ak lausei uns af thamma ubilin; unte theina ist thiudangardi jah mahts

jah vulthus in aiwins. amen.

(20)

i6 Slufftieg unt) erfte 'Sliite

aber nod) burd) alle ‘Jrembheit hinburcp bie 'Julie unb ben Älangreichtum biefer Sprache, vermögen und wenigftend einen fchattenhaften ©inbrucf von ihrem feier-- lidfen ©ang ju verfcpaffen, fönnen und von Weitem. mit einiger ^bantafie ein

^langbilb ber Äelbenlieber Vorteilen, biebei ben frühen©ermanen auf tote dürften unb Könige gebietet, gefprochen unb gefungen würben. Sn ben Slnnalen erwähnt

Sacitud einmal germanifcfye Seb benlieber auf Sermannd ©ob.

33 or bem 9?eid>tum ber gotifcpen Sprache fönnen wir wenigftend von ferne ahnen, wieviel an Ä’raft unbSchönheit mit biefen©ebilben untergegangen ift, bie bie Schrift verfchmähten unb nur vonSJJenfd) ju 'xVZenfd) fortlebten,bidihre 3eit erfüllt war.

©ie germanifchen 23erdgrunb=

fäpe treten und in ben fpärlid>en

^Reffen altgermanifcher ©icptung entgegen, bie ftdj> erhalten haben.

Sie finb zeitlich von ben ©oten unb £llfilad burd) Sahrpunberte getrennt-jum wenigften ihre xQie-- berfchrift. Q3on ber <23ibelüber=

fepung bed Ulfilav,bie bemvierten 3ahrpunbert angehört, geht ein Sprung bid ind achte. ®« erft warb bad Silbebranbdlieb aufgejeidjnet, bad einzige grofje Q3eifpiel eined germanifchen Selbenliebed, bad auf und gefotnmen ift. QBeitere jwei Sahrhunbertefpäter hält bie SJferfe-- burgerSanbfcprift biebeiben alten 3auberfprüd)e feft, unb erft bem zwölften 3ahrhunbert verbauten

Olunenftein auf Q3ornpolnt tttir ed, baf? tttir bie Qöorte bed fterbenbenSilbebranb, jetjt in alt-- norbifcher Raffung, ald fpäten Siacbflang bed Siebfragmented auch noch hefigen.

So ift bad ‘2lltgermanif<he feinseitlich feftftehenber, fonbern nur ein tttefendmäfng beftimmbarer begriff.

Sräger ber von‘SRuttbju 9Runb ntanbernben germanifchen Sichtung waren bie .Stoffänger,bie Stopem^ridlud ersäplt, wieam Sofe fJlttiladabenbd gweigotifepe Sänger auftraten, bie bie Säten bed Ä’önigd befangen, ©iefer Stanb ber Sänger hat fid) bid hoch ind Sftittelaltererhalten. Sie brachten bie Sagen unb ßieber von

(21)

©ie germanifd>e 17 hof ju hof, trugen fte junt ^lang eines SaiteninftrumentS beim ©runie vor.

3m SQorben entwidelten ficJ> im neunten3al)rt)unbert auS ihnen bie Sfalben, bie funfffertigen, funftftoljen Vorläufer ber ‘Eöieifterfinger; im eigentlichen ©eutfd)- lanb mifdjten fie fid) langfatn mit ben Q3aganten, ben faprenben Schülern. (Spiel­

leute, kirnen, SJ>offenrei^er tarnenals ©rägerber Literatur fjittjxt - bis bann baS fwhe Mittelalter ber ©id)tung ihre Qßürbe tviebergab, fte jur geachteten©ätigfeit ritterbürttger Männer machte. £lnS, bte wir an ©rud unb Schrift gewöhnt ftnb, fällt es fd>wer, unS biefe Qöirflicfjfett einer Sichtung faft nur im gesprochenen, gefungenen Qßort vorjuffellen. Qöir vermögen unSfaumein®ebächtniS auSjumalen, baS all biefe ©inge behält. GS tvirb aber fo getvefen fein, baf? nur im iJluSwenbig- iviffen biefer manbernben Männer baS £eben ber Sichtung befchloffen lag, tvie ja auch nach infpäten 3ahrhunberten alle S^adhrichfen nur münblich verbreitet unb weitergeleitet würben,biß einmal jentanb erftanb, berbaS £ieb, ben ©efang, fpäter auch einen Bericht, eine Sage aufjeichnefe, bie ein ffahrenber ober ein Kaufmann, ber belaben mit GrjählungSgut von fernen lüften tarn, mifgebrachf hatte.

©aS hilbebranbSlieb ift wahrfcf>einlich in Oberbeutfchlanb entftanben unb ift von ba auS gewanbert, bis eS fpät ju ben 9łorbmannern fam, benen wir baS cReftbruchffücf verbanfen. Stofflid) gehört es einer viel früheren, noch gotifchen3etf an - bie Kämpfe von ©beoberid) unb Oboafer fpielen hinein; eS gehört burchauS noch in ben S^reiS ber ®oten, bie für faft alle ©ermanenftämme aud) bie ©runb- lagen berÄelbenbichtung gefchaffen haben. GS fchilbert ben 5łampf jwifdjen Sohn unb QSater; ber alte Äilbebranb lehrt nad) langer 2lbwefenheit mit feinen Mannen in fein £anb jurüd, anber Spiße ber Männer, bie bie Äeimat fehlen, tritthabu- branb, fein junger Sohn, ihm entgegen, ©er Q3ater erfennt ben Sohn, aber ber Sohn erfennt ben Q3ater nicht, ©er <2Ilte will Trieben, aber ber Sohn, voll Miß­

trauen, nennt ihn feige unb jwingt ihn fo jum 3weifampf. (Ergebenfpricfjt beralte Äilbebranb:

„<2Bahrlich nun, Qßaltegott, Qßehgefchicf wirb.

©er Sommer unb Qöinter wallt 'ict) fechjig außer £anbe, Seitbem man michfürte jur Sdjar berKämpen:

©en auf feiner93urg wer blutignicht ftredte,

‘ZQunfoll eigenen^inbeS Gif en mich treffen,

Q3Iatt mich burchboßren oberid) ihn? ben fBIuttob fchaffen.

©od) fannftauch iweinfad),wenn bein Gifer reicht,

©eS hochbejahrtenharnifd) gewinnen,

9łaub bir erraffen,wenn buirgenbein 9fed)t haft.

©erwäre ber 'Jeigfte ber Wahrer von Offen,

©er ben Äampfweg bir weigre, ba fo wohler bic£> lüftet.

Semeinfame ©änge, erprobe wer muß, QBelcherheute fein heergewanb müffe räumen Ober ber Brünnen beiben walte."

2

(22)

i8 Olufftieg unb erfte ‘Blüte

©a liefen fie erftlicp <£fc£>gere fchmirren

3nfcharfen Schauern; bte ftanben im Oćtjilb feft.

©annfprangen fte jufammen, fpaltenb ben Buntranb;

Sieben barmmedenbin3 fjelle 9?unb ein, Bi3 ifmen bie C5c£>tlbe fcbartig mürben, 3ermirtt von ben SBaffen...

©ie tragifdje ©röfe, bie über bem ßiebe liegt, flingt f<f>ott au3 biefen Berfen.

63 ift eine peroifche SBelt, in ber nicht ber 6injelne unb fein fleine3 ßeben bie

©afein3abläufe beftimmten, fonbern ba3 ftrenge, forbernbe Sefep be3 grofjen ßeben3. ©ie3 ßieb ift einer 3eit entfprungen, bie bie innerften Borau3fepungen für ba3 ©ragifche befafi, nänrlicE> bie feibftverftänbliche flnterorbnung be3 blofjen ©a-- fein3 be3 Sinjelnen unter bie Berpflichtungen einer beroifdjen Beben3fübrung.

Silbebranb n>eić£>t trop ber tragifdfen Berftricfung, in bie er gerät, bem S’ampf mit bem eigenen Sofme nid>t au3, al3 beribn feige fćt>ilt. ©ie 3bee be3 Blanne3, be3 Selben fiegt über bie menfd)lid)=familiäre Berbunbenbeit. Über biefem ßiebe maltet non meitem fchon berćĘ>riftIićf>e (Soft; juinnerft ift e3 aber erfüllt vom (Seift einer noch febr unc£)riftlict>en tjeroifcfjen SBelt, eine3 febr ftoljen 3mblen3, ba3 erft ganjallmählichimßcmfber 3abrbunberte verfanf,neuen3bealen machte. Slu3 bem breijebnten Sahrhunbert ftammt ba3 jüngere Si(bebranb3lieb - ba3 ©penta behielt feine Beliebtheitbi3 in noch viel fpätere 3eiten hinein. 3n biefem jüngeren ßiebe fämpft ber Batermitbem Sohne genaumie im alten; aberinbenfünf 3af>r-- bunberten ift ba3 belbifcpe 3beal verbrochen, vom christlichen (Seift be3 Biiftel=

alter3 aufgefogen, von einem meidperen fühlen binmeggefcbmemmt. Bater unb Sohn verprügelnfich meiblitp, aber am Scpluft bleibt ber Sitte Sieger; er ermifcbt ben 3ungen bei ber Btitfe, mirft ibn im großen Scbivung in ba3 grüne ®ra3 - unb an biefem SBurf erlennt Sabubranb feinen 6rjeuger:

„63 ift Siltebranb, ber alte, ber liebfte Vater mein.

Sich mutter, liebe mutter,nun beut im jucht unb ehr!"

Blatt fief>t, ba3 alte 6nbe be3 Biebe3 ift ber neuen 3eit nic£)t mehr erträglich;

fie ift,miemir beutefagen mürben, menfchlicbgemorben unb meicbjt bem ©ragifcpen au3. 'Jremb unb mie au3 einer anbern QBelt fteht ba3 Sd)lufbrud)ftücf be3 alten Silbebranb3liebe3, ba3 ein 3abrbunbert früher im Slltnorbifcben aufgejeicbnet mürbe, neben biefem neuen ®eift - bie SBorte be3 fterbenben Silbebranb, bie alfo lauten:

„Steht mir ju Säupten ber Seerfchtlb gebvrften:

Sinb braufgejäbltjebnmal acht, Bautet Blänner, benenic£> Blörber mar.

Biegt pier ber Sopn felbft mir ju Säupten, Srbfprofj er, benicp eigen gehabt...

Xlnmollenb fein 6nbe fcb>ufich."

(23)

®ie gennanifdje ‘Jrübjeit J9

®ic jroeite Seite beö Äilbcbtcinbeliebeä. Q3ru^ftüd einer Äanbfc^rift bes 8.9t>ś.

Eanbeśbibliottjet Äaffel

2

*

(24)

20 Qlufflteg unb erfte Q3lüte

©ad Hitbebranbdlieb ift bad einzige größere Srud)ftitd altgermanifcher ©id)-- tung an ber ©renjfcheibe jwifcpen Heibenfunt unb ©hriftentum, bad fid) erhalten hat. QBad fonft geblieben ift, ftnb Heinere ©ebilbe, 3auberfprüd)e, Słatfel, bad Sruchftüd eined ©ebetd, lauter ©inge, aud benen wir von ferne etwad vom fprad)Iid)en ©lang unb von ber bić^terifćĘjen &raft jener Sabrljunberte vor bem hriftentum ahnen fönnen, bie aber nur für Qlugenblicfe blitzartig bad ©unfel erhellen, bad im übrigen für und überber germanifchen bichterifcpen Kultur bid jur

^arolingerjeit liegt, ©a ftnb, aufgejeictmet im jehnfen Sahrhunbert, bie beiben SRerfeburger 3auberfprüd)e, in benen bie Heibenjeif, bie Qßelt ber alten

©öfternod) unverhüllf lebt, unb bie inihrer Knappheit unb ihrem funftvollen, faft bramatifdjen Sau wieber einen ftarfen ©inbrud geben von ber geiftigen Höhen­ lage, aud ber fyvauü nod) folcbje volfdmäfng, glaubendmäfng beftimmten Qßort-- gebilbe entftanben. ©er erfte 3«uberfpruch war offenbar beftimmt, Ueffeln bed Se-- fangenen ju löfen; bie Sbifen,von benen erfprid>f, ftnb bieQßaltüren, bie Sd)lad)t-- jungfrauen, benen hier Öbin bie Hdaft bed £öfend ber Sanbe gegeben hat- ©er althod)beutfd)e Qßortlaut unb feine Überfettung lauten:

Eiris sazunidisi, sazun hera duoder.

suma hapt heptidun, suma heri lezidun, suma clubudon umbi cuniouuidi:

insprinc haptbandun, inuar uigandun!

©inftend fafjen Sbifen, fafjen hier herum,bort herum.

9Rancf)e Hafte hefteten,mancheHeere fcbjläferfen, 9Rand)e, bie flaubten um bie flammernben Schnüre:

©ntfpring ben Haftbanben, entfahr ben^einben!

©ie 3auberformel ift auf ben Schlufwerd befd>ränft; ber Spruch aber fcfjafft für ben, ber ihn audfprid)t, bie Q3ifton ber überall herumfitjenbenHelferinnen, bie gleich ihm an ben Schnüren nefteln, unb wirft mit biefer Sifton fraftverftärfenb auf ben Sprecher jurüd.

^bnlid) verfährt ber jweite SRerfeburger 3auberfprud); er gibt eine ganje ©e-- fd)id)te, ein ganjed fleined Qlbenteuer in ben wenigen 3eilen, in bie er jufammen-- gebrängt ift. ©r laufet in neuhocf)beutfd)er Übertragung:

$ol unb ‘JOoban fuhren ju Holje.

©ort warb bem Salberd-^ohlen fein ■Jufj verrenft.

©a befprad) ihn Sinthgunt, Sonne ihre Schweflet;

©a befprad) ihn *5rija, goiła ihre Schwefter;

Sa befprad) ihn Qöoban, ber ed wohl verffanb:

Qßie bie Seinrenfe,fo bie Slufrente, So bie ©liebrenfe!

‘Sein ju Seine, Stuf ju Stufe,

©lieb ju ©liebem, ald ob fte geleimt wären.

(25)

®ie germanifcfje ^rütjjeit 21 IDe poeTJl-

»k mn firxLim

|nn uumcrnetA-A,* a.t ep>ni uuAf-noL uf Limit. nckpAum n<4>pY<<jT)tuua-f: ntnoLkeinij- nokfunna- ntfletn-not, ma-no niltukrä;. ncl»derma:

®er Qlnfang bcś Qßeffobrunner ®et>etö

®S fdjeint, baf) ein Sauberfpructy um fo fräftiger mar, je metyr man ityn mit einem galle in Serbinbung bractyte, in bem er feine 3auberfraft fctyon ein­ mal bemätyrt fyatte. ©aS trifft tyier bei bem §meiten Śterfeburger Spructy gan§

befonberS ju: Sßoban ift mit 'Jol, baS tyeifjt Salbet, in ben Qöalb geritten;

SalberS $otylen verrenft ftd) ben ‘Jufj.

Qllle verfugen, ityn ju feilen, offenbar umfonft - ba greift Qßoban ein, unb alles ift in Orbnung. Stan fann fctymer

auf fürjerem 9?aum fo viel ®efd>etyen unb Silbtyaftigfeit jufammenbrängen, mie eS bie alte 3auberformel tut.

Qöie fremb bie Sßelt beS einbringenben StyriftentumS urfprünglicty für bie ger- manifctyen Sejirteunb ityre geiftige Stmofptyäre gemefen fein muf, empftnbet man fefmftarf aus bem munberbaren fragment, baS unS ber inStünctyen aufbematyrte fonft tateinifdje Sßeffobrunner ®obeę auS bem actyten 3atyrtyunbert erhalten tyat, bem Sßeffobrunner ©ebet.

ęiRir geftanb ber Sterblićtyen (Staunen als baS ®röf)te:

©aft Srbe nictyt mar, nod) oben Äimmel, 9?octy irgenbein 'Saum, nocty Serg nictyt mar, 97octy Sonne nictyt fctyien,

'zQocty Stonbnictyt leuctytete,nocty baS 9ftärctyen--SZeer,

©a bort nirgenb nictytS mar an €nbenunb Sßenben -

©a mar boct) ber eine, allmäctytige ©oft...

Überführung eines heiligen

geberjeicbnung au£ bem Qöeffobrunner ßober

ScTr ,

Qßenn man beffen Serfe in ber Urform lieft, fo getyen fie troty aller 'Pfalman- flänge batyinmie eine Sifton vom erften SctyöpfungStag ober vom Sßeltuntergang, vom Snbe alles 3rbifctyen - bis

man auf ben letyten SerS ftöfjt.

©ie Formel von bem einen, all­

mächtigen ©oft ftetyt mit ber gro­

ßen Sbftraftion, bie fte umfaßt, in biefer Sßelt beS &onfreten, Silbtyaftenmieein Ołiefenfctyatten, ber ficty über biefe ganje tyarte, völlig anberS geartete germanifctye Qöelt gelegt tyat. Som Sßeffo- brunner ®ebet auS befontmf man einen Sinbrud von ben Sßiber- ftänben, bie bie auf völlig anbern Siegen ju ityren Śrgebniffen ge=

fommene germanifctye Sielt bem

(26)

22 Qlufftieg unb erfte 93 litte

Stabtircpe in Vorgunb, Vortoegen (gebaut um 1100

einbringenben (Etmiftentum entgegenfetfen nutzte. Vlan begreift,baf? e« 3ahrhunberte mährte, bis au« bem ©egenfat) »on (Eingeborenem unb frembSinjugefommenem mieber eine (Einheit ftef) ergeben tonnte, unbbaf? trot? aller(Efmiftianifierung ba« ger-- manifche (Erbeba, rooba« (Ejmiftentum nichtftänbig burd) neue 3ufuf>r »on Kräften au« bem Süben, bem Süboften gefpeift merben tonnte, nod) jahrhunbertelang ftd) fo ju erhalten »ermod)te, baf? e« möglich >»«r, nod) fo fpät feine alten ßieberunb Sagen, 9?ätfelfprücf)eunb ©efct>ict>ten aufjujeichnen unb »or ber Vernichtung unb bem »ölligen Untergang ju bemalten.

(E« ift einer ber märchenhafteften ©lüd«fälle ber geiffigen ©efchichte, baf? lange nad)bem bie germanifd)e Qöelt auf germanifd)em Voben, in ben Vereichen be«

heutigen ®eutfd)lanb« »erfunten mar, ihre Spuren unb ®oturnente, mie fte fid) abfeit« in ber Stille einer abgele-- genen ©ermanetifieblung erhalten hat' ten, in genauen Vieberfd)riften »on berufenen Männern, Sammlern unb

®id)tern aufgejeid)net mürben, ©eutfeh-- lanb mar um bie Qßcnbe »om jmölften jum breijehnten 3ahrf)unbert bereit«

d>riftlid)e« ßanb; um biefe 3eit mar 3«lanb ebenfall« feit langem d)riftia-- nifterf. Offenbar aber herrfchte unter ben freien £Qorblänbertt, ben 3iad)fom-- men jener erften Siebter, bie einft »on 91ormegen au« hinübergegangen maren, um unbehinbert»on Kirche unb Ä’öitigs-- gemalt ihr alte«, freie« Vauernbafein ju führen, ein ©hriftentum, ba« ju bem (Erbe be« alten ©lauben« eine fried­

lichere, meniger feinblidje Vejiehung hatte, unbbeffenVertreter felber ‘Jreube empfanben an ben Ooturnenten unb 3eugniffen ber alten ©öttermelt. 2lu« biefer

‘Jreube heran« fyat man um biefe 3eit unb noch fpäter in 3«lanb begonnen aufju-- jeichnen, ma« »on Selben-- unb ©ötferliebernberVorjeit nochin münblicher Über-- lieferung lebenbigmar, unb hat un« foitt letzter Stunbe in berSprache be«Sorbett«

erhalten, ma« einft mohl mehr ober meniger ©emeingut aller großen Sermanen-- ftämme gemefen ift. 3m breijehnten 3ahrhunbert mürben in 3«lanb bie Sieber ber (Ebba aufgejeichnet.

®ie Vebeutung biefer Sieber, bie ber ‘Jleif? ber 3$länber un« erhalten hat, ift

»on jmeifad)er 2lrt. (Einmal hat fid) in ihnen eine Unmenge »on Sagenmaterial erhalten, ba« fonft für un« ebenfo »erlorengegangen märe mie bie Selbenlieber ber germanifchenStämme. Sobamt aber ffeht inbiefernorbifchen Raffung ber Selben- unb ®ötterbid)tung ber ©ermanen ba« S’unftroollen unferer Vorfahren ungetrübt

»or un«. Sier im hohen3iorben hat ficf> auf ben Söfe?t freier Vauern lebenbig erhalten, ma« im eigentlichen ®eutfd)(anb in ben Stürmen ber Völfermanberung

(27)

®ie germanifcpe 'Jrüfjjeit 23 unb unter bem Sinflufj beß Shriftentumß fpurloß verfunfen ift; unb jmar hanbelt ficb bei biefem erhaltenen ®ut urn bićE)terifct>en Qßefi^, ber vom ‘Jeftlanb, von ben großen Kämpfen ber germanifchenQSruberftämme ju ber fernen3nfel hinüber- gelommen mat. Sie Sagen vonSiegfriebunb ben QSurgunben, bie um bie gleiche 3eit in Seutfcplanb fchon bie mittelhochbeutfche ‘Jormung im 9?ibelungenliebe fanben, von 'Jßielanb bem Scpmteb, von Srmanaricp unb ber Äunnenfchlad>t maren bie Sbemen, bie auf Sßlanb in ben ebbifcpen Eiebern, in ben Sicptungß- formen ber alten ©ermanen in einem fpäten Elußtlang rein unb mohl menig nur veränbert aufgejeićhttefmürben. Saß Stoffliche ber germanifchen ©ichtung mieihr formaleß Sefüge lebt in biefen Eiebern fort, in einer bei aller bemühtenFormung boch vom QSolfßtümlichengetragenen Straft, bie fich beutlich abhebt vonber meifter-- fängerhaft ftilifterfen Äitnft berSfalben, bie gleichseitig in‘ćRormegen unb 3ßlanb ihre Sl’unft übten. 93ei ihnen löft fich baß QSoIfhafte bereitß in anfpruchßvoller Scpnörfelei.

©runblage ber germanifchen Sichtung, ber Q3erßbichtung, ift ber Stabreim.

Ser Sttbreim gleichflingenber Silben taucht erft viel fpäter auf. Ser Stabreim binbet je jmei Q3erfe ju einem QSerßpaar jufammen, meniger für baß Eluge alß für bać Shr:

Sin hart ©efchicf Sen Selben traf;

QSerften foll, 93ruber, Ser blinfenbmeifje Scpilb.

©aß ift baß epifcpe SEQafj; ber 9?ebe= ober Spruchton bagegen ftellt hiuter jebe folctje Eangjeile einen unpaarigen, nur in

fich ftabenben Q3erß:

Qöunbertier heifr ich, Sasi gleiffenbe ®olb

©emanbertbin ich, £lnbberglutrote Schah - Sin mutterloferEDtann. Sß bringt ber Äort bicf>

jur Äel.

Qöenn man folche Q3erfe mit ber ganzenQßucht ihreß Olpplhmuß fich langfam lauf vorlieft, be­ greift man, maß anStraft beß Elußbrucfß unb an 'JBucht ber ^onjentrationßmöglichfeitenin biefen verfunJenen germanifchen Sprachen lebte,unb emp-- ftnbef, maß ber Sichtung burch ben Sinbruch beß Eateinifchen auf Sahrhunberfe an ©Jlöglichfeifen in eben biefen Sprachen verlorengegangenift.

Sie Eieber ber Sbba ftnb in ber Sprache beß alten Sßlanbß unb fRormegenß aufgejeichnet.

Sinige von ihnen ffammen mobl auß älteren 3eiten alß ben Sagen, ba fie niebergefchrieben mürben, finb nur in 23ritchftücfen mit großen

Oberteil einer ftlbernen Sdjwert- fdjeibe auß (Sufenftein, 93aben SQorbifch-germanifch. bltn 600

(28)

24 Qlufftieg unb erfte Q3 litte

Eücfen ertyalten, anbere finb beutticB) fpürbarfctyon auS fpäterer3ett troty ber rnpttyi-- fćĘ>en Q3orjeitgeftalten, von benen fte berictyten. ©urcty fte metyt fctyon eine meictyere Euft; bie xRätye ju Selben unb©Öttern iftQlbftanbunbftretfenmeife fogar fctyon Uber- tegenfjeit getvorben.21tS 23eifpiel fürben©on ber alten 3eittnag ftier berEinfang beS Sambtr--£iebeS fielen, in bent bie norbifctyen ©ictytereinealte gotifcE>e Gage an ben 91ibelungenfreiS gefnüpft tyaben, inbent fie bie beiben jugenblićtyen Selben unb ityre Sctymefter Sctytvantyilb ju Stubern ber ©ubrun, mie bie norbifctye Orient- tyilb tyeityt,maćtyen. ©ieUntat, von ber ju QSeginn bie ^Rebe ift, mirb in ber Sage von 3örmunref - ©rmanaricty - berictytet. ©er tyätte Sctymantyilb, bie ©octyter

©ubrunS unb SiegfriebS, jum Eßeibe genommen; fie tvarb ber £iebe51t ityretnStiefc fotyn bejictytigt, unb ber 3?önig lieft fte von ben Sufen feiner ERoffe vertreten, ©ie Sötyne, an bie ftcty ©ubrun um ERactye tvenbet, entflammen ttyrer brüten ©tye, von ber bie ©bba metft, mit 3onafer. 3n ben erften E3erfen beS Sambir--£iebeS fommt baS urfprünglicty ©ermanifötye ber ©bba befonberS ftarf jum EluSbruct:

©aS mürbenictyt tyeut unb mar nictyt geftern,

£ange 3eit verlief feitbem,

grütyer als alles mar’S, älter iftnichts: -

©aff ©ubrun reijte, ®jufiS ©octyter,

3tyre jungen Sötyne jur Sütyne SctymantyilbS.

©ure Sctymefter mar Sctytvantyilb getyeifjen,

©te ©rmenricty etnft aufbem Seermeg Q3on grauen, gejätymten gottfctyen Sengften, Eictyten unb bttnfeln, lief vertreten.

3tyr artet ixicf>t nacty unfern alten dürften, Unb bocty feib ityr bie einzigenunferS ©efctylectyts.

©infam bin icty morben mie bie ©fpe im S0I3,

©erffreunbeberaubt mie bie 'Jötyreber 3meige,

©erEöonne beraubt mie bte Qöeibe beS EaubS, EBenn ber3meigfeinb tyerfätyrt am tyettyett ©ag.

©ie 3ünglinge, Sambir, nacty bem baS £ieb tyetfÜ, unb Sörli, maćtyen ficty auf ben Eöeg unb fommen jur Salle ©rmenrictyS:

£ärm mar in berSalle, bie Selben trunffrötylicty, E3on ben natyenben xRoffett vernatymett fie nictytS, E3iS baSSorn ertöntebeS betyerjten EKäctyterS.

©S eilten bie 9Rättner, ©rmenricty ju melbett, Sie tyätten Selben unter Seimen gefetyen.

„Seib bebactyt auf ©tat! ©ortreiten ©emaltige!

3tyr tyabfmäctytigen ESRännern baS ‘füiäbctyen jerfreten!"

(29)

®te germanifche Jrübjeit 25

©a lachte ©rmenrid), ffrtrf) ab ftd) ben Schnurrbart, 5?ampffühn vom <2öetn wünfd)t er ftd) Schoben,

Schüttelte fein Q3raunhaar, fah auf ben (ScEjilb, ben weiften,

£lnb fchwenftein berÄanb bie Schale von Solb.

„Selig büntt id) mid) -tvenn ich fefjen fönnte Äambir unb Sörli im Saale hier

©ie ^urfcben bänbich mit ‘Sogenfträngen

£lnb hängt an ben ©algen ©jutiS ebleSftnber!"

©etümmelwarb im Äaufe. ^rinffcEjalen jerfprangen.

3m Q3lut ipreS EeibeS lagen bie ©oten.

©a fprach bieg Äantbir, ber Äodtgemufe:

„Sn roünfd)teft ©ir, ©rmenrid), unfere Slntunft, Leiber ©ebrüber, in ©einer 23urg innen.

Siep nun ©eine Jüf?e,fiep nun ©eine Aänbe,

©rmenricp, geworfen inS offne Jeuer!"

©a brüllte auf in ber Brünne ber Jiirft,

©er ©öttergeborene, alsbrüllte ein Q3är.

„So fteinigt bie beiben, beiden bie ©ere nicht, 9?id)t €rj nod) Sifenbie ©rben 3onaferS!"

3ulet)t fpricpt Äambir:

„Qßir fod)tengut'; aufgefallenen ©oten,

Sd)Wertmüben, fielen wir oben wie bie Qlbler im ©eäft.

Ilnfer 9?upm ift tjerrtief), ob wir fymt ober morgen fterben.

91iemanb erlebt ben Elbenb,wenn bie tRornefprad)."

9J?an ahnt vor biefem in ber Übertragung SdanS ‘ćRaumannS wiebergegebenen

©orfo etwas von bem, waS germanifdje ©icpfung war, wenn fid) ein Eieb von folctjer <2ßud)t unb ©röfje bis in fo

fpäte cpriftlidje 3eiten erhaltentonnte.

©afj freilich ber©eift, in bem biefe Q3rud)ftüdeaufgejeiepnef würben, felbft in 33lanb fepon gewanbelt war, er­

gibt fiel) beutlićh auS anberen Eiebern ber ©bba, in benen von ber harten Xlrjeit, von ber ftarren, l;eroifd)en Haltung jum Eeben, bie jum wenig- ften bie Sichtung forberfe, nur nod) einblaffer Qlbglanjgebliebenift. 'löenn man neben baS Äambirlieb baS offen­ bar erheblich fpätere Sferbelieb

©ubrunS ftellt, fo fiept man, wie­

viel weicher, fühlenber in unferem

9lorbifd>e Satte auö ber Sagajett gietonffruttion

(30)

26 Qlufftieg unb erfte T3lütc

Sinne, man möchte faft fagen, mieviel christlicher bie Qlußeichmmggepoche bereifg mar alg bie 3eit,bie einft bie Urform ber ßieber gebilbetf>at. ©ubrrtng Sterbelieb ift ein Monolog ©ubrung, unterbrochen burch e*u lurjeg 3mifd)enfpiel; berSc£>lufj beg Ciebeg mag hier alg ©egenbeifpiel ju bem älteren ^lat} ftnben:

©reiSeimefah ich, brei Serbe fah ich • brei Serrfchern roarb ich ing Saug geführt.

Sigurb mar mir mert vor allen, be^ Q3Int vergoffett bie Q3rüber mein.

Schirre, Sigurb, bag fchmarje 9łop, ben hurtigen Sengft.

Cent ihn herju mir!

Glicht fitd bei mir Sohn noch Tochter, bie ©ubrun ©olbfchmud geben tonnten.

Sntfinne ©id), Sigurb, mag ©u fagteft, alg auf bem 93ett mir beibe fafjen!

©u mollteft, kühner, tommen 31t mir, von Sei jur ©rbe, unb id) 311 ©ir.

Schichtet, Sble, (Sichenfcheite!

Unterm Serrfcher laf?t fie hoch fid) türmen!

©ieleibvolle ‘Stuft brenne ‘Jener:

eg fchmelje imSerben fchmere Sorge!

21UenMännern minbre ben Sarm, allen Qßeibern menbe bag £eib ber ©rauertroft, ber ertöntnun ift.

©ieg ©ebid)t ift eineg ber ©ofumente, in benen bag urfprünglid) ©ermanifche mit bem ©eift ber neuen 3eit, bem meicheren, milberen, ju einer erften Einheit

(31)

©ie gerinamfdjc Jrübjeit 27 jufammengemachfen ift,bieahnen lüft, baf? biefeö flrfprüng--

licfje,bieferinnere Q3oft«befif) ftarfgenug ift, um ba« Jrembe,

»on aufen her it>m Überbrachte foin fid) aufjunehnten, baf am Snbe mieber eine neue fćĘ>0pferifc£>e ßinfjeit »on ganj ftarfer, menn auch anberer &raft al« bi«f>er enfftept.

21ufer ben Äelbenliebern bringt bie Sbba S öfter-- unb Sprud)bid)tung, Eieber unb atterfanb Jragmente, Sitten»

gebiete, 9?ätfel.©arunter fitben fid)fo grof e QSifionen mie ba«®efid)t ber Seherin, ba« in fünfzig Strophen flrjeitunb Qßeltenbe, Schöpfung unb ®öfterbämmerung jufammen-- faff unb in feinem bitnfel tragifchen Son an bie Stimmung be« Qßeffobrunner Sehet« erinnert:

Urjeit mar e«, nicht Srbe unten ba Q^mir häufte:

nicht mar Sanb noch See nod) Saljmogen,

©ie Sötterbämmerung ift gröfer geftalfet al« hier:

©ie Sonne »erlifd)t, ba« Eanb finftin« üReer,

»om Äimtnelftürjen bie heitern Sterne.

9łaud) unb 'Jener rafen umher;

hohe Äipe

ffeigt himmelan. ©ürboblen au« ber

^ircpe Äbteffab, 9tor=

megen. tim 1200. 9Jltt

©jenen aud ber Q3ö(=

fungenfaga: 9tegin beim Sd)rt>ertfcf)mte=

ben (unten), Sigurb bei ber Scfnvertprobe, St»

gurb tötet Jafnir

noch oben Äimmel Sühnunggrunblo«, hoch Sra« nirgenb«.

feiten mit menigen Qöorten

Sellenb heult Sarm

»or Snipahellir;

e« reift bie Jeffel, e« rennt ber Qßolf.

QSiele« meif ich, Jerne« fchau id):

bergiaterSdfdfal, ber Schlach tg öfter Sturj.

Äier ift noch einmenig »on berllrjeitftimmung erhalten- obmofl auch in biefe Q3ifonen fchon ba« Shriftentum ein»

gebrochen ift; ba« kleinere Seficfjt ber Seherin enbet fchon mie ba« QBeffobrunnerSehet mitbem Q3er«:„Sinererftanb, höher al« alle - ben hchrften öherrfcfer heifen fte ihn."

Sieben biefen QSiftonen aber ftehen Eieber, in benen beutlid) berElbftanb »on ber Qöelt berSöffer unb bem Slauben an

fte fichtbar mirb. ©a ift ba« S()rt)m--£ieb »on Spor« EOZifgefcpid- ba« QSeifpiel einer erften Sra»eftie au« einer 3eit, in ber noch niemanb berarfige« »ermuten fönnte.

©ie ©iftanj ju ben Söffern pat fid) offenbar bereit«fo »ergröferf, bafihre9?olle gemiffermafen fcfon literarifcp gemorben ift, unb baf niemanbmehr an ber ftperj»

haften 23epanblung ber einft in Scheu »ereprten Singe Elnftof nimmt.

9J?an muf ftch P überhaupt hüten anjunepmen, baf bie ganje Qöelt ber See­

manen lebiglid) Ołattm für Sragifcb*6eroifd)e«, für ba« grofe Eeben unb bie pel»

bifcpe Saltung jum ©afein gehabt pat. ^«n barf nicht vergeffen, baf abfeit« »on

(32)

28 Qlufftieg unb erfte Q3lütc

ben Söfett ber dürftenunb ber Sblen bei tarnen wie überall baS Q3olt lebte, unb bort wie überall ben urfprünglidjen lebensnahen Sinn für Attmor, für ©erbheit, für baS allju3rbifc£>e int weiteften SlRafje befafj. SQebeit Königen, dürften unb Selben gab eS eben auch ©efolgSmänner unb ^Bauern unb Äanbwerfer unb Bürger, Schmiebe unb EBagenbauer unb 3immerleute, beren Qßelt n>ah>rfc£>einlicf> genau fo war, wie fte immer gewefen ift unb immer fein wirb, ©ie Eieber unb Sprüche ber Sfopen unb Sfalben waren für eine ©berfcf>idt>t; fchon in ben Gaffeln unb Sprüchen aber, bie bie Sbba aufbewahrt fyat, Hingt von ferne ber baS ®anje tragenbe QSolfSton hinburcf).

9}ontanif<f)et Saufftein auS bem 11.3t).

Stabttirdfe fyreubenftabt

©ie Eieber ber Sbba unb ihre Sprüche finb nicht bie einzigen ©enfmäler beS ElltgermanentumS, bie unS bie 3$länbererhaltenhaben, ©ie langen, buntlen Sage ber iSlänbifd>en QBinter, in benen man in bem vereiften Eanb brinnen im Äaufe hotfen unb bie Seit ver­

bringen nutzte, haben im zwölften 3ahrhunbert bei ben 3Slänbern offenbareinefehr grofje Schreibluft erzeugt, ber wir eine gülle ber wert-- vollften Elufjeichnungen von Sagengut auch in ^rofa verbanden; man braucht nur an baS vielleicht betanntefte E3eifpiel, bie Q3ölfungen = f a ga,ju bent en,berOłichar b EBagner biemeifteEinregung für feine9?ibelungenbichtung entnahm, wie er benn aud) bieEieber ber Sbbavon Si-- gurb unb Q3rpnhilb bis ju wörtlichenEntlehnungen benutjt hat. ©ie 3Slänberhaben regelrechte Selbenromane gefdjrieben, SagaS, in benen fie ®efd)id)ten auS ber ESorjeit, Sagen auS ben 3ahrhunbertenvor ber 'Befiebelung beS EanbeS unb alte

®efchid)fen auS 3älanbfelber fefthielten. ©ie würben bann wiebie Q3erfe beiÄocb-- jeiten unb feftlichen ©elegenheiten vorgetragen, ©ie Q3ölfungenfage beifpielSweife beruhtauf altennorbifdjen Äelbenliebern, bie fpäter in 'profa aufgelöftunb langfant veränbert ttwrben finb; aber bte alte £lrbtd>fung, baS alte germanifche Äelbentum leuchtet nod) burd) biefe fpäte fform hinburd), ftellenweife mit einer $raft unb ilnmittelbarfeit, von ber bie füblicheren Raffungen wenig befitjen. Sin ©egenftüd ju ihr ift bie Sptbre tsfage, bie bie Sefdnchte von Shibret von E3ern, bem großen Eintelungen Sheoberid), aufgejeicfmet hat in ber ffornt, bte fie auf ihrer Eßanberung vom Süben nach bem hohen Eiorbenin fed)S 3ahrhunberten angenonv

(33)

©ie germanifd>e ^rütjgeit 29 men hat ©rjählungen wie bie von rRornageft, biefermertwürbigen Slbwanblung ber ©eftalt be« ©wigen Suben in« 9Jorbgermanifd)e, feigen, mie bie fdjeinbar fo abgelegene Vielt be« Sterben« boćE) mit bem allgemeinen geiftigen Vejirf auch füblidjer Vereine offenbar viel engergufammenhing, al« man anjunehmengeneigt ift.

®aju tommen ferner bie fpe^ififct) iölänbifcfjen ^Romane; bie ®ef<hid)feit von

©rettir bem Starten, von 9łef bem ßiftigen, vom weifen 91jal laffen bie Vergangenheit ber ©ermanen, bie nod) faum burd) bie Verübung mit ber chrift-- licEjen unb ber Iateinifd)en Qöelt veränberte, im korben bi« in« Mittelalter fort- lebenbe grühäeit fo lebenbig erflehen, baf? wir biefen fdjreibenben 3$länbern §u bleibenbem ®anf verpflichtet finb. & fyat ftd) ja auch in ben anbern germanifchen ßänbern, vor allem im alten ©nglanb, allerhanb Ołeftgut au« ber 'Jrühseit ber 2lngelfad)fen erhalten; ba« Äelbengebid>t vom Veowulf, beffen Urgeftalf wohl noch au« bem fiebenten 3aprbunbert ftammt, obwohle« aud) erft im sehnten auf- geseicbnet würbe, gibt beifpiel«weife bie lebenbigfte Sd)ilberung einergermanifchen Totenfeier, bie wir befifjen. ®en 3«länbern aber verbauten wir ein gefdjloffene«, runbe« Vilb be« germanifchen Volt«- unb Vauern- unb gürftenbafein«, ba« fie un« noch 5« einerSeit aufbewahrt haben, ba in ©eutfdjlanb fid) bereit« au« ber Qlu«einanberfehung jwifchen ben beiben Kulturen be« ©ermanifchen unb be« 9ło=

manifchen etwa« burchau« 9^eue« ergeben hatte.

Ä’arolingifcf)e gtunbfircbe. St. ‘zDlicpael in 3ulba. Um 820

(34)

®er Sinbriicfy beś Eateinifcfyen

Äarl ber ©roße, 9?eiterftatuette darnavaIet=9Jtufeum ‘Jxitte

QSölfer von folcher Qlrt, mit einem ganj eigenen, urfprünglichen ©afeinSgefühl, fommen nun in ben Sahrhunberten nach «Shriffi ©eburt mehr unb mehr mit ber ihnen mefenSfremben Qöelt ber SJlntife in Berührung, merben [ogar Sieger über fie, 3erftörer ihrer Staatengebilbcunb Beherrfdjer ihres SebiefeS - ftnb aber ben ©inmirfungen ber neuen ©eiftigfeit,auf bie fie prallen, junächft ohneviel T?ög=

litfjfeiten einer SluSeinanberfehung mit gleichen Tütteln preisgegeben, ©ie ®er- manen ftofjenauf jmei im ©runbe verriebene ^Belten: auf bie Blntife unb auf baS

©hriftentum. Beibe ftnb ifjnen fremb, baS <Sf>riftentunt noch mehr als bie Qlntife, benn für bie Sprache ber Tömer unb bie Berührung mit ihr gibt eS längft ein gemiffeSneutrales, gemeinfameS ©ebief, nämlich ©allien. ©atlien iftfrüh fd>011 »on ben Törnern burchfetjt unb aud)fpracĘ>lićĘ> burd)brungen morben - mit ben ©alliern ergeben fid) fd)on bamalS immer wieber Berührungen ber ©ermanen. 2llS bie Uranien baS Eanb in Befitj nehmen, ift fchon fo viel lateinifcheS Sprachgut vor-- hanben, baf? unter ben TJeromingern ein bar-- barifierteS Eatein felbftam töniglichen Äof gang unb gäbe ift.

©iefe Berührungen mären, mie alle Bölter= jufammenftöhe, mehr ober meniger vorüber^

gehenb von (Einfluf? (nach beiben Seiten) ge- mefen unb mieber vermeht. Tun aber entfteht, alsbie EluSeinanberfehungmitbem ©hriftentum unb ben Senblingen beS neuen ©laubenS bereits ein paar Sahrhunberte gemährt fyat, in $arl bem ©ro^en ein germanifcheS TJachtjentrum, baS bemüht bie Bereinigung von Sermanifchem unb ©hriftlid)--Tomanifchem als 51’ulturange-- legenheit im grobenStilburchjuführenverfucht.

TßaS fid) bisbahin organifd), ungeorbnet, von felbft vollzog, mirb jetjt bemüht von oben her ber Tation auferlegt unb fomeit mie möglich burchgefebt.®egenbaSurfprünglich®ermanifche mürbe von &arlbem ©rohen an immer mieber ein biefem ©runbmefen frembeS 3beal geftellt.

©aS natürliche Eeben mürbe unter bie 3bee eines EebenS gegen fich, einer Berührung beS £lr=

fprünglichenin fein ©egenteil gebeugt. Bon bem Blugenblidan, bamit©hriftentum unbBlntife frembefform-- unb BilbungSibealevor ben germanifchen Bölternaufge-- baut merben, §ieht fich burd) bieganje ©ntmicflungSgefchtd)te beS germanifchen ©eifteS

(35)

®er Ginbrud) beS ßateinifd>en

3' bie nun immermieberfehrenbe AuS--

einanberfehung jmifchett urfprüng-- licfyemQ3efifj unb von braunen auf* genommenem frembem ®ut. &arl ber ®rofjebringt bie erfte bemufjte unb fonfequenteAufpfropfungbeS

‘Jremben,bie von benOttonenbe* ftätigt unb verftärft mirb. ©amt fteigt langfam baS urfprünglid)

©ermanifdje, nadjbem es fid) bie Mittel unbMöglichfeiten beS frem* bengeiftigen ©uteS in jäher Arbeit ju eigengemacht hat, mieber empor - junächft formal gebänbigt von Antife unb €f>riftentum in jenen

^P^afen ber ©ntmicflung, bie man romanifcf) ju nennen pflegt. Sie Antife f>at ben 9?aum* unb ‘Jorm-- ftnn beftimmf, fie ljat jumgroßen Seil bie Spracheber©td)tungburd) baS £ateinifd)e erfetjt; baS blut»

rnäfjig©ermanifcheaber erfüllt baS

’Jrembe, €ingefüf>rfe jumeilen bis jum Werften mit ßeben. ©aS gilt vor allem von Arcbitefturunb fpiaftif, eS giltaber auch von ber ©id)tung. ©aS ßateinifcfje bominiert äußerlich,inbergorrnjbahinteraber

ftefjt beutlich fühlbar als tragenbe Ä’raft,immer ftärfer merbenb, baS

©ermanifche. Unb als bieJkifjm-- füllf ift, mäd)ft bieS ©ermanifche für ein paar furje, meltf)iftorifd)e Safmjefmte beS breijehnten Sahr* tmnbertS mit bem ‘Jremben, baS natürlid)e ^ormgefüfjl beS 91or* benS mit ben ‘Jormgebanfen beS SübenS ju einer meit mehr als flaffifcfyen Schönheit jufammen - in ben großen ©omen ber Seit unb in ben ungeheuren Qßerfen ber frühen ^laftif, bie benO^hpthmitS biefer 5?athebralen begleiten, ©ie Sichtung, 9?ibelungenlieb unb

©ubrun, Aßalter unb Qöolfram, fchmingt fid) ju gleicherÄöhe auf;

für eine furje 3eitfpanne ift jmi* fchen ben feinblichen Kräften ein

ffränfifcber ffürft mit jtoei Seiftlidten Sacramenfat auS Akt;. S^afionalbibliotbet ‘»arte

3mei Glfenbeinplatfett auS bem 8. bis 9. Sfr.

(36)

32 'Jlufftieg unb erfte <23lüte

Ausgleich gefunben, ber bie beutfcfe geiftige Qßelt unb ihre Stiftungen auf faft allen ©ebieten ju einer E>öl>e trägt, bie ähnlich fńnreifjenb erft nad) 3ahrl)unberten mieber errungen tvirb.

Kies Oleicf>gen>ic^t, biefe Harmonie mährt nur tvenige Saltrjeftnie, bann ge-- ivinnt in ben herrfdjjenben tvie in ben tragenben Schichten bie gebänbigte Slrlraft berStation bie Öberftanb. ®aS lange Q3fi.rgetvaltig.tebric£>t, bie Ueffeln fprengenb, halb nad) biefen glütfltaften ©ejennien olme Äemmung auS - in ber ©otif. ®S ift rvirflicf? ©rbe vorn Q3efi^ ber ©oten, bie bie erften germanifchen formen fdfufen, maS fid) jeft int breijeljnten unb vierzehnten 3af>rhunbert gegen ben füblichen, ro-- manifdjen Aufeil in ber tverbenben Kultur beS SRorbenSaufbäumf. ®aS auSgehenbe breijehnte unb baS beginnenbe vierzehnte 3ahrhunbert, bie Seit von ber ©runb-- fteinlegung beS Kölner ®omS 1248 biś zunt AuSgang ber SUtyftif unt 1330 ift bie eigentlich) gotifd>e 3eit, bie erfte SeitbeS fid? frei ntad>enben germanifchen ©eifteS, ber jeft bie inztvifchen eingebeutfchfe 9Migiofität ber cf>riffli<hen Eehre mit aller 3nbrunft berihm eigentümlichen QJoIfSlraft auslebt unb geftaltet.<2D^^f’ttb uttb ®otiS finb bie ©ofumente biefer Auflehnung beS ©ermanifchen, bas in ihnen alle ‘Jorm, alle reife Q3inbung ber vorangehenben Seit mie in einem Ołiefenfeuermert gen Äimmel reift, um bann bie Kräfte, bie fid> in ben übermenfchlicfen 3ielfefungen beS Anfangs rafcf verausgaben, nach laum einem 3ahrhunbertverfinfen unb ver=

fallen zu laffen.

3n bem Augenblid, in bem im achten unb neunten 3ahrhunbert über bem biS-- herigen Q3olfSglauben ein neuer, höherer, befferer ©laube von aufen her aufgerid)-- tet tvurbe,ber ben alten fofeinblid) unb haßerfüllt bekämpfte, baf nod)inbie Kauf­ formel bie Abfage an bie alten ©öfter Aßotan unb Kfor unb Garnot auSbrüdlid)

ilbnvuchtrtu’öioboU^'- ecfopyacho Diabelne enb allanj bwboL

telbe öibuUüdwboUfuuQvcuni

ecfopyuxho allun)StoboUy uulfcun) aributm^btiy^tłiunu,^

öeuuobÄz ßtöiöe- «Herr)

/pnc-

21uS bent fäcftfifcfjeit Kaufgelübbe: „... irf> entfage bem Teufel, allem Seufelśopfer, allem KeufeUtverf... tcf> entfage bem ®onar, bem Qßoban, bem «Sajnot unb allen ben Unpolben,

bie ihre (Senoffen finb." fjulbaet Äanbfcl)rift. Um 775. Q3atitan

aufgenommen tvurbe - als mit btefem höheren ©lauben zugleicheine frembeSprache als 9Jlittlerin ber höheren ©efittung, beS höheren CebenS in bie Nation hinein^

getragen mürbe, zerbrach bie (Einheit beS geiftigen ßebenS. €S entftanb ber unfelige begriff ber Q3ilbung, ber bie Nation in srvei Äälften zerriß; in folcße, bie an ihr teilhaben, unb in anbere, bie nicht an ihr teilhaben. Auch baS ©erntanenfum fannte felbftverftänblich bereits Abftänbe unb Klüfte jtvifcheir 55od) unb fiebrig, aber fie ergaben fid) auS bemSieben, auS ben Slnterfcfieben von &raftunb ©efcfid, von Sblut unb Katen, von ©röf e beS 93lidS unbkönnens, von Q3efi$. 3etjt tarn ein

Cytaty