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£lm bie 3eit, ba fid) in ®eutfd)lanb zum erftenmal feit bem ©itifeben beß chrift«

lid)«germanifd)en ©ualißntuß ein S^räffeaußgleid), eine gegenfeifige Spannung ber Snergien mit bem Srgebniß einerfaft llaffifd)en Harmonie ber ßeiftungen ergibt, beginnt in ffranfreid) auf bem Boben ber 3ßle be 'Jrance, im tRorben, bie Harmonie beß tvefentlid)ffen-'3eitaußbrudß, nämlich bie ber Qlrd)iteftur, bereitß roieber zu jer«

fählicbfeit unb 3wiefpältigfeit,ber riefenhaftenEeiftung im ©eifrigenüber einem um­

erfüllten Bafuum zwifchen biefem ©eifrigen unb berirbifdjen B3elt f^afft ficbbaß ungeheureSpmbol ber©orif, biefeß zugleid) herrlirf>fteunb furdjtbarfte, granbiofefte unb erfd)tedenbffe ©otument beutfchen Qßefenß. Sie granjofen haben geroife bie Baugebantenunb bie Bauelementeber ©otit juerfterprobt; auf beutfebem Boben aber ift biefer Stil erft bie ungeheure 21ußbrudßmad)t geworben, bie feinen ©ofu«

mentennoch heute baß zugleid) ©TJitreiftenbe unb 91ieberbrüdenbe, Simmelantrei«

112 2lufftieg unb erfte <Blüte

benbe unb Belaftenbe gibt. Sn ber Sofii fliegt ba« Bkltfaifertum ber Äopen-ftaufen in einem raufcpenben ffeuerwert gen Simmel; fie Vergeprt bie Kräfte ber Nationauf Saprpunberteunb fpaltetbiefe Nation zugleichvon neuem.Sie Aufgabe, bie um 1200 für wenige Saprgepnte einmal gelöft erfheint, bie Bereinigung ber tragenben, fhaffenben Bolf«fräfte be« ©ertnanifcfjen mit ben ipnen von aufjen per auferlegten be« ®priftlih--9*vmanifhen, tritt, erfcpwert unb fompligiert burd) ben 3ufammenbrucb be« Kaifertum« im Snterregnum, jept erneut unb verfcpärff vor bie Station.

B?it bem Kaifertum finft ber Qlbel, bie grofje QöeUe ariftofratifh-pöfifher, peroifcper Bilbung ebbt ab; ben weltlichen Seil nimmt eine neue Schicht auf, bie bi« bapin faum eine 9?olle gefpielt pat, ba« Bürgertum, ber geiftige Anteil wirb von neuem im mefentlicpen Qafy berSeiftlicpteit. Snber haupifacpefcpcint ber un­ geheuer gekannte Bauwille biefer näcpften 3abrgebnte ba« Kunftmollen ber 3eit auf-gefogen unb verbraucht gu haben. Sie Sicptung wirb gum Seil ebenfall« mieber (Sacheber ©eiftlicpfeit, gum anbern Seilfinft ftehinab in bie Schicht bie von je^t abmitwenigUnterbrechungen bi« jur ©egenmart tragenber Boben für ftegeblieben ift, in« Bürgertum. Sie ©otif, biein ihrem Qöefenber Stil ber tiefffen ©egenfäpe ift, Simmlifcpfte« unb ^rofanfte«, Srpabenfte« unb ^rimitivfte«, Mpftif unb Matpematif in einem umfaßt, treibt auch auf bem Sebiet ber Sicptung alle« in«

©egenfäplicpe au«einanber unbftellt im©runbe bie alte Aufgabe ber 2lu«einanber-fetmnggmifcpeneingeboren Bolthaftem unb eingeführt ®lauben«mäfjigem, gmifcpen gertnanifchem unb romanifchem Anteil ber beutfcpen Kultur noch einmal, unb gwar je^t auf ben verfchiebenften Sebieten gefonbert. Sie Sihtung,in« Bürgerliche ab- ftnfenb, muf? im Heineren Bereich, ber erft allmählich wächft, bie alten 2lu«ein-anberfepungennoch einmalvollziehen; auf ber anbern Seite aber mirb jept im eigent­

lichen ®ebief be« einft neuen ©tauben« ebenfall« bie ©egenfäplihfeif fühlbar, be­ ginnt ber Suali«mu« von 'Jremb unb Einpeimifhnun aufbem eigentlichften Boben be« ©priftentum« von neuem mirffam gu »erben. Sa« breigepute unb vierzehnte Sahrhunbert ift recht eigentlich bie 3eit,in ber bie entfcheibenben Kämpfe nicht fo fehr im Bereich berSihtung im weltlichen Sinn,fonbern in ber Citerafur im mei-teftengeiftigen Sinne, ber Sppilofoppie,bet Religion, ber Metapppftf au«gefochten

»erben. Sie 2lu«einanberfepung gmifcpen Scpolaftifunb Mpftif, bie biefe 3eit er­ füllt, iftim ©runbe ber jetjt im geiftlicp 9?eligiöfen noch einmal au«gefod)tene Kampf gmifhen eingeführter Kultur unb ererbtem feelifchem Sut, g»ifcf)en Slorben unb Süben.

Seit Karl ber ©rofje mit ber ©rünbung lateinifcher Klofterfhulen unb ber Einführung vor allem lateinifcher '2ßiffcn«fultur begonnen hatte, mar ein immer ftärferer Strom antifer Bilbung, griecpifeben unb lateinifchen QBiffen« bireft ober aufUmwegen in ba«2lbenblanb eingebrungen. 3u bemQDeg über bie Kirchenväter, Qluguftinu« unb vor allem Boethiu«, »ar ein zweiter gefommen, ber Qöeg über bie Qlraberunb über bie fpätere jübifepe ^pilofoppiein Spanien. Sa«frühe Mittel­

alter beftpt nur eine geringe Kenntni« vor allem ber griechifhen flafftfcpen ‘ Ppilo-fophie, e« ift aber immerhin fhon bamal« mehran Qßiffen vorhanben, al« bie all­

gemeine Borffellung fiep flargumachen pflegt. Manbarfnicht vergeffen, bah fhon em Mann wie Sopanne« Eriugena, behKarl ber Kapie um bie Mitte be« neunten

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ObertfjciniftfjerDelfterum1410.StäbelfcM^unftinftitut,^ranffurtamSKain

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źD?»ftit unb Scbolaftif "3

Allegorien ber (Srammatit, ber Sfpetorif unb ber ‘SORatpentatiS

am SRünfter ju Freiburg i. Q3r. Stibe be« 13. Sb«.

3afrfunbert« §u fid) berief, bie Vemegung von Vier fur, Venu«, Viar« unb 3upiter um bie Sonne tannte, baf manfd)on bamal« ber Meinung mar, baf bie matfematifd)en VJetfoben bie miffenfchaftlichen Vietfoben überhaupt barfteUten.

€d läf t fid) immerhin nicht leugnen, baf ein Viannmie ©iefrid)von Freiberg, ber um 1250 geboren, ©ominitaner in bem eben nicht fefr grofftäbtifchen Freiberg in

<5ad)fen mar, bereif« um 1300 bie beute noch gültige Sfeorie be« ^Regenbogen«

ejaft aufgeftellt bat, baf bie Srbbemegung um bie Sonne ju gleicher 3eit mefent=

liefe« ©i«luffion«tfema ber fofen Schulen mar, baf ber fcflefifcfe Qlftronom Qßitclo eine matfematifcbe Optif

fcfrieb, ju ber lein Seringerer al« Kepler faft vier 3abrbunberte fpäter Srgängungen verfafte, baf fdjon 1322 ‘Jranj be Viaproni«

feftffellte, baf ein ©oltor lehre, e« fei eine viel beffere ®i«pofition, menn manannäbme, baf bie Srbe fiep bemege unb ber Simmel ftill-- ftünbe. ©er menfd)lid)e Seift fyat fiep gerabe in biefen 3abrbunberten vom 3abre 1000 bi« jum 3abre 1500 etma burdjau« nicht pafftv fchlafenb unb einfeitig tbeologifcp verhalten.

©ie Pegrifflicpe Arbeit an ber geistigen Vielt ber Sermanen, bie rein tpeologifćpe mie bie meltlicp miffenfcpaftlicpe, ift fomitum biefe

Spocfe fo meit vorgetrieben, bie Seifter finb burd) ba« Qlufnefmeti ber Qlrbeit von 3abrbunberten fo meit entmicfelt, baf? überbem f^rem--ben unb über ber urfprünglid)en Veranlagung jept eine eigenegeiftig abftratfe Qöelt entfteben tarnt, bie ber Scholaftif. ©ie Vielt be«

Stauben«, ber cpriftltcpen £epre, bie Vorftellung von bem geiftigen ©^eiep be«

9Migiöfen ift fo gefiebert, baf? fte felbftverftänblicpe Vorau«fefung unb Srunblage aller Vleltbetracftung ift. Vufgabe für bie geiftig ppilofoppifepen Vienfcfen ift e«

jept, ba« QBiffen von benirbifepen Vereinenim meiteftenSinne fo ju orbnen, baf e« fid) ohne 3mang unb opne Vliberfprud) bem grofen Vßeltgebäube bercpriftlicp=

geifttiepenVorftellung vom9?eid)e Softe« einfügt, ©a«böfe Vlort von ber ©33iffen=

fepaff al« berViagb ber ©feologie, ber ancilla theologiae, iftnur bebingt richtig.

Über bieferSeif fteptgemif ba« credo, ut intelligam, ba« Vlort: ich glaube, auf baf icf erlernte, ©ie geiftige ©łecptfd)affenpeit btefer 3abrbunberfe aber ift nicht minber grof al« bie fpäterer. €« ift, al« ob biefelbe ©enbenj, bie in berQlrcfif et für

8 ^etpter

114 2lufftieg unt> erfte Q3liite

fićtjtbar n>irb unb bort bie 9łiefentverfe ber gotifcfjen ©orne, biefe Qßunbertvelt aus füljlfter ‘Serecbnung unb voUlommenfter Eingebung, in ben Äimmel treibt, ju gleicher Seit bie geiftig beutenbe Qßelf ergriffen hat. ©aS rrtenfctjlidje ©entert, in feinem (Selbftbervufttfein ungeheuer geftärft, unternimmt eS jum erftenmal tvieber feit ber grofjen Seit beS flaffifctjen QlltertumS, bie finnlid) geiftige Qßelt ebenfo tvie bie tranßenbente in gefdjloffenen 9liefenft>ftemen in eine Ilare Iogifc£>e Orbnung ju bringen. Siefelbftverftänblidfe(Sicherheit, mit ber biefe Seif baS jenfeitig OMigiöfe fleht unb befiel, tvill fie in gleicher Qöeife auf baS ©ieSfeitS überfragen. Qlud) beffen Probleme unb fragen folten genau fo einbeutig logifd), überjeugenb ge-- orbnet unb aufgebaut tverben rote baS jenfeitige 9łeid> nid?t unabhängig von ihm in ifolierter Stiftens, fonbern getviffermafjen als baS irbifcfye (Spiegelbilb beS

®ie Q3ertreibung ©tegord VII. unb fein 3: ob SDliniatur aud ber ßt)t'onif öttod von gretfing. 12.3b

Srübett, als fein ^Söiberfcfjein unb feine Unterlage.

Q3on Slnfelm von ©anterburp, beffen9?uf>m noch heute mitfeinem ontologifchen Q3etveiS für bad

©afein ®otted burd) bie 3af>r-- fjunberte tvanbert, über3of)anned Sriugena unb Qlbälarb, ben(3d)öp-- fer berfd)olaftifcfyen 3Reft)obe unb einen ber Q3äter bed 91ominalid--muź, geht ein enblofer 3ug von

©eftaltenphilofophifcher 9Jlenfd)en burd) biefe Seit,benfenb,forfcfyenb, lefjrenb, bie logifd>e Orbnung ber irbifcfyen Singe immer tveiterfrei=

benb. Sa ift Otto von ‘Jreifing, Q3arbaroffad Oheim, ber grofje

©efd)id)tdphilofoph biefer ©poche, ber bie Gesta Friderici impera- toris fc£>reibf, ber Qlriftoteled nad) ‘Jreifing bringt unb ben Q3erfud) macht, bie Qßeltgefc^icEjte als bie ®efd)id)te ber beiben grofjen (Staaten, ber civitas christi unb ber civitas diaboli barjuftellen. Sa ift ©iicolaud von “Slntiend, ber 3af>r=

fmnberte vor (Spinoza ed unternimmt, eine geologie „more geometrico“ genau tvie ber QSerfaffer ber ©tfut nad) bem Q3orbilb bed ©uflib ju formulieren - ba ift fd)lieftlid) als ber größte von allen Sllbertud 9J?agnud, ber fcE>tväbifc^>e 3unler Gilbert von <33ollftäbf, ber Doctor universalis, tvie itm bie betvunbernbe 9Jlit=

unb 3lad)n>elt genannt hat, ber groffe Kölner ©ominifaner, ber nun in ber erften Äälfte bed breijehnten 3al;rf)unbertź mit fixerer Straft in feinem QBert jufammen--fafjt, tvad bie anberen vor ihm geleiftet unb jufammengebra^t haben. ©r burfte ed unternehmen, bie gefamte 9Biffenfd)aft von ber Qöelt, vom ©eift unb von ©oft nach bem QSorbilb bed Qlriftoteled in einem 9?iefenbau ju enbgültigem Q3eftp für bie geiftige vOtenfdipetf aufjurid)ten. ©in 9Jlann, ber bad geiftige Qßiffen feiner Seif von ber 9lntifebid ju ben neueften gorfchungen univerfal beherrfd)te, ber ein ausgezeichneter naturtviffenfd)aftlid)er Q3eobachter tvar unb von ber TJetaphpfif

unb Sdjolaftif IJ5 bi« jut9J?ebijiit, von ber

21ntl)ro--pologte bis jur 9JZathematif bie gefamten ©ifjiplinen fouverän hanbhabte, machte ftd>baran, „ber Qßelt beSchriftlichen “SlbenblattbeS bie gefamte ę®iffenfchaft in einer riefigen, gewaltigen Sammlung vorjuführen". ©iefe Qöett war t^reö QSefifje« unb ihrer Stellung ju btefem Q3efth, ihrer felbft unb iljre« ©lautend,ii>rerQßiffenfchaft unb ihres könnens fo fieber, baf?

ein SCQenfd) fid) ohne jebe SfepftS unb o^ne jeben 3weifelan fold)ein Ołiefenunternehmen wagentonnte,

©iefe 9ftenfd)en waren nicht nur Geologen ober gar ©iener ber geologie, fte waren ebenfofehr

^tjilofopt^eit, <5irjfe, £0?athema-- tifer, 9łaturwiffenfd)aftler. QBaS in ber QBelt ber Ä>öfe unb ber beutfchen ©ichtung um 1230 bereits ju jerfaßen begann, bie für ein paar flüchtige 3ahrjehnte erreichte Sicherheitunb Harmonie im

QluS--gleicb ber einanber entgegenge* «aiwertus 9ftagnuS als ©ominitaner unb QJtfdjof festen Kräfte unb Strebungen in farbige tfeberjeidmung. 14. 3b.

Seele unb ©eift ber beutfcJjen

Stämme - biefe Spannung, biefe Sicherheit lebte in ber philofoptjifcEjen 'Betracp--tung ber QBelt beS SO^iftelalferS noch faft ein 3ahrhmtbert länger fort.

(Erft bann fetjt.in biefer in fid) jugleicf) logifd) unb gläubig fo gefeftigten Qöelt eine ^Bewegung ein, bie in ihrer ©ntwicflung bie (Einheit, an bie baS breijebnte 3ahrhunbert noch unerfchütterlich glaubt,unb bamitbiegefamte (Einheit ber beutfchen Q'öelt ju jerfpellen beginnt - bie 3)?pftif. SS fcheint, als ob bie jept 3ahrhunberte bauernbe, nicht aufgermanifchem Q3oben gewachfene 9?eligiofitäf, als ob baS jept burch ©etterationen geübte innere Sehen gegen ftcb> in germanifchen Seelen Kräfte frei gemacht hat, bie nun jum erftenmal eine Qlrt vonreingermanifćher ^Religioftfät an baS Sicht fommen laffen. ®ie 9J?pftif ift fein (Ergebnis germanifchen religiöfen (Erlebens, fte ift hiftorifd) betrachtet mit bem Srbe ber Slntife in baS Slbenblanb gefommen. 3ohantteS (Eriugena hat als erfter bie neuplatonifchen Schriften überfept, bie, offenbarin ber jweitenÄälfte beS fünften 3ahrhunbertS nach (Shriffi

©eburt entftanben, bem Slreopagiten ©ionpfiuS von Slthen untergefchoben wur=

ben unb Äauptquelle für bie mittelalterliche 3J?pftif waren. QßenigftenS bie h«upt-- fäd)lid)e literarifche Quelle, benn wenn matt bie 3eugniffe ber beutfchen 3Jlpftif, bie auf unS gefommen finb, von Äilbegarb von Gingen bis ju ^eifter (Ecfehart

116 Qlufftieg unb orfie Q3lüte

Äenttna, ®emat)lin Eubrotgß beß ®cutf<f)en

©rabftetn tn (St. ßmtneran 9legenßburg Snbe beß 13.9bß.

einmal näher burćtjfiefjt, fo ergibt fid), bah über bem 91euplatonißmuß beß fpäten

©riechen hier aufgermanifchem Boben etmaß bollfommen 91eueßentffanben ift. ©ie

©Jipfti? ber fpäten SJlntife ift junt großen Teil bod) 9Jcpftif beß $opfeß, ęÓipftif, biefid) auß ber Selbftumfehrber großen ©renjbegriffebeß philofophifchen ©enfenß in if)r ©egenteil ergibtunb bie erft in §meiter Etnie, wenn baß ©enfenan ©renjen ju flohen beginnt, ben Qöeg in bie Tiefe, ben Aßeg jur 3Jipftif beß Äerjenß fud)t.

Bon ber ift im frühen (Slfriftentum, in ber ©nofiß, mohl aud) bie 9^ebe, ju mirf-- lid)em Eeben, 31t lebenbig probuftibem Seelenerlebniß, 51t ihrer reinen ©jiftenj

fdjcint biefe ©jjpftif aber erft auf germa-- nifcfyem Beben gefommen 31t fein.

©er QSer^icf)! auf begrifflich abftratfe

©rfaffungbeß ®eiftig*®örtlichen, mie ihn bie 3Jcttftif im ©egenfah jur Scholaftif berfudjt, baß Beftreben, bem ©öttlidjen burd) reine unb fonfequente ^affibität, burch Außfchaltung beß eigenen c2öillenß unb beßeigenenabftraften ©enfenß nahe* jufotnmen - biefe bemühte Abtrennung ber Seele bon allem, maß fte mit einer Aßelt oerbinbet, bie© eift, ©enfen, äufjere Aßirf licht eit ift, biefe nichtaftibe, fonbern pafftbe 3urüctführung beß innerften ge=

füt)lßmäfjigen SAenfd)cnfernß unb feiner mefentlichen Kräfte auf ficb felbft ju un* geftörter (fmpfänglid)feit beffen, maß nur in feinem Bereich borgef)t, macht offen* bar in eben biefem Seelenbejirf fyähig* feiten unb Kräfte rege, bon benen baß nach aufjen gerichtete, benfenbe unb hanbelnbe menfchliche Qßefen junächft feine Borftellunghat. 3nbemein 9JJenfd) fid) lebiglich fühlenb in fid) felbft finfen läfjt, inbem er fojufagen nicht nur feine Augen fehltest,fonbern feineBerbinbung mit ber Qßelt außfchaltet, inbem er überhaupt feinem Śnnenbafein ohne Störungen bon aufien unb bon oben, bom ©ehirn her, freie 'Sahn gibt, macht er nach ber Meinung ber d)riftli<hen SÓJt)ftif in feiner Seele 'Jähigfeiten frei für baß (Sinftrömen beß ©örtlichen in feine Seele, ©tefeß bermag jefjtunmittelbar, ohne alle 3mifd)en=

feuchten beß Begriffß mie ber ©eftaltin bie reinauf Empfang geftimmte harrenbe Seele einjugehen,unb bort ftch mitihr 31t berhinben, ©lüct, ©rlebniß, Bereinigung unb Srfenntniß hiß inß lebte jumerben.

Sß ift fehr finnboll, bah 'Jrauen bie ftärfften Trägerinnen mpftifd)er Srlebniffe unb Biftonengemorben ftnb. ©ie Bereinigung mit©ottaufbemÄßeg über biefenur noch empfangenbe Eingabe entfpricht offenbarim befonberen einem Aßefettßjug ber meihlichen Seele. €ß fcfjeint, bah um bie Qöenbe 311m breijehnten 3ahrhunbert in

SRpftif unb Scpolaftif

(Seburt ßhrifti. ‘jDlintafur auß bem (Sebetbud) ber heiligen Äilbegarb bon Bingen. 12. biß 13.

Sh-117

©eutfdjlanb ein paar grauen ganj befonberß ftarfjuTrägerinnen biefer burch baß 9łationalfchicffal gewećften Straft einer djriftlirfjen, gottempfangenben Btpftif ge­ worben fnb. QBäfjrenb aufber männlichen Seife bie beherrfdjenbe Straft ber Qlb=

ftraftion junächft fo ftarf ift, baffie .baß religiöfe Srlebniß inben Bann ber ^liefen- fpfteme ber Scfolaftif fchlägt, ift auf ber weiblichen offenbar jeft ein 3uftanb ge=

fchaffen, ber hier unb ba auß befonberen Seelen bie ‘jäpigfeit fteigen Iaht, Soff nicht nur inbiefermpftifchen Ber­

einigung ju empfangen, fonbern biefer Smpfängniß zugleich bttf>te=

rifdhen Qlußbntcf ju geben. Über ber cpaffivität beß Srlefmiffeß blühen Bifonen vom Smpfang unb ber Sntpfängniß biefeß Sött-licEjen auf, bie ju ben ftärfften Buß­

brüden ber inneren 3eitfituation, bie unter unb neben ber fcholafti-fehen lag, gehören.

Qöie einerfteßBhnen, ein erfter Berfuch fteht am Beginn beß zwölften 3ahrhunbertß bie ®eftalt ber Äilbegarb oon Bingen.

Sie war 1098 auf Schloß Bödel- heim im 9?heinifchen von abligen (fltern geboren, fcheint fcf) ort alß

&inb eine fehr ftarfe 'Jähigfeit gehabt ju haben, ihre Borftellun-gelt alß anfchauliche, nur für fie fichtbare Bilber bor fich ju fehen.

©iefe Borftellungen hatten eine fo ftarfe religiöfe Färbung, baf fie in jarlem BIter bon ben Sltern in baß Benebiftinerfrauenflofter

©iftbobenberg an ber S^ahe ge­ bracht würbe, wo nun in ber geiftig-geiftlichen Btmofpfäre ihre inneren(Energienweiter unbweiter

wuchfen, alfo bah ihr Offenbarungen unb ©eheimniffe juteil würben,bon benen bie anberen, mit benen fie lebte, außgefchloffen waren. 6ß ift fehr bejeichnenb, baffte bon ftch felber außbrüdlich befennt, baf fie wenig wiffenfcfaftlich gebilbet war:

„Äaurn befaf ich bie ^enntniß ber Buchffaben;niemalß hatte ich ebte kennteober irgenbetnen ©efang erlernt." Oie ungeftörte innere (Eriftenj, in bie Weber Schule noch £eftüre etwaß bon ber berwirrenben Bielheit ber Ginbriicfe unb Begriffe gebracht haben, tonnte ben eingeborenen Kräften ein Bkuh^tum laffen, baß ju feetifcE>en Borgängen unb Srfcheinungen führte, bie jenfeitß beß Tageß unb ber

£D?ögticE)feifeit auch frommer unb feelifcf) reicher BZenfchett lagen.

118 Qlufftieg unb erfte Q3lüte

Ailbegarb fetbft empfanb vor biefen Kräften unb 'Jätyigteiten, vor ityren Q3il-bertt unb ©rfenntniffen eine tiefe Sctyeu. Sie magte eź nictyt, fie mitjuteilen, unb erft im breiunboierjigften Satyr ityreź Eebenź, baź fie unter fernerem ®ruct von

^ranftyeit unb Eeiben verbracht tyatte, jerbracty fte ben Q3ann beż Sctymeigenź, mie e£ tyeifjt, auf gottlictyeź ©etyeity; eine innere Stimme rief ityr ju: „9 bu tyinfätlig xDIenfctyenfinb, bu Staub von Staub, Q3ermefung von QSermefung, fpricty auź unb fćEjreibe, maź bu ftetyff unb vernimmft." Unb bann folgte jene Q3ifton beż Eictytź,

bie von ba ab bei ben meiften

^JJtjftifernbeż Mittelalt erö mieber-fetyrt: „Unb eź tam auź bem geöffneten Aimtnel mie ein tyetl=

ftratylenbeź feurigeźEictytaufmięty tyerab unb ergofj ftcty über mein gattjeź ©etyirn, über mein ganjeź .Serj, übermeine ganje23ruft. Unb eź glicty bież Eictyt einer‘Jlamnte, bie nictyt brennt, fonbern nur er-märmt ... Smfelben Elugenblicf aber marbmirbie ©abe, ben Sinn ber Sctyriften ju erfaffen unb auź- julegen. ®ie Qöorte ber5ejte ver­

mochte icf> jebocty ni<f>t jtt über­ tragen, nocty famite icty casus unb tempora . .. ©ie ©efictyte aber, bie mir mürben, bie tyabe id> nictyt im ©raume matyrgenommen, nocty in ber ©lutbeż 'Jieberź, nocty mit.

leiblictyen 2lugen unb ötyren, nein, im mactyen 3uftanbe mit flarett Sinnen, mitbenQlugen unb Obren ber Seele nacty ©otteź Qöillen.Qöie bież alleź aber in Qßatyrtyeit ftcty ver­

hält, ift unerforfctyliety für ben ŚOlen-fctyen,ber noctyim ^leifctye lebt."

2luf ben 9?at Q3erntyarbź von

©lairvauj ermatynte ber Stapft

©ugen III. bie Aeilige, ityre QSifionen unb ©inbrücfe nieberjufctyreiben. Sie folgte blefem Q3efetyl; baź Ergebnis maren bieScivias, bas 23ucty „©rtenne bie Qßege", an bem fie getyn 3atyre arbeitete. (& enttyält ityre ©efictyte unb QSifionen; baneben fetyrieb fie bie Eebenźbefctyreibungen ber Aeiligen Śiftbobitź unb 9?upertuź, ben Liber vitae meritorum, bie Ordo virtutum, ein getfflictyeź Stngfpiel vom Zeigen ber ©ugenben, unb eine Stenge geiftlictyer Eieber in lateinifetyer =Profa, bie Carmina. 1147 verlätyt fte baź alte ^lofter an ber 9latye unb jietyt auf ben Ohtpertsberg bei gingen, mo fte auf ©runb eines ityrer ©eftetyte eintteueź ^lofter grünbete. ©ort lebte fte biź ju ityrem ©obe im Satyrę 1179 in regergeiftigerQlrbeit

Satan verfugt ben Sierra auf bent Q3ergc

Satan verfugt ben Sierra auf bent Q3ergc