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Hefte für Büchereiwesen. Der Volksbibliothekar und die Bücherhalle, Abteilung B, 8. Band, H. 1.

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Academic year: 2022

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LIefte

ächereiwesen

Der Volksbibliothekar und die Bücherhalle

Mitteilungen derDeutschen Zentralstelle

I.Heft

fürVolkstümliches Büchereiwefen

Herausgegeben von

Walter Hofmann

Js-

Der ,,Mitteilungen« 8.Band

i

April1923

Leipzig kserlagFelixDietrich

192-3

(2)

Bezugsbedingungen

DieHefte erscheineninAbständenVonvier bissechsWochen.Min- destens12Bogenbilden einen Band. In Rücksichtaufdiefortgesetzt sprunghaft ansteigenden KostendertechnischenHerstellungwird ein be- stimmter Preis siirdengesamtenBand nicht festgesetzt,vielmehrwird derPreiseinesjeden Heftesneu gebildet. Bezieher,diesichzumBezuge desgesamtenBandes verpflichten,erhalteneineErmäßigungvon200,-"».

DieMitgliederdesDeutschenBüchereiverbandes,die bei der Verbands- leitungeinenentsprechendenAntrag stellen,bekommendieHefteals Ver- bandszeitschristgeliefert. Verbandsmitglieder,diealsVerbandszeitschrift ein anderes Organ wählen,können dieHeftedanebenmiteiner Ermäßigung von400J0beziehen. MitgliederundTeilnehmerderDeutschenZentralstelle fürvolkstümlichesBüchereiwesenerhaltendieHeftemit einer derHöhe ihresJahresbeitrags entsprechendenErmäßigung Diese Ermäßigungen

geltennur bei direktemBezug.

Einzelpreis dieses Hestes M.xooo.—

Herausgeber und Verlag

Inhalt dieses Heftes

I-

Abteilung B:DieBiicherhalle-Heft1: Seite

SchöneLiteratur ........................ 2

Lebensbilder, Erinnerungen,Briese.............. 6

Reisen, Länder,Völker..................·..11

Bildende Kunst..........................16

Religion, Philosophie.....................26

Erziehung............................34

Gesellschaftswissenschaften,Zeitgeschichte,Politik.......39

Gesundheitspsiege........................46

VorläufigeÜbersicht......«................ 50 U-

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Hefte für Bücherciwesrn

Mitteilungen

derDeutschenZentralstellefür volkstümlichesBüchereiwesen

Geleitet von Walter Hofmann

8.Band Verlag:FelirDietrich,Leipzig

Abteilung B: Die BücherhallejHeft

Bücher-berichte

aus den Städtischen Bücher-halten zu Leipzig Anschaffungs- und Ablehnungsvorschläge

Vorbemerkung

Dasvom BuchhandlewBörsenvereineingeführteSystemderGrund- und Schlüsselzahlengab Aussicht auf Wiederherstellung eines festenLadenpreises.Die Grundzahl hättein die KatalogeundListen aufgenommen werden können,undder Kaufendersichüber die jeweils geltende TeuerungszahldesBuchhandlewBörsem vereinsunterrichtet hätte wasdie Bibliothekare leichttunkönnen—-hätte sichdenjeweils geltenden allgemeinen Ladenpreis errechnen können. Dieser günstigeZustand ist nichteingetreten.Einzelnebedeutende Verleger arbeiten überhauptnichtmitdemSystemdesGrundpreifes.Vondenen, die mitdem Grundpreis arbeiten, arbeiteteinTeil mitderTeuerungszahldesBuchhandler- Börsenvereins,einanderer setzteigneTeuerungszahlenan. Außerdemsetzt eine ganzeAnzahlVerlegerdenGrundpreisVonZeit zu Zeitneu fest. Mit alledem, besonders aber mitdemletzteren Verfahren, ist die Hoffnung, wiederzufesten- kontrollierbaren Laden-undKatalogpreisenzukommen, illusorischgeworden. Wir verzichtendaher bisaufweiteres auf die AngabevonPreisen. Die jeweils geltenden Preise können abervomDeutschenBüchereihausBerlinNW7,Georgenstr.44, Leipzig, Neumarkt 29,l erfragt werden,dasdie in diesem Hefte verzeichneten Bücher aus Lager hält. Um kürzereBerichte bequemin denBuchkartenprcisenz- katalag einarbeitenzukönnen,werdenvondenBücherberichtenauch einseitig be- druckteAbzügehergestellt. VonausführlichenBerichten stellen die LeipzigerBücher- hallenfür ihrenBedarf kurzeAusziige fürdenBuchkartenkatalog her;Büchereien, diederZentralstelleangeschlossensind, können Abschriften dieserAuszügegegen entsprechendeGebührenbeziehen.

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2 AbteilunngDieBiicherhalle

Schöne Literatur (GeprüftvonGustavMorgenstern)

Angenommen

Emannei Stickelberger, DerKampfmitdemToten. Mären und Geschichten.LeipzigundZürich1922, GrethleinscEo.298Seiten.

DerSchweizer Stickelberger liebt es, die seltsamen,abenteuerlichenGeschichten undGestalten, dieerbevorzugt,ingeschichtlichesGewand zu hüllen.Erläßt inderTitelnovelle einenBaseler Junkerdes15.Jahrhunderts auf geheimnis- volleWeisezuReue, Bekenntnis undBuße einerMordtat getriebenwerden.

Jn eineranderenNovelle (Der Narr Martinus) erzähltErasmus vonRotterdam, derselber ein psychologischesNätsel ist,voneinemmerkwürdigenMönch,derzwei SeeleninderBrust trägtundzwischendemBekenntnis zum altenGlauben und zuLuthertumundSchwarmgeisterei hinundher schwankt. Jn einer dritten stark abenteuerlichen Novelle(Der SpäherimEscoriahberichteteinSchweizerEdel- mann, wieerim Dienst niederländischerProtestantenamHofe PhilippsIl.von SpanienSpäherdiensieverrichtetundauf seltsame WeisederInquisition entgeht undgerettet wird. StetswerdenSchicksaleundMenschenmitfesterHand knapp inkräftiger Sprache dargestellt, mitsichtlicherFreudeamAbenteuerlichenund Seltsamen,wiesiederNovellist älteren Stils znhaben pflegt. Jn einigenGe- schichten,wie inderErzählung»Der Papst als Brautwerber«wirkt dieVerknüpfung derEreignisseunddieFührungderHandlung gezwungen. Aberindenbesten Stückengreifenäußerlichspannende, rasch fortschreitendeHandlungundfesselnde seelischeEntwicklung so ineinander,daß wertvolle, abgerundete historischeNovellen entstehen.DieSprache iststarkschweizerischgefärbt.

Selma Lagerlöf,DiePrinzessinvonBabylonienundandreErzäh- lungen. München1922, AlbertBangen.210 Seiten.

Diekleinen, im letztenJahrzehnt entstandenenErzählungendieses Bandes bringen keineÜberraschungen,abersie entsprechen alledemBild,daswirvonder schwedischenDichterinhaben. Sieerzählt immer Märchenundliegenden,mag sieErlebnisseausderGegenwart gestaltenoderMenschenundEreignissederVer- gangenheit,magsieihreStoffeausschwedischenHerrenhäusernoderHütten holen, aus«tiefen FriedenoderausdenKriegstagen.Undimmerdichtet ihr Herz, ihr mütterlichesGefühl,demkeine Kreatur fremd ist. Auchwenn sie,wie dieletzten beiden Stücke zeigen,vorderschwedischenAkademiedasWortergreiftundWorte desGedenkensspricht.

Olai Aslagsson, Derthote. BilderausdemTierlebenderPrärie.

AusdemNorwegischenvonErwin Magnus. Leipzig1922, Dürr sc Weber. 204Seiten.

JndemNorweger Olai Aslagsson ist einsehrbeachtenswerterneuer Tier- geschichtenerzählererstanden. Er hat die Fähigkeiten,reine Tiergeschichtenzu schreiben nichtetwaMenschengeschithten,in dieTierbeobachtungenverflochten

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LeipzigerVücherberichte 3 sind,oderGeschichtenvonvermenschlichtenTieren. Solche reinenTiergeschichten sind ziemlichselten;demvielgerühmtenDänenSvendFleuron gelingen siez.V.

kaum,derseineTiergefchichtenmit konventionellen Menschengeschichtenverquicken muß,wieetwa in seinem ,,Dackelroman« Schnipp FideliusAdelzahn,dereine VermischungvonTiergeschichteundHerzblättchenliteraturist.ReineTiergeschiche tenkannnur einerschreiben,dernichtuurüber eineReihevoneinzelnen Tier-, beobachtungen verfügt, sondern sicheinen ganzenTierlebenslaufvonTagzuTag, vonStunde zu Stunde vorzustellenvermag);nur dannkannerderGefahrder Vermenschlichungentgehn,nurdannbrauchterzurAuffüllung des Ganzen nicht dieVerquickungmitmenschlichenErlebnissenundSchicksalen.Gelehrt braucht erdeswegen nichtzusein; aberermuß mitdenTierengelebt,sie nichtnurbe- obachtet haben. Aslagsson istzumSchreiben gekommen, nachdemerjahrelang inderamerikanischen Prärie als Goldgräber,Trapper, Schafhirt gelebt hat inderHauptsache auf sichangewiesen,ohneinnigenVerkehrmitMenschen, ein- sam mit sich,demHimmel,derPrärieundihren Tieren,denSchafenundKühen, die erhütet,denHunden, die ihm beistehn,denwildenPferdenundnamentlich denPräriewölsemdenEoyotem dieseine besonderen Lieblinge sind. Mit diesen Coyoten hatderHirtderPrärie zu kämpfen;ermuß sie überlistenundihre An- griffsmethoden studieren.AberAslagssoninteressiert sich für sie nichtnur als Hirt,alsVerteidigerdesihmanvertrauten Viehs.Eristvielleicht sogar ein schlechterHirt gewesen;dennerhatseine Freudeanihnenundsiehtim Grunde aufihrerSeite: sie sind die HerrenderPrärie,denenderMensch die Herrschaft streitigmacht,undAslagsson studiert siewieeinForscher,derprimitive Völker aufsuchtundsich inihreLebensweise hineinversetzt.Erist ganzundgarnicht sentimentalz aber dasTier,namentlichdaswilde, ist ihm eine Kreatur, die ihr Recht aufdasLeben hat wiederMensch,undererfaßt die Kraft, Kühnheit,Ver- schlagenheit,Schönheitallihrer Lebensäußerungenundberichtet dementsprechend vonihrem TunundLeiden.Ergibt inderersten GeschichtedenganzenLebens- laufeinesCoyoten;ermaltdenTodesmarschvonKuhundKalb,dieim Winter vonthoten verfolgtwerden; erschildertdieLeidenszeiteines eingefangenen Wildpferdes,dassichfastandenMenschen gewöhntunddanndoch wiederden Weg in dieFreiheitsucht;ererzähltdieLebensgeschichteeinesWindhundes,der miteinem Trapper dieEinsamkeitteilt, mit ihmkämpftundfür ihnfällt. Immer gibterHeldengeschichtenausdemTierleben. Und immersinddieseHelden Tiere undnichts als Tiere, dieihreigenes Leben führen.

Andreas Haukland,Elch.EineKönigsfageausderWildnis. Berlin 1922, GyldendalscherVerlag.119Seiten.

WieAslagsson,so hat auch sein älterer Landsmann AndreasHaukland die KraftunddasStilgefühl, reineTiergeschichtenzuschreiben; aucheristnach abenteuerlichemHerumstreiferlebenindieLiteratur gekommen. Er erzähltvom stolzestenTierdesnorwegischen Hochwalds wievoneinemHäuptling—- wieer beiderMutter heranwächst,wieersichbeidenAltersgenossendurchsetzt,wieer Herr einer HerdevonKühen wird, wieerdasFaultier,denLuchs, denBär,den Wolf bekämpft,derListderMenschen ausweicht, dem harten Winterunddem

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4 AbteilungB:DieBücherhalle

Hunger trotzt,wie erschließlich,alt geworden,voneinemjüngerenElchhäuptling gefällt wird. Er ist alsdieköniglicheKreatur, die auf ihre Kraftvertrauend ein einfältig stolzes Leben mit primitiven Bedürfnissenführt, inmitten großer Natur dargestellt. Eine NaturanHerrlichkeitenundFurchtbarkeiten reich,underin ihr vonstarken Jnstinkten geleitetundbeherrscht,wie ein letzter Sproßvongewaltigen TiergefchlechternderVorzeit. Diese KönigsfagevomElchbedeutetdieKrönungder Tiergeschichten,die Haukland früher indenAnsiedlergeschichtengegeben hat.

Johannes Linnankoski,DieFlüchtlinge.Roman. AusdemFin- nischenübersetztvonGustav Schmidt.Dresden 1922, HeinrichMinden.

125Seiten.

Ein sinnifcher Bauerheiratet inhohem Alter eine junge Bauerntochter.Erist einuneheliches Kind, hateineschwereJugend hinter sichundvielZurückfetzung Durch eigne Arbeit reich geworden, willeramEndeüber dietriumphieren,die ihm früher die Gleichberechtigungverweigerten, indemerdie Tochter einesalt- elngefessenenGeschlechtsheimführt.DerTriumph wirdihm vergällt. Die Fa- miliederFrau nütztihnaus. Die junge Frau trägtdasKind einesandern unterm Herzen.DerBauer sinnt auf NacheanderFrau'undihrer Familie. Er lernt inschwerem Kampfe auf RacheverzichtenundinRuhe sterben. Der Roman wächstausAlltagsfchilderunginaußerordentlichstarke Darstellungderfeelifchen Kämpfe eines ehrenfestenBauern hinein,dersich überdenGefühlslreis seines Standes erhebt.l Die Menschen stehen scharf gezeichnetinsinnifcher Landschaft undsinnifchem Volkstum. Die Darstellung hat die Sachlichkeitdes diegeschilderte Weltinnig verstehendenundim Einzelfall MenschenschicksalerkennendenErzählers.

Nikolai LieMow, EineTeufelsaustreibung und andre Geschichten.

übertragenvon Alexander Eliasberg. München1921, Mufarlonver- lag.271Seiten.

Mitdiesenfünf ErzählungenwirdinDeutschlandein,vorrund30Jahrenver- storbner, russischerErzählereingeführt,der esZeit feines Lebens keiner politischen Parteirecht machteunddaherum denvollenErfolg kam.EristeinMeisier breiterkräftigerDarstellung,dersichin die Ereignisse, Schicksale,Gestalten, Anek- doten,dieihn zur Darstellung reizen, mitderLeidenschaft eines stark sinnlichen Menschen hineinwühltundihr ganzes Wesen auf einmalin ganzer Fülle zuer- fassensucht.Wennerauf einem Dutzend Seiten fchildert,wie einreicherMos- kauerKaufmannaltenSchlags ein märchenhaftesGelage veranstaltetunddann inderKirche Bußetut bis zum nächstenMal, bis wiederder alteAdamsich austoben undwiedervertrieben werden muß, so wecktdaswohlStimmung,ist pshchologifchinteressant,vorallemaberistesAusdruckstärkstensinnlichenErlebens.

Ähnlichwärenichts damitgesagt,wenn man etwa inderüblichenWeisedie Stimmungskraft undpsychologischeMeisterschaftderErzählung»Die Ladh MatbethdesMzensler Landkreises« hervorheben wollte, die Darstellung eines Frauenschicksals,dassichmitRaturgewalt erfüllt. DieserErzählerhat garnichts vomArtisten,derseineÜberlegenheitbetont;erist seiner so sicher, daßersich mitallenSinnen in seine Stoffe stürzenkann.DieserErzähler darfesdaher

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LeipzigerBücherberichte 5

auch wagen,inderErzählung »Der gläserneFloh-C sinnbildlich russischeTppen ausländischerKulturgegenüber-zustellenundeinetief humorvolle fymbolifche Geschichtezu ersinnennndzuschreiben, dieausdemVolkeselberherausgewachsen zusein scheint.Wenn auf irgend einen Erzählerkannauf diesendasWortvon dervolkstümlichenUrkraftdesSchaffens angewandtwerden.

DasBuch geht namentlich solcheLeserrusstfcherLiteraturan,die mehr zu Tolstoi alszu Dostojewski neigen. DiesenwirdeseinegroßeFreude sein.

Abgelehnt

AlfredBock,DerElfenbeiner.Roman. Leipzig1922, J. J.Weber.

Der kleine Romanist ein Nebenwerk Bocks. Die Gestalt eines Elfenbeinschniizers, dereinKünstler istundalssolcherinseinemBerufundin einerunglücklichen Ehe schwerzuringen hat, kann Bocknach seiner ganzen Veranlagungnur in dürftigen Umrissennachzeichnen;ergibtkomplizierteNaturen zueinfachund nüchtern.Dagegen gelingen ihm geistig dürftigePersonen, wie die genußsüchtige FraudesKünstlers,undskrupellose Geschäftsleute,zu derenDarstellung derbe Umrißzeichnunggenügt. Die knappe, kurzatmige Sprache Bocks mit ihren kräftigen volkstümlichenWendungen,die denSprichwörterschatzausnutzenundfortbilden, erfreut auch hier.

Egonv.Kapherr, DerWaldschrecku. a.TiergeschichtenLeipzig1920, R.Eckstein.

Kapherr hat gute Augenundschöpftauseignen Beobachtungen. Abererhat keinesprachlicheZuchtundhat sichinZeitungsfchreiberei verdorben. DieHälfte derSkizzen, namentlich inderzweiten Hälftedes Buches, hält sichauf der Höhe derPlaudereienderGeneralanzeigerpresseundmacht in hemdärmligerGemütlich- keit.Diese Stücke haben ihren Zweckerfüllt,wenn sievonZeitungslesern genossen sind,denen dieamüsantgemütlicheZubereitung wichtiger ist alsdasTierleben selber; sieverdienen esnicht,inBuchform gesammeltzuwerden,undgehören nichtin dieöffentlicheBücherei.

Hermann Sudermann, DasBilderbuchmeinerJugend. Stuttgart 1922,J.G. Cotta.

Daman weiß, daß Sudermann schwerhat ringen müssen,bisersichdurch- setzte,nimmtman seinJugendbuchmiteinigen Erwartungenindie Hand. Mag manzudemDichter stehn, wieman will, vielleicht,denitman,haben seine Jugend- erinnerungen doch aufrüttelnde Kraft.Manwirdbitterenttäuscht. Der zurück- blickendeScchzigjährigehat eine fatale Neigung, bei fra gwürdigenLiebeserlebnissen, oderbesser: sexuellenErlebnissenzu verweilen,undzerstörtselber,ohnees zuwollen, gründlichdie Legende, als seieinestarkedichterischeBegabunginhartem Lebens- kampf zerschunden worden, alshätteeinefreundlichereJugend mehrundNeineres gedeihenlassen können.Undin welchem Deutsch erzähltderSechzigjährigevon demunleidlichen jungen Manne,demesfreilichmanchmal bitter schlechtgegangen ist. WennihmeinVerlegereinschäbigesAngebot macht,dann,,wächsterzornig empor«. Wenn ihm ein GönnereinManuskriptdurchhechelt,dann»fällt die

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6 AbteilungB-DieBücherhalle

Scham über ihn her wie eine lähmendeFaust-C Er besuchtin Berlindie Konzerte vonBilse, »der damals demmusikhungrigen VolkederHerrgottwar«undbe-«

richtet: »Daßer(Bilse) auch als HeiratsvermittlerunsterblicheVerdienste hatte, davonahnteich nichts. Damals warmeingläubigesOhrnurhoherundhöchster Musikgeöffnet,undBeethovensHammerschlagklopfte allmächtiganeinselig aufspringendes Herz«. Odererberichtetausführlichvonseinem »erstenKokottem souper«,dem»in seinem Lebennurwenigegefolgt sind«,undvergißtnicht zu erwähnen,welche Summen die Damen vonihrenKavalierenbezogen: »Sobe- sinne ichmich aufgewissevierhundert Mark, die ein damals vielgenannter junger Prinz einer gerade zum Theater gehendenSchönheitals monatliches Entgelt für treueDienste dankbarzuerkannte. Undwenn ichderEmpfängerin später, als wirbeideunsern Weg gemacht hatten, aufderBühnebegegnete,sahich immer die Zahl vierhundert,voneinerGloriole umrandet, über ihrem sieggekrönten Haupte schweben«.Ähnlichgeschwollenkönnte die vielgeliebteCourths-Mahler auchschreiben.

Lebensbil-der, Erinnerungen, Briefe Angenommen

Otticie Baader, Einsteiniger Weg. Lebenserinnerungen.Stuttgart 1921, J.H.W.Dietz. 101 Seiten.

Diejetzt75jährige Ottilie Baader berichtet wenigervonihrem Leben alsvon derArbeit, die sie imDienstedersozialdemokratischenFrauenbewegung verrichtet hat,undauch wenigervonihrer eignenParteiarbeitalsvondenKämpfenundEr- rungenschaftenderproletarischen Frauen überhaupt.DerTitelLebenserinnerungen bedeutet also: ErinnerungenandaswährendderLebenszeitderVerfasserinvon derproletarischenFrauenbewegung Erlittene, ErkämpfteundErrungene,unddas Buch gehörtdemnachnichtunter die Lebensbilder,sondernunterdiegeschichtlichen DarstellungendersozialdemokratischenBewegung. EsisieinAbrißderGeschichte dersozialistischenFrauenbewegung, derergänzendzu denDarstellungenvon Mehring, BebelundBernsteinhinzutritt

Die Darstellung ist nüchtern,mit Dokumenten gespickt,ohne persönlichenReis.

Wennsie troydem stark wirkt, soliegtdasamStoff: weilderRückblick aufden mühseligenEmanzipationskampfderProletarierinnendiejenigen, die sichjetztdes Errungenen freuen, erkennen läßt, wie schwierigundgefahrvollderAufstiegwar.

Für proletarische Leser, insbesondre Leserinnen, die politischodergewerkschaft-

lich orientiert sind. Morgenstern

HeleneMarie vonKügelgengeb. ZoegevonManteuffel.Ein Lebens- bild inBriefen. Hrsg.vonihrenEnkelinnen A. undE.vonKügelgen.

7.Aufl.MitBildern. Stuttgart 1918, Chr. Belser.395S.

HelenevonKügelgenlebte indenJahren 1774——1842.Ihr Lebensweg führte sieausderwohlhabenden protestantischen Adelsfamilie in Estlandander Seite ihres Gatten,deskatholischenMalersGerhardvonKügelgen,nachDeutschland.

Diemeisten Jahre ihres Lebenshat sie in Dresdenverbracht,dortwuchsen ihre

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LeipzigerBlicherberichte 7

Kinder unterihnen Wilhelm, der nachmalige VerfasserderJugenderinnerungen einesaltenMannes heran, dortverlorsieihren Gatten,unddortlebtesie alsWitwe.

Diesen äußerenLebensverlauf spiegelt dasBuch inzahlreichenBriefen der HelenevonKügelgen, aber auch indenenihrer nächstenAngehörigen wieder.

Vieles erfahrenunderlebenwirmit, dasuns menschlichstark berührt: das RingendesMannes umseine Kunst, dasbeglückendeZusammenlebenderEhe- leute, dieSorgederMutterumdiekleinenundumdie heranwachsendenKinder- ein tiefes religiösesErleben, das zu einem positiven, die Konfessionenüberbriitken- denChristentum führt. Und auchdasäußereZeitgeschehemdie schwerenKriegs- undNachkriegsjahrevor roo Jahren,trittuns inseinen Wirkungen auf die BriefschreiberinundihreFamilie,inihrerAuseinandersetzungdamit, sehr nahe.

DurchdiestarkeTeilnahme, dieeserweckt,liest sichdasBuch trotzderBrief- form leicht,esbietetsprachlichundinhaltlichkeinerleiSchwierigkeitenundwird vielenLeserinnen willkommensein. Besonders wertvoll wirdesfiir Menschen sein, die diereligiöseGesinnungderBriefschreiberin teilen. E. "Hofmann-Bosse Julie Schleifer,Aus demLeben meiner Mutter. Berlin1923, Furche-

Verlag.215 Seiten.

DieFrau,derenLebenhier biszuihrerVerheiratungmit einemFrankfurter Geistlichen erzählt wird, die baltische Gräfin Lilla Nehbinder, ist eine bedeutende Erziehernaturgewesen, weil sie selber ein ungebärdiges,leidenschaftlichesTempe- rament instarker Selbstzucht,vonfestemGlauben getragen, bändigte.Sieist Leiteriuvon ErziehungsanstalteninMannheimundKarlsruhegewesen,ohne eigentlichFachbildung genossenzuhaben;sie konnte ihreAufgabe erfüllen,weil sie sich selber erzogunddurch ihr zusammengehaltnes Wesen wirkte, das schwere Kämpfe ahnen ließundvomWillenzum Verständnisandrererfülltwar. Sie wareinevondenNaturen,die sichnicht unterkriegen lassen. Von frühesterJugend anhatte sie Schwereszuertragenuudmußte ihreganzeTapferkeit ausbieten,um sichzubehaupten. Mehralseinmalwurden ihre HoffnungenundPläne zuschanden, aber sie wußte immervonneuem anzufangen, bis sie sichendlichdurchseizte,festen Fuß im Lebenundin derGesellschaftfaßteund,gefeiert undgeliebt, sicherund stark wirken konnte.WiesichihrLebenformte, nachdemsieihre Erziehertätigkeit aufgegebenunddie Frau des insozialerFürsorge aufgehenden Geistlichenge- wordenwar,soll in einem zweiten Bande geschildertwerden. Ohne indenTages- kampf einzutreten,ist die Gräfin Nehbinder in ihrer Art eineVorkämpferinder modernen Frauenbewegunggewesen,unddaher wird die Geschichteihres Lebens vonallenFrauen gern gelesen werden, die selbständigwirkenundderergernge- denken, die die Anerkennung der Frauenrechte erkämpfthaben. Morgenstern CarlScholl,LebenserinnerungeneinesaltenHandwerkersausMemel.

HerausgegebenundmitHandzeichnungenbegleitetvonM. undJ. Neh- sener. Stuttgart-Gotha 1922, Perthes. 148Seiten.

DerBöttchermeisterCarlScholl,der1881,wenigeJahrevorseinem Tode, seineLebensgeschichtefüreine befreundetePastorenfamilie niederschrieb,warein

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8 AbteilungB:DieBücherhalle

gütig frommer Mensch,derreinenHerzenshinnahm,wasihm das Schicksal auf- erlegte,undehrenfestundbiederein bescheidenesLeben führte.Dasarme Sol- datenkind,1801 geboren,war einbegabter Junge,denGönner gernhätten studieren lassen,dersich abergeduldig fügte, alsdieMutter ihn zwang,beim Handwerk zu bleiben. EineKampfnaturwarernicht,undso blieberohne Ver- bitternng in seinen Kreisenundfügte sichauch ohne Verbitterung, als ihm später derBruder dieJugendgeliebte abspenstig machte. ReinenHerzens durchliefer dieLehr-undWanderzeitundschlug sichschließlichschlechtundrecht alsMeister in seiner Heimatstadt durch. JnderHauptsache schilderterdiese Lehr-undWander- iahre, die für ihn JahrederEntbehrung,desArbeitensundbescheidenen Ge- nießenswaren. Häusliche Enge, Kriegsnot,Lehrjungenleiden,Jugendliebe, Ein- drückegroßstädtischenLebens, ein Warschauer Abenteuer nichts bringt ihn ernstlichausdemGleichgewicht.Er istderTypusdesehrsamenHandwerksburschen undHandwerksmeistersaus vormcirzlicherZeit unddaerschlichtundbrav erzählt,ersteht ein freundliches Bild jener Zeit, indasman sichgernvertieft.

Männer wieGregoroviusundHerman Grimm,diediese Lebensgeschichtekennen lernten,haben sie als Zeugnis echten Menschentums geschätztundihre Veröffent-

lichung angeregt. Morgenstern

GrafFelixvon Luckner,Seeteufel.Abenteuer ausmeinemLeben.

Neue, vermehrte Auflage. Leipzigr921, K.F.Köhler.344S.

Daserste DritteldesBuches (r—109) erzählt,wiederVerfasserauseinem Ausreißerzum Marineofsizier wurde,undwaserals solcherim Frieden erlebte dieletzten beiden Drittel sindKriegsgeschichten,berichtenVondenKaperfahrten Luckners, seiner GefangenschaftundHeimkehr.

DenerstenTeilschätzeich nicht besonders hoch;mirscheint,Lucknerhat ihnzu früh geschrieben.Jhn beherrscht nochderStolz darauf, daßeresinderGesell- schaftzu etwasgebracht hat,trotzdemereinschlechterSchülerundverlorner SohnwarundausderQuinta davonliefundSchiffsjungewurde. Er versteht esnicht, seine innereEntwicklung aufzuzeigenzwedersehen wir, daßesgesunde Kraftwar,die ihn dieSchuleverachtenunddavonlaufen ließ, noch beobachten wirallmählichesReisenundSichbesinnen; wir müssenunsdamit begnügen, einzelne Stationen eines bunten Abenteurerlebens kennenzulernen,unddaraus ziehnwir wohldenSchluß,daßderJungevonstarker Bitalitätwar,nicht aber- daßderMarineoffizier schließlicheinmehr alsgesellschaftlichundberuflich tüchtiger Manngewordenist. DieseEntwicklungsgeschichteistvoneinemgeschrieben,der sich zum Schreiben hinsetzt, eheersein Leben im wesentlichen abgeschlossenund eswirklichzuüberschauenundzudurchschauenvermag. Immerhinist sie ein gewisserTrost für Eltern,denendie Jungen davonlaufen: sobald die Kerle gesund sind,ist, mögen sieesauch noch so toll treiben,biszumletztenAugenblicknoch nicht unbedingtanihnen zu verzweifeln.

Die letzten beiden Drittel desBuches sind einwandfreier. DerOfsizier-derMit einem Segelschiff die Blockade bricht, istinseiner Art ein ganzer Kerlundeine Ehre fürdasdeutscheOfsizierkorpsErübernimmteinenAuftrag,derseinem Abenteurerblut zusagen muß,undführt ihn nichtnurgewissenhaftwie einOfsizier

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LeipzigerBücherberichte 9

durch, sondern zugleich mitderLustundErfindungsgabeundUnverdrossenheit desmitallenWassern gewaschenen Weltbummlers, unddabeimiteinerRitter- lichkeit,dieihm auchdieAchtungderFeinde einträgt. Auch in diesem Teil würde derVerfasser wohl,wenn ersichnicht so sehr beeilt hätte,seineTatenzuberichten- hierunddaeinenandern TonangeschlagenundeinigebanaleGefühlsäußerungen vermieden haben aberderHaupteindruckin seiner Art ein ganzer Kerl,un- verzagter DraufgängerundKavalier hilft über alle Widerständehinweg.

Gewiß ist LucknerAnhängerdesaltenRegimes,wahrscheinlichein Deutsch- nationaler, sicherlichschwärmterauch heute noch für HeerundMarineundden militärischenGeist einervergangenen Zeit.Jnsofern trägtman Bedenken—-von denEinwänden gegen denersten Teilganzabgesehen—,ihn auf die Jugend loszulassen. Abererist docheinOfsizier,derin seiner Artetwasgeleistet hat, nichts wenigeralseinParadeofsizier,undeine ritterliche Naturdazu also eine jener tüchtigenErscheinungendesaltenOfsizierkorps, die alle heimkehrenden Soldaten anzuerkennen pflegen, auchdieüberzeugtenSozialdemokraten.Jchsehe keinen Grund, weshalbman eine solcheGestalt, die sichinallenLagern Achtung erzwingt,wennman auch vielleicht sagt:schade,daßderMannso rückständigist!—- warum man sie nicht in die Bücherhallenhineinlassen sollte. Morgenstern

Erwin Rosen,Allen Gewalten zumTrotz..Lebenskämpfe,Niederlagen, Arbeitssiegeeinesdeutschen Schreibersmannes. (Memoirenbibliothek, sechste Reihe,vierter Band.) Stuttgart 1922, Lutz. 284Seiten.

ErwinRosen,der,,deutscheLausbub«,berichtetvondenErfahrungen,dieer nach seiner RückkehransAmerikaalsdeutscherSchriftstellerundJournalistge- macht hat: wieerfreierSchriftstellerwurdeundallmählichin Zeitungen festen Fußfaßte,wieerindenjournalistischenTagesdienst trat, Schiffbruchlittundsich wiederaufrafste.Ererzählt mitdemStolzdeslebenskräftigenMenschen,der sichinAbenteuer stürztundimmerdurchhält,weilerseinerNaturallerleizumuten darf. Im GefühlseinerKraft trägterstark auf, gibt sichetwasaufdringlich als denKraftkerl,derdoch immerwiederindieHöhe kommt, aber seine Arbeitslust undseine Begeisterung fürdenBerufdesJournalisten versöhneneinigermaßen mitfeiner Art.Wertvoll ist, daßderLeser einen Eindruckvommodernen Zeitungs- betrieberhältundüber LebenundArbeitenderZeitungsmännermanches erfährt, wassein Verständnis fördert. Zu beachten ist dabei freilich, daß Rosen seinem ganzenWesen nach besonders für die Nachrichtenpresseschwärmenmuß, daher einesehr einseitige Darstellung gibtundimGrunde derAmerikanisierungder PressedasWort redet.Man möchte daherdemturbulenten Buch recht kritische

Leserwünschen. « Morgenstern

Otto Gildemeister, Briefe.HerausgegebenvonLissySusemihl-Gilde- meister. Leipzig1922, Jnselverlag.232Seiten.

OttoGildemeister,derByron-,Shakespeare-, Dante-Übersetzer,übte noch die KunstdesBriefschreibens.Ererledigte nichtnur seinenBriefwechsel,erpflegte

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Seine skößte Bedeutung aber scheint mir in den soziologischen Erkenntnissen zu liegen, zu denen der aufmerksame Leser kommen muß, sofern er sich auch Kommunismus und

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