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Die Zukunft, 4. August, Bd. 32.

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Berlin, den X.August I900.

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Die neusteRede.

ÆmsiebenundzwanzigstenJuli hatderDeutscheKaiserinBremerhaven vorderFrontderin denKrieggegenChina ziehendenSoldaten eine Rede gehalten,die inzwei offiziösenLesartenverbreitetworden ist,deren wirklicherWortlaut bis zumMorgendeserstenAugusttagesaberumstritten war.Berichterstatter,die derFeier beiwohntenunddenWorten desKaisers folgenkonnten, haben gemeldet,WilhelmderZweite habe China »dasLand derBestjen«genanntund alshöchsterKriegsherrdenTruppendieWeisUng gegeben:»Kommt IhrvordenFeind, sowirdergeschlagen. Pardonwird UichtgegebenlGefangenewerdennichtgemacht!Werin EureHändefällt, istin EurerHand!WievortausendJahrendieHunnenunter ihremKönig Etzel sicheinen Namen machten,dersie noch jetztinUeberlieferungund

Märchengewaltigerscheinenläßt,somögederNameDeutscherinChina auf tauftut-JahredurchEuchin einerWeisebethätigtwerden, daßniemalswieder einChineseeinenDeutschenauchnurscheelanzusehenwagt! Gottes-Segenmöge anEureFahnensichheftenunddieserKriegdenSegen bringen,daßdasChristen- thutninChinaseinenEinzughält.Dafür stehtJhrmirmitEuremFahneneidl« DiesenWortlaut hattendieandieWesermündungentsandtenStenographen aUfgezeichnetzalssie ihn ihrenZeitungenübermittelnwollten,tlehntedas Telegraphenamtauf AnweisungdesGrafenBülowdieBeförderungab.

DieTelegraphenbehördendürfennursolchePrivatdepeschen zurückweisen, ,,dereanhaltgegen dieGesetzeverstößtoder ausRücksichtendesöffentlichen WohlesoderderSittlichkeit für unzulässigerachtetwird.« DerStaats- sekretärdesAuswärtigenAmtes,der im Namen einerbisherunbekannten

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,,kaiserlichenRegirung«dasWortführt,wirdzu erklärenhaben,wasihn berechtigteundverpflichtete,beimReichspostamtdasVerbotder Beförderung einervom Kaiser öffentlichgehaltenenRededurchzusehen Dazu mußman ihmZeit lassen.Wennergesprochenhat,wirdman sichdertraurigen Noth- wendigkeitnicht länger entziehenkönnen,dieRede zuerörtern,die im Aus- landals dasProgrammderdeutschenKriegspolitik aufgefaßtwird und in Deutschland schwerzuschilderndeEmpfindungengeweckthat.

Schon heuteaberdarfandieVorschriftenerinnert werden,die den chinesischenSoldaten fürdenKriegsfall eingeschärftsind. Nichtimmerhat die-vomBlutdunst berauschteMasse derMandschukriegerundChinesennach diesenVorschriften gehandelt; daßsieaberbestandenund alsheilig gelten, kannJederimsiebentenBandederMåmoires coucernant l’histoire des Chinois lesen.Dawirderin denSe-Ma-Fa, dengesammeltenArmee- befehlendesFeldherrn Se-Ma,dieSätze finden:»EinHeerdarf sichunter keinenUmständenmit einemMakelbeflecken,dennvon seinem Verhalten hängtRuhm oderSchmachdes Volkesab, fürdas eskämpft.Nichts Werth- vollereslebt unterdemHimmelslichtals derMensch;deshalb solltJhr sein BlutschonenundseinLeidenmöglichstverkürzen.Ihr seidvom Himmel zuWerkzeugenderRacheerwählt:ziehtEuch nicht selbstdurchMissethaten dieRachedesHimmelszu.Kämpsettapfer,aberauchvorsichtig,seidstark, dochniegrausam! VergeßtinFeindesland nichtdieEhrfurchtvorden dort waltenden Geistern,dieEuerüblesThunbetrüben könnte. Meidet auf EuremMarschdiebestelltenFelder, schonetdieWälder,dieFrucht tragenden Bäume,dieNutzpflanzungen,dieHausthiere,dasAckergeräthundalles nothwendigeWerkzeug.Jneroberten StädtendürftIhr nichtdieMauern zerstören,dieKunstwerke vernichten nochdenBürgerderHabeberauben.

GreisenundKindern zeigetEuch hilfreichundhütetEuch, Wehrloseanzu- greifen.Verwundete Feinde sindzupflegenundnach ihrerGenesungmit reichlichemZehrgeldindieHeimathzusenden, damitsiedortfürEureMensch- lichkeitzeugen. Jedem,derfliehenwill, solltJhr ZeitzurFlucht lassen- HabtJhr seindlicheKrieger gefangen, so habt Ihrinihnen nicht mehrdie Gegner, sondernnurnochdieMenschenzusehen.«

DieseVorschriftensindälter als dieChristenlehre,die injedemMen- schendennach,GottesEbenbildgeschaffenenBruderzu liebenbefiehlt.

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DiePhilosophieimgeistigenLeben. 187

Die Philosophie im geistigen Lebenkh

eindschaft sei zwischenEuch, noch kommtdasBündnißzufrühe, «Wenn JhrimSuchenEuchtrennt,wirderstdieWahrheiterkannt!«

So suchte Schiller bekanntlichdemfruchtlosen Kampf vorzubeugen und Einhaltzuthun,indenTransszendentalphilosophieund Naturwissen- schaftinseinen Tagenzugerathen drohten.Man könnte mitvollemRecht diese Warnung aufdengesammten Verlauf,den dieGeschichtedermensch- lichenErkenntnißdurchmessenhat, anwenden; bestand dochschondiegriechische PhilosophiezunichtgeringemTheilindemvergeblichenRingen, apriorischen undempirischenPrinzipien gleichmäßiggerechtzu werden ; und inseltsamerWeise kreuzenhierdiewillkürlichsten,nur ausderdialektifchenAnlagederGriechen begreiflichenBehauptungeneines spekulativen Jdealismus dieangeblichge- sichertenAussprüchedesinduktivenDenkens. DieLeidensgeschichteder modernen Philosophie,dieser früherunnahbaren Königinundjetztso kläglichenBettlerin, foll hier nichtinvoller Breite wiederholt werden;dieschlichteBemerkung Maggenügen, daß diese Katastrophe durchaus nicht unverschuldetwar und daßsichindiesemStrafgerichtdiegeflissentlicheGeringschätzungdes,,gewöhn- lichen«Wissensunddereben sobeleidigendeHochmutheinerangeblichüber- irdischen,»intellektualen«Anschauungsehrbittergerächthaben. Täuschenaber NichtalleZeichen,soistdiese PeriodederMißachtungunddesJgnorirens vorüber;überall regtsichderWunsch, gegenüberdersinnverwirrenden Menge derErscheinungendesriesenhaftangewachsenenDetails gewisseleitende Ge- sichtspunktealsAnfängeeiner zusammenhängendenWeltanschauungzu ge- winnen. DieseWandlungderDinge enthält fürdenaufmerksamen,von SchlagkoortenunabhängigenBeurtheilereineeigenthümlicheund wiederum wohlverdienteNemesisSieisteinedrastischedemonstratio adoculos, daß füralleProbleme,diedieGrenzedereinfachenEmpirie übersteigen,das Inventar dereigenen,sonst so gepriesenenHilfsmittel nicht mehr ausreicht Unddaßaus diesemGrunde mehroderweniger verstohleneineAnleihebei deruniversellenWissenschaftderPrinzipien,derPhilosophie, gemachtwerden muß— Auch hier istderJrrthumlehrreich;undman darf hoffen, daßdie ErkenntnißderfrüherenEinseitigkeiteinesbloßenThatfachenkultestiefund Nachhaltiggenugist,umderWendungzumBesseren,inderwiruns augen- blicklichbefinden,DauerundKraftzuverleihen.Versuchenwiresdeshalb,

»

M)MitbesondererRücksichtaufdasWerkvonW.Windelband: Geschichte derPhilosophie.Zweite vermehrteundverbesserte Auflage. J.C.H. Mohr (PaulSiebeck) Freiburgi.B.1899.

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mitBerücksichtigungdesvortrefflichenWerkes Windelbands,uns über die Be- deutungderPhilosophie fürdasgeistigeLebenimAllgemeinenzu orientiren.

WashabenwirunterPhilosophie überhauptzuverstehen?JnGriechen- land,wohinwirinersterLiniewohl unsereBlickerichten dürfen, bezeichnete der·Namemeist sowohldietheoretischeUntersuchungdesGegebenen,das Weltbild imwissenschaftlichenSinn, alsauchdiepraktischeLebensführung, fürdie diesokratische,WissenundThununmittelbar verknüpfendeWeltweisheit tonangebendblieb. Nichtnur dieNaturwissenschaftgehörtihran be- zeichnenderWeisewandten sichdieerstenDenkergeradediesenProblemenzu—, sondern auch Logik, ErkenntnißtheorieundPsychologie,ReligionundEthik.

GeradedieseVerquickungsollte jadieverhängnißvollstenFolgenundZusammen- stößemitderfeststehendenTradition,mitdemDogma,nach sichziehen.Die GestalteneinesAnaxagorasund Sokrates können alstypischbetrachtetwerden.

DiespätereEntwickelungderFachdisziplinen sprengtedasumschließendeBand derUniversalwifsenschaft,diesich umgleichaufdieneuere Zeitüberzu- greifen inderWissenschaftlehreeinesFichteundindemallumfasfenden SystemeinesHegelerneuern sollte: freilich nicht unddarin liegtder heiklePunkt ohnederspeziellenForschung,der»bloßen«Empirie,Gewalt anzuthun. Dieser ZustandderDinge ist,wie einflüchtigesBesinnen lehrt, aufdieDauer unhaltbar,daer von anderen Gründen abgesehen demberechtigtenTrieb dermenschlichenNatur nacheinheitlicherAuffassung undErklärungderWeltschnurstrackszuwiderläuftDerVersuch,derPhilosophie dieStellung zurückzuerobern,soschreibtWundt,diesieimAlterthumbe- sessen, hatbewirkt,daß sie sich,stattüberdenWissenschaften,außerhalbder Wissenschaftenbefindet.EsisteinefalscheunddenthatsächlichenEinheit- bedürfnissendesmenschlichenDenkenswidersprechendeAusflucht,wenn heutige PhilosophendieseLagedamitrechtfertigenwollen,esgebe zweivon einander verschiedeneWeisen-DRdieGegenständezu erkennen: diegewöhnliche,mitder sichdieEinzelwissenschaftenbehelfen,undeinebesondere,höhere,zu dersicherst diePhilosophie erhebe.Entwederdieerste dieser Erkenntnißweisenist falsch die)DieSache liegt anders,wenn essichum einenichtunerheblicheVer- änderungdeslandläufigen Ausdruckes undBegriffes handelt, worauf Windelband inAnlaßdesbekannten platonischenWortes aufmerksam macht:eswerde der UebelinderMenschheitkeinEndesein, ehe nichtentweder dieHerrscherphiloso- phirenoder diePhilosophen herrschen·Wiebequemzubelächeln,wenn manbei dem Wort»Philosophiren«anmetaphhsischeGrübeleien,bei dein Wort»Philofophen«an unpraktischeProfessorenundeinsameGelehrtedenkt!Abermanübersetzenurrichtig!

Undwenn man dann findet, daßPlatonichtsweiterverlangt hat,alsdaßdie RegirungindenHändenderwissenschaftlichGebildeten sein solle, sosiehtman vielleicht ein,wieprophetischerderEntwickelungdeseuropäischenLebensmit jenem Ausspruch vorgegriffen hat (Präludien, Freiburgi.Br.1884S.12).

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DiePhilosophieimgeistigenLeben· 189 oder diezweite:ein Drittes giebtesnicht.Nunläßtsichaberleicht nachweisen, daßdieDissonanzenzwischenphilosophischerundwissenschaftlicherBetrachtungin hundert FällenetwaachtzigmaldarinihrenGrund haben, daßderPhilosoph sichnicht in denVollbesitzderThatsachen gesetzt hat,über die diewissen- schaftlicheErfahrung gebietet;in denzwanzigübrigenhat dieSpezialforschung esverabsäumt, Psychologieund Logik gründlichzuRathezuziehenoder sichum dieErgebnisse benachbarter Wissensgebietezukümmern. Jnbeiden Fällen istdieDissonanzeinesolche,dieaufgelöstwerden kannundmuß;

UndgeradedieAusgabederPhilosophie sollteessein,denWidersprüche-a, diesichzwischenverschiedenenErkenntnißgebietenherausstellen,aufdenGrund zugehenund,wenn esmöglichist,sie zubeseitigen. (EssaysS.17.)Jn diesemSinne spricht bekanntlich auch HerbartvonderAufgabederPhilo- sophie,deresobliege,dieWirklichkeitvondenihranhaftenden Widersprüchen zureinigen.Es ist völlig unleugbar, daß Philosophie]unddieeinzelnen DisziplinenimInteresse ihrer gedeihlichenEntwickelungaufeingutesEin- vernehmenundaufeinemöglichstfruchtbareWechselwirkungangewiesensind;

wieschonzuAnfangbemerkt,lehrtdieGeschichtediese Nothwendigkeit;und dieneuere Naturwissenschast istmit philosophischenIdeen, besondersmit erkenntnißtheoretischenPrinzipien, vollständigdurchsäuert.Davon legtdie SinnesphysiologievonJohannesMüller biszuHelmholtzunddiegesammte EntwickelunglehrevonLamarckbisDarwin einberedtesZeugnißab. Ver- stehenwirsonach umwenigstenseinegewisseEinigungzwischendengegen- theiligenMeinungenzuerzielen Unter PhilosophiedaswissenschaftlicheGe- sammtbildder Welt, wieessichausdenErgebnissenderverschiedenenEinzel- wjssenschaftenzusammensetzt,wobeidiepraktischeBethätigunginderpersön- lichen Lebensführung,wiesiedieAntikewollte,mehrin denHintergrund tritt,so würdeessichin zweiterLinieum dieerheblich wichtigereFrage l)(1ndeln,welchekulturgeschichtlicheBedeutung dieser zusammenfassendenDar- stellungdereinzelnenJdeale durchdiePhilosophie vielleichtzukommenkönnte- Dabei bedarfesallerdings nochderEntscheidungeinerVorfrage:

inwieweitwirnämlichberechtigtsind,einephilosophischeWeltanschauungals PeksönlicheThatdesEinzelnen anzusehen.Kein Mensch, auchnicht das größte Genie, kannsichdenunmittelbaren sozialen Einflüssenseiner Gegen- wart entziehen,inderermitseinenIdeen wurzelt;selbst dieerhabensten Religionstifter,dievielfachmitihrerUmgebungindenheftigstenKampf geriethen, gelangtennur dadurch zu einemweltumwälzendenEinfluss,daß siedieüberlebten,unfruchtbarenElemente aus demorganischenProzeßaus- schiedenundDas,wasTausendenaufderZunge lagundimHerzenbrannte, Alsneue IdealeindieWelthinausricfen.Abereben,um diesenZugder Zeit,derZukunftzufühlen,bedarfeseinesscharfsinnigemgeläutertenGeistes

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undCharakters;unddeshalbbleibtihr Verdienst,wie Windelband zutreffend auseinandersetzt,ungeschmälert.Indessenverdanktderphilosophiegeschichtliche ProzeßseineganzeMannichfaltigkeitundVielgestaltigkeitdoch erstdemUm- stande, daßdieEntwickelungderIdeen und diebegrifflicheAusprägung allgemeinerUeberzeugungensichnur durchdasDenken dereinzelnenPers önlich- keitenvollzieht,die, wenn sie auchmitihremDenkennoch so sehrindem sachlichenZusammenhangund imVorstellungskreiseinerhistorischenGesammt- heit wurzeln, dieser durchihre IndividualitätundLebensführungstets nochein Besondereshinzufügen. Dieserindividuelle Faktorderphilosophiegeschichtå lichenEntwickelungist so mächtig,weilihre Hauptträgersichalsausgeprägte, selbständigePersönlichkeitenerweisen,dereneigenartigeNatur nichtblosfür dieAuswahlundVerknüpfungderProbleme, sondern auch fürdie Aus- schleifungderLösungbegriffeindeneigenenLehren,wie indenenihrer Nach- folger, maßgebendgewesensind. DaßdieGeschichtedasReichderIndivi- dualitäten, derunwiederholbarenundinsichwerthbestimmendenEinzelheiten ist,erweistsichauchinderGeschichtederPhilosophie: auch hier haben große PersönlichkeitenweitreichendeundnichtnurausschließlichförderndeWirkungen ausgeübt. Aristoteles darfin dieserHinsichtalscharakteristischesBeispiel gelten. (S. 11.)Man könntenocheineganzeReihe Namen,von Plato, SpinozaundDescartes bisaufKant undHegel, hinzufügen. UnserGe- währsmann hat dieseindividuelle PrägungdeskulturhistorifchenBesitzessogar nochdurchdieBemerkungerläutertund erweitert, daßdiephilosophischen Systeme dadurcheinegewisseAehnlichkeitmitKunstwerkenerlangen;undman

braucht,um dieWahrheit dieserBeobachtungbestätigtzufinden, nichtgerade andenunglücklichenDichterphilosophenNietzschezudenken. Freilichwird durch diese ästhetischeBeziehung sicherderallgemeine, objektiveWerthder Weltanschauungnichtwenigbedroht.DasIndividuelleüberwuchertdasTypische, künstlerischeTriebe undRegungen, gewisse architektonischeIdealedasrein Begriffsmäßige,dasWahre;undsoentstehtnur zuleicht,wieauchWindel- bandhinzusetzt,derverhängnißvolleZauberder,,Begriffsdichtung«.Immer- hinwirdundsollaberbiszu einerfreilichetwas flüssigenGrenzedieKraft derIndividualität ungebrochenbleiben,selbstda,woessichumdieLösungder schwierigstenabstrakten Probleme handelt.OhnedienachhaltigeGluthper- sönlicherUeberzeugungwürdeschwerlichirgendeinnamhafterPhilosopheinen wesentlichenBeitragzurAusbildungmenschlicherLebenserfahrungund Welt- anschauunggelieferthaben.

IstesAufgabeeinerfruchtbarenPhilosophie,diewichtigstenProbleme derjeweiligenGegenwartkritischzuerfassenund damitihrer Lösungentgegen- zuführen—- von denalten, sichimmer wiederholendengroßenerkenntniß- theoretischenStreitfragen nochganzabgesehen—, soergiebt sichdamitdie

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Beziehungzurunmittelbaren Wirklichkeit sagenwirganzallgemein:zur Ersahrung vonselbst.Wieunsere philosophischeRegeneration,seitetwa der Mitte dieses Jahrhunderts,ganzundgarnaturwissenschaftlichbeeinsiußt undbedingtist, so hattenetwabis zu Kant imvorigenJahrhundertkultur- SeschichtlicheMomente dieOberhand fürdiekritischeBetrachtung; neuerdings wiederbeginntdiegroße soziale Frage auch ihren EinzugindieWerkstatt der Denker zuhalten,vonderethnologifch:naturwissenschaftlichenBeeinflussung derEthik nochzuschweigen. Nichtnur lieferndieEinzelwifsenschaften,wie wiruns früher überzeugten,derphilosophischenForschung, außer fürdie allgemeinstenDisziplinen dieLogikundMetaphysik—, daserforderlichekon- kreteMaterial, ohnedassievölligrathloswäre,sondern auch umgekehrtgiebt diese durchdieeigenartigeVerarbeitung diesesStoffesder ganzengeschichtlichen Periode erstdaseigenthümlicheGepräge. Religiöse,sittliche, künstlerische, vorAllemsoziale AnsichtenundStrömungen spielendabeieineHauptrolle.

Umslchvon derBedeutung diesesspezifischenkulturhistorisch-empirischen Untergrundeszuüberzeugen,vergleicheman nur, um sichdieTragweitedie- sesEinflusseszuvergegenwärtigen:Plato,diefranzösischenEncyklopädisten, Fichte-Mit Recht schreibtWindelband: »So ist auchdiesVerhältnißder PhilosophiezurallgemeinenKultur nichtnur dasdesEmpfangens, sondern Auchdasdes Gebens.« Underknüpftdaran dieBemerkung: »Es ist nicht ohne Interesse, auchdenWechselder äußerenStellungund dersozialen Verhältnissezubetrachten,den diePhilosophieerlebthat. Man darfan-

nehmen, daßderBetrieb derWissenschaftinGriechenland sichmitvielleicht wenigenAusnahmen(Sokrates) schonvonAnfanganingeschlossenenSchulen bewegthat. Daß diese auchinderspäterenZeitdie Formsakralrechtlicher Genossenschaftenhatten,würdean sichallein, bei demreligiösenCharakter allergriechischenRechtsinstitute, noch nichteinenreligiösenUrsprungdieser

Schulenbeweisen;aberderUmstand, daßdiegriechischeWissenschaftsich 1Uhctltlichdirektaus religiösenVorstellungskreisenherausgearbeitet hatund daßin einerAnzahl ihrerRichtungen gewisseBeziehungenzureligiösen Kultenunverkennbar hervortreten, machtesnicht unwahrscheinlich,daßdie

wissellschciftlichenGenossenschaftenursprünglichaus religiösenVerbänden (Mystetien)hervorgegangenundmitihnenimZusammenhanggebliebensind.

AlsabersichdaswissenschaftlicheLeben zu vollerSelbständigkeitentwickelt hatte, fielen dieseBeziehungenfortundvollzogsichdieGründungreinwissen- schaftlicherSchulen,alsfreier VereinigungenvonMännern, dieunterLeitung bedeutenderPersönlichkeitendieArbeit derForschung, Darstellung, Vertheidi- SUUAUndPolemikunter sichtheiltenund zugleichineinemgemeinsamen JdealderLebensführungeinen sittlichenVerband unter einander besaßen.«

(S- 5-) SpäterlockertesichnaturgemäßdieserZusammenhang,bisimAn-

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fangderneueren ZeitSchuleundPhilosophie fastineinfeindliches,jeden- falls gleichgiltigesVerhältnißzu einander traten, so daß,wieeshier heißt, einentlaufener Mönch,einStaatskanzler,einSchuster,einEdelmann,ein getaufterJude,eingelehrter Diplomat, unabhängigeLiteraten undJourna- listendieBegründerdermodernen Philosophie sindundDem entsprechend ihre äußereGestalt nichtdasLehrbuchoder derNiederschlagakademischer Disputationen ist, sonderndiefreie schriftstellerischeThat,derEssah Erst dasachtzehnteJahrhundertinseiner zweiten HälfteverlegtediePflegeder PhilosophiewiederindieUniversitäten,wo sieimGanzenundGroßen noch heutzutageheimischgebliebenist.

Nach diesenFeststellungenbedarfeskeinesausdrücklichenHinweises aufdieThatfache, daßderkulturgeschichtlicheZusammenhangmitderPhi- losophiesich öfters mehralserforderlichundwünschenswerthdadurchbekun- dethat, daß ethischeundästhetischeInteressen um nichtzusagen:Vor- urtheile denGangderobjektivenUntersuchung beeinträchtigten.Das gilt sogarvon sogroßenGeisternwieKantundPlato. Für unsere Zeit wirkennicht seltennaturwissenschaftlicheDogmen,ausungenügenderBeobach- tung undAbstraktionentsprungen,ähnlichverhängnißvoll;wieDasnament- lichdieEthikinihrerEntwickelungdurch einseitigeDarivinisten erfährt.Aber esliegtklarzuTage, daß dieser UmstandeindeutlicherBeweis fürdie- unmittelbare,lebendigeAntheilnahmeanderLösungderhöchstenProbleme durchdieverschiedenenFachwissenschaftenist,dieebendadurchunzweideutig dasBedürfnißeiner über dieGrenzen ihrer Betrachtung hinausgehenden allgemeinerenPerspektivedarthun. DieseunabweislicheNothwendigkeittritt um so stärkerhervor,je mehr sichderKreis despositivenDetailwissensaus- dehnt.Das gilt,wiewirinAnlehnunganWundt noch besonders hervor- heben wollen,vorAllemvon demweitverzweigtenGebiet derNaturwissen- schaften.Der Physiker,derChemiker,derPhysiologe: sie habenesschließ- lichAllemitderselbenmateriellenGrundlagederKörperweltzuthun,aber Jedervoneinemanderen Standpunktaus. Auf die Dauer wirdsich daher sicherlichnur derBegriffderMateriealshaltbar erweisen,derdieAnsprüche allerdieserverschiedenenForscherbefriedigtund bei demaußerdem die War- nungdesPsychologenGehör findet, daßman nicht subjektiveThatsachendes Bewußtseins ohne objektivenErklärungwerthaus unseren Vorstellungenin dieDinge übertragensoll. Der Zoologe,derBotaniker, derAnatom, derPhysiologeundPathologestoßen,Jedervon einembesonderenErfah- rungskreiseaus,aufdenallgemeinenBegriffdesLebens;dieAbgrenzungder Lebensprozessevon denallgemeinenNaturvorgängenzieht außerdemPhysik undChemieinMitleidenschaftundstehtinnahemZusammenhangmit kos- mologischenundgeologischenFragen.So weitsichdasReichderErfah-

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rungerstreckt,ebensoweitdehntdasKausalgesetzseine Herrschaftaus. Wie wäreabereineexakteAuffassungdieses Gesetzesmöglichohnediegrünidliche Kenntnißseiner wichtigstenAnwendungenin deneinzelnenWissenschaften?Und wie wollteman überseinen Ursprungundseine allgemeineBedeutungRechen- schaft geben, ohne PsychologieundErkenntnißtheoriezubefragen?

Wennichnun ingroßenUmrissendasErgebnißdieser Betrachtungen skizzirensoll, sowürde esdieAufgabeeinerwahren Philosophie sein,das Weltbild,dasdieeinzelnen Fachwissenschaften,jedevon ihrem besonderen Standpunktaus,geben, einheitlichzusammenzufassen, unter thunlichster BeseitigungallerWidersprüche,die eben eineeinseitigeErklärungderWirk- lichkeitindiese Vergleichunghineinträgt.Daraus ergiebt sichvonselbstder Unmittelbare ZusammenhangderPhilosophiemit derErfahrung,mitden treibendenJdeen jeder Epoche;nur dann,wenn sie diesevölliginsich auf- nimmt,kannsie sichjenes höherenkulturgeschichtlichenBerufes bewußtwerden, dersiezur HüterinderhöchstenWahrheitenundIdeale desMenschen bestimmt Verschließtsie diesenansieherantretendenAnsprüchenhochmüthig Undgleichgiltigihr Ohr, so rächtsichsolcheUnterlassungsündeanihrem Bestand UndEinfluß.Wirbrauchennichtzufürchten,dadurchderPhilosophiedie Pflichtauferlegtzuhaben,alle Moden undSchwankungendesZeitgeistes mitzumachen:umgekehrt,wo Das derFall gewesenist,war esstetsein sicheresAnzeichenfürdenMangeleinesklarbewußtenStrebens undfürdie ZetfahrenheitderleitendenWissenschaftselbst. FassenwirmitWindelband diePhilosophiealsdieWissenschaftvom Normalbewußtseinauf, sowäre es ihreAufgabe,dieAllgemeingiltigkeitderhöchstenlogischen,erkenntnißtheore- tischenundethischenNormenwiderspruchloszuerweisen,und zwarausderFülle der eittzelnenErscheinungenundThatsachendeskonkreten Lebensheraus.Windel- bandhat diesenGedanken einmal aufdieEthik angewendetundjederGe- sellschaftdieSchafsungeinesKultursystemes zugeschrieben.Aberauch hier, ilWittendersozialen Vorgänge,hatdiePhilosophie ihresAmtes zu walten, ausdem bunten GewühldesDetails dasBleibende, Ewigezusondern,die eigentlichverpflichtendenGründefür unser sittlichesHandeln auszudeckenund damit unablässiganderGestaltungunserer höchsten,über allenWechselder Zeit erhabenen Idealezu arbeiten. Diese hehre Mission hattendieGriechen scharfsinnigerkannt undauchindieser Beziehung istdieEntdeckungder WissenschaftundihrerethischenBedeutung ihrbleibendes Verdienst.

Bremen. Dr.Thomas Achelis.

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Aus dem rheinischenLeben.

nderStelle,woichebenstehe, dehnte sichimJahre1870nochein weites Feld. Nur Frucht-sundDungwagenarbeiteten sich mühsamdurchdie weichen Feldwege,dieselbstbeiwenigfeuchtemWetterfürdenanmancherlei Unebenheiten gewöhnten,,Doktorwagen«ganzunpraktikabelwaren. Allerdings:

etwas weiterinsFeld hineinrauchteund qualmte auch schondamals einZiegel- ofen,abererhießnoch»der«Ziegelofenzundwenn mansagte: »Am Ziegelofen«, so wußtejedes Kind,woDas war. Heute würdeman damit nur dieFrage hervorruer: WelchenZiegelofenmeinen Sie? Denn garvielesindinzwischen erstandenundvergangen. BeiderAnkunfteinesZugesmit,,Gefangenen«stand ichdamals einmal hinterderlängsdesBahndammessich hinziehenden lebenden Heckeundbetrachtetemitknabenhafter Indignation,wiediearmen Ruhrkranken inrothen Hosen diesenatürlicheWandtruppweisealsRetirade benutztemwohl einZeichen,wieeinsamundländlichdenfremden Augen diese Gegenddamals noch erschien. DiesseitsdesBahndammesgabeskeineHäuser mehr;nur ein rechter BauernhofmitKuhstallundScheunelagdadraußenimoffenenFelde.

Undheute?Genau anderStelle,wodamals eingroßerDunghausen seiner Reifeentgegenharrte, steht jetzteinGaskandelaber mitprächtigemGlühs licht.Fünf breite Straßen stoßen hier zusammen.Eine Dampfftraßenbahn läßtnebendemmitZügenundVorzügen belasteten GleisederStaatsbahn alle halben undimSommer garalleBiertelstundenihre Signaleertönen. Auf den breiten Trottoirs ziehenMenschenihres Weges. AlleinKleidern,alsob,,es alleTag Sonntag wär’«. Zu gewissenTageszeiten siehtesso aus,alswäre es eineHauptstraßeeinergroßen,verkehrsreichenStadt,solche Massen fluthen da aufund nieder. Das aberist keineswegsderFall.Hier istimmernoch ,,Land«;

abermodernes Land. Villen undGärtenfüllendasweiteFeld,dasvormals sich hier dehnte,undtrotzderKanalisirung,derWasserleitung,denasphaltirten StraßenundderglänzendenGlühlichtbeleuchtung,trotzalldiesenstädtischen Herrlichkeiten,diehierineinemMenschenalter«entstanden,sindwirimmer noch aufdemLande.

Aberwasfürein Landists? Wie freutenwir unsdamals alsBuben,zum Rhein hinunterzugehen,uns hinterdenWeidender Kleider zuentledigenund dannimlauenWasserzubaden! Ungenirtschwamm,werschwimmenkonnte,mit derFlutheinStückhinab,um dannaufdemLeinpfadwiederhinaufzuwandeln zudendieKleider hütendenKameraden. DieSchwimmhosefing erstan,der fröhlichenNacktheitoderdenrothenKattuntaschentüchernKonkurrenzzumachen, undeswar durchauskeinVerbrechen,ineinemdieser Kostümeeinmalzufällig einem»fremden«Menschenzubegegnen.Obdieser fremdeMensch männlichen oderweiblichenGeschlechtswar,wirBubenfragtenblos:Was willDerhier?

Dennwirfühltenuns zurBadezeitalsHerrendesOrtes. UnddieBadezeit wähltenwirunsnachBelieben,wieSchuleundNeigungunsbestimmten.Heute sinddieWeiden verschwunden,dasganzeRheinuferistmitprächtigemQuai undEisengitter ausgestattet;amQuai liegteineBrücke fürdieDampfschisfe;

woeinst schwerfälligeNachendieUeberfahrt besorgten, tanzen heute eleganteMotor- booteaufdenWellenund befördernuns in Zeitvon dreiMinuten aufdas

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