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Die Zukunft, 22. August, Bd. 44.

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Berlin, den 22. August 1905.

F ssv R

Monarchomachen.

« oreinpaarWochensprachichmit einem zumHohenAdelgehörigen

-Herrnüberdie-HinrichtungdesserbischeaniotenundseinerDraga.

MeinGast mußtezugeben,daßAlexandereinUnglückfürSerbien warund daßjeder andereVersuch,dasLandvomTyrannenjochzubefreien,denBal- kanundvielleichtgaanuropainunabsehbareHändelgerissenhätte.Trotz- dem·lönneerdieMischitschundMaschinnichtloben.AlsSchüler habeer fürHarmodiosundAriftogeitongefchwärmt,nicht,wie dasJunkerleinBis- marck,inihnen Verbrecher gesehen;mitgereiftemSinn denkeerjetztaber anders. AlexanderwarlegitimerKönigzermochtegutoderschlechthandeln, demVolkeHeiloderUnheil bringen:erbliebstets unantastbar,undwerwider ihndieHandhob,wardzum Rebellen. So redete einheller,lernbegieriger Geist,einMann ohnefeudaleBefangenheit. Freilich:Einer aus dem höchstenAdel,den dasLebensinteresseseiner Gruppein denKampffür eine starke Monarchie ruft; dochlasman nicht, liest nicht noch täglichin libe- ralenundselbstinsozialistischenBlätterndasselbeVerdammungurtheilüber diebelgraderPalastrevolution?Bald danachbegannunter denAtham- sianern»undArianern desMarxismusderStreit, obman einen rothen ReichstagspräfidentensinsKaiserschloßschickendürfe;obdadurchdemPro- letariatoderdemKönigthumeinOpfer auferlegtwürde.Da erbebtendie StützendesThronesinehrwürdigemZornundwirhörtensieknirschenx WelcheFrechheit,demMonarcheneinOpferanMachtundanStolzzuzu-

muthenksolchesOpferalsmöglichauchnurzuerörternl Und als derun-

klugeundunbeträchtlicheStreit ins WeiterewuchsundGrundsätzebeleuch- 22

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tetundabgeklopftwurden, erfuhren wir, daßin der,,Völkerbefreienden,re- volutionärenSozialdemokratie-«sogarin dervordersten Schlachtreiheheute nochMancher ficht,der,wieSaint-Simon, Fourier,Cabet undRodbertus, einen dauernden Frieden zwischenMonarchie undSozialismus fürdenkbar hältundnicht,mitMorellh,Godwin, Owen, WeitlingundderenGefolge, in derRepublikdasnächsteZielproletarischenStrebens sieht.Dann fuhr dieFraudesKaisers für wenigeStunden nach Ziegenhals,Breslau und Posenzunddiese längsterwartete Reise,die einnichteinmalunbequemer actedepräsencewarundwohlnurzeigensollte, daßdieNothstandsgebiete ampreußischenHofnichtvölligvergessenseien,wurdewieeineHeroenthatge- priesen. Drei"Beispiele. Kreuzzeitung: »Der hochherzigeEntschlußIhrer MajestätderKaiserin isteinGnadenbeweis und zeigtdenbekümmer- tenHerzenaufs Neue, daß unser erlauchtesHerrscherpaar,getreuden Traditionen desHohenzollernhauses,geradein denZeitenderNothund der Prüfungmitseinem Trost, seinerLiebe undseinerHilfbereitschaftdenLan- deskindern nah seinwill.« (DaserlauchteHerrscherpaarhatden über- schwemmtenProvinzenkleineGeldbeträgeüberwiesen,ungefährsoviel wie demdrontheimerKirchenbaufondsunddenvom Bazarbrandin der Rue JeanGoujon Betroffenen, hatte auchgarnichtdieMöglichkeit,ihnenzu helfen;unddaßbeiMißwachsundWassersnothdieHerrschaftsichmalsehen ließ,galtselbstin denTagen nichtals einGnadenbeweis,woStaaten wie Pachthöfeverwaltet wurden. SchlesischeZeitung:»Eine Kaiserinin einer sokleinenStadt! JstdieMärchenweltzurWirklichkeitgeworden?Eine Kaiserin hatunsbesucht,—unsereKaiserin!DasRufen,dasJubelnder Mengewill kein Endenehmen;esfolgtderdavonfahrenden Kaiserinwie Donnerhall nach.NureinekurzehalbeStunde habenwirunsere Kaiserin bei uns gesehen,abererstseit heute wissenwirso recht,was füreine Kai- serinwirhaben.«(WeilFrau AugusteViktoria einer Rede desBürger- meisters freundlich zugehörtundeinzelneMännerundFrauen »mit huld- vollerAnsprache beglückt«hatte;wiemögendie Leutesich vorher ihre Kaiserin gedachthaben?)BerlinerLokalanzeiger:.»Niemalshaben sodank- erfüllteAugenderKaiserin entgegengestrahlt,niebeugtensichGreise so ehr- furchtvoll,nieriß sovollfeurigerHuldigungdieJugenddieMützenvom Kopfwieheute.«(Niealso, scheintesdanach; hattedieDynastiebisher für dasLandso Ungeheures gethan.)DaswurdeimJahr1903 gedruckt;fast anderthalbJahrhunderte nachderZeit,daFritzvonPreußen,wieKoserbe- richtet,zuSchlesiern,greiffenbergerBürgern,dieihmfürdas zumWiederauf-

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bauihrervonElementarkräftenzerstörtenHäusergespendeteGelddankten,das königlicheWortsprach: »SiehabennichtUrsache,sichdeshalbbeimir zu bedan- ken. EsistmeineSchuldigkeit.Dafürbinichda.« DasHochwasferspültediealte SommerseeschlangeandieKüstedes Schwarzkünstlerlandeszwieder wardum denMittellandkanalgestritten,wiedervonDemokraten verkündet,nurfrevler RebellentrotzkönnemittechnischenundpolitischenGründeneinenPlanabweh- ren,fiirdendesKönigsmajestätischerWillesicheingesetzthabe.UndderMänner- stolzderselbenDemokratentadeltehartdenUebermuthderMagyaren,die ent- schlossenscheinen,demMachtbereichihres KönigsengereGrenzenzuziehen, weilsiedasWohldeserwachsendenVolkeshöherschätzenals denGlanzder Monarchie.AlldieseVorgängedrückten dem Sinnescentrum ihre Spurein.

DerGlaubeandieNothwendigkeitundUnantastbarkeitderMonarchenge- waltreicht heute alsobis insTriarierglied angeblichradikalerParteien.Um dieseUeberzeugungnachzuprüfen,schlugichdie»NeueStaatslehre«desPro- fessorsAntonMenger auf,dastapfere Buch,dasalleStaatsmystik ohne Schonung entschleiertundals dieseitJahrzehnten stärksteLeistungdeswissen- schaftlichenSozialismus anerkannt werdenmuß,undlas dieSätze:»Ja DeutschlandbestehtzweifellosFürstensouverainetät,weilhierim letztenJahr- hundertfastalleRevolutionen mißgliickt,fastalleStaatsstreichevonErfolg begleitetgewesensind. Erstin denletztenJahrzehnten hatdasununter- brocheneAnwachsenunddiestraffeOrganisationderSozialdemokratie,dann diefortschreitendeUmwandlungderArmeeninProletarierheere dieseFrage wiedereinigermaßeninsSchwankengebracht·..Jch glaubenicht,daßdiebesitz- losenVolksklassen,wenneinmaldiepolitischenGeschickeDeutschlandsinihren Händenruhenfollten,zuchseitigung derMonarchieschreitenwerden-Dierevo- lutionäreKraftundLeidenschaftderDeutschenistgering.Vonden dreideutschen Revolutionen seitdemAusgangdesMittelalters sinddiezweivolksthümlichen, nämlichderBauernkriegunddieBewegungdesJahres1848,mißlungen.

Diedritte,dieReformation,warzwarvoneinembeträchtlichenErfolgbe- gleitet,aber nur, weilsieunterMitwirkungdernach Kirchengutlüsternen Fürstenunternommenwurde...Wenn dieMonarchie,trotzderdurchschnitt- lichen Mittelmaßigkeitihrer Träger,dievorherrschendeRegirungformder Weltgeworden ist, so liegtderGrundohneZweifeldarin, daßsiedieMacht- mittelfürdieentscheidendenpolitischenZielebesseralsdieAristokratieund die Demokratie durchGenerationen stetig vorzubereitenversteht.Und die Geschichtelehrt,daßgeradedieDynastienzumhöchstenGlanz emporgestiegen sind,dieihrepolitischen, militärischenundwirthschaftlichenMachtmittel

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durchJahrhunderte ohne RücksichtaufdieKulturbedürfnisseihrerVölker erweiterthaben.WenndiebesitzlosenVolksklassendieseBeispielenachahmen, könnensie ihresozialenZiele ohneeinenihreExistenzgefährdendenUmfturz derGesellschaftordnungzuerreichen hoffen,weil man, wie derSiegdes Christenthumesim viertenJahrhundert UnsererZeitrechnungdeutlichge- zeigt hat,derzweifellosenMacht auch ohne Gewaltanwendung huldigt.«

NichtimmergingesderMonarchieinEuropa sogut wieheute.Das weißich,denkt derLeserundfürchtetdieWiederholungalterGeschichtenvon KarlStuart undLudwig Capet,vonRousseauund demhausoäterlirhehr- samen Encyklopädisten,der- inwilderStunde amDarmdesletztenPfaffen denletztenKönig gehenktsehenwollte.Denn-HerrnOmnesist längstbekannt, daßdieLehrevomnatürlichgleichenMenschenrecht,die alsErsatzsüraltetheo- kratischeVorstellungen ihren funkelnagelneuenGesellschaftvertraganpries, unddaßdieGedanken,vonderenschwärmenderSkepsisdiefranzösische Revolution vorbereitet wurde,eine demWesenderMonarchie seindliche Masfenstimmung schufen.HerrOmnes hat gewißaucheinmalgehört,daß EnglandsAdelselbstvondemPrinzenerzieherHobbessichnie zumAbscheu vorRevolutionen verleitenließunddaßdieOligarchendesJnselreiches seit derZeitEduards desErsten streng ausderSchwurformel bestanden,wo- nachderKönigdieGesetzeundGewohnheiten,die das Volk(folkandpeople) behalten will,zuwahren hat.WenigerbekanntistdieThatsache,daß schon in dendunklenTagendesGottesstaates, dessenHauptpflichtdieRegelung desVerhältnisseszumWeltenschöpferschienundderdeshalbeine derhimm- lischennachgebildeteRangordnungmitragender Spitze haben mußte,Zweck undNutzenderMonarchie schroffkritifirtundihreMachtin festeSchrankenge- wiesenwurde.Da derFluchallerKaiserei,dasErbevonByzanz,nochfortwirkt undallerleiBußpredigerdasDysangeliumvonderunerschautenZuchtlosigkeit unserer Zeit umhertragen,magdieErinnerung nichtganzunnützlichsein.

VordreihundertJahrenwurdeinParis einBuchgedruckt,dasdenTitel trug: De regno etregalipotestate adversus Buchananum,Brutum, Boucherium et;reliquosmonarchomachos. DerVerfasserwar kein Franzose;William Barclay hießerundwareinschottischerRechtslehrer.

KurzvorseinemBuchwarinMadrid derTraktatDe regeacregisin- Stitutione erschienen,derfürdieVolksrechteeintratund alsletztesMittel bedrücktenMassen empfahl,denTyrannenzutöten; Juan Mariana,der abtrünnigeJesuit, hatte feine AbhandlungdemJnfantenvonSpanienge- widmet,«deralsPhilippderZweite1598 denThronbestieg,undHerrDr.

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Monarchomachm 299 Treumann,der überdieMonarchomachenzeiteinegewissenhafteSeminar- arbeitgeliefert hat, spottetmitRecht darüber, daßMarianas Tyrannen- spiegelcum privilegio regis erschien.Von den dreiMännern, dieBarclay imTitelseinesBuchesnennt, interessirenunsBoucherundderalsBrutus ver- mummte HugenotteLanguetwenigeralsGeorgeBuchanan; aucheinSchotte, aucheinPrinzenerzieher. Prinz JakobunddessenMutter,Maria Stuart, waren seineSchüler;undMontaigne,denerin dieGeheimnissederGram- matikeingeführthatte, erwähntdenLehrerdankbar in den Essais als einen derbestenlateinischenPoetenderZeit. Dennoch sindBuchanans akademische Trauerspiele, seineUeberfetzungenbiblifcherPsalmenundeuripidischerTra- goedien verschollen, derMann aber;bleibt,diePersönlichkeitmerkensi werth.EinHauslehrerundDozentderPhilologie,derGeheimsiegelbewahrer undElisabeths GünstlingwurdeundschließlichimElendstarb;derMarien StuartalsHofmeifterund Lecturerdiente,ihreHeirathmitFranzvon Frank- reichin einemHochzeitgedichtverherrlichteundnach ihrem Sturzdiehohe Schülerinin einemargenPamphlet fchmähte;einFreidenkerundDemokrat, der inzweiLändern dieGefängnissekennenlernte,vonderKöniginElifabeth einenGnadensolderhieltundwieder aus derwarmen Hofgunstweichenmußte, weilerin derallenHöflingenAergernißgebendenSchriftDejureregniapud scotos Dialogusmitrauhem TrutzwortzurEinzäunungderMonarchen- gemaltgerathenund,unteranderenschlimmenNeuerungen,dasReferendum vorgeschlagenhatte.GegenfolcheVorschlägeund gegenden-freilich nichtganz soungestümen SchwarmgeistderübrigenBekämpferderMonarchiewandte sichBarclayinseinerVertheidigungdesAbsolutismus; dochseineProfessor- stimmeverhallteinsLehreund derSieg schienderSektenweisheitderPuritaner undHugenottengesichert. UnwirkfambliebselbstdieMahnungeines viel Mächtigeren.JndemJahr,woBuchanan zuerstdenLehrenderReforma- torenlauschte,warnte MartinLuther seineGemeindevorAufruhrundEm- pörungundschrieb:»DerhalbenistdieObrigkeitund dasSchwert eingesetzt, zustrafendieBösen undzu schützendieFrommen, daßAufruhr verhütet werde. WennaberHerrOmnes aufsteht,der vermagsolchUnterscheiden derBösenundFrommenweder zutreffennochzuhalten, schlägtin den Haufen,wie estrifft,und eskannnicht ohne großes,gräulichesUnrechtzu- gehen.« Umsonst:dasVolkstand auf,derSturm brachlos;undLuther schiennichtzuahnen, daßerselbstdenSchlauchdesAeolusentschnürthabe.

Underhatte dochdasschwarzweißeKleid desAugustinersgetragenundwußte auchalsKetzernochindenSchriftendesOrdenspatronesBescheid.Fielihm

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nichtdieZwiesprachezwischenAlexanderdemGroßenund dem Seeräuberein, die in derCivitasDeierzähltwird?AufdieFrage,werihmdasRecht gebe, dieMeereunsicherzumachen,antwortete derPiratdemKönigderMake- donen: Der DirdasRecht gab,den Erdkreis inSchreckenzusetzen;ichhabe nureinkleinesSchiffund""«geltedeshalbals einRäuber, währendDu,weil Direine ganzeFlotte gehorcht,denEhrennamendessiegreichenEroberers trägst. DieseAntwortnennt SanktAugustinus richtigundfein.Soweit, bis zuso ehrwürdigenHäupternreichendieVersucheeinerKritikmonarchi-"

scherMacht zurück.ThomasvonAquinotadeltedieTyrannis nichtmilder als derberühmteJustizrathCicero in Rom ; undMarsiliusvonPadua dachte überRechtundPflichtderGesetzgebungundExekutivekaum andersalsLocke.

Gesährlichaber wurdendieseGedankenerst,als mit denNebelnderScho- lastiklangsam auchdieWahnvorstellungvoneinereinzigen,durchdenSegen desWeltbischofsgeweihtenWeltmonarchie wich.DerHeiligeThomas mochte dieTyranneiverdammen: dieHerrschafteinesEinzigen schien,wiefürdas Weltall, so fürdasirdischeGottesreichauchihmimmernochnöthig;erwar im Sinn derEvangelieneinKönigischer.Seitaber derStaat alsProdukt unheilig menschlichenWollenserkannt, seitgarderKirchedassichtbareCen- trumgenommen wurde,schwandauchdermonarchocentrischeGlaubesacht ausdenHirnmDerPapst,Christi geweihterStatthalter auf Erden,wurde geschmähtundwar nicht mehrderpastorbonus derganzenChristen- heerde.Woher nahmendieKönigenun ihren Rechtsanspruch? Woherdas Vermögen,imSchrein ihresHerzensalleWeisheitundalleGewaltzuhegen?

DieseGewaltfand ihreGrenze mindestens dochvorderPfortederspiritua- lia;denhimmelan strebendenGlaubendurftekeinKönig lenken,keiner dem freienGewissendesChristenmenschengebieten. Erst nachderReformation wurdederBegriffdesFürstenabsolutismusimMassengefühlstreitig.Was kühneDenkerselbstnurmitscheuemFinger betastet hatten, lagnunschleier- losvorAllerAugen.DieMonarchomachenkonntendreiste, respektloseRede wagen, weil derMehrheitwilleihnen sicherenRückhaltbot. Und eswar kein Zufall, daßJakobderSechstevon Schottland,derErstevon England, derSchülerdesPuritaners Buchanan,inseinenOperadenGlauben an Gespensterspukmit demselben Eiferwie denFürstenabsolutismusverfocht.

KeinZufall, daßBuchanan selbstdemVorbild nachstrebte,dasKnox,der schottischeCalvin, ihmbot.DieReformatoren hattendieWurzeldesGlau- bensausgegraben,ausderRuhegescheuchtenSeelendenZweifelentbunden; noch solautmochten sienun rufen,alleObrigkeit stammevonGott:siepre-

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Monarchomachen. 301 digtentaubenOhren. DieWidertäufer,diewüthendenBauern,Rebellen undAnarchistenallerArtversagten ihnendenGehorsamundmit denpubli- zistischenFührernderMonarchomachiefragtebaldauchdieMenge,dievom Thomismus dochnichts wußte,mitwelchemRechtman ihr,diefrei jaden Gottwählendürfe,wehren wolle,freidenKönig,dasStaatsrechtundHand- werk zuwählen.DassouveraineVolk,dasinSpartaKönigedurchEphoren- spruchverurtheilen,imFrankenreichChilperichabsetzenließ,warwiederge- boren undheischteintrotzigemDrang sein RechtalsAusdruckderMacht.

AuchdieGegner mußtenihm frühKonzessionenmachen.DieJesuiten, die unter UmständengegenketzerischeFürstendasVolkbrauchenkonnten, gabenzu:KönigundVolk bindet einVertrag; bricht ihn derKönig,so darf das VolkWiderstand leisten; reißteinUngeweihterdieTyrannisansich,so kannernicht klagen,wenndasVolkihn richtetund tötet.Bodin,derAn- regerBarclays,will einenHerrscher,derGesetzegiebtsans le eonsentement deplus grandni depareilni de moindre quesoi; dochauchfür diesen AbsolutistenistderUsurpator,derohneRechtnachderMacht greift, vogel- frei, unddasRechtsprichtnur aus demMunde desinFreiheitGe- wählten.DieMonarchomachen gingenweiter. DerKönig, sagen sie, ist fürdasVolk, nichtdasVolkfürdenKönigda. Deshalb hat populus streng daraufzuachten, daßderprineepsdasimVertrag Bedungene hält, undesdarf ihn,auchdenfrei gewählten,nichtdurchGewaltthataufden Thron gelangten, absetzenundtöten,wenn ergegen dasVolkswohlhandelt.

EristBeamter, istderersteDiener desStaates, mußsichin engeRechts- normen pferchenlassenundwirdstrafbar,sobalder lungernddiePflichtver- säumtoder garwissentlichwidersiesündigt.DaswardasEnde desAbso- lutismus.Barclays Bannstrahl leuchtetenichtweit ; und mitFugkonn.teTreu- mann amSchlußseinerDarstellung sagen,auchvonden Träumendermittel- alterlichenSchützerderFürstengewaltgeltedasWort,dasBrhceüber Dantes universalmonarchischenWahn sprach:Grabschrift,nicht Prophezeiung.

Grotius undRousseau kamen,dieLehrevomGesellschaftvertrag,der beidenKontrahenten gleicheRechtegiebt, schienfüralleZeiten gesichert,aus einemSchinderkarrenwurdeeinlegitimer KönigzumRichtplatzgeschleppt-

und nun,dreihundertundzehnJahre nachBouchersSchriftüber die Ab- setzungHeinrichsdesDritten vonFrankreich, scheintdieMonarchie stärker alsjeundwirlesen inMengers Buch: »DerStaat isteinInbegriff-von Menschen,dieaufdemselbenLandesgebietunterder-HerrschafteinesMacht- haberszusammenleben.Der Willkür derstaatlichenMachthaberistesanheim-

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gestellt,welcheZielesiederThätigkeitdesStaates vorschreibenwollen...Da dasAnsehendesvondenFürsten geleitetenStaates ihr eigenes istundihre Geltungin denihnengleichstehendenLebenskreisenbestimmt, so ist ihrStre- benvorherrschendaufdieMachtunddenGlanzdesStaates gerichtet.«

WerheuteinDeutschland herumhorchtundüberallHoffnungundFurcht aufeinenherrschendenWillengerichtetfindet,kannsichin diefernenTage LudwigsdesHeiligenzurückversetztglauben,in eineBorstellungwelt,wo derFingerdesKönigs durch bloßes BerührendemBresthastenHeilung brachte. Freilich: auchunterdenaltenMonarchomachenwarkeinDeutscher.

AbersindsieinEuropaheutenicht völligausgestorben?Wird dieErmordung AlexandersObrenowitsch nicht härterverurtheiltalshundertJahre vorher derpetersburger Palastputsch? Wacht irgendwo auchnurnochderWunsch, dieAuslesederTauglichstenkünftigwirksamerzusichern,einerwachsenes Volkmündig gesprochen,in einemfreierenStaatsverbande dieMassezu thätigerMitarbeit anderGestaltung ihres Schicksals,zumBewußtseinder Machtund zumGefühldervomMachtbesitzuntrennbaren Verantwortlichkeit erzogen zusehen?..DieMonarchiehatesgut:zweiprivilegirteKlassen,derver- armende Landadel und diejunge GentryvomWebstuhlundSchlot,werben inängstlichemWetteiferumihreGunst;undbeideKlassen betheuerndem Königumso inbrünstigerihre unerschütterlicheTreue,jelauterdraußendie SportspielederDemokratie durchdieGassentoben.DiesesBandistfest;denn ein allen imgefährdetenBesitzrechtWohnendengemeinsamesLebensinteresse hat es geknüpft.Wars imGrunde abernichtimmersoundtäuschtden zurückschweifendenBlicknichtnurderFernendust,derdieGefildehoherAhnen umschleiert? AuchdieMonarchomachen führtennur dieSachederPrivile- girtenund derschottischePuritaner,der dieMassenzuunmittelparerMit- wirkungandenStaatsgeschästenrief, predigtein einerWüste.Wassie schrieben,ist vergessen;wahraberblieb, trotz Menger Prophezeiung, nicht Grabschrift,dasWortBodins, ihres ersten Gegners:nurdasMißverhält- nißzwischenReichenundArmenbedrohedieKönigemitLebensgefahr.

W

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Münchener Kunst. 303

Münchener Kunst.

Ichging gestern aufderStraße hinter zweiMädeln. Jch hielt sie für

«

«kleineLadenfräuleinzaberich mußte mich getäuschthaben.»Was machensnun, FräuleinMali,wenns zuHauskommen?« fragtedieEine.

»Jwoas nonet«, lautetedieAntwort; »entwederi moaloder inäh.«Sie maltodersienäht. Jhr giltAllesgleich.Unddawollendiebösenberliner Zungen behaupten,mitMünchenalsKunstmetropole seiesaus.

Wir wissen hierinMünchen sehrgut,wo uns derSchuhdrückt.

HeineimSimplizissimus hatden künstlerischenAusdruck dafür gefunden.

Das MünchenerKindl,miteinemMaßkrugindereinenHandundeinem Kübel-Lorberim anderenArm,sträubt sichgarnichtgegen den berlinerBären mitderPickelhaube,derihmdenLorberabnehmen will;eskannjadann auchmitderanderenHandeinenMaßkrugtragen. Das ist ihmviellieber.

Gewiß:dieGeistesträgheitdes»gemeinenMannes« und man darfden Begriff rechtweitnehmen isthierziemlichgroß.

AberwennLeute, diedocheinmalkein wahres inneresVerhältnißzurKunst habenkönnen,sichnun auchgarnichtum »sowas« kümmern,soverliert dieKunstdabeieigentlich nichts;wenn aber,imGegentheil, dieseLeute, ihremUnverständnißzumTrotz, sich fürdieKunst interessirenundinKunst- angelegenheitenmitreden unddreinredendürfen,dannmuß solchesGerededer Kunstübelbekommen,nichtnur, wodie Dreinredner gekrönteHäupter sind, sondern auch,wenn eseinnaseweises, eingebildetesPublikum ist.Esgiebteine ArtBildung,wenn man dasDing so heißendarf,die derKunst hinderlicherist alsUnbildung.Das giltbisnachoben. »KunstundWissenschaft«,sagen wir inDeutschland.Alsob dieBeidenGeschwisterwären undnothwendig zusammengehörten.Essindabermindestens zweieinander sehrfeindliche Schwestern;und schon mehralseinmal hatdieWissenschaftderKunstdie AugenausgekratztMan darftrotz Alledem aberkecklichbehaupten, daßdie KunstinMünchenaus volksthümlicheremBoden gewachsenistalsirgendwo inDeutschland.EsgiebthiervielJmportirtes, durch Königswillenkünst- lich Aufgepfropftes.Dassollteabernicht hindern, tiefer liegendeWurzeln zubeachtenundin ihrerBedeutungzuerkennen. Man darfdannfreilich Münchennichtvon seinemHinterlandabgesondertdenken,wozuaußerdem politisch bayerischenauchdastiroler Gebirgsland gehört. Hier hat ausbrei- tester Basisdiekirchlicheund weltlicheRokokokunst(eigentlicheinPleonas- mus)bisweitinunsereZeit hinein geblühtund ganzeMalergenerationen beschäftigt,derenHauptvertreter geradezudenWittelsbachern vielfacheBe- ziehungenhatten. Hierwar dieTradition eine Macht undeinbesruchtendes Element,das noch heuteinzahlreichenHausmalereienzuspüren ist.Die

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304 DieZukunft

Kunstgefchichtehatsichbisjetztdamitwenig beschäftigt.Siewirddas Ver- fäumte einst nachholenunddann werdenVielestaunen. Jn Münchenwissen Männer vom Handwerk,Maler und Bildhauer, besseren Bescheidalsdie Gelehrten. JchkenneEinige,dienichtnur diegemaltenWerkedieserRokoko- meisterfleißigstudirt, sondern auchderenManuskriptenund·Rezeptenmit Erfolg nachgeforschthaben. Siefühlen sichzurFamiliegehörigundsetzen ihrenStolzdarein. Einer vonihnenmlt eben dieFreskenanderAußen- seitederaltenResidenz.

Unddawäredenn gleichüber dieStraßenkunstEinigeszusagen, besondersüberArchitekturundderenäußerenSchmuck.

EinKapitel für sich sinddieKirchenbauten.Man darfdanichtzu«

vielverlangen,zum Beispiel:keineneigenen,modernen Stil. Einfolcher,.

glaube ich,wäre,wenn man Geschichte,ZweckundJdee solcher Bauauf- gabenbedenkt,nichteinmal zuwünschen; jeder Versuch dazu,meineich, müßte scheitern. Zwar: inRomstaunte ichübernichts so sehrwieüber

dieneuen Kirchen.Vielefindesnicht.Romhat Vorrathgenug. Eigent-

licheMonumentalbauten sind auch nichtdarunter. Aberessind auch durch- aus nichtKopienalter,berühmteroderunberühmterMuster.Darüberwäre- nichtzustaunen.Nein:sie find,wiesieebensind.Aber ganzfrei konzipirt;

man muß wirklich staunen. Das giltvon denneuen münchenerKirchen nicht.Diebesten Architektenhaben hiernur denEhrgeiz,demStil,um denessich gerade handelt, gerechtzuwerden. NachdergelehrtenStil- gerechtigkeitwirddasarchitektonischeVerdienstinersterLiniebemessen.

WelchenStil man wählt?Das ist nichteinmalmehr Modesache, insofernman unterMode die zwarkurzlebige,aberausschließlicheHerrschaft einerGefchmacksrichtungversteht.NichteinmaleineephemereHerrschaftwird heute nochanerkannt. Man ist nicht mehr ausschließlich,auch nicht fürdie kürzesteZeitfpanne.Man hat füralleStile dieselbe Gerechtigkeit,dieselbe Liebe. BisinunserejüngstenTage hinein hatman vorzüglichdasGothische undRomanifche kopirt. Diesebe denBauweifen galtcn, vielleichtnichtmit Unrecht, fürdievorallen anderen religiösenStile. DiebegeistertstenAn- hängerderJesuiten habenkaumandiesem Dogma gezweifelt.Aberein Kunstgeschmack,derkeinnothwendigesProdukteinerbestimmtenKultur ist,.

kannnur eklektischsein.Sohatman jetzthier,inSanktJofef,eineJefuiten- kirche gebaut,wo auchdasTüpfelchenaufdemJ nicht fehlt,und gleich- danebenerhebtsich,ebenso funkelnagelneu,sogareineflorentinischeBruneleski- KirchemitDella:Robbia Altären. Sie paßt nach MünchenwiedieFaust aufs Auge.Undgewißhätte nochvor wenigen JahrenNiemand solche Kühnheit für möglichgehalten. Noch dazuinMünchensNatur undKlima-

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