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Die Zukunft, 6. August, Bd. 48.

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Academic year: 2022

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ff w Is-

Plehwe.

« jatscheslaw KonstantinvwitschPlehwe,derimZarenreich sechsund-

- zwanzigMonate lang MinisterdesInnernwar,istinPetersburg durcheineDynamitbombe getötetworden. Erhatte solchesEndegefürchtet und,um ihm zuentwischen,denScheinderLächerlichkeitnicht gescheut.Die Kutsche,indererfuhr,war gepanzertundvoneinerSchutzmännerschaarum- zingeltz Radfahrer, Reiter, manchmalein Autvmobil: vorn,hinten, rechts undlinks einelebende-DeckeUndzwischenRevolvernundSäbeln,demBlick unerreichbar,kauertehinterdenkleinenFensternderrollenden Festungder stämmigeMann mit derfrühverwitternden FassadeeinesRiesenund dem OtternaugeimKopfeinesschönenJaguars.Sozeigte,soverbarg SeineHohe Excellcnzsichdemrechtgläubigeanlt. JndenMinisterialbureauxwurdeer ausgelacht, wurde,wenn keinLauscherinderNähewar,spöttischgefragt,ob derTyrannenspieler sichdennnicht schäme,seineFurchtsamkeitamhellen Tag durchdieStraßenzufahren.Nein. Erschämtesichnicht. WiePhilipp derSechste,dergekrönte,beiCreey schmählichgeschlageneTropf, hielt auch dieserHeldenposeursichfürdenvonderallweisenVorsehungzum Retterdes Vaterlande-s auserwähltenMann; diePanzerplatten schütztenla fortune de la- Russie. Jeder solltesehen,daßimweitenReussenreichkein Anderersoge- fährdet,gefürchtetistwieWjatscheslawKonstantinowitschPlehwe.Warum? Weil Keinermitso eifernderTreuedemSelbstherrscherdient. Dasmußte aufdenKaiserwirken. Wirkteauch;NikolaisirritablerSinn war vonsol- cherHingebunggerührt. Nutzenkonnte derApparat freilichnicht.Wer be-

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reitist,seinLeben zuopfern,kannausderdichtestenLeibwacheEinenreißen undaufdendunklen Wegmitnehmen. Hundertmalward erwiesen, dasz wederuniformirte noch geheimeSchutzmannschafteinenvom Fanatismus Bedrohtenschirmtztausendmal, seitHarmodiosundAristogeiton denPeisii stratiden trafen. Doch sollte Plehweetwaaus derGeschichtelernen?

WerSolches forderte,hat dasWesendesMannes nie erkannt Wenn drüben,denliebenEngleinundbösenTeufelnzuErbauungundKurzweil, Zeitungen gehalten werden,wirdPlehwesichseiner Nekrologefreuen. Erhats erreicht.Er wirdfastüberall wie ein reaktionäres Geniebehandelt.Wie eine starkePersönlichkeit,derdieMalteserderliberalen PresseinschönemZorndie PosasrageinsGrabnachheulen: »Sie wollten,alleinin ganzEuropa, sich demRadedesWeltverhängnisfes,dasunaufhaltsamin vollemLaufe rollt, entgegenwerfen?MitMenschenarminseine Speichen fallen?«An Kat- kow wirderinnert, PobedonoszewalsSchreckgespenstbeschworenundschließ- lich gesagt,Mordbleibe zwarMord,aberamWarschauer Bahnhof seiein Geßler,einErzfeind freier Menschenwiirde,gerichtetworden. Dasklingt pompös.Nur ists ersteinJahr her, seitdieHehren ichaudernd ihr Haupt verhüllten,weilmuthige serbischePatriotendengemeingefährlichenParalh- tikerAlexanderundseine Metze geschlachtethatten.Undwenn morgen der MassenmörderAbdulHamidinseinemBlutschwömme,wiirdensiefrommdie grauseGewißheitbeflennen,daßdieMordsuchtin Europa endemischgeworden fei.EinBischen Aufrichtigkeitkönntenichtschaden. Plehwe galt— ohnetrif- tigen·Grund,wieseineFeinde selbstzugaben alsAnstifterundBegiinstiger derbessarabischenJudenversolgungzunddaineinemgroßeuTheilderengli- schen,deutschen,amerikanischenPressedieStimmungvonSöhnen Israel-Zge- machtwird,wurdeder»SchlächtervonKischenew«wie weilandHerr Haman gehaßt.Dasistmenschlich.EinehrenwerthesStammesgefiihl mußtesichem- pörtgegen dieBarbarenwuth aufbäumen,dieohnmächtigenjüdischenWuche- rern,jiidischenBettlerndieblutendeHautvomGedärmriß.Nursollman sich zu demgerechtenJudenressentiment offenbekennen,esnichtinderFlickenhiille schäbiggewordener Humanitätinsdeutsche Nest schmuggelnundfürdie Herzenssachedergesammten Menschheit ausgeben. PlehwehatdenTodver- dient,weil erdesJudenmordes dringend verdächtigwar; alle anderen Gräuel wärenihm,wieRobespierre, Erispi, Alexander Obrenowitsch,denPana- misten,demSultan,verziehenworden. Muß jiidischeHysterieaber dasZu- fallsgeschöpfkaiserlicherLaunein einenslavischenMaechiavell umfälschen, denDutzendprokuratorinsGigantenmaßrecken?Auch Ahasvers Günstling

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Plehwe. 203 war einkleiner,desNachruhmes unwertherMann; undnur dasenge-Hirn einesKellerfanatikerskanndanach streben,denTodestag Plehwes durchein zweites Purim,einneuesHamansfest,imKalender vereinigtzusehen.

VorhundertJahren hatte RusslandeinenReichshistoriographen,der Karamsinhießnndder wachsendenPanslavistengemeindedieVibelgalnDieser orenburger Asiat,denSperanskijs Modespielereiärgerte, schrieb,vonVer- fassungfiktionen,vonderallergeringsten EinschränkungderSelbstherrlich-

·keitdürfe einstweilen nichtdie Redesein,und warnte,in einem Volkvon Analphabeten künstlichBedürfnissezuwecken,dieungestörtnoch Jahrhun- derteschlummernkönnten ;nurinschleunigerRückkehrzurnationalenUeber- lieferung saherdasHeil.HättePlehwe auchnur einFünkchensolchenGe- fühles gehabt:man müßtedenHutvorihm ziehen. JndenNekrologender Hasser ähneltereinemKaramsin,erinnert erbeinaheandiegenialeAska- nierin,die im KlimadesRusscnislams so rasch heimischward. Jnder ge- meinenWirklichkeitsaherganzandersaus. NichtsvondemTemparament, derleidenschaftlichenUeberzeugungKatkows,vonderstarken JntelligenzPo- bedonoszews,die alleserreichbareWissenumfassenwill,umesalsnichtigen, demFrommen abscheulichenTand zuverschreien.Plehwe hatnieeineSache gewollt;immernur sich,feinecarriiere NichteinmalimTraum kamihmder GedankeandieeinzigeernsthafteRevolution, dieinRußland möglichscheint:

dieslavischeJaequerie,denAusstandderdumpfenMassegegendie dünne FrontderwestwärtsfchielendenJntellektuellen.Dashätteihm-gar nichtge- paßt.ErübertyranntedenTyrannen, griff unstet hierhinunddorthin,kränkte nndhetztcFinenundPolen,Armenier undJuden, kürzteProfessorenUnd Studenten,Bauern undFabrikarbeiterndasBischen Lebensrechtundließ keinTadelswörtcheneinesZeitungschreibersansLicht.Abererwolltebeliebt sein,RühmlichesübersichlesenundzittertevordemFluchderUnpopularität.

GabsichfüreinenphilosophischenKopf,einenHegelianerderaltenStaats- schnle,ausundhatte stets Muße,wenn erhoffen durfte,einenJournalisten, vielleichtgarcincnausParisoderLondon,zu einemLobliedchenbeschwätzean können. KeinReaktionär,sonderneinStreben Woranerglaube, wußteNie- mandgenau ;kaum, woherereigentlichstamme. PoleoderDeutscher,Katl)olii, Kalvinist,OrthodoxerPJedenfallskein reinerRussezundohnedie ineiner sauberenKinderstubeempfangeneTradition.Umsokräftigermußteer,wenn erszu Etwasbringen wollte,anseinePatriotenbrust schlagen,umsolauter dcnSegen ehrwürdigerUeberlieferung preisen.Die Rolle desLiberalenhätte ihm mehr behagt.Da imAugenblickabergeradeeineeiserneFaust-gesucht

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wurde, mußtederPolenpslegling sichin dieZeit schicken,denstarr Konser- vativenspielenunddieRicsenfassadedick mitEisenfarbe anstreichen.

DieBerufspflicht hatte ihnanGehorsamundzugleichanHärtege- wöhnt.Erwar Staatsanwalt, hattedenAlltagsverbrechenunddenVer- schwörungenderNihilisteu nachzuschnüsfeln,mitlistigenAdvokatenumdie armen Sünder zutausen,undmachte seine Sache so gut, daßerunter dem Heerdenviehbaldauffiel.DieNaseeinesSpiirhundesunddieslinkeZunge Reinekes,dervorNobels ThronumGerechtigkeitfleht. Polizistentalentund Beredsamkeit: so köstlicheGaben konntennicht unbelohntbleiben. Loris- Melikow Menschenkenntnißwar nie diestarkeSeitederLiberalen ließ ihnzumDean tementchefimMinisteriumdesInnernernennen. Jetzt hieß es,vorsichtigsein,umjeden Preis sichaufdererstcnSprossederEhrenleitcr halten Und, ohnedenNeidböserNachbarnzuwecken,sacht höherklettern.

Plehive hats erreicht.Erstießnirgendsan, wurdenielästig,warunter drei Kaiseru,dreischarfvoneinandergeschiedenenRegirungsystemeuimmermit demselben Eiferatherk. AusdemdunkelstenSchlupfivinkel scheuchteerdie Verdachtigen auf.KeinSkrupel,keinSchwindelansall schreckteseinrobustes Gewissen.DaßerseinenPflegevateranschwärzen,denbrieflichenVerkehrLoris- Melikows,alsderschwächlicheReformator inUngnade gefallenwar,über- wachen mußte,warhart,abernothwendig.So wurdeer Wirklicher Geheimer Rath, Staatssekeetär für Finlandund, alsSipjagin ermordetwar, Minister desInnern. Dochimneuen Wiirdenkleid lebte deralteAdam. Der Staatsan- walt,derüberallVerbrecherwittert, schnelljedenerwünschtenSchuldbeweiszu zimmernvermagundso abgehärtetist,daßihmdieWimper nichtzuckt,wenn erzwischenFrühstückundMittagessensechsMenschenandenGalgen schickt... DergeistreicheGeneral Fadejew pflegtezusagen,ganzdumme Kerlegebe esnicht; irgendwoseiJederzugebrauchen. Plehwewar einpfiffiger, schlag- fertigerundgutaussehender Staatsanwalt, dasIdealeinerBiittelsecle.

Wie, nachdemWortedesjungen Schiller,dieGottheit, soverstehtsichmanch- mal aberaucheinStatthalterdesHimmelskönigsübelaus seineLeute und machtausvollkommenen HenkersknechtenschlechteMinister.

Plehwewar einspottschlechterMinister, zeigte sichimhohen Rang wirklichalseinenDummkopfundwurdevon denverständigenLeuten im Zarenreichfastnochmehr verachtetalsgehaßt.DennochbrauchtederKlüngel, derihnemporgebrachthatte,dieWahldesWerkzeuge-snichtzu bereuen.

Frühling1902. JnOstasien ist nichts Rechtesmehrzuverdienen,dieHolz- konzessionenamYalusindeinstweilennicht auszubeuteuundNikolausscheint

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Plehwe. 205 Entschlossen,vorderdrohendenGrimasse derjapanischenAffenhordesänftig- slichzurückzuweichen.Kein Wunder: nochbeherrschtSergejJuljewitschWitte DenSinn desBescheidenenundhindert thörichteAbenteuer. Das darf nicht dauern. DieKamarilla,zu der einpaar-Großfiirsten,Alexejew,Bezobt-azow undAndere eiusdem farinae gehören,mußdenMonarchenzunächstvondem Minister trennen,der, seitLobanowtot ist, auch derinternationalenPolitikdie Richtung weist.DasalteSpiel,dassooftdenKronenträgernverhängnisvoll -ward,wirdwiederbegonnen.EinKaiser, zischeltszumThron hinan, darfsich nie dem WilleneinesSterblichen beugen.EinvonGottes GnadeGesalbter siehtweiter als andereMenschen. Nacheiner Weile wirkts.Dergutmiithige, schüchterneZar,derseinemVolke dasBeste ersehnt, fängtsichzufiihlenanund gleitet erst,taumelt dann in denWahn, fiirdenBismarck dasSpottwort sand, mancheMonarchenbildetensichallenErnstes ein,ineinembesonderen Geheimrathsverhältnißzum liebenHerrgottzustehen.Nundarfman gegen denMinister schonEtwasriskiren. DieserHerrWittethut,alsseierberufen, dasVermächtnißAlexandersdesDritten zuwahren.Dabeihaterkeine AhnungvonRußlandsweltgeschichtlicherMissionundwagt,zubehauptcn,auch wirseiendemEntwickelungsgesetzunterthan undmüßtcndenWegderEuro- päerkulturgehen, wir,diedochvonganz andererArtsindals dasfauleGe- sindelimWesten.Washaterdenn garso Ungeheuresgeleistet?Schulenge- gründet. MitRechtabersprachdiegroße-Kaiserineinst:»Wennunsere Bank ernanfangen,Etwaszulernen,werdensiemichbaldvonmeinemSitz jagen.«

Undsonst? UngesundeIndustrieinsLandgebrachtundunruhigesProletariat -gezüchtet.EinezuverlässigeStützederheiligenAutokratieistderMann sicher nicht.StrebtabernachAllmachtimReichundhältsichfür unentbehrlich.Dic- sesMittel versagtnie.Unentbehrlichdarf sichinMonarchienKeincrdiinken.

Nikolaus verliertdieUnbefangenheit,dieerfrüherimVerkehrmitseinem

·klügstenMinister hatte,undgewöhntsichin denfalschen,unköniglichcnStolz idesSchwächlings,dersichvonfremderLeistungverdunkeltfühlt.Er will seine Selbständigkeitzeigen,alsMonomachos schalten:undsieht sichbeije- demSchritte dochgehemmt. ImganzenMinisterrath istkeintauglicherHand- langer.DerHausmeier hältAlle instrengerZucht.Da wirdPlehweem- pfohlen.Undnun hat derSohn AlexandersdenMann,denersichwünschte.

DieGefahrdesAsiatenkriegeswarnähergerückt.DerweiseLisHung- Tschanghatte sievorausgesagtzalserzu denKrönungsestcnnach Rußland gekommenwar,hatteerdemFinanzministermitdrängenderZärtlichkeitge- rathen,dieBahnnurbisWladiwostokzu bauen undsichnichtin den Süden

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locken zulassen;sonstseienunabsehbare Verwickelungensicher.Chinawollejede möglicheErleichterung gewährenundwerde,umdenRusseneinen Um wegvon sechshundertKilometern zusparen,denBaudermandschurischenStrecke Nertshinsk-Tfitsikar-Wladiwostokerlauben.Nurja nichtweitersüdlichgehen!

WittehattedieWarnungbeherzigtnndimmerdieRäumung derMandschurei empfohlen.DashätteeinenStrich durch dieRechnungderKamarilla gemacht, dieschonnach KorealugteundaufneueprofitlicheUnternehmungen hoffte.Die Aufgabe, denZaren für ihreZweckeeinzufpannen,warnicht ganzleichtzein Trompetenftoßhättedenneurasthenischen Schwärmer aufgeschreckt.Man mußteesfeiner anfangen.WasWittewill, hießes,ist nicl)tfalsch;nuristsmit denMitteln,dieervorschlägt,nichtzuerreichenSolcherFinanznienschversteht ebennichtsvonTaktik. Wer den Gelbennichtimponirt, istverloren.Wenn wir unsheutefügsamzeigen,fordernsiemorgendasDreisache.Nein:ausden Tisch bauen, mit demSchwertrasseln,dieMakakenbandeerinnern,daßfiemitdem Russenreichzuthun hat,vordem derErdkreis zittert. Danngiebtsies billig;

wirdsichhiiten,mituns anzubindenzhatnur,folangewirunsducken,eingroßes Maul. DaswarbisjetztderFehler. Alle bescheiden.DerWeißeZar muß stets zeigen, daßeraufdemStuhldesWeltrichters sitzt.Soklangdie Lock-- flöte.UndNikolausließ sicheinlullen. Er wollte denFrieden erhalten, glaubte, dieJapanerwürdenallen-Hohn,jedeSchmälerung ihres Besitzesundihrer Hoffnung ruhig hinnehmen,undverbotrechtzeitigeRüstung.Jm Minister- rath hatteerehrerbietigen Widerstand gefunden.GrafLa1nsdorffundGene-- ralKuropatkin gingen mitWitte, dessenerstesundletztesWortimmer war:

Wirmüssenerfüllen,swas wirversprochenhaben. Plehwekam alsVer- trauensmann derHofcliqueins Amt undtratoffenalsAnwalt derKuma- rillaauf.DesKaisersWillewarihm höchstesGesetz; undoftwarderDumm- kopfschlaugenug,schondenfernen WunschdesHerrnzuerrathen.DerGossu- darwarzufrieden. Endlich hatteereinenGehilfen, aufdenersichunterallen Umständen verlassenkonnte,derausdemAdvokatengezänkdieGaberascher Replik mitbrachteunddasSachverständnißdurchdreifteSchroffheiterfetzte..

In Rußland,wonichts veröffentlichtwerdendarf,bleibtnichtsver-·

borgen. AuchdiezwischenWittenndPlchwein der StilledesKronrathes gewechseltenWortesickertenschnelldurchdenTshinundwurden vonMund zuMundweitergetragen.Wittesagte,diemilitärischeBesetzungderMand- schu-reisei zwecklos,PortArthur für RußlandaufabfehbareZeitohneWerth.

Plehwe antwortete,werdie ersteStufeeinerTreppebetreten habe,müsse,wenn ernicht furchtsam scheinenwolle, weiterschreiten.Witterieth,den ganzen

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Plehwe 207

KomplexderinOstasien streitigenFragendenDiplomatenzuüberweisen, dieauchdasHeikelsteohneLärmerledigenwürden· PlehwesAntwort war:

»Durch scineBayonnette, nicht durchDiplomatenkunst, istRußlandgewor- -den,1vases is.« Der indiePolitik verschlageneStaatsanwalt, dessenDiplo-- matiein dergeschicktenBenutzungvonSpitzelzuträgereienbestandunddem dieReussengeschichteeinversiegeltes Buchwar,erdreistete sieh,demColbert desZarenreichesbeijeder erhaschbarenGelegenheitüberdenMundzufahren.

Undwarauf solcheLeistunghöchststolz, schwatzteseineRednertriumpheaus undließsichvondenAbenteurern alsRetterdesVaterlandes feiern.Witte that,wasdieSelbftachtnng gebot.ErsahdenKrieg kommen,den dümmsten, denRußland je geführthat,wollteihnnichtverantworten undbatumEnt- lassung. Vielleichthoffteer, derHerr werdeihn halten;dochderAbschiedwurde in Gnadenbewilligt. Derkühnste,anErfolgen reichsteFinanzministerderRo- manows ging:underlebtnun dentraurigen Trost, daßAlleseintrifft,was serprophezeithat. DerKrieg ist gekommenundhatRußland sounvorbereitet gefunden,wieesnachdemWillen seines friedlichenZaren sein mußte.

Plehweblieb in derGunst.Weilerbequemwar undnicht mehr sein wollteals einWerkzeugerhabenenWollens. Niemals hatcr, wieeinst Po- bedonoszewundspäterWitte, Einfluß gehabt,nie dieRichtungderPolitik bestimmt.Dem kleinenEhrgeiz genügtedasschreckendeZeichenderPolizei- machtunddieMöglichkeit,sichvonGrollundNeid imEngstenzuentladen.

Seine frevleUnfähigkeithätte vielleichtnochJahre langimLandegehaust.

Nunhatsein Kaiser selbstihnindieGruft getragen...Undnatürlichhören wirwieder, Russland stehe dichtvoreinerRevolution. Wieoft vernahmen wirsschon?Buturlin war schlimmeralsPlehwe,dieterroristischePropa- gandaunter demzweitenAlexander,dendieGardeofsiziere,weilerdieUni- formen sooftändernließ,denMilitärschneidernannten,gefährlicheralsunter feinem sanftenEnkel.AdlerbergundGenossen,dievorvierzigJahrengegen Suworow wühlten,weilerihreunsanberen Schachergeschäftehinderteundsie zurZahlung ihrer Wechselschuldenzwingenwollte,waren nicht harmloserals AlexejewundseineKumpane.Neuist eigentlichnur, daßeineitlerTölpelan cinesosichtbareStellegeschobenwerdenkonnte. WennPlehwenichtentdeckt worden wäre,säßeHerrWitte wahrscheinlichnochimFinanzministerium, Herr Kuropatkin irgendwoamBaltischenMeer,in derheißenMandschurei kröchendieModennichtausjung verwesendenRussenleibernund dasZaren- reichbrauchteunsnichteinenHandelsvertragzuunterzeichnen,derihmmin- destenszehnJahre langdasLebenvergällenwird. AlsdeutschePatrioten müß- tetJhr,liebeHerren,Plehwes Tod, trotz Kischenew,aufrichtigbetrauern.

s

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208 DieZukunft.

Jüdische Unteroffiziere.’··)

WerCentralverein deutscher Staatsbiirger jüdischenGlaubens hat sichs

; « neulichaneinederdeutschenHeeresverwaltungenrnitderBeschwerde- darübergewandt, daß JudendieAufnahmein dieUnterofsizierschulenver- weigertwerde. DieAbweisungseivondenmilitärischenBehördenmitder- Thatsache begründetworden,daßderfürdieAufnahme erforderlicheKon- sirmationschein oderdieBescheinigungüberdenEmpfangderersten- Kommunion nichtvorgelegtwerdenkonnte. DerBeschwerdewurdekeine- Folge gegeben,weilnachdenamtlichen FeststellungenvondenUnterofsizier- schulenNiemand wegenMangelseinesderbeidenerwähntenSchriftstückek zurückgewiesenworden sei.DennochbleibtdieThatsachederverweigerten Ausnahme bestehen;unddenSachkundigenkannesnicht schwer fallen,die- wirklichenGründedieser Weigerungzuerrathen.

DasVerlangen unserer jüdischenMitbürger,daß auch ihren Söhnen dieLaufbahndesdeutschenUnterossiziersnicht verschlossenwerde,istansich durchaus berechtigt;undjeder gerechtUrtheilende muß verstehen, daß sie nach- dieserRichtung energischvorgehen. Haben sie nichtallePflichtendesStaats- biirgers ohne Ausnahmezuerfüllen?Wie läßt sichdarechtfertigen, daß ihren Söhnendievom Staat unterhaltenen Unterossizierschulenverschlossen bleiben? Siehtesnichtfastaus,alsseiensie Staatsbiirger zweiter Klasse, derenRechtedenPflichten nicht entsprechen? Theoretisch muß ohne Zweifel auchdenjüdischenjungenLeutenderEintritt indieUnterosfizierschulenge- stattetwerden. Aberwieselten deckensich TheorieundPraxis!Auch hier.

stehtdiePraxisimschroffstenGegensatzzurTheorieDiejungenJsraeliten wollendurch denBesuchderUnterosizierschulendieQualifikationzummili- tärischenVorgesetztenerreichen. Dagegen sprechenabersehr vernehmlichdie RücksichtenaufdieDisziplin unseres Heeres-

«)DerOffizier, der hierdasWort nimmt,hat,roieerselbst in der»Zu- kunft«erzählte,unter demPseudonymFreiherrvonGuhleneineSchriftveröffent- licht,diesichgegenallerleiMißstände deutschenHeerwesenswandte undauchin derdemokratischenPressevielBeifall fand. Erist alsowederstockkonservativnoch- einblinderAnbeter allergeltendenAutorität. Daßertrotzdem, nachderErfahrung einesMenschenalters,dieFrage,obJsraelitenpreußischeUnterossizierewerden könn:n,verneinen muß,magManchen traurig dünken, sollteabervonKeinemüber- hört nochgaralseinZeichen antisemitischer Gesinnung verspottetwerden. DieBe- hördeisteinerklarenAntwort auf dieseFrage oft ausgebogenHier ist sie rückhalt- los offenvoneinemSachverständigenbeantwortet. Vielleichtkommenausanderer ErfahrungbaldandereStimmen,diesagen,dieDisziplinseiin derdeutschenArmee so fest, daßesnur einesMachtwortes bedürfe,um demjiidischenUnterosfizierdas demVorgesetztenunentbehrlicheAnsehenzu,sichern.

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JüdischeUnteroffiziere. 209 DerjüdischeSoldat hatsichimDienst durchaus nichtetwaalsunzu- länglicherwiesen.Ebenso wenigkannihmimAllgemeinendieBefähigung zumVorgesetztenabgefprochenwerden. Jnmeiner einganzes Menschen- alterausfüllenden Dienstzeit habe ich sehrvieleJuden unter meinem Befehl gehabt. Wenigevon ihnen"ließendienstlichzuwünschenübrig.Ein- zelnewaren geradezuidealeSoldaten, diemichundauchandereOfsizierezu aufrichtigerBewunderung hinrissen.NurVoreingenommenheitkanndaherdie militärischeBeanlagungderJuden leugnen.UnterdenbestenTruppenführern Bonaparteswaren Juden. EinJude ist,wenn ich nichtirre,Kriegsminister desKönigreichesJtalien. Darau, daß sichtrotzdemimdeutschenHeerdie Jfraelitennicht alsVorgesetzteverwenden lassen, trägtdasWiderstrebendes christlichenMannes dieSchuld,einem Judenzugehorchen.So fremd unserem einfachen Mann,wenn ernicht konfessionelloderreligiös einseitig beeinflußtwurde,auch jedeGehässigkeitgegenAndersgläubigeist:gegendie Pflicht, jüdischenVorgesetztenzugehorchen, lehntersichinnerlich auf.Ein jüdischerSoldat zeichnetesichimletztenFeldzugso aus,daßerinkürzester ZeitderLieblingallerOffizierewurde undsie nicht eher ruhten,alsbis sie seineBeförderungzumUnterofsizierdurchgesetzthatten.Kaum war eres aber, alsdieSchwierigkeitenmitdenMannfchaften begannen;undsotakt- vollsich auchbeijeder Gelegenheitderjunge Unteroffizierbenahm: sehrbald mußtendieOffiziere bereuen, daß sie seine Ernennung vorgeschlagenhatten.

Dennsiekonnten nichtverkennen, daßunter derZugehörigkeitdesUnter- ofsizierszumJudenthumdieDisziplinderCompagnielitt.

Die Staatsraison stehtaber über derTheorie. Verlangt sie, daß Soldaten jüdischenGlaubens nichtindieChargeeinesUnterofsiziersvor- rücken,so muß dieser Forderungunter allenUmständengenügtwerden, mag sichdasRechtsgefühlnoch so sehr dagegen aufbäumen.Diesalus publica ist eben dashöchsteGesetz.JnFrankreichundItalien stellt sie aufkon- fessionellemundreligiösemGebieteandieArmeenicht so harte Forderungen wiebei uns; vielleicht,weilFranzosenundJtaliener religiös weniger tief empfindenals wirDeutschen.So bedauerlichesist:unserejüdischenMit- bürger müssenderEigenartdes christlichen deutschenSoldaten Rechnung tragenundsichdamitbegnügen,denRechtsanspruchihrer Söhne theoretisch zubetonen. Das fordert übrigensauch ihreigenstes Interesse.Welche Befriedigungkanndiesen SöhneneinmilitärischesAmtgewähren,indem sie stets aufdemQuivive leben, beijeder BerührungmitihrenUnter- gebeneneinenKonflikt fürchtenmüssen? JchkanndeshalbdasVerfahren dermilitärischenBehördenur billigen,diesichnichtzuentschließenvermag, dasHeerundjunge judischeLeuteernstenUnzuträglichkeitenauszusetzen.

WeißerHirsch. Oberstlieutenanta.D.Karl von Wartcnberg.

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210 DieZukunft.

Hat Kant Hume widerlegte

. asGrundproblemallerErkenntnißheißt:GicbtescinKriterium der

«

Wahrheit? DerradikaleSkeptizismusaller VölkerundZeitenant- wortet rundundentschieden:Nein! Verstehtman unterbleibenderWahrheit einUrtheil,daszuallenZeitenund von allen denkenden Menschenaus- nahmelosalsgiltiganerkanntwerdenmuß, so giebteskeineWahrheit.Denn alleWahrheiten,dieuns vomAnbeginndermenschlichenKultur analssolche angcpriesenworden sind, haben sachlicheKritikerundgrundsätzlicheVerneiner gesunden,dienichtausUebermnthoderUnverstand, sondern aufGrund ehr- licherUeberzeugungenund unwiderleglich scheinenderBecveisführungendie logischeUnzulänglichkeitdieser »Wahrheiten«aufdeckten.Giebtesaber keine unbedingte, füralle denkendenMenschen giltigeWahrheit, sobleibtfür Jeden alsletztesWahrheitstümpfchennur Das bestehen,was ihmindiesemAugen- blick alswahrerscheint,zumaldernächsteschondurch irgendeineneue That- sachedaszerbrechlicheRohreinessolchen Momentglaubensknickenkann.

Fehltuns derobjektiveWerthmaßstab(Kriterium)derWahrheit,danngiebt eskeinWissenmehr, sondernnur nochein Meinen,keinebestimmteWillens- richtung mehr, sondernnur nochWillkür undLaune.

DasletzteWort desradikalenSkeptizismuskannnichtanders lauten als:AuflösungundZersetzung;einZerflatterndesMenschengeschlechtesin Atome. DieseregocentrischeStandpunkt,dersein wechseloollesjeweiliges

»·Jch«zumeinzigenWerthmaßstaberhebt, ist gleichbedeutendmit einem Ato- mismus imPsychologischen. AufdasErkennen angewendet, heißtdieser EinzigkeitwahndesJch: Solipsismus(die Karikatur desJndividualismus).

AufdasHandeln übertragen,lautetdie(vonStirner stammende)Formel:

Mir geht nichtsübermich. DerpolitischeAusdruck dieserTheorie heißt:

Anarchismus. Jnder Metaphysik findenwirsie wiederalsmechanisch- atomistischenNaturalismus. Der zusammenfassendeName fürall diese TheilerscheinungeneinesaufdieSpitze getriebenenJchwahnes heißt: Nthi- lismus. AlserkenntnißtheoretischesCredo bedeuteterSelbstauslösungnnd BankeroterklärungdermenschlichenVernunftund eben damitallermenschlichen Kulturwerthr.JstallesWissennur Chimäre,so löst sichalles Könnenin eitel Dunst aus« Wozu Energien heraustreiben,demGestaltungtriebnachgeben, Schöpferkrastentfalten,wenn dernächsteWindstoßdaslustige Kartcnhaus meines Gebildes müheloswsgblasenkann? Giebtesweder Wahrheitnoch SchönheitalsbleibendeWerthe:zuwelchemZwecknochweitersorschenodergar weiterschassen?Lieberausder Bärenhaut saullenzenunddenKadaver seist mästen,damit die bravenWürmer einstaufdieKostenkommen.

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HatKantHume widerlegt? 211 Jn Wirklichkeitistesabereinewiger IrrthumderJndividualisten, daß irgendeinLebewesen,vollends irgendeinMenschein»Einzeluer«sei.

DasisolirteIndividuum isteineFiktion, wie das AtomindenAugender heutigen Energetiker.Jn derKeimzelle,derJedervon uns sein Dasein dankt(oder auchnicht dankt), pulsirtdasLebenunsererganzenVorfahrenkette, dieunsinmanchenFällenmitköstlichemAngebindebedenkt, in vielen anderen aberunser Lebensschiffmitsatalen Erbstückenbefruchtet.Obsuns paßtoder nicht:Jederträgt inseinem anatomischenBauundin der Struktur derZell- bildung seines CentralnervensystemsdieabgekürzteStammesgeschichteseiner VorfahrenzuMarkt. DieOntogenese rekapitulirt,mitdembiogenetischen GesetzHaeckelszusprechen,diePhylogenese.Undnichtnur rückwärts ge- sehen stndwirkeinzufälligundplanlosdurchdenWeltraum wirbelndes Atom,wiederNihilismuswill,sonderneingesetzmäßigeingefügterRing inunserer Vorfahrenkette.DasSelbe gilt auchvom Zusammenhangmit demmitlebenden unddem aufuns folgenden Geschlecht. Mögenwirim PrinzipdenZusammenhangmit den Anderentausendmal leugnen: »DieNatur istimmerstärkerals einPrinzip«,sagtHume.DaswirklicheLeben,wo»sich hartim RaumedieSachen stoßen«,machtalleskeptisch-nihilistischenBedenken zuSchanden.OderwieHume treffendgegen allenSkeptizismusbemerkt:

»Alles menschlicheLebenmüßtezu Grundegehen, solltendieskeptischenPrin- zipien allgemeinundbeständigherrschen«(InquiryXll,3).

Undso richtetdennderentschiedensteNihilist,der einobjektivesKri- terium derWahrheit bestreitet, jede seiner HandlungenimbürgerlichenLeben genauso ein, alsobeseinsgäbe,weilernicht umhinkann,aufSchritt undTritt praktischzubethätigen,was ertheoretischverneint. Biologisch gerichteteDenker werdendahersagen:DieAnerkennungundBefolgungeines Kriteriums derWahrheit istderSelbsterhaltung nützlich,besondersderArt- erhaltung förderlichunddeshalbmuß selbst sein wildesterWidersacherin der PraxisdesLebensdasKnie vor ihm beugen.DerJuiperativderNatur lautet: BeiStrafedesUnterganges,derseelischenEntartungunddergesell- schaftlichenZerklüftung,diederSelbsterhaltung schädlich,derArterhaltung vollendsverhängnißvollist, habt JhrKriterienderWahrheit,wenn auch nicht theoretischanzuerkennen, so doch praktischzubefolgen; sonst fallt Jhrin anakchischeWildheit,indenanthropophagenUrzustandzurück,demJhrdank solcherWahrheitkriterienentronnen seid.

MüssenwirimInteressederSelbst-undArterhaltungKriterien der Wahrheit aufstellenundbefolgen,sostnddreiWegegangbar. Erstens-: Begriff.

Zweitens: Offenbarung.Drittens: Erfahrung.»DenerstenWeg beschreitendie Rationalisien(Sokrates, Plato,Descartes,Spinoza),denzweitendie Jrra- tionalistenundGlaubensphilosophen(die OffenbarungreligionenundihreBer-

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