• Nie Znaleziono Wyników

Die Zukunft, 20. August, Bd. 48.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Die Zukunft, 20. August, Bd. 48."

Copied!
40
0
0

Pełen tekst

(1)

IX» ,

»He-:Des-RID-

e

ZEEIJLH« . ) «

r:Y-.

!

Berlin, den 20. August 190i.

s r sts Is-

Der Zarewitsch.

WeiseverrieseltderletzteSpringquellim Parl.Von derTerrasseher hallen nochTritte,vonMarlyundMonplaisirkommtmanchmaleinZischcn,, einPrasselnund das matteEchoscheuerBewunderung,diedenLeuchtkugeln undFeuergarbenhimmelan folgt.EinHornsignal,sanftwiedieMahnung sehnsüchtigerMutterliebe: undringsumwirdsstill.HastigeSchritte,eine Degenscheideklirrt gegen dasParkthor;dannächztderSchlüsselimSchloß.

FürdienächstenzwölfStunden ruhtnunderDienst; zwölfStunden lang findetkeineUnheilsposteinSpältchcn, durchdassiein denSommerpalast schlüperkann.Nochdunkeltesnicht; dochinPeterhofstocktjedesLebensge- räusch.SchonwardderWasserkunstSchweigengeboten. Jetztwagtauchkein Kämmcrling,keinGärtner sichmehrindie müdeBlumcnprachthinaus.Weit in derRunde istallenThurmuhrendieZunge gefesselt,allenWächternjede widerhallendeBewegungbeistrengerStrafeverboten.So stillists,daßman den Meerbusen athmen,dasWasserdieMarmorstufen bespülenhört.Sostill mußessein. Einvon Wehen erschöpfterLeiblechztnachRuhe;undkeinLaut darf denSchlummerdesKindesstören,andessendünnemLebensfädchendie Hoffnungeiner leidvollenMenschheit hängt.Daliegtes.Roth und-runzlig zwischenschneeweißerSeideundmilchfarbigcnSpitzen.UeberdemKopfende deskleinen BettesbrenntvoreinemHeiligenbildeinLämpchen;daseinzigeLicht in demhohen, lustigenGemach. AufbloßenFüßenhuschtdieAmmenochhin undher-Sieist hier schonheimischundläßtsichvonall derPracht nichtein- schüchtern.Als dasWürmchenso jämmerlichweinte, sang sieihmdieLieder

OII

(2)

280 DieZukunft.

vomBruder,derdieSchwester verkaufte,undvonBaba-Jaga,derschlim- men Hexe,die einenKupfermörseralsKutsche,eine KeulealsPeitschebe- nutzt,wenn siedenMenschenknochenzaunihres Hauses hinter sichlassenwill.

DasGesumm hattedenKleinenberuhigt;ernahmdieBrustundschliefim Saugenein.Schnell nochdasNöthigstefürdieNachtvorbereitet unddann insBett.Da istsweichundwarm;undsowarm dochnichtwie zuHaus,wo siesichgern in die Eckepferchte,umdemMannPlatzzumachen. Späterwerden siesandershaben.EinstweilenträumtsiesüßundsegnetimTraumihrGeschick dasunterTausenden siezurNährerineineskünftigenKaisers erwählthat.

EinebehutsameHandöffnctsachtdiegepolsterteThür.DerVaterschleicht ansBettseinesKnaben. DieAngsttriebihn her;dasKindhattegarsospitz und welkausgesel)en;fast greiscnhaft.Wennersnicht behielte,derglücklichen Mutter,demabergläubigenVolksagen müßte:EureHoffnungstarbin den Windeln! DieAerztenannten seineSorge grundlos;derGroßfürstseikern- gesnnd.Aber dieNerven kommennichtzurRuhe... EinheißerTag.Vom Morgenbis zum AbendtraurigeBotschaft.NeueLeichen,neueNiederlagen kmfernen Osten;dieFlotte fast völligvernichtet,die alsunüberwindlichge- rühmteFestungbaldwohlvomFeind erstürmt. Beinahe ists schongewiß, daßderKriegimnächstenJahrvonvorn anfangen muß. Daheimim weiten LandeNoth,Unzufriedcnheit,blütiger FrevelunddumpferGroll. Mitleid- los,mit kaumverborgener Schadenfreude,blicktEuropaaufdasSchauspiel.

DasistdieFrucht zehnjährigerArbeitimDiensteinesVolkes,der ganzen Menschheit.Hier,amBettchendiesesKindes, ist Friede.Seine Geburtwar ein SonnenstrahlinfinstererNachtundhundertMillionenbekümmerter Men- schengrüßtenesjauchzend,wieeinenBringer himmlischenTrostes.Werweiß, wielange NikolajsSchläfedieschwereMützedesMonomachen noch trägt?Ur- alteWeissagungkündetihm frühenTod.Jetzt hatdie Kraft seinerLendeneinen Erbengezeugt.JmDunkelbeugtderVatersichzärtlichüber denSohnund lauschtaufdieZahlderPulsschläge.Hegenwillerihn,mit allenTugenden rüstenund imScheiden dann,mitletztemAthem,der undankbaren Menge zuhauchen: Diesen schenkteich Euch!EingroßerZar sollerwerden,den WohlstanddesReiches mehren,dieGrenzenerweiternunddochniemals ge- zwungensein,Menschenblutzuverspritzen. NachderMutter warderAlexej genannt.Werdestarkundmild, AlexejNikolajewitsch,einMenschundein ChristimGewandhöchsterMacht. Laß Dich stetsvonderStimme Deines Gewissens leiten,nievon eitlerGiernachdemBeifallderblinden Masse, undbleibeDeinLebenlangdesNamens würdig,denPetersVatertrug!

(3)

DerZarewitfch. 281

»Und PetersSohn.«

EinRiesesprichts.DemschmächtigenKaiser sitztergegenüber;zwi- schenBeiden das KnäbleinimBett.Und demVater,derstaunendaufgehorcht hat, ists,alshätteerhundertmal schondieses durchfurchteAntlitz geschaut.

»WoherkommstDu mir?«

»AusdemHöhlenklosterin Kiew.KennstDumich nicht?HaftDu nievon demElias gehört,demMuromer,der dieTataren schlug? Kennst michganzgewiß.Wiejeder RasseWenngebundeneKräfte sichnachBefrei- ungsehnen, rufen siedenJlja,denlahmen Tölpel,dergehenundkämpfen lernte. UnddiesmalisterdemRuf gefolgt.DenndieNoth ist groß;und Zeit, daßdie Totenreden. Nocheinmal:AlexejhießPeters Sohn.«

»Ein schlechterSohn,dem der VaterdasErbrechtentziehenmußte.

Warumanihn hiererinnern? NureinZarAlexejhatüberdieReußenge-

herrscht.Derzweite Romanow,derbis zumDnjprundbis zum Amurvor- rückte,demReichdasGesetzbuchgabunddemHandeldenWegnach Chinaund Persien bahnte. EinWohlthäterseinemVolkundseinemSohnderbesteVater.«

»Und dochthatderSohn nichts,wasdem Vatergefallen hätte,und triebsaufseine Weisenicht besseralsAlexejPetrowitschWarum ichanDen hiererinnere?Dieses-SchloßhaterfreilichnichtmehrbewohntzderFranzosen- bauentstand erst, alsPeter,denIhrdenGroßennennt,ihn gemordethatte.

Abererwar derletzteGroßfürst,deralsThronfolger geboren wurde, hieß AlexejundwareinechterAltrusse.DaßerdemKerkerentfloh,warnachdem RechtungezähmterMenschenkeinVerbrechen; auchdemWilden aberSünde, daßderVater ihn peitschen,foltern,zu Tod martern ließ.Sündewider den HeiligenGeist.SowarEuerGrößter. SelbstimeigenenHausmußteer jeden widerstrebendenWillenbrechen.WieeinDing,ein WerkzeugDenselbst vernichten,denGottesGnade dem Volkaufbewahrte. Sich verzieherAlles, Anderennichts.Nurerwußte,wasdemLandefrommt.DenMännerndenBart, denFrauen denSchleiervomGesicht;derKaftanwarnichtmehrerlaubtAlexej MichailowitfchderauchschondenFremdenzueilignachlief,hattenochdasheili- geKleidderaltenZaren getragen; PeterzogdenSoldatenrock an.DieVergan- genheitsolltetotfein,Allesvergessen,wasdieSpurderMongolenknechtschaft zeigte.Alshätteder-Herrgottnicktauch diesePrüfung mitweifer Absichtüber unsereAhnenverhängt.MütterchenMoskaugefälltdemimKremlGeborenen nicht; die NewamußderWolga verbunden,amFinischen Buseneineneue

Hauptstadtgeschaffenwerden.WehdemKinde,dasfeineElternverleugnet!

DerHimmellasseDichs nicht erleben, VäterchenNikolaj.Undwassahich 228

(4)

282 Tie-;31ik:1:1st.

seitdem!VierBuhlerinnen, zwei Kinder, zweiTolleaufRuriks Thron;

dasReichmußwarten, bis eineDeutschekommt, ihm aufhilftundalleRussen beschämt.UnddiesesVolkhat wirklichgewartet,inunverdrossenerGeduld, vorherundnachher.AlleSchwankungenundLaunenertragen.Alexander, Nikolaus, undimmerso fort.DasElendendetenicht.KeinguterHerr brachtedasGlück;bisauf diesenTagkeiner.UnddieHoffnung erlahmte dennoch nichtundempfing jedenErbender altenKronemitneuem Jubel«.

»Du redest,wieDus verstehst.Wie alldieUnklugen, dieglauben,nur guterWillesei nöthig,umdiesesVolkglücklichzumachen. Wohl hatessich ofthöchstenGlückeswürdiggezeigt.Tutschewsprachwahr,alsersdaschrist- lichsteallerVölker nannte, weilesAllesgernopfere, aufAllesfreudigver- zichte·Schmalaber undsteil istderWegzumGlück;wie könntenhundert- unddreißigMillionenMenschenihn gemeinsambeschreiten?NichtohneGrund haftDugetadelt, daßPeter sichvonderVergangenheit schied.Soll ichssei- nenFehler,alsSchwächererundingefährlichererZeit,jetztwiederholenund Freiheiten gewähren,dieunter Hunderttausenden nichtEinernützlichver- werthenkann?Ebenso gutkönnteichdemKindleinhiereinfcharfesSchwert in dieHand geben;keinenFeind:nur sichselbstwürdeesverwunden.«

»Wer sprachvonFreiheiten?Jchbin in meinerGruftnichtzumwest- ländischenNarren geworden.DerRussewill einenHerrn;heutenochwie in derWarägerzeit,wie in denTagen,daerdenRomanows die Krone bot.

Sehr gering scheintmir,was äußereFreiheitvermag; nichteinmaldasLeben derMächtigenkannsie schützen.Nur Furchtlernteichnie Achtung vordemMenschenwirdvonEuchgefordert.Darum nannte ichPeters Sohn.

Derstarb,weil der VaterinihmnichtdenMenschenachtete.Undso istsge- blieben.ImmerdenWillenbrechen.Zerstriemt,andenGalgenoderlebend insGrab.DerrufsischeMenschgilt Euchnicht mehralseinHund.«

»Daß ichDich anhöre,könnteDich schonwiderlegen.Dochwaswißt JhrvonunseremLeid, unseren Sorgen beiTagundNacht?Nur denGlanz seht Ihrundseidgeblendet; beneidetunsgar.WirsinddiePrasser, dieTy- rannen, die das Volkknechten,um nur jakeinStückchenihrer Macht hin- gebenzumüssen.Jauchzend gäbeichsie,dieganzeMacht,undflöheinstilles Glück,indieSicherheiteinerumfriedetenHütte.Wasaber würdeausdem Reich? Zerfallenwürde es, desfremdenEroberers Beutewerden;unddie Stämmewürden in wilderWutheinander zerfleischen,derMoskowiter den Finen,derKleinrusfedenPolen.Daszuverhüten,binichbestellt.Gotthat mir einhohesAmtanvertraut undich glichedemungetreuenHaushalter,

wenn icheswegwürfe,ummirbehaglicheRuhezuschaffen.«

(5)

Ter,3ace1oitsel). 283

»Wärft,weilDu Größereszu verwalten hast, nochvielärgeralser.

Doch—- verzeih,Gossudar—Dubist nochimmernichtin meinenGedanken.

Ich sahdieBauern aufstehen,dieDekabristen,Nihilisten,und wiesiesichsonst nennen mochten, stilleSeelen aufrüttelnundhörteKinder in buntenRöcken wüthendnacheinerKonstitution rufen,diesiefürdieguteFrau ihres Großfür- stenKonstantinhielten.Dasists nicht.Mir wäreIwan schonderSchreckliche, weilerdieDruckpressenachMoskau gebracht hat.Dennvondiesem Teufels- kramstammenalldieseSchmerzen.WasunsEuropa vorwirft, berührtmich nicht«Wünschte,daßKeinerhinhorchte.Wennich Europäerseinwollte,müßte ichzuPeterhalten.DeraberhatdasUnheilangerichtet.Hat. Geschehenesist nicht ungeschehenzumachen.Dashabt Ihr oft vergessen·SeitderWildehier dasScheinwesen schuf,habenwir zweiBölkerimLand:eknganzkleines,dasauf seine,Bildung«stolzistund,Fre«iheiten«begehrt,undeinungeheuer großes,das denAckerpflügtundzur-HeiligenMutterbetet. Sollnun fürdieWenigenoder fürdie Vielenregirtwerden?Ich weißwahrhaftig, daßIhrs nichtleichthabt.

LaßtIhrdenFinenalteGerechtsame,dannmurren diePetersburger:Warum sieundnichtwir?Und lockertIhrdieZügel,dannschreitAlles, zufrieden könnemanerstsein,wennsieaufdemBodennachschleifen.Garnicht leicht.

EineguteWeilegehts auchnoch;sah manchmal schonschlimmeraus. Ihre Königemorden siejaauch draußenundDeinThron steht fest. Nur,Väter- chen:dieVielenhabenkeinBrotund Duschickstsie aufDeinSchlachtfeld.

DasLandverhungertundDuopferst tausendMillionen fürDeinenKrieg«

»MeinenKrieg!Wollteichnichtder ganzenMenschheitdenFrieden sichern,warnichtbis zurletztenMinute meinStreben,denKriegzu meiden?

IstsetwameineSchuld, daßderFeindunsheimtiickischüberfiel?«

»Ja, VäterchenZar.Deine.WennichEinemdenKittelnehme,wird erzornig; reißeich ihmgarnochdasHemdvomLeib,dann schlägterviel- leichtumsichoderbeschleichtinböserAbsichtmeinenSchlaf.Darüber dürfte ich michnicht wundern, nicht klagen.SohastDusmit dengelbenMenschen gemacht.Ein Stücknachdem anderenihnengenommen: undstaunstnunund schiltstsie,diesichihrerHautwehremKonntestdochnichtverlangen,daßsiewar- teten, bisDugerüstetundIhrer Racheunerreichbarbist. DaßDus nichtwoll- test,nichtvorbedachtest,weißich,wissenAlle.FrageDeinGewissen,obDu da- durch entschuldigtbist. Gott, sagst Du, gabDirein Amt.GaberDirauch Allwissenheit,nahmerDirMenschenfchwachheitundgabdieSchaarreiner EngelDirzu Dienern? Nein.Undsiehe,wieerauf seiner Höheden Men- schenachtet, wiclangeereinensündigenläßt,biserihn bricht. IhrHerren

(6)

284 TicZukunft.

seidinEuremHimmelnicht so geduldig. AuchwoIhr geirrt habt, sollEner WillefortwirkenUndallmächtigeinganzesVolk binden.Ihr seidnichtGöt- ter;undsolltet Euch deshalb nicht erstbemühen,Götter zuscheinen.Duhast estreugemeintundDich Jahre langals guterHirt redlich bemüht,Deiner Heerdevorwärts zuhelfen. Oesfnenun DeinAuge.DieWaffe,mit der Du kämpfst,zerbrichtbeimersten Streich.DasVolkhungert undzagt.DasReich ist fastwiederso schlechtverwaltet wie unter demSzepter leichtfertigerDir- nen. RingsumlauertHaß.Keinenstarken Freund hastDuundkeinweiser Mann sitztin DeinemRath. Nichtsblieb Dir alsdieunerschöpfte,uner- schöpflicheKraftDeinesVolkes.UndwieschätzestDusie? Täglichhörtmans.

,Wir haben mehr MenschenundmehrGeld alsderFeind, also müssenwir ihn schließlichbesiegen; undkostetderSieg dreihunderttausendLeben und drei- tausendMillionen: wir könnenstragen-.DasheißtinmeinerSprache:Leib und Gut,Glück undZukunftdesVolkessollenDeinen Jrrthum bezahlen.

Dennoch rügtestDumeinWort,derrussischeMensch gelteEuch nicht mehr als einHund. Weniger gilter.EineHofmeutevonbewährterTreue hättest Dunicht so leichtenHerzensin denheißenTodnach Asien geschickt.«

»MeinVolk denkt anders. Undankbare nndAusgestacheltesinddar- unter,Gottlose,diesichklügerwähnenalsdenGesalbtendesHerrn. Doch derSinn derMenge ist gut; auchinbösenTagen.Wassollmir Deindreistes

«Wort?JnmeinemHerzenübertöntesderJubel,derdiesesKindander SchwelledesLebensgrüßte.DasprachRußlandzuseinemZaren.«

»Wohl spraches. AberverstandestDuauch seineRede? Nurhalb schonVerzweifeltejauchzenso,wenndasMorgenrotheinerneuenHoffnung leuchtet. Hier liegt, zwischenuns,RußlandsHosfnung.Du,armer Kaiser, bistkeinemehr. Dich giebtman verloren. Ostwar esso;und oft haben dieMonomachendeshalb ihre Söhne gehaßt.DasSchicksaldesZarewitsch Alexej.DuaberbistnichtausPetersStoff. NützedieZeit! Noch blühst DuinJugendundhastJahre vorDir,zusühnen,auszujäten,zupflanzen.

Glaubenicht, daßichUralterUnbilliges heische.DerKriegist begonnenund mußsobeendetwerden, daßunsereEnkelnichtzu crröthenbrauchen,wenn die Erinnerung einstanihrOhr schlägt.KeinOpfer istjetztzuschwer,keinPreiszu hoch.NurprägeausdiesemErlebenDirunvergeßlicheLehre.EinHeer,das zu LandundzuWasserdemleisestenWinkegehorcht,dasstärksteHeer auf demErdrund: Das warjadasZiel;umdieseWaffezuschmieden,ließetJhr dielMasseninbitterster Noth,introstloserFinsterniß.Somußessein, hieß es;einweiserNachbarfürst,denseineUnterthanendenErleuchtctennannten,

(7)

DerZarewitsch. 285

hat schonerkannt, daßeinallzu klugesPferddenReiter baldausdemSattel wirst. SiehstDunun dieGewaltDeinerWaffe? Jahrhunderte langwurde jeder aufrechteWilleinsJoch gebeugtoderniedergetreten;dennEinernur hattedasRecht,zu wollen.Das Volkist gut.JmDorffchiltesdieRegirung, folgtdemBefehlabermit einemmunteren Soldatenlied aufderLippeund läßt sich,wie zumFest,andieSchlachtbankführen.Heute nochwäreesein brauchbaresKriegswerkzeugin derFausteinesPeter.Woister?Während Tausende auf glühendemSand in Qualen röcheln,sitztPetersUrenlelam Bett eines Knäbleinsundsinntüber den Undank derMenschen. Womithast DuihrenDankdennverdient? HastDujeihrerwie einesNächstengedacht?

Auch jetztnur,imUeberschwangDeinerFreudeandiesemSohn, versucht,das graufesteElendzulindern,in·KerkernächteeinenStrahlDeiner Gnadezu sendenPLernedieMenschenachten,NikolajAlexandrowitsch!AlsDeineB1-üder, die Kinder deseinenVaters,undals dieMitschöpseralsl DeinesGlanzes.Dann wird DirAlles gedeihen.Neue Moden sind nicht nöthig,sindnur vonUebel.

Knüpfeda an,woPetersGrößenwahndenFaden zerriß.DieGemeindewarin alterZeitder QuellrussischerBolkskraft.DasGeröll,dasihrenMundver- stopft, mußtelängstfortgeschafftwerden.Sammle raschdieHäupterderGe- mcinden um DichundhorcheandächtigihrerRede; auchwennsieDirnicht gefällt. Dulde, daßsiereden; auch, daßsielernen.DubrauchsthelleKöpfe;

dennnichtüberHirten, Jäger,Ackerbauerundabenteuernde Wanderer ge- bietestDumehrundDein Volkmußverhungern,wennesimDunkelbleibt.

Undewig währtkeines VolkesGeduld. AusmeinenaltenAugen blickeich lange schonin die Welt. Allesändertsich. UnserBoden selbst trägt jetztan- deresGesträuchals in derTatarenzeit.Solltenur derrussischeMenschsich nichtwandeln? Eisernen Rieer seheich ihn dienen,Hunderteuntereinem Dach,mit denfrühersoplumpen Fingern feineRädchenlenken:undJhr haltet ihn,als wäreJngermanland nochnichtvondenRomanows erobert.

Solcher Zucht isterentwachsen.HörstDudenRufdesHerrn?Erhatdie LähmunggelöstunddieungelenkenGliederdesLangschläferswollensichregen.

GiebihnenRaum ; undgönnedemRuhelosen,derwachenmuß,bisdiesem Christenvolkdie Sonneaufgeht, gönneJlja endlichdenGrabesfrieden!«

...Finstere NachtüberParkundPalast. AuchderReußenherrscher hatdie wundenNerven,dasvonTrugbildern geängsteteHauptzurRuhege- bettet. NurAljosha ist wachundmeldetunterThränen seinkleinesMenschen- weh.Erbraucht nicht langezu weinen. Die derbe Bäuerin stilltihn, hüllt ihninfrischeDecken undsummt RußlandsHoffnungwieder inSchlaf.

Z

(8)

280 TieZukunft.

Ein Epigone.

-

onJulius Grossewillichreden. VoneinemDichter,dervorwenigen

·

:Jahren starb,den ältereLiteraturgefchichtenpreisend erheben,denneuere miteinemfreundlichenSeitenblick streifen,denkünftigeübergehenwerden. Es würdesich vielleichtnicht lohnen,indasLebenundStreben diesesMannes hineinzuleuchten,wenn sichmitihm zugleichnichtdie ganze Generation ent- schleierte,der.erangehörteunddiefüruns schon mehrundmehr historisch wird,obauch einzelne ihrerVertreter noch heuteunter uns wandeln.

Julius Grosse hattediePhantasiederGröße,aber nichtdasHerz dazuunddieKraft. DiePhantasie hat ihmVieles undAllzuvielesvor- gegaukelt; sie hat ihnbiszuletztindemGlauben erhalten, daßman sein eigentlichesTalent verkenne. ErwareinPhilemon, docherträumte Lynleus:

träume;ersaßinderGeißblattlaube, docher fühlte sichberufen, feurige Gefährtezulenken;erkonntesehr liebenswürdigeundzarteMädchenlieder dichten, dochermachtesichaneinen Tiberius. Unddaßman ihmdenLhnkeus, diefeurigen GefährteunddenTiberius nichtglaubte:Daswar derStachel inseinerSeele. Nunthut ihm längst auchDies nicht mehr weh.

Wennman seinBildansieht,dasWilhelmvonKaulbach gemalt hat, brauchteskaumnoch besondererWorte: man weiß sofort,woJulius Grosse einzureihen ist. Junge Mädchen stellen sich ihren Lieblingspoetenetwaso vor. EinedlesgriechischesProsil,idealerBlick,lange Mähne, sanfterBart undKünstlertraehtKaulbachmaggutgetroffenhaben.Undhältman das bekanntesteBildGeibelsdaneben,so erstauntman über dieAehnlichkeit,ohne geradesagenzu können,worinsieeigentlichliegt.Ueberhauptistescharakteristisch fürdie ältereGeneration: neben derallgemeinenFamilienähnlichkeitwird der naiveBetrachternoch feststellenkönnen-,daßdie Geibel,Grosse, Wilbrandt, Schack, Dense, hamerling auf ihren Konterfeisvon auuo dazumalwie Maler aussehen.SieschlepptendenKünstler ewigmit demSchlapphut unddergenialgeknotetenKravattemitsich herum, fühlten sich fastAllenur inderMalerstadt Münchenwohlundlegten Werthdarauf,sichschonäußer- lichvon dermisera plebs derNichtkünstlerzuunterscheiden.Sie hatten inihrer Kleidungundihrer DichtungeinengewissenschwungoollenFalten- wurf,undwenn esschonkeineTogawar,so mußteesmindestenseinlässig zurückfallenderMantel sein,indemsie sich fürMit-undNachweltmalen ließen.SiehattenfernereineUnsummevonTalenten. Daspoetischeragte nur auseinerReiheandererhervor. BesondersmaltensieAlle.DieScheffel, Keller,Roquette, Grofse, Fitgerwaren entweder aufderKunstalademiege- wesen oder dilettirten wenigstensmitdemPinsel·Andere, wieGraf Schack, legten sichGemäldegalerienan; minderBegünstigteschriebenKünstlerromane,

(9)

EinEpigone. 287

wieWilbrandt, dessenSchauspiel »DieMaler« nochheute manchmal auf derBühne erscheint. Künstler spieltenindenDichtungen dieserälteren Generation dieHanptrolle.Das war einNachhall klassischerundroman- tischer Zeit.·Das LandihrerSehnsuchtwar und bliebItalien. Keiner von ihnen,dernicht auf GoethesSpuren dorthingezogenwäre. Viele PaulHehsevoran fandendorteinezweite Heimath,aus dersienun erst rechtHexameter,Sonette,Triolette, Terzinen,Ottaverimi mitbrachten.

KlassischeFormenstrenge istderMeisten sicheresMerkmal. Sie sind keinegroßenPersönlichkeiten,aberfeine Formalistenz sie haben nichtGenie, aberGeschmack;nicht Leidenschaft,aberJnnigkeit.Sie dichteten vielleichtzu sehr f.trdiedeutscheLiteratur undsie dichteten stetsnur imKünstlersammet- jacket.Keiner wirdihneneinegewissereservirte Vornehmheit bestreiten,die auchdenMenschen eigen war«aberdassteifeOrdensband ihrer Poetenwürde dämpstezuoftdenfreienundvollenHerzschlag.JndemBewußtsein ihrer Künstlerschaftverschmähtensie mehroderwenigerdieSprachedesAlltages.

DerVers war ihnen natürlicheralsdieProsa. Wasvon ihnen nocheine längereoderkürzereZeitleben bleibt,ist manchesschöneGedicht.Wennsie die Bretter beschritten,so griffen sie nach Stoffen,dieihrer sanften Vornehmheit nicht lagen.EinTiberius war durchaus Tradition;einNerodurfteselten fehlen. Catilina,Macalda, Klythia (Lingg), Heliodor, Pisaner,Timandra (Schack), Brunhild, Sophonisbe (Geibel), Alkibiades, Hadrian, Meleager (Heyse), Deinetrius, Alexander (Bodenstedt),Arria undMessalina,Kriem- bild,Gracchus,Nero(Wilbrandt), Ahasver (Hamerling),Tiberius (Grosse), Nero (Greif):dieTitelredeneinedeutlicheSprache. Auchdiegermanische SageundGeschichtetrittstark hervor. Walküren undHögnisletzteHeer- fahrt, Ynglinger, Nibelungen, HohenstausemAlles ward behandelt.Und Alles, wieman wohl ohne Widerspruch behaupten darf, ergebnißlos.

Julius Grössewar imGutenundBöseneinVertreter dieser Gruppe.

Jhr Wegwar seinWeg; ihre Vorzügewaren seineVorzüge,ihre Fehler seineFehler. Er hatdieKunstalademie besuchtund inMünchenseine Mannesjahreverlebt,erhatden Tiberius gedichtetunddieitalienischeReise gemacht, erhatdenFaltenwursUnd dieVornehmheit.Ausdembunten WechselseinerLebensfahrtenhebt sichnichts GroßesundEntscheidendesheraus- Siehaben ihn wohl oftanhohen Bergen vorübergeführt,nieaberaufdie Gipfel selbsthinauf.SeinSchicksalwollte,daßerdengewaltigstenEreig- nissenimmerauseinementferntenWinkelzusehenmußte.Erkamniemals mittenindieSzene hinein, nichtalsMensch, nichtalsDichter. Denn er kamimmerzuspät.ErhatteniedasGlück undauchniedenMuth,der Erstezusein.Eslangte höchstenszumZweiten.

JnseinenLebenserinnerungen,dieer»UrsachenundWirkungen«genanrt 23

(10)

288 DieZukunft-

hat,suchteernachdenletztenGründendafür. Dochernanrte Symptome, stattdasHauptleidenzunennen. Er meinte, ersei zuscheu gewesen,zu unpraltisch, nichtskrupellosgenug,um sichvorzudrängen.Abererwar das Allesnichtnur, wieerglauben machenmöchte,aus»Vornehmheit«:erwar es,weilerzuenergielos,zuwenig thatlräftig,zuunfreiinsich selbst,zu entschlußloswar. DieeigeneinnereSchwächehat ihmdieGipfel versperrt, nichtsAnderes.

Vielleicht lagvielan seiner Erziehung.Sein Vater war einstarr dogntatischer,strenger Priester,deraufderganzenFamilieförmlichlasrete.

Gefühlsäußerungenirgend welcherArtwaren imHauseverpönt; Liebe und LeidverschloßJedes insich.BeidemwarmherzigenKinde, dasseit seiner Geburt fchmächlichwar, führteDas zueiner gewissen Bersteinerungdes Empfindunglebens,dassichnicht frei gebendurfte.SoschlugenalleFlammen nach innen;undbei deräußerenHemmungjeder gesundenGefühlsbethätigung entwickeltesicheineungesundeinnere Phantaßegluthdienicht verleugnen konnte,daß sieunter demschwerenDruckderUnfreiheit entstandenwar.

ErstinderTodesstunde seinesVaterslerntedereinundzwanzigiährigeGrosse natürlichempfindenundweinen. Abererwar schonzulangeerzogennnd zustark gedrücktworden,um dieSpurendavon jemalsloswerden und die natürliche Schnelllraftentwickeln zukönnen. Sein ganzes Leben isteine Ketteewiger RathlosigkeitundUnentschlossenheit.Washaternicht gewollt!

ErwollteeingroßerBaumeisterwerden(dennerschwärmte,alsmerkwürdige Ausnahmeunter denDichtern, fürTrigonometrieund Mathematik):da arbeitete erbeieinemFeldmeffer.ErwollteeingroßerMaler werden:da bezogerdEemünchenerKunstakademieErträumte feinen Alexanderngals Dichter:dawurdeerRedakteur. Als Redakteur haterhierund dortgelebt,

am LängstenimKreisGeibels nndHeysesinMünchen,biser1870 als GeneralsekretärderSchillerstiftungnachWeimar berufenward.

BevorerdasAmt, dasDingelstedtundGutzkorvvor ihmverwaltet hatten,antrat, machte ihneinFreund,Bernhard Scholz,derGründer des RheinifcljenCouriers,aufdieGefahrenderKlassikerftadtaufmerksam.»Die- hohenCypressenumdieFürstengruftderOlympierdortlassenkeinneues Lebenauskommen«,sagteer. »DieToten sind dortdieewigLebendennnd dieheuteLebendigensinddortdie Toten. Es mußeinegroßeSelbstJer-

leugnung dazu gehören,dortzu lebenundzu wirken,gleichsamalsGesp.nst.

Dufteigstdnnit indieGruft hinunter.« Grosseantworte: »Ichmus:es daraufankommenlassen,obman imSchattenderCypressen existirenkann.

Uebrigensglaube ich, ResignationoderSelbstverleugnunggenugzubesitzen.«

Eswar wirklich gleichgiltig, wohinerging.ErhattekeinTalent zurEins underhätte stetsundüberall Einm übersich gehabt.ObesinWeimar

Cytaty

Powiązane dokumenty

Aatürlich wurden von diesem Standpunkte aus auch für die deutsche Entwickelung und also auch für die historische Stellung von Klassizismus und Romantik ganz neue Auffassungen

kSo ist den Franzosen der unverfänglichste Grund gegeben, die Schaffung der schwarzen Wehrmacht (nur zum Zweck der Verwendung in Marokko, versteht sich) zu beschleunigen. Jn

«gegen mich einzuleiten, in der diese und andere Behauptungen geprüft werden möchten. Aber offenbar hat man bald Gelegenheit gefunden, in Berlin den Vorfall als harmlos

Einen Mangel aber hatte dieseProzedurz einen, der nur ungerügt bleiben konnte, weil er die Möglichkeit zu Laboris billigem Patriotentrumpf schuf: kein ärztlicher Sachverständiger

Baumann in Göttingen, so viel ich weiß, der einzige akademische Lehrer, der sich Haeckels in gewisser Weise gegen mich angenommen hat, mir gegenüber sagte (Haeckels Welträthsel,

Falsch ist schon die Angabe, die großen Industrietrusts und deren Finanzgesellschaften hätten kein Bankgeld; aber selbst wenn dieser Glaube richtig wäre, bliebe noch immer die

DasLand leidet und die fremden Bankiers sind wüthend und verweigern ihrKapitaL Aus eigener Kraft aber kannMexiko sichnicht entwickeln; dazu braucht es die thätige Mitwirkung

Haeckel durfte so antworten, auch wenn er noch nicht gewußt haben sollte, daß nach Professor Loofs ,,letztlich der Tod und Alles, was ihn vorbereitet und was mit ihm zusammenhängt