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Die Zukunft, 8. August, Bd. 44.

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Academic year: 2022

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Berlin, den8. August x905.

f I sszs A-

Die Rechtfertigungdurchden Glauben.

WagenDühringsagtinseinem »ErsatzderReligiondurchVollkommeneres«

»

ganzrichtig, daß, wennbeiunsdieReligion praktischinFragekomme, vonkeiner anderen alsderchristlichendieRedesein könne;sie reiche nämlich soweitwie diethatkrästigenVölker. Dannaberschreibter: »Könnteüber- haupteinefremdeReligion ernstlichundaufdieDauer gegendenRassen- charakterderVölker, dieihrinihrer unerfahrenen Kindheit anheimfallen,«

Etwas ausrichten, so müßtendieeuropäischenKulturvolker längstihre That- krafteingebüßthaben-«Jn diesemSatz steckenzweiJrrthümer.DasChristen- thum istderarischen Rasse nicht innerlich fremd,denn sein menschlicher Bestandtheil,seinGedankengehaltistdasErzeugnißderDenkarbeit derarischen Griechen.UndseinemgöttlichenBestandtheil,der wunderbaren Kraft,die vonderPerson Jesu ausgegangen ist,verdanken dieheutigenArier die Er- haltungihrerThatkrast.Die ArierdesAlterthumes,dieGräkolatiner,haben sichverzweifclnd,lebensmüde,versumpst, ohne ernstlichenWiderstandinden Untergangihrer großartigenpolitischen Schöpfungenund ihrerherrlichen Kulturergeben.MittenimZusammenbruch,vonmordenden undplündernden Barbarenhordenbedroht,denvermeintlich nahenWeltuntergangvorAugen, habendieChristen, undzwaraus demvon ChamberlainmitsolcherVer- achtungbehandeltenVölkergemischstammende,den indenSynagogenundin den Katakomben begonnenenBauihrerdie WeltumsassendenKirche die christlichenVölkerbeherrschenja dochdieWelt vollendet;unddienach- folsendenchristlichenGeschlechtersindbeiallemEntsetzlichen,wassiezu über- stehenhatten,niemalsmuthlos verzweifelt.ManmußdasWesendesChristen- thumes nichtineinemBibelvers undauch nichtineinpaar DutzendVersen suchen.Tolstois Religion ist nicht christlich,sondernrussisch;dieAussprüche

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Jesu,mitdenendieseDenkart ihrerussischePassioitätzurechtfertigensucht, geltennur fürAusnahmemenschenundfür besondereUmständeodersiesind AusdruckeinerSeelenstimmung,diesichdurchäußereAngriffenicht erschüttern läßt,weilsiedarübererhaben ist, nichteinBekenntnißunmännlicherFeig- heitundFaulheit.Auchwar dieAbsichtJesu nicht,dieMenschen»mora- lisch«zumachen;waren ihm dochdiehöchstMoralischeneinGräuel. So weitMoralität,dievielgestaltige,möglichundnothwendig ist, sorgendie lebenskräftigenVölkerdurchGesetz,PolizeiundSitte dafür;dieheidnifchen unddiemohammedanischennicht wenigeralsdiechristlichen. Jhre Förderung ist,wo sieeintritt,einNebenproduktdesChristenthumes. Fürdievomchrist- lichenGlaubeninnerlichundtief Ergriffenen,die immerdieMinderheitaus- machen müssen,weilsichdiehartenForderungenderrohenArbeit undder wildenKämpfe,die desDaseinsmaterielle Grundlagen schaffenundsichern, mitzartemundfeinem Jdealismus nicht vertragen, für diesevollkommenen Christen alsoverstehtsichvon selbst, daß siedengröbstenEgoismusüber- wunden und sich durch ZügelungderSinnlichkeitgegendasVersinkenin Laster einigermaßengesicherthaben.DasleistetjedochauchdiePhilosophie;

wasdasChristenthumdenVölkerngebrachthat, ist Anderes, Größeres.

Monotheismus, göttlicheVorsehung,FortdauerderMenschenseelenach demTodeundVergeltungimJenseitswaren Vorstellungen,die dergriechische DenkgeistgefundenunddieerzuletztinWechselwirkungmitdemjüdischen ProphetengeistzutheosophischenSystemen fürdie Gebildeten ausgebaut hatte, währenddas VolkzwaranewigesLeben der Seeleund anVergeltung glaubte,aberdemPolytheismustreu bliebundsichdarum zumBegriffeines vernünftigenWeltzusammenhanges,seiesinderFormderNaturkausalität oderin der einerVorsehung, nichtzuerhebenvermochte.DasChristenthum hatdenMonotheismus,diemitinbegriffeneWeltordnungunddiepersön- liche Unsterblichkeitzu Glaubensartikeln gemachtunddasWunder vollbracht, daß dieseArtikelwirklichgeglaubt, für unzweifelhaft gewißgehaltenwurden, undzwarvon denihmzufallendenVölkern;eshat alsozumlebendigenund wirksamen Gemeingutder dieErde beherrschendenVölkergemacht,wasbis- hernur biszurStufederWahrscheinlichkeitgelangte Gelehrtenmeinungen gewesenwaren.. DieserfesteGlaubenun, verbunden mit demdieGewissens- ängstebeschwichtigendenGlauben andieErlösung,istesaugenscheinlich,was denchristlichenVölkernihre Unverwüstlichkeitverleiht.DerEinzelne ist nicht mehreinAtomhause,demeinige phosphoreszirendeHirnmolekelndaswunder- licheinnereLichtfünkchen,Bewußtseingenannt, entzünden,womiterdasElend seines zwecklosenundzum Glückwenigstens kurzen Daseins wahrnimmt.

(Der ProfessorkanusichjatrotzseinerphilosophischenUeberzeugungvon der Bedeutunglosigkeitdieser Plasmahäufchenineinem All, in demunser ganzes

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SonnensystemalseinNichts verschwindet,sehrwichtigvorkommenundsehr behaglichfühlen;nur istesnicht seinephilosophischeUeberzeugung,wasihm dieangenehmenVorstellungenundEmpfindungen verschafft, sondern seine Staatspfründe;beiarmen Teufeln,die wedereineStaatspfründe nochein Rittergut haben,wirktderAtheismus anders). DerChrist weiß, daßerin GottesHand steht, daß ohne diesesGottes Willen keinHaarvon seinem Haupte fällt, daßumseinetwillen,zuseinemDienstundGebrauch,daskörper- licheUniversum geschaffenist, daßeralleSonnensysteme sammt ihremWandel überleben wird unddaß sein SchicksalimJenseitsvon seinemVerhaltenim Diesseits abhängt.Dasbewahrt ihnvorVerzweiflungundstärktihn,ge- lassenundstetig seine Pflichtzuerfüllen,auchwenn keinMensch ihn sieht, auchwennscheinbarallseineArbeitundMühe umsonst istundkeinirdischer Erfolg ihmwinkt. Wohlgemerkt:nicht,einTugendboldzu werden,sondern, seine Pflichtzuerfüllen.Einerkann mitallerleiwildenLeidenschaftenund häßlichenFehlern behaftetseinund dochalsgläubigerChrist standhaftDas thun,waserfür seine Schuldigkeithältundwas manchmalnicht sehrlöb- lich,ein anderesMal nicht sehr klugist. Man weiß,wieesBismarck als eineWirkungdesGlaubens gepriesen hat, daßder Soldat, indunklerNacht allein, auf seinem gefährlichenPosten aushält.Daranhat janun wohlder garnichtidealistischeDrillseinengemessenenAntheil;aber das ganzepreußische Soldatenwesensammt seinemDrill istdoch selbstunter derEinwirkung religiöserJdeenzu Stande gekommen,denndastraditionelle Pflichtgefühl derHohenzollernwurzeltinderReligion.So macht alsodiechristliche GeringschätzungderWelt gerade tüchtigfürdieWelt,indem esnur die Gefahren, Widerwärtigkeiten,Mißerfolgeund dievon derPflichterfüllung weglockendenGenüsse sind,diederChristimHinblick aufdasihm sichere ewigeLebenverachtet,währenderdiePflichterfüllungüber Allesschätztund unter allenUmständenauf seinem Posten aushält.Damit istdieMasse, der Leib derChristenheit, fürdenDaseinskampf hinlänglichausgerüstet,so daß ihndieStöße,dieererleidet,nichtaus demGleichgewichtbringenund diefeindlichenElementenichtunterkriegen.DiechristlicheEthikaberhaucht diesem wetterfestenLeibe diefeineundedleSeeleein,derenTrägerdieHei- ligen,dieEsoteriker sind. AuchderMohammedaner läßt sich für seinen Glaubentotschlagenundfühlt sichgeborgeninAllahs Hand.Abernur der Christ glaubt, daßdieewigeSeligkeitintellektuellerArtseinundimSchauen Gottes, alsoinderErkenntnißDessen bestehenwird, was dieWeltim Innerstenzusammenhält,desunergründlichenBornes,ausdemihr quillt,was sieGutesundSchöneszu bietenhat. UndindemderChristenglaubeGott alsdie LiebedefinirtunddieGottähnlichkeitinderLiebe zurPflicht macht, haterdieMenschengewöhnt,Wildfremden Barmherzigkeitzuerweisenund

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dieseelischoderleiblichBedürstigennichtnurnicht abzuweisen,sondern sogar aufzusuchen. Endlich ist durchdiekirchlicheOrganisation dafür gesorgt, daß diese WirkungenderMenschheit erhaltenbleiben, undeinGottesdienst,der den ganzenMenschenbefriedigt,ohne gleichdenobszönenMysterienderAlten dieSinnlichkeitinungehörigerWeisezureizen,sichert auchdemAermsten Stunden idealerErhebung,indenenersich seiner Menschen-undChristen- würdebewußtundseines sonstmitPlagen erfülltenLebensfrohwird.

DemDichter,demPropheten istesgegeben,denAblauf langer Zeiten verkürztin einkleinesBildzufassenund dieGeschickederMenschheitin einerPersonzuverkörpern.Sohat Paulus dasJahrtausende langeLeben derChristenheitindem Leiden, dem Todeund derAuferstehungJesu geschaut undhat diesemzweitenAdam,demzuunverwüstlichemLebenwiedergeborenen Menschengeschlecht,denersten Adamgegenübergestellt,derdurch seineSünde dieErlösung nothwendig gemacht habe. SelbstverständlichistAdam das ganzeunerlöste,vorchristlicheMenschengeschlecht,seineursprünglicheHeiligkeit undGerechtigkeitnichteinGut,daserdurchSündeverloren hätte,denn imZustandederKindheit (nichtThierheitzdenPithekanthropos hatderbe- weishungrigeAtheismusmitderunreifen Biologie gezeugt)konnte derMensch alseinsittlich indisferentesundganzunerfahrenesWesenwederheilig noch gerecht sein(heilignur imSinn vonheil, gesund), sonderndasimmer zu erstrebende,aber imDiesseitsniemals ganzzuverwirklichendeZukunftidealz Erbsündeist jedeSünde,dasichja GesundheitwieKrankheitvererben. Also dasBildist wahr, alsBild. DieTheologie hates,wiedieanderen prophetischenBilder, wörtlichverstanden,aus derHilfe,dieGottinJesus derMenschheitzuihrerVollendung geliehen hat,dieSühneundBezahlung einervon einemeinzelnenMenschen kontrahirten Schuld gemacht, hatdann, auchdarinpaulinischenLeitspuren folgend,diegroßeSachederMenschheit zu einerPrivatangelegenheitjedes einzelnenkleinenMenschenherabgesetztund sichihren gelehrtenKopfzerbrochen,um herauszubekommen,wie dergroße ProzeßAdams für jeden seinerNachkommenentschieden,wie demEinzelnen dasErlösungverdienstChristi zugewendet,wiederpotentiell Erlöste wirklich gerechtfertigtwerde.

TiefeundreineErkenntnißistderMasse so unzugänglich,undvon keinerBlendung durchBorurtheilundInteresse befallenzuwerden,ist auch aufdengeistigenHöhenderMenschheiteinso seltenes Glück, daßwiruns nichtwundern dürfen,wenn wirsehen,wieausdenwahrstenundheilsamsten Jdeen verderblicheThorheiten herausgesponnenwerden. DemreichenIdeen- schatzdesChristenthumeskonntediesesSchicksal nicht erspartbleibenund dieschoninihrem ersten paulinischenUrsprungbeimUebersehenihres sym- bolischenCharakters bedenklicheRechtfertigunglehrehatte noch besondersunter

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demMißverständnißzweier Gruppenvon AussprüchenJesuzuleiden.

»WasnütztesdemMenschen,wenn erdie ganze Weltgewönne,aberSchaden

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litteanseinerSeele?« Das isteineganz einfachepsychologischeGrund- wahrheit.DasGlückliegt nichtin denäußerenGütern,sondernimGemüth, von dessenBeschaffenheitabhängt,ob wiruns aus denGütern,aus ihrem Ueberflußoder ihremMangeleinenHimmelodereineHöllebereiten. Die Frömmeleiaberverstandunter demSeelenschadeneinseitigundwillkürlich diejenseitigeVerdammnißundsetztedemStreben nach äußerenGüterneine Sorge fürdieSeele entgegen; eineSorge,die als einHerumarbeitenander SeelemitAndachtübungen,KasteiungenundZaubermitteln gedachtwurde,wäh- rendeineerleuchtetePsychologielehrt, daßdieSeelenur bei einemnormalen Leben invernünftigerPflichterfüllunggesundundunbeschädigtbleibt,und die Ethik zeigt,daßzurPflichterfüllungauchderErwerbeinesgewissenMaßesvon äußerenGüterngehört.Demersten Mißverständnißgeselltesicheinzweites.

WenndieSeele nachdemTodesortlebt, so verstehtsichvon selbst, daß ihr jenseitigerZustanddemdiesseitigenentsprechenunddaß,.was uns hieran derGerechtigkeitzufehlen scheint,dortergänztwerdenmuß.DerBösewird alsofür seine UngerechtigkeitzubüßenhabenunddieUnbehaglichkeitseines Zustandeswirdihn überzeugen,daßerUnrechtgethan hat.EineVorstellung können wirunsvon diesemZustande so wenig machenwievon derSeligkeit desHimmels; Jesus hatdieBilder dafürdemBolksglaubenentnommen undihnbaldalseineFinsterniß,inderHeulenundZähneklappern(vor Frost) herrscht,demerleuchtetenunderwärmten Festsaal gegenübergestellt,bald dasewigeFeuer genannt,wobeiersichernichtandenmetaphysischenSinn der endlosenDauergedachthat,dendieTheologendemWorteaionios angedichtet haben.DieerstenChristen habenüber denZustandderBösenimJenseits nichtgegrübelt,wie dieKatakombenbilder beweisen,diedurchwegfreundlicher Artsind.AberdiePhantasiederdamaligenMenschenwar durchdie römi- schenEroberungskriege,die beiUnterdrückungvonAufständeninBernichtungs- kriegeausarteten, durchdieblutigen Cirkusspiele,beidenenauchdie Ver- brennunglebendigerMenschenvorkam, unddurchdieUnthatenwahnsinniger Kaiserverdorben. Alsnun dieMassedesVolkes indieKirche eintrat, mußtediemitGräueln angefülltePhantasie,diesich schoninderneu- testamentlichenApokalypsebemerkbar macht, aufdieGlaubensvorstellungen abfärben Nachund nachkamenhinzu:diebyzantinischenGräuel,die SchreckenderVölkerwanderungunddieEinfällewilder,mordlustigerMon- golen,dieVerdrängungdeshumanengermanischenBolksgerichtesdurchdie römischeJustizmitihrer Falterundihrer qualisizirten Todesstrafe.Dante führtedieHenkerszenenindieKunst ein;zwarwollteermitdenSchrecken seinerHöllenur diebösenLeidenschaftensymbolisiren,aberOrcagnaver-

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suchte,denUnsinnzumalen,undmönchischeHöllenmaleruntergeordneten Ranges wetteiferten seitdem,diePhantasiederGläubigenmitdenMartern derHölleund desFegefeuerszuschrecken.Gottwurde zu einemDespoten· herabgewürdigt,dersichzuseinemVergnügeneineungeheure Folterkammer einrichtetundderdievon den»christlichen«Obrigkeitendesfechzehntenund siebenzehntenJahrhunderts vergeblicherstrebteKunst versteht,seineOpferzu martern, ohne siezutöten. (AuchTiberius ärgerte sichnach Sueton,wenn einsseiner OpferinderMarter vorzeitig starb). Diese Henkerphantasie erzeugteinWechselwirkungmitden mißverstandenenSätzenvom Seelen- schadenundvon Dem,wasalleinnoththue,dieSeelenretterei,diesichnach zwei entgegengesetztenSeiten hinentwickelte. AufdereinenSeitepeinigte man sichselbstundverbrannte dieLeiber Anderer,um ihreSeelen zuretten (AskeseimursprünglichenhellenischenSinn alsUebungin derSelbstbe- heirschungundUebernahmevon LeidenzurLinderungderLeidenAnderer sind selbstverständlichganz imSinn desChristenthumes); aufderanderen Seitekonstruirteman einenRettungmechanismusvonAbsolutionen, Ablässen, Sünde tilgenden Andachten, WeihungenundAmuletten, deranGeschmack- losigkeitblosvon denbuddhistischenGebetmühlen,inderklugenAusbeutung desAberglaubensfür hierarchischeZweckeinkeinerReligion übertroffenwird- Auf Schwächlingeübte dieHöllenfurchtdieWirkung,dieDühring fälschlich fürdie demChristenthum natürlicheansieht: sie lähmte völligdieohnehin geringe Thatkraft.

GleicheinergrausamenZange packtendiese zweiPraktikendenmitten- bergerAugustinervon zweiSeiten undrissen ihnausseiner ruhigen Lehrer- undPredigerthätigkeitheraus. DerverderblicheUnngdesAblaßkramesfraß ihmdasHerz-k)Wie dürfen, schreibterimOktober 1517 andenErz- Itc)HeutewirdmehrmitdenSeelenmessenalsmitdemAblaß Unfug getrieben. Aufihre verderblicheWirkungbinichzuerstalsKaplan aufmerksam geworden.DerSammler derBarmherzigenBrüder klagtemir,daßerbei denBauern in äußerst wenigbekomme. Balddaraufbrachteeinangeblicher Trappist (derSchwindlerwurdeerst längereZeitdanachentlarvt)in demselben Dorf einesehrbedeutendeSumme zusammen.JchsprachmeineVerwunderung darüber einemaltenSanitätrath aus,derLandundLeutegründlichkannte. Derübrigens strengkatholischeundsehr frommesteinalteHerrlachteundsprach: »Ja,der Trappist hatdenLeutenversprochen,daß fürdieGeberimKloster viele Messenge- lesenwerdensollen; dafürzahlendiedortigen Bauern unglaublicheSummen, aber einenArmen,Kranken, Obdachlosen lassen sie auf ihrerThürschwelleumkommen-«

EineFrauaus diesem bigotten DorfliesnachdemTodeihresMannes mit einemSackvollThalerbeiallenGeistlichenderGegend herum, brachte ihn aberhalbgefülltwiederheim,weildiePfarrerunddieKaplänenichtsoviele Messen übernehmenkonnten,wiedasWeibzahlenwollte.

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bischofvon Mainz, »die Ablaßpredigerwagen, mitihren FabelnundVer- sprechungendasVolkinSicherheiteinzuwiegen,dadochderAposteluns mahnt, unserHeilmitFurchtUndZitternzuwirken, dieAblässeaberzur Heiligung, alsozumHeilderSeelen reingarnichts beitragen, sondernnur dieStrafen nachlassen,dieehemalsvon derKircheauferlegt·wurden?«Und indenThesenvom selben Tage sagter: »Man solldieChristenleeren, daßesdesBapsts GemüthundMeinung nicht sei, daß Ablaß lösen irgend einemWerkderBarmherzigkeitmitnichts solltezuvergleichensein. Man solldieChristen leeren, daß,wer dem ArmengibtoderleihetdemDürftigen, besser thut,denn daßerAblaß lösete.«Von dieserKritik desAblasfes dringterzumKerndesChristenthumesvor und zertrümmert nichtallein denäußerlichenHeilsmechanismus, sonderndenganzen hierarchischenBau, sofern sich dieser nichtdamitbegnügt,alseinehistorischberechtigtevernünf- tige Ordnung geachtetzu werden,sondernderVorhof sein will, durchden alleinman zu Gottund zurSeligkeitgelangenkann.Nicht durch kirchlicheBer- mittelung, sondern durchdenpersönlichenGlauben wirdGott ergriffen.

Allen, »die sich ärgernan solchenReden undsprecheniEi,sodennder Glaube Allesistundalleingilt,warum sinddenndiegutenWerkegeboten?

SowollenwirdennguterDinge seinundnichts thun«,antwortet erin derherrlichenSchriftvon derFreiheiteinesChristenmenschen:»Nein,lieber Mensch, nicht also;eswärewohl also,wenn Du allein eininnerlicher Mensch wärestundganzgeistlichundinnerlich geworden, welches nichtge- schiehtbisan denJüngstenTag... AberdieselbenWerkemüssennicht gescheheninderMeinung, daß dadurchderMensch fromm [gerecht]werde vorGott, sondernnur inderMeinung, daßderLeibgehorsamwerdeund gereinigetvon seinen bösen Lüsten... Darum sind zwei Sprüche wahr:

gutefrommeWerkemachennimmermehreinenfrommen guten Mann, sondern einguter frommerMann machetgutefrommeWerke. BöseWerkemachen nimmermehneinenbösenMann,sonderneinböserMann machetböfeWerke, also daß allwegediePerson muß gutundfromm seinvorallenWerken, dieseabervon derguten frommen Person ausgehen. GleichwieChristus sagt:einböserBaum trägtkeine gutenFrüchte,einguterBaumträgtkeine bösenFrüchte.« Also: nichtvon einemäußerlichenMechanismus, sondern vonderGesinnungdesMenschen hängt sein Heilab.

DiedogmatischeFormulirungdergereinigtenHeilslehreaberfielun- glücklichaus, weilsieunter derEinwirkungdesanderen ZahnesderZange zu Stande kam. Luthererinnerte sich seiner GewissensängsteausderKloster- zeit,dieauch später manchmal wiederkehrten;erfand, daßertrotzseinem Glauben keineswegseinHeiliger seiundersich so mancherSünde anzu- klagenhabe;erverlor.dengutenBaummitseinen guten Früchtenaus den

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Augenunddüfteltefolgendewunderliche Lehreaus. DurchAdams Sünde hatderMenschdieFähigkeit,Gott zu erkennen und seinenWillen zuer-

füllen, vollständigverloren;erist bösegeworden;dasBöse ist seine Natur;

unddieseNatur bleibtunverändert,wenn erdurchdenGlauben: Christus hatmeineSündegetilgt, hat mich erlöst (denn darauf reduziiterdenBe- griffdesGlaubens)derRechtfertigungtheilhaftigwird. BeiderRechtferti- gungwird derGaubendenichtetwadurchNachahmungoderdurcheinemystische Verwandlung selbst gerecht, sonderndieGerechtigkeitChristiwirdihmnur

äußerlich,juristisch,zugerechnetodermitderGerechtigkeitChristiwirdseine Ungerechtigkeitzugedeckt,so daß sieGott nicht sieht.Vonden paarhundert Stellen,dieDöllingergesammelthat,nur zwei,dienichtzu denstarkenund schonin derFormanstößigengehören. »Das Christenthum ist nichtsAnderes alseinebeständigeUebung dieses Artikels,daß Dunämlich dafür haltest, Du habestkeineSünde, ob Dugleichgesündigthast, sondernDeine Sünden hängeninChristus,der inEwigkeiteinHeilandvonSünde, TodundHölle ist,nachdemSpruche: Siehe,Das istdasLammGottes, dasderWelt Sündenhinwegnimmt...DerPapistenSchalkheitist diese, daßman gerecht werdeodersei nichtalleindurchdenGlauben, sondern auch durchdie Werke oderdurchdie Liebe undGnade, so sieinhaerentem heißen.DasistAlles falsch;dennfürGott gilt nichts,dennblosundallein seinlieberSohn Jesus Christus.Deristganz rein undheiligvor ihm.Wo Der ist,dasiehet

erhinundhat seinWohlgefallenanihm.NunwirdderSohn nicht durch Werk, sondernallein durchdenGlauben ergriffenundimHerzen gefasset·«

Dieheutigen lutherischenTheologen sagen: Jhr Katholiken versteht unsere Rechtfertigunglehrenicht. Ganz richtig:denGallimathias dieserHerrenver- stehtkeinMensch;aberLuther hatdeutlichgesprochen;hätteerDiploniaten- und Gelehrtenkauderwelschgeschrieben,sowäre ernichtdergewaltigstealler deutschenVolksmänner geworden.Soverschrobenaberseine Rechtfertigung- lehre aussiehtundso nachdrücklichalleheutigenProtestanten, soweitsie nicht alsTheologenreden,sichzumgeraden Gegentheilvon ihrbekennen:siewar docheinevorübergehendeNothwendigkeitundenthälteineAhnungderWahr- heit.Luther mußte,umseine weltgeschichtlicheMissionzuerfüllen,vonseiner mönchischenSündenangstbefreit werden;denn einAengsterling,derohneden Rath seines BeichtvaterskeinenSchritt,keinenGedankenwagt,derausFurcht vorder Sünde schleichtundtrippelt, statt fest aufzutretenund kühngegen Feinde,Tod undTeufelzukämpfen,kannkeineneue Zeit heraufführen.

NunsahLutherkeinenanderenWeg, seineAngst loszu werden: also mußte

erihnbeschreiten.Wirbrauchenihnnicht mehr,weilheutedieMenschheit wenigstensgrundsätzlichhuman geworden istund,daGottunmöglichschlechter seinkannalsseinGeschöpf,sichihn nicht mehralsGroßinquisitorundOber-

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henker vorstellt.UndinderverschrobenenTheorie verbarg sicheineAhnung wichtigerWahrheiten.DieWahlfreiheitderScholastiker existirt nicht;der WilledesMenschenwirddurchMotive bestimmt; diesewirkenaufuns schon vor demErwachendesGefühlsderVerantwortlichkeit;unddie Sündege- hört wirklichzurNatur desMenschen.WerdasLebenkennt,werweiß, daßkräftigeSelbstsuchtzurSelbsterhaltung nöthig ist,werinPflichtenkol- lisioncngeblutet hat,dieihmnur dieWahl ließen zwischenzwei häßlichen Handlungen,werandieKinderdenkt, die in derGossederGroßstadtaufwachsen, werbeobachtethat,wieNothundder DruckunerfüllbarerPflichtenden edelsten MenschenzumVerbrecher,zumTeufel machenkönnen,wergesehenhat,welches UnheilguteMenscheninbesterAbsichtausUnverstand anrichten, Der muß bekennen: die SündegehörtzurNatur desMenschen.Undsie wird nicht,wiedie alte Kirchelehrt, durcheinemystischwirkende,heiligendcGnade, diebeiderTaufe eingegossenwerdensoll, sozusagen fortgeschwemmt. Daß derfomes pecoati, der imGetauftenübrigbleibt,nichtansichschonSünde ist,darinhat jadasTridentinum Recht.AberdieserSündenzunderisteben nichtsAnderesalsdieMenschennaturmitihren Trieben, Leidenschaftenund ihrerAbhängigkeitvon sozialenundNaturnothwendigkeiten,aus denendie konkupisziblenwiedieirasziblenSünden unvermeidlichhervorgehenund die machen, daßderGetaufteingleicherLage nichtanders fühlt,denkt und handeltals derUngetaufte.DasKindaber,vondemJesus sagt:WennJhr nichtwerdet wiedieses Kind, kommtJhr nichtindenHimmel,war ein Ungetauftes JudenbübleinoderMägdlein,dasnatürlichauchdenGlauben im Sinn Luthers nicht hatte; diesesKindlein wirftallegelehrtenKarten- häuserderkatholischenwiederlutherischenTheologenmitihren Erbsünden- UndRechtfertigungdogmenüber denHaufen.DiealteKirche hatabergegen LutherwiederdarinRecht, daß siedenGlaubenderlutherischenSymbolever- wirftundeinen Glaubenpredigt,der inderAnerkennungvonLehren besteht

«

undderinLiebewirksam ist, daß siedieRechtfertigungals eine innereUm- wandlung auffaßtundfordert, daß sichderGetaufteüberseineSündhaftig- keitkeineswegsimVertrauen aufdasGotteslamm hinwegsetzen,sondern sich dadurchbeunruhigt fühlen foll. DemMenschen istes, imUnterschiedvon denPflanzenundThieren, gegebenunddamitzurPflicht gemacht,sichselbst zu vollenden. Daherwirdvon AdamundEvadasVerharrenim Natur- zustandals Sündeempfunden: sie schämensichihrer Nackheit(daraus, nicht, wiedieLüsternheitsicheinbildehais-der GeschlechtlichkeitentspringtdieScham über dieNacktheit.DenThieren hatdieNaturHaar-, Feder-, Schuppenkleider, Panzekgegeben;derMensch hat sichzunächstäußerlichdurch künstlicheKlei-

dngzuvollenden).DerMenscherkennt dasJdeal oder,genauergesagt:

dleIdeale, durchderenVerwirklichunger sichineigenerArbeitvollenden 17

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