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Die Zukunft, 15. August, Bd. 44.

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Academic year: 2022

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OOOFDOQ g- I-

Berlin, den fö.August x903. «

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Der Fischerring.

Prophetenblicken,Sybillen,HeiligeundHeldenvon derDecke herab.

Alle Wunder derSchöpfungsgeschichte,alleAengstedesSündenfalles leuchten,lieblichundfurchtbar,demscheubewundernden Auge.Gott-Vater selbst,mitderfrohenZuversichtdesWelterweckers und,einunerbittliche-r Rächer,inmajestätischemZorn.VonderAltarwand herdräut dasJüngste Gericht.DerZeitlichkeitletzteMauer scheintvomFlehen gläubigenSinnes geborstenundesist,alsdürfeMenschenlurzsichtzumerstenMalin den offenenHimmelschauen,alsmüsseMenschenschwachheitvorsograuser Pracht zumletztenMalhierdasZitternlernen. MitzürnenderGeberde.erhebt sichderHeilandvomRichterthronundsondertvondenGerechtendie Sünder.

Und bebend irrtderruhloseBlick über dasverblaßteGeknäuel und lebt in-.

Selunden dietausendjährigeGeschichteuralten, ewigerneuten Wahneszirrt vomChristengott,der denSchreinderHerzenentriegelt,zuCharon,dem heidnischenFergen,derseinenKahnvonverdammtem Gewimmelso gleich- müthigleert,alsschüttleerlästigeMäuseauseinemSack.Alles wirdvon denPofaunen diesesWeltgerichtesüberdröhnt.Signorelli, Perugino, Ghir- landajo,Botticelli verstummen;nurdiefrommeHybris,derinsKirchen- jvchgezwungeneDämon Michelangelos spricht.Dengeschäftighufchenden GreifenimVeilchengewandistsHeiligenmalereiwie andereauch;sie ahnen nicht,daßhierEinervonLuzifersStamm gewagthat,mitHandwerkeremsig- keitseineTitanenvisionzugestalten;achten längstnicht mehrdesbekannten KapellenschmuckesSielesendieMesseundlösenBittendevomSünderbann.

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So will es dieOrdnung,wenn einPontifeximPallium aufdemGoldtuchder Totenbahre ruht.Sowars,genausovorfünfundzwanzigJahren gewesen.

Als der Kardinal-Kämmerer PecciamsechzehntenFebruar1878 nachder zweitenTotenmessemitnervöserGrimasseundüberlauter Stimme den drängendenHaufenAbsolution ertheilte,tuscheltederKardinal Oregliadem NachbarinsOhr: »Der rührtdie Werbertrommel!« DennOreglia haßte den Kämmererundwar entschlossen,ihmmitschlauster Ränkeschmiedkunst im KonklavedenSieg sauerzumachen.JoachimPecci,der,weilergreifen- haßtundunschädlichschien,dennochsiegte,kannteseinenMann, sahinihm denErbenundpflegtezusagen: »Oreglia wird,wennichtotbin,mit dem silbernenHammermeineSchläferecht leiseberühren,ummich ja nichtetwa zu wecken.« Nunwaressoweit.Oreglia Kämmerer,GebieterimVatikan, vonkünstlichgenährtemJrrglauben fast schonmit der Tiara gekrönt. Jetzt rührterdieTrommel. VonLeo bliebnur einschlechtbalsamirter,in der HitzeverwesenderErdenrest. RaschinsdreifacheSarggehäus, aufdas der KämmererseinSiegeldrückt,danndieZerstückungdesFischerringes, dessen TheilchenalsReliquienverliehenwerden...DerRing ist fort. Nichtzu finden.UndUngeduldtreibt zur Eile. DerMagisterCamerae wird den Ring spätersuchen. Schnelldie Rede proeligendo Pontiftce,dieBerei- tungzurZellengefangenschaft,dieWahl.KurzeStunden genügen.Der Kämmerer hütetdasvonderWeltabgesperrteHausundbaldkann, auf sein Geheiß,derCeremonienmeisterdieGängederdreiStockwerke abschreitenund die Kardinälerufen: »JadieKapelle, Monsignori!«Sieschlürfenherbei;

nicht mehrin Trauer :imrothenKleid. WiederblickenPropheten, Sibyl- len,HeiligeundHeldenvonderDeckeherab.AufheiligeMänner,die den Heiligstenwählen.UndvonderAltarwand herdräut dasJüngsteGericht.

WenigeWochenvorher hattedersiechePapst sichin derAbendkühle aufeineGartenloggiageschleppt.ErahntedenTod undwolltenichtsterben;

erwußtesichnahamThrondesHöchstendieEhrenstättebereitetundklam- mertesichanvergänglichesGlück,vergänglichenGlanz.Einerdiaphanen Elfenbeinfigurglicher; und in dementfleischtenLeibwachtebeiTagundbei Nacht ungesättigt,unermüdet der Wille zum Leben. Die Stadt prangt,der BorgoinHochsommerfülle:undsehnsüchtig,alskönneerstrotzendeErd- kräfteherausflehen,breitetderGreis die Arme. WieeinweißesBeinkreuz ragterdurchdieDämmerung. DochdieElstase weichtunddieArmesinken, gleichwelkenZweiglein,die einWindstoßhochgepeitschthat.Und als derbleiche Schatten geschwundenist, liegtin derLoggiaeingoldenerReif;erglittwohl

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vomdürrenFingerund dasinsSchweigen großerNatur hinaushorchende Ohr vernahm nichtdasleiseKlirren. War dieSommersehnsuchtallzu irdisch, unwürdig Eines,derPetri Statthaltersein soll,undwarddeshalbder annulus piscatorisvondererkaltendenKnochenhandgestreift?..Umdie Spükezeitweben dunkleMächte. Unbeachtet,ungeehrtliegtdieheiligeZier aufdemStein,Stunden lang,nicht besserdenneinewerthloseScherbe. Jm BleigraudesnächstenTages ersiehtsicheinrömischerRabediesunkelnde Beute;mitscharfrandigemDiebesschnabelpackterdenRingundfliegtmit ihman dieKüste,demHorstentgegen.Bald aber wird demGalgenvogel dieLastzuschwerunderläßt sieamTyrrhenerftrand fallen. Dahinkommt ein MannausFiumicino,dernachRomMuränen,Goldbrassen,Matte- lenliefertundauchdenVatikanbedient. DerfindetzwischenMuschelnden Ring. Solchen sahernochnie.Sankt Petrus selbst ist darauf abgebildet;

sitztinseinem Kahnundhältin derRechtendieSchlüsselzumHimmelreich.

DasisteinFund,dersicherseine zweihundertSoldieinträgt.Nurmüßte mans wohl melden; gewißhateinMonsignoredasKleinodverloren. Doch JnspektorenundDelegaten haben lange Fingerundgeben,was sieeinmal haben,niewiederheraus.HerrBartolo,derKoch,wirdRathwissen.Das isteinFeiner.SeitJahrzehntenimBorgo;bei allenPrälaten beliebt,mit allenSchlichen vertraut; undum seinenSparpsennigvonallemGesinde derschwarzenStadtinbrünstigbeneidet.Jhn hatderTod desPontifex nicht allzu tiefbetrübt. Sein Mann warMastai-Ferretti gewesen.Denhatteer so ost, so lautundso lange gerühmt, daßdieKüchenzunftdemfeistenPol- tererschließlichdenSpitznamenPio Nono gab.Joachim Pecci?Einhei- ligerHerr,einGelehrter,einDichter.Aber eswardochso gekommen,wie SchlauköpfenachdemKonklavevon1878 geweissagt hatten. Natürlich;

damals bekamen dieKonklavistenmagereGratifikationunddenSchwei- zern wurde dasTrinkgeld verweigert,dasnochjederneuePapst fürdieZeitdes Jnterregnums bewilligt hatte. EinbösesOmen;undsowars weiter ge- gangen. Drei Viertel derJubiläumsgeschenkezumVortheildesHeiligen Stuhlesanden-MeistbietendenversteigertzsogarderWein:zuzweiLire die FlaschecråmantImpåriaLAn allenEckengeknausert.KeineSpur mehrvon derüppigenPrachtMastais.Warum nur?Kleine Leutemögenihr Bischen Geldausdie hoheKantelegen; Petri NachfolgerabersollimGlanzewohnen.

UndwennEiner winselteundüber diekargeWirthschaft klagte, erhielter alsTrostnur einLächelnunddieMahnung: »Machtswieich;mitzwanzig Solditäglichkommeich ohneEntbehrungaus«.Pius,denschönen,stolzen

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Greis, dessenstarkeStimmebiszuletztdieBasilika füllte,der zurepräsen- tirenwußteundfürdieAermsten,wiefürdieMächtigsten,stetsdasrechte« Wort fand, hattenAlle bewundert. Leowarunscheinbar, näselte,ließsich nichtgernsehenundtraf seltenden Tonechter Leutsäligkeit.Mildwarer ja,—- zu mildfürBartolos Geschmack.Dergerieth schoninWuth,wenn erdieewig wiederholteLitaneivondermitezza desHerrnhörte.Als ob einemStatthalterdesAllmächtigennicht höherePflicht vorgeschriebensei alsdie,immermild zuscheinen!Warder dritteJnnozenzmildgewesen,daer rief,derHeilandhabePetro nichtnurdasKirchenregiment,sonderndie Welt- herrschaft vermacht,oderBonifaziusderAchte,daerdieKönigemahnte,nie zuvergessen, daßsie,wie derMond allsein LichtvonderSonne leiht, ihre Territorialgewaltnur derGunstderKirchezu dankenhätten?Somußte eindreifachGekrönterreden. Wie weitman mit derMildekam, zeigtesich jetztjainFrankreichund anderswo. Nein:Kardinal Ferrieri hattenur allzu wahrgesprochen,alserPecci hochmüthighießundnachderWahl seufzte, nur unter Blinden könne derEinäugigedenHerrscherspielen. Dazuder Aberglaube,mit kleinenZuckerstückchenRaubvögelfangenzu können.Nie derEntschlußzuoffenemKrieggegendenMordbrennerstaatderSavoyer, niemehralstaktischeKniffeundvorsichtigeKompromisse.Und immerdie kaumverheimlichteFurchtvordemTode,als obsmit demParadiesund der ewigenSeligkeit dochnicht soganzsicherwäre. Mandarf ja nichtmurren, muß mitDem,wasman hat,sichzufriedengeben.AbereinPapst,dernachts denKämmerlingausdemwarmen Bettruft,umihmlateinischeVersevor- zudeklamiren...Ach,unterPius hatteesim Vatikananders ausgesehen.

BeisolchenRedentrafderMann ausFiumicino seinenGevatter,der einenstattlichenSchwarmumsichhatte;denn inkritischenZeiten liefAlles, zuhören,wasPioNono zugrollen,zu weitern habe.DieFischewaren schnellbesichtigtundfrisch gefunden. DochderFischer hatte nochein An- liegen;zogseinenGönner in die Ecke undzeigtedenFund.Bartolo wurde ganzblaß,faßtesichaber undschrie,wie zumScherz:Extra 0mnes! Der alteRuf,dender Kardinal-Kämmerer derKonklaveverhandlungvoran- schickt.Sacht schobdasGedrängsichhinaus. »Wirklichwie beiPioRono:

immereingedeckterTischundimmerEtwas zulachen.«Als derLetztedie Thür hinter sichgeschlossenhatte, fuhrderKochaufdenLieferantenlos.

WohererdenRing habe.An derNordmole derTibermiindung, dichtbeim altenPorto gefunden?Wersglaubtl Diesen Ring,mit demBildPetriim Kahnund denHimmelsschlüsseln?StehleroderHehler.DerRing seinie

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-ausdemVatikanhinausgelangtund dieBehauptung,erhabeamStrand gelegen,seieinealberneLüge.Ob der Gevattersicheinbilde,einen altenFuchs prellenzu können. Und garverkaufen? DenRing,womit einVierteljahrhun- dertlang jedesBreveversiegeltworden ...PlötzlichschleußtederKochden Strom.Wenn mansnüchternnahm:Hatteerdenn derHerkunstdesKleinods nachzufragen?DenFischerkannteJederalsehrlichenMann;undjetztstand erblitzdumm,begriffBartolos Zorn offenbar nicht, blinzelteängstlichund hättesichamLiebstenohnedenRingweggetrollt.Kann dennnichteinWunder geschehensein?DerverhörendeRichter sänstigtesich.Vordem Konklave habemandenKopfvollund,ärgere sich schonüber einenPappenstiel.So schlimm seiesnichtgemeintunddemaltenFreundenichtsUnredlicheszuzu- tra uen.EinhübscherRing;wohlein uraltesErbstück,dennheutzutagearbeite man feiner;unddasGoldsehe verdächtignach schlechterMischungaus.

AmEndeistdasDing nichteinmalecht, habe vielleichtseinefünfzigoder hundert Jahre ausdemMeeresgrund gelegen(dielateinischeJnschriftkann derFiumiciner ja nichtentziffern)undseinun angespültworden. Immer- hinein netterFund füreinenarmen Teufel. Zweihundert Soldi, habeer sichgedacht?Eigentlichists Unsinn;dochmanhatmaldieSammelwuthund einengutenBekannten läßtman nichtgernvomTrödler übersOhr hauen.

»IchwillDirdasDoppelte geben.ZwanzigLire.Trotzdemichverdammt knapp- bin.Aber:reinen Mundhalten!DieSippschaft sagtmir soschonnach,ichhätte unter SanktSchmalhans Schätzegespeichert.Und DirwürdenichtJeder dieStrandgeschichteaufDeinehrlichesGesichtglauben; wenigstenskämest Du wegenFundunterschlagungvors geistlicheGerichtundmit denLiefer- ungenfürdenBorgowäreessicheraus. Also:keinenTon! Undgrüße mirMonna Lena.« Mit denvierhundertSoldiund demFifchpreisin der Taschekonnte derGevatter sichheuteeinmaldieEisenbahnfahrtvonPonte Galeragönnen. SignorBartoloaberkrochin dieSpeisekammer,verriegelte dieThür, putzteundrieb denRing,bis der Armihmerlahmte,und träumte dannvorsichhin.EingroßesGeschäft,das derAhnungloseihmdainsHaus gebrachthatte.Wennman einBischenwartete ...Gewißwar derRing unterBrüdern,alsRarität, seinetausendLirewerth.Nurblieb derHandel gefährlich;undBartolo hattesichnie mitunsauberenSachen abgegeben.

EinenbescheidenenSchmuggelgroschennimmtJeder mit,derihn habenkann.

Diesaberkonnte alsTodsündeausgelegtwerden.Schon gingdasGerücht, derFischerringsei verschwunden;diecamera papaljswarinAufruhr;alle Stuben,Truhen,Winkel wurden durchstöbertundNiemand konntewissen,

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wieweitdieUntersuchungsicherstreckenwürde.Nein. Dasdurfteerseinem Pietro nicht anthun; seinemEinzigen, fürdenersparteundsorgte.Dersollte Bessereswerdenalssein Vater, sollte,wenn erdasAlma Capranieense verließ,fürdiehöchstenEhrenstellenimHeerderKirchegerüstetsein.Dann

...WieErleuchtungkams über den Alten. JstseinZeichenhimmlischer Verheißung?Wie kämesonst diesesSinnbild höchsterGewaltanihn?Und einFischer hattees,vonSanktPetersGewerbeeinschlichterMann, ihm gebracht.DesHerrnzuharren, ist Pflicht.Wenn derTagderWeihen herangewachtist,wird der Vater demfrommen JünglingdenRinganden Finger stecken;undfrei mochtedannPietroübersein Eigenthum schalten.

Das CollegioCapranjca...DawarderKnabeerzogenworden, dessenNamejetzt,vorundhinterdenDrehthürmchenderabgesperrtenWahl- stätte,aufallenLippenlag:Mariano RampolladelTindaro. Denschlanlen, schmächtigenKleriker mochteman sich aufGoldgrund gemalt denken;ein Flügelpaarnoch:und dasAugeträumte denechtestenFra Angelico. Auch ihm,deramsiebenzehntenAugusttaginssechzigsteLebensjahrschreitenwird, istdieZeit nicht spurlos vorübergegangen.DemfernenBetrachterscheint ernochjung;diehagere Gestalt hält sichstraff,derBlickleuchtet,wennsich

«das Lid einmal hebt,wie einesDreißigersunderstin derNähesiehtman, daßaufdenweitenFlächendieses stillen,instrenger Zuchtanlächelndes Schweigen gewöhntenAntlitzes Krähenfüßegescharrt haben,beiTagund beiNacht.EinKopf,den Keinervergißt,jedes Künstlers Entzückenund Sehnsucht,aberlängstkeinzarterBeatomehr;eines anderenGiovannier- innertvordieserdunklenGrößesichdasAuge: Cimabues,der denHeilandund denEvangelistenvonPisa schuf.UnddochistetwasganzModernesindieser Menschenhülle;Etwas, daßkeinPrimitiverundkeinFlorentinerder-Hoch- renaissancezugeben vermocht hätte.EinRäthselwesen;weltmännischund priesterlich, elegantunddoch unfreiin derGeberde, fast unirdisch körper- losunddennochin allenErdenrånken heimisch;unter denBrauen eine Flamme,vorder Männererschrecken,undumden Mund ostdasfromme LächelnfriedlicherPuttenköpschen.Einer,unter demauf steilemRitteinst einFlügelroßstürzteundderseitdemin der Ebenebleibt, aufdersicherenHeer- straße,die dasDogmademGläubigenweist. Jesuitenwaren dieerstenLehrer desKnabenausaltemSizilianergeschlecht.Vonihnenlernteerfrüh, daß esdenPriestern ziemt,blindsichderVorsehung anzuvertrauen, perindeac si cadaver essend,quodquoquo versus ferri et- quacunque ratione

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tractari Sesinjt. Keinerhatjelieber undbessergehorcht.Fürdenharten Dienstin derTruppe Loyalaswar Marian zuschwächlich;erwäre gern denWegdesJgnatiusgegangen, hättegernineinerschwarzen,braunen, weißenKuttenur derOrdensregel gelebt,aberdieVorsehungwollteseine jungeInbrunstimGewirrweltlicherHändelpanzern.NurderRufunermüd- lichen Fleißesfolgte ihm nachMadrid in die Nuntiatur. Doch Simeoni, derNuntius, merktebald, daßman ihmkeinenDutzendmonsignorege- schickthatte,und erbatsich,alserzum Kardinal undLeiter derPropaganda ernanntward,den bewährtenBeistandauchfürdas wichtigereWerk.Rampolla wurdeSekretärderorientalischenAbtheilungundwußtemitsanfterGewalt denStreit zuenden,der in Armenien dieBischöfetrennte und,zumScha- den derRömerkirche,gegen einander trieb.Jetztwurdeihm nicht mehrnur Ausdauer undEmsigkeit nachgerühmt.DerMann,derallemPrälaten- geklätschfernblieb,nie in denVorzimmern lungerte noch nach Neuigkeiten schnüfselte,dernursichtbar wurde,wenn Pflicht ihn rief,war ausanderem Stoffals derHaufederMüßiggängerundStreber,die,um ja nichtszu versäumen,beimwinzigstenGeräuschdenKopf durchdieThiirspalte stecken und wonnevollgrinsen,wenn sichinihrem GespinnsteinearmsäligeFliege gefangen hat.Der SekretärkanntejedeAktenseite,sah hinterdemBuchstaben die-Hand,dieihngeschriebenhatte, hinter derKlage denKlägermitseinembe- sonderenTemperament, fühlteimdichtestenWortgeknäueldasalleinWesent- licheundwarfrüheinMeisterin derKunstdesSchweigensundHörens.

SolcheGaben konnten imVatikan,wofürdieAuslesederTauglichstenbesser als inLaienreichengesorgtist, selbstunterJacobinisStaatssekretariat nicht unbelohntbleiben. In Madridwaren Fehler gemachtworden. Simeonis Nachfolger,MonsignoreBianchi,hielt offenzu denKarlistenund zogsichden UnwillendesKönigs Alfonsozu, bei demerbeglaubigtwar.Unklügereswar nichtzuersinnen;wer dieKirche vertritt, darf sich nichtvonpersönlicher NeigungundAbneigungleitenlassen, sondern soll warten, bis derSieg einen derKümpfendenkrönt undentscheidet,woüberlieferteGlaubensschätze vorStürmen geborgen sind. Piuswar tot;und derGreis,dernach ihmdie Tiara trug, wußteschondamals, daß Legitimitätohne MachtnureinSche- men istundsruchtloseThorheit jedesBemühen,dasSchifflein Petrianver- gänglicheStaatsformenzu ketten.Bianchiwürde imHeiligenKollegium Unschädlichsein; sür Spanienaberpaßtenur einGeschmeidiger,dersich nichtverdrießenließ,FädchenumFädchensachtzu entwirren. Leo ernannte RampollazumErzbischofinpartibusvonHerakleiaundbotihmdieNach-

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folg Bianchisan. Dernochnicht Vierzigjährigeerschrak;erwar ebenerst zurKongregationderaußerordentlichenKirchengeschästeversetzt worden, hinganseinerArbeit undscheutedieRückkehrinsGetriebe einesweltlichen Hofes.Doch:»DeinWillegeschehe!«PerindeacSi eadaveresset. JnMa- drideroberteer,trotzdemerhöfischeFestemied,schnellwieder den verlorenenBo- denzerschienmehrPriester alsDiplomatund hatte vielleichtgeradedeshalbbald dasOhr AlfonsosundderKönigin,dieihmdankbarblieben,weilerden GemeindezwistendeteunddiekarlistischenBischöfezwang, dasHerrschaft- rechtderjüngerenBourbonen anzuerkennen. Fast fünf Jahre langwirkte erstillin Madrid. Dann wurdeerinPurpur gekleidetundhießnunKar- dinal-Staatssekretär. Schonwar ereineHoffnung;achtzehnKardinäle schaarten sichumihn,undalserdasschwereAmt desStaatssekretärsan nahm,wisperteeshinter seinemRücken:»Der ist nichtehrgeizig;sonsthätte erabgelehntundimnächstenKonsklavemüheloseineMehrheit gefunden.«

Daswar 1887. Seitdem sinddieNamenLeos undRampollaskaumnoch voneinanderzu trennen. Alseins derweltgeschichtlichenPaarelebensiein derVorstellungderMenschheit.DerSekretärwar kluggenug,nur das WerkzeugdesPapsteszuscheinen,demüthiggenug,ihmalleEhrezugönnen, GrollundHaßaberaus sichzunehmen.Os tuum etcaro tuasum.. Ein treuer Knecht.UndMariano Rampollawollte immernur Priester sein undlächeltemitleidig,wennFreundoderFeind ihneinenPolitikernannte.

Ersoll auch gelächelthaben, so oft Gunstsucher ihnalsNachfolger Leosgrüßten.EinStaatssekretär, de«rdieGeschäfteführtundsich,mager noch sochristlichenSinnes sein, durchHandelnundUnterlassenFeindemachen muß;undgareiner,derallmächtigscheint,weilereinemhinfälligenHerrn diente und weil Niemand ahnt,wiestörrischeinGreisenhirn seinkann,wieeiser- süchtigauf Jeden,dermitkeckerHandnachdemSteuer greift.Nein: aus Peeci folgt nicht Rampolla.DieKardinäle,die einemungebrochenenMann vonsechzigJahren ihreStimmegäben,müßtenaufdasTriregnum verzichten·

EineMehrheit entsagt nichtgernallerHoffnung.Jn schlimmerZeit schwei- gensolcheBedenken undgemeinsameNoth flüchtetzu demStärksten. Doch LeohinterließeingesichertesErbe,dasselbstfrommeEinfalt ohne Gefahreine Weile verwalten konnte.AuchimKonklaveregtsichdiererum novarum cu- pid0,in derJoachimPeceieineGroßmachterkanntezderFremde,Unbewährte giltdaleichtmehrals Einer,deranderthaleahrzehnte langdemAugeAn- griffsflächcnbot.,,Rampolla Papst?Derwarsja schonseit1893«:diewitzige Antwort einesWürdenträgerstrafdenKern. DazukamderWunsch, endlich

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wiedereinenPraktikerzukrönen,Einen,derdieBedürfnissederDiözesen aus eigenemErlebenkennt; seltenwirdeine ArmeesicheinOberhaupt wäh- len,dasimBureaudienst langederTruppe entfremdetward. SolcheEr- wägungwar wichtigeralsdieFrage nachdempolitischenGlaubensbekennt- niß. In Kinderstubenmagman träumen,klugeKirchenfürstenhättenkeine, andereSorgealsdie,obihrKandidat DeutschlandoderFrankreichzärt- licherliebe,demDreibund oder demZweibundvom HimmeldeKSieger- flehe.Leohätte vergebens gelebt,wenn nichteinmal denseinem Throne Nächsten,vonseinemWillenmit demPurpurGeschmückten dieLehreeinge- prägt wäre, daßForm, Verfassung, GruppirungderStaaten wechseltund ewigunwandelbar nurdieKircheist.DerenVortheilistzusuchen,mögendar- überauchReicheinStückegehenundKronenzerbröckeln.Immerdasselbe Ziel;nurdieMethodehatsichderZeitstimmunganzupassen.GregorderSie- benteriefdemBischofvonMetzzu, dieMachtder KönigestammeIvonTeufels- kncchten,diedurchfrechenRaub, Treulosigkeit,Mord, durchGräueljeglicher Art diefrömmerenNebenmenschenunterjochten.SosprichtRomlängstnicht- mehr;dochdieEhrfurchtvor zufälligenEintagsgebildenistintausend Jahren nichtgewachsenundheute noch ist Weisheitin dem Wortunseres Dichters:

»VomVatikanherab siehtmandieReicheschonklein genug zuseinenFüßenlie- gen,geschweigedenndieFürstenunddieMenschen.«Deutschlandkonnte dieleise Geschäftigkeit,OesterreichdasschüchterneVetosparen. Auchohnesoübereifri- genDrangwäreRampolla nichtPapstgewordenEristzujung,zustark,der Pfarralltäglichkeitunddequst ihrerVorurtheilezu weit entrückt.Wermöchte dasGloria in excelsis vonLippen hören,diesichimSalon derFrauFried- länderausBreslau zuweltmännischemGeplauderzuöffnenpflegten?Wo Mehrheit entscheidet,hatderTüchtigstenicht viel,derBequemsteAlleszu hoffen. Wahrscheinlichwäre einvierter, vielleichteinfünfterWahltagver- strichen,wenn dieErkrankungdesPrimasvonSpaniendie altenHerren nichtinAngst gejagt,diegrause Möglichkeit,morgen imheißenZellenge- laßmiteinem Totenzuhausen,dieEinigungderStimmen nichtbeschleu- nigt hätte. Auchdannaberwäreauf Pecci nicht Rampolla gefolgt.

GiuseppeSarto istder Mann derMehrheit,war so geschaffen,ihr Mannzusein, daßervorher schonimsozialdemokratischenAvanti alsLeos Erbe Unfrommenverkündet wurde. Kleiner LeuteKind,derVater einBote undHausbesorger,dieSchwesternanDorfschänkerundHausirer verhei- rathet.Eingutmüthiger,strenggläubigerHerr,dersichdenchristlichenSo- zialismus nichtzunahkommenließundvonReformenundModernisir-

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ungennichts hörenmochte;alsPatriarchvonVenediglebteerrechtbehaglich, dochohnePrunk,liebteseinSpielchen, gabnieeinAergernißundthat pünkt- lich,wasihmdiePslicht gebot.EristniemalsimdiplomatischenDienstver- wendetworden,sprichtaußerdemBischenKirchenlateinkeinefremdeSprache, kennt keinfremdes Land,kaum eine andereProvinzalssein geliebtesVene- tien, gehtinsneunundsechzigsteLebensjahrundhatunterFettpolsternein siechesHerz.EcceSacerdos...Flink kränztihndieLegende.ErhatinVene- digdenKönig, hat PrinzendesKönigshausesbegrüßt(sothaten,wenns nöthigwurde,alleBischöfe,derenDiözesennichtzum Gebiete desfrüheren Kirchenstaatesgehörten):alsowirdermit denSavoyernsicherschnellFrieden schließen.Er bewundert Deutschland,wirdFrankreichdiePrivilegien neh- men,mit denen dieältesteTochterderChristenheit so langedenverblühten Reiz aufputzen durfte,und dievon RampollasTückegefesseltenGeisteraus demTyrannenjoch lösen.EinliberalerPapsttSowurdeeinst auchJoachim Pecci genannt.DerhattealsBischofinseinem PalastGiobertiempfangen, denFeindderJesuiten,denApostatenundOntologen, hatteinPerugiaeine Totenmesse fürCavour erlaubt,mitBonghi verkehrtundimmerauf gute Beziehungenzu denStaatsbehörden gehalten.EinLiberaler, sagtendie Freunde,einJakobiner,die Feinde.AberSarto istvonganz anderem Schlag.

KeinPolitiker.DasHerzaufderZunge. Unsähigjeder Verstellung.Ein wirklichLiberalerundGottesschlichtesterKnecht.Und dersoGepriesenesolgt nun aufden modernen Papst,der diestärksteOrganisationderMenschen- geschichteinlangerundleiserArbeitdemBedürfnißdesneuen Tages·ange- paßthat. Für diesesungeschulteAugewurden dieSchätzehöchsterKunstge- häuft. Diesen erkürten,unterdem DräuendesJüngstenGerichtes, heilige MännerzumFührer.Vorihm beugt sich,alsErzpriesterderBasilika,der feine, gebildeteDiplomatMarian RampollazumFußkuß.UndamFinger Sartos, deszehntenPius,funkeltderFischerring,zu dem derpäpstlicheHof- juwelier Fanfani gleichnachderWahldasMaß nehmen mußte.

»Ganzwie deralte«,denktBartolo,dersichnicht allzuweitvonder sedia gestatoriaeinPlätzchengesicherthat.Mit derGestaltund derStimme desneuen Herrnisterzufrieden.Nur wirdsimVatikan gewißnoch kärg- licherwerden. Wer in derHüttegeboren ist, findetsichimPalast nichtzu- recht.DerSizilianer,der da drübenso inbrünstigzumThronaufblickt, ganzPriester,ganzwillenloses Werkzeugin desHöherenHand,wäreihm liebergewesen. Doch hat Pietro ihm nicht erzählt,wievielePäpsteHilde- brandkrönenließ,eheerselbstnachdemGoldreis griff?

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