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Maximilian Bari-ein
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Rachdruck verboten.
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Erscheint jedenSen-ruhend.
Preisvierteljähench5Mark,dieeinzelneNummer50Pf.
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Berlin.
Verlag der Zukunft.
sWilhelmftraßeZa.
1907.
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Berlin, den 31.Kugulk 1907.
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Hau.
ndererstenMorgenstundedesdreiundzwanzigstenJulitagessindden karlsruher GeschworenenzweiFragenvorgelegtworden.Dieerste:Jst dersechsundzwanzigjährigeAngeklagte,RechtsanwaltKarlHauausGroß- Littgen,schuldig,amsechstenNovember1906seineSchwiegermutter,Frau JosephineMolitor,vorsätzlichgetötetzuhaben?Diezweite:HatderSchul- digedieThatmitUeberlegungausgeführt?BeideFragen wurden,nachein- stündigerBerathung,mitmehralssiebenStimmen bejaht.Damitwar der sThatbestanddesParagraphen211gegebenund derAngeklagtemußte,nach demGesetz,zum-Todverurtheilt werden.Was über denProzeß,.dieHaltung desSchwurgerichtspräfidenten,desAngeklagterdesPublikums,zusagen nöthigschien,istamsiebenundzwanzigstenJuli hiergesagtworden.Nur ein Jndizienbeweis;dochso festgezimmertwieselteneiner.Fester alshundert, die imdeutschenLandJuristenundLaien zumSchuldspruchgenügthaben und,ohneDiskussion,alszureichendhingenommenwordensind. Auchder Gewissenhaftedurfte auf dieseBrücketreten;undsicherfein, daßeraufgu- temGrundstand. Dennoch habenwirseitdemtäglichgelesen,derThatbe- stand seinichtaufgeklärt,HauoffenbarunschuldigundkeinZweifelmöglich, daßderleipzigerStrafsenat dasunhaltbareUrtheilaufhebenwerde.Schwur- gerichtsurtheilewerdenseltenaufgehoben; siegebenjakeineEntscheidungss gründe,diedasReichsgerichtnachprüfen,in denen esdiefehlendeoderfalsche Anwendung einerRechtsnorm rügenkönnte,sondernnurdenAusdruckeiner demErgebnißderHauptverhandlungentnommenen,auf EhreundGewissen gestütztenUeberzeugungDasUrtheileinesSchwurgerichteskannvonderre-
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306 « DieZukunft-
vidirenden Instanz«nur aufgehobenwerden,wenn dasVerhandlungproto- koleineVerletzungdesGesetzesergiebt.NichteineinzigerGrund,derdieAuf- hebungerwirkenmüßte,istbisheransLichtgekommen.Dochthutman,alssei derErfolgderRevisionheuteschonvölliggewiß.HausVertheidiger,Heerr.
Dietz(einstLandgerichtsrath,jetztRechtsanwalt,Marxistund derSozialde- mokratischenParteiangehörig),läßt verkünden,erhabedemSchwurgerichtin einerDenkschriftdie,,moralischeRechtfertigungderRevision«vorgelegt.Die wird dasGerichtinseinerSprachewohl,,unerheblich«nennen;nichtmoralisch, sondernjuristischmußdieRevisionbegründetsein.DasMaterial, hörenwir, seiin einer,,umfangreichenKiste«nachLeipziggegangen ; undsollenglauben, diesesMaterial müsseganzungeheuersein,da eseinegroße-Kistefülle.Da- zuistzusagen:DieSchrift,die denAntragaufRevisiondesUrtheilesbe- gründet,gehtandasGericht,das denSpruchgefällthat,und wirdvonihm, mitsämmtlichenzurSachegehörigenAkten,nachLeipziggeschickt;daßdie AkteneinesMordprozesses,indessenneunmonatigemVerlaufungefährsieben- zig Zeugenvernommen wurden, nichtin einemBriefumschlagzubefördern sind,könnteeinSextanerbegreifen.DochdieStimmungdarfnichtermatten:
alsomußTagvorTagmitneuen Zeilchennachgeholerwerden« Adhuc subiudice lis est; undmankönntegeduldigwarten,bis derhöchsteRichter imReichgesprochenhat.Kanns abernicht,weil dieSachezumSkandal,zur deutschenSchande gewordenist.WiedieSensation entstand, habeichhier zu erklärenversucht.DaßdienachKarlsruheund Baden-Baden entsandten oder dort inZeilenlohngenommenen ReporterdeneinträglichenStoff nicht gern ausdenFingern lassen,istleichtzuverstehen.(Nochimmerwirdfreilich zuselten bedacht,welchesUnheildieAkkordlöhnungin derPressestiftet;wie oftnurderBlickaufdieMonatsrechnungzumSchreibendrängt.)Nichtmin- derleichtzuverstehen,daßderVertheider,derfühlenmag,daßdieHaupt- verhaudlungihmkeinenKranzeingetragen hat,jetztAllesaufbietet,um die RevisiondurchzusetzenoderdieWiederaufnahmedesVerfahrens vorzube- reiten.DasistseinRecht; ist seinePflicht. Dochdiehorazischencerti fjnes dürfennichtüberschrittenwerden.DerVertheidigerdarf nicht nachMitteln greifen,derenAnwendungderStaatsanwaltschafthartenTadelzuziehen müßte.JndenSchranken,nichtaußerhalb,hatersachlichenundpersönlichen Erfolgzusuchen.Und diePresse darf nichtHhinterderVorwand ihrer Bericht- erstattungpflichtinfameAnschuldigunghäufenund dergemeinstenKitzelgier dienen. Dashabenwir erlebt.»AuchwerHaunichtfür ausreichendüberführt hält,hattekeinRecht,imInteressedesVerurtheilteneine anderePersonzu
Hau. 307 Bezichtigenundin denSchmutzzuzerren.«DasstandineinemgutenArtikel derVossischenZeitung.(Aehnlichesstand auchin anderenBlättern,die aber selbstder Sündebloßwaren und derentapferes Schmälendeshalbnur wie sfeigeHeuchlergrimassewirkte.)Unddie»anderePerson«war einMädchen.
JnderHauptverhandlunghattederVertheidigerzunächstversucht,einen DienerderFrauMolitor mit demSchuldverdachtzubelasten. DieserKarl Wielandsolltemit derWitwe desGeheimenMedizinalrathesMolitorStreit gehabthabenundgaltalsunauffindbar.Ein alterFehler schwacherKrimi- nalpolitik: stattdenunzweideutigenBeweis zufordern,daßseinKlientschul- sdigsei, mühtsichmancherrobin,einenZeugen,denerverschwundenwähnt, mitdem GewichtderThatzu bebürden: undistmitseinerForensenkunstdann zuEnde,sobalddasEchodesProzeßlärmesdenlangevergebensGesuchtenin denGerichtssaalgerufenhat. NachWielands Aussagewar derkünstlichge- zeugte Verdachtabgethan.Noch aufeinen anderentaktischenKniff hatteman abergehofft.HerrHau weigertedie AntwortausjedeFrage nachdenBeziehun- gen zuseinerSchwägerinOlgaMolitor;lehnte mitbesonderemNachdruckdie Beantwortung derFrage ab,oberwisseoderahne,werseineSchwiegermutter getötethabe.Warum?Daer,ohne sichzugefährden,Neinsagenkonnte?Weil ernicht lügenwill, wisperts schonimSchwurgerichtssaal-;weilerweißoder ahnt,einihmtheuresLebenaber nichtinGefahrbringenwill. Ein Gentle- man also. Einer,derfür seineLiebe denKopfunters Beillegt.Der ein Mör- der?Unsinn.HauhatteGeldwieHeu.Konnte inAmerika,woer(mandenke!) AußerordentlicherHochschullehrerundAdvokatwar,bequemvielmehrverdie- nen, alserbrauchte.Undsoll,umlumpigesiebenzigtausendMarkzuerben,ge- mordethaben?DasglaubtkeinErwachsenenDahinter stecktsicherganzAn- deres.SchonJuvenalhatgesagt:Nulla ferecausa est,in quanonfemina jitem moverit; unddasPolizeigeniedes altenDumas,dersichaufsolche DingenichtschlechteralsSherlockHolmesselbst verstand, rieth,injedem Rechtsstreit nachderFrau,als derThäterinoderAnstifterin,auszuspähen.
Chercbez lafemme! AufderZeugenbankwardsiegefundenFräuleinOlga Molitor. Schon sechsundzwanzig;aberhübsch,elegant,röthlichesHaarund keinGedichtbändchenaufdemKerbholz; also sehroerdächtig.Nebenihr istdie Mutter getötetworden.AufOlgawarFrauLan Haueifersüchtig.Und der AngeklagtewillumkeinenPreisgestatten,daßsiein dieSachehineingezogen werde. Wennsiegarnichtszufürchtenhätte,wä,reernichtsoängstlich.Mit solchemVorurtheilläßt sichoperiren·HatOlgageschosseUPWarsieim Kom- plot?WolltesiedenSchwager,derSchwager sietöten undtrafdieKugelin
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308 DieZukunft.
irrendem Laufdie Mutter? SchweigtHau,umOlgazuschonen?Schwört Olga,umihrenKaklnichtallzuschwerzubelasten,siehabedenMörder,der dochdichthinterihrwar,nicht deutlichgesehen?DieMitschulddesFräuleins wirdkaumnochbezweifelt.Dann entschließtHaufichzumGeständnißder Unschuld.ErhatOlga geliebtzmitallenWesensfasernsichansiegeklammert, dochkeinAederchenseinesGefühlesihrje enthüllt.NurumsievorseinerRück- kehrin dieNeueWelt nocheinmalzusehen,kamerheimlich,vermummt,mit fremdem Haupt-undBarthaar,nachBaden-Baden. Da derPlanmißlung, isterhastigaufdenBahnhofgelaufenundabgereist;hatdenSchußnichtgehört undvondemMord erstinLondonerfahren,woFrauLinamit dem Kind aufihnwartete.DahabtJhrs!Liebe;vondersalomonischenSorte,diestark- wiederTodist. HauunschuldigoderOlga mitschuldig:alles Andereist Pro- kuratorenblechKeinWunder, daßFrauLina imPsäffikerSeeRuhe suchte.
DieSchwesterhatte ihrdenMann abgespannt.Eine nettePflanze.Eine, dieVersemacht,pikanteBücherliest,inpariserTingeltangel stieselt;was-
man soeineEmanzipirtenennt.Derist Mancherlei zuzutrauen. Schon wäh- rend derVerhandlungwurde dasFräuleinvonJnsultenverfolgt.Als das Urtheil gesprochenwar,heultedieMenge:,,Niedermit derrothen Olga!«
ZweiEompagniendesLeibgrenadierregimentesmußten,dadiePolizeimanns schastnicht ausreichte,dieStraßenräumenundkehrten erstgegen dreiUhr nachtsin dieKaserneheim.DashattedieOeffentlicheMeinung gewirkt.
Sievermochtenoch mehr. Jnterviews,langeDepeschen,Gutachten, ErgebnissederLokalinspektion,kriminalpsychologischeUntersuchungen.Dum- meSchwarzwaldbauern,hießeszuerst,habendasUrtheilgesprochen;Leute, derenHirndieFeinheitdiesesFalIesgarnicht ermessenkonnte.Diegewöhnt- sind,umNeun dieDecke über denKopfzuziehen,undumeinUhr nachtsnun
judizirensollten.WolltJhrGeschworene?Ja.Dann dürftJhrdieMänner nichtmäkeln,dievonStaatsanwaltschaft undVertheidigungnichtabgelehnt wordensind. Daß ihreBerathungnachMitternachtbegann,warder Wille desAngeklagten,derdenVorsitzendenbat,dieSitzungnicht nocheinmal zu vertagen.Vielleicht(ichweißesnicht) hateineBauernmehrheitihnverur-
theilt. VonRechteswegen. EineMehrheit,gegen die derVertheidigernichts einzuwendenhatte.UnddieihrenTadlernlautsagenkönnte:»Wir habenden Angeklagtenund dieZeugenvierTage lang gesehenundgehört;Jhr habt nur Zeitungberichtegelesenundseidmit all Eurer Stadtweisheit hierdes- halbschlechterdranalswirungebildetenSchollenkleber.«ZweiterAngriff.
AuswelcherEntfernunghatderThätergeschossen?Nichteinmal dieseKar-«
Hau. 309 idinalsragehatdasSchwurgerichternstlicherörtert; solcheLückenhat dieses Verfahren-Wir (össentlichMeinende)behaupten,daß schondiePrüfungdes
«GeschoßkegelsdieUnschuldHaus beweisenwürde.(Wobei angedeutet wird, daßnur Jemand,dernebenFrauMolitor ging, geschossenhaben könne.) Antwort: DasGerichthatüberdieseFrage zweiSachverständigegehört; einen Geh eimenMedizinalrath,derdieLeicheobduzirthatte,undeinenzurUntersuch- ungherangezogenenBüchsenmacher.Beidehabenausgesagt,dieWaffe müsse demLeibderFrauMolitorsehrnahgewesenseinzderAbstandseiaufhöchstens zehnCentimeterzuschätzen.Bliebhier,trotzLeichenschauprotokolundGutach- ten,eineLücke,soistderVertheidiger,dersieklasfenließ,groberPflichtversäum- nißschuldig;derGerichtshosbrauchtdenAngeklagtennichtsorgsamerzuschützen als dervonihmbestellteWächter.Mit AlledemwarnichtsRechtesanzufan- gen.AuchnichtmiteinemfreiherrlichenZeugen,dergesehenhabenwollte,daß OlgaihreMuttererschossenhat,aber zuschweigenbereitwar,wenn dasFräu- leinsichentschlösse,seineBaronin zu werden.(DiesesGesaseleinesErpressers oderVerrückten,dem dieMitgiftselbsteine Mörderin heiligt,wurdeTage langmiteiferndem Ernstbeschwatzt.)Bliebimmer nurdernobleVersuch, HaushübscheSchwägerinanzuschwärzen.Die !Daß siegernmitSchußwas- fenhantirteundstetseinen Revolverbeisichtrug, weißinBaden-Baden je- desKind. MancherMannbare,daß ihre Sexualitätsieins Geredegebracht hat. Und ihr unkindlichesBenehmengegen die Mutter! UndLinasEifersucht!
UndzweiZeugen,derenAussagenHau entlastet hätten,sind nichtvernom- men worden: einFriseurundeineLadenbesitzerin.Alleswurdeprompt depe- schirtundinSperrdruckveröffentlicht.Alleserwiessichalsunwahr.Das Fräulein hatnie eineSchußwaffein derHandgehabt,nie einen Revolverbe- sessen.OlgasWandelistunbescholten.NachdemZeugnißihrer Geschwister undSchwägerwarsieeinegute,zärtlicheTochter;kam mit der Mutterniein schlimmenStreit. AllevorGerichtsestgestelltenThatsachensprechengegenden Verdacht,LinaseiaufdieSchwesterernstlicheifersüchtiggewesen.Wasals Aussagedernichtvernommenen Zeugenverbreitetwird,istbelanglos.Thut nichts. VierWochenlangstehteinwehrlosesMädchenamSchandpfahl.
HausredseligerVertheidigerhat gesagt,wenn seinKlientdenMord unterdenvon AnklägerundGerichtangenommenen Umständenausgeführt
·hätte,miißteereinDummkopfsein,dersicherdurchs»Raubmördervorexamen«
gefallenwäre. StreitenwirnichtüberdenGeschmackdesHerrn,derfich,mit derStillunstdesberühmtestenQuartaners,alsMarxistenundOptimistenden Landsleutenempfiehlt;haltenuns auchnichtbeiderFrageaus,objeein Ver-
310 DieZukunft.
brechenansLichtkäme,wenn derVerbrechernichtirgendwovondemPfad, denklugeVoraussicht ihm weisenmußte,gewichenwäre.Wirwollennur
fragen,wie dieIntelligenz Olgas,wenn sie wirklichals Mörderinerkannt würde,eingeschätztwerdenmüßte.Könntesiedannauchnur nochalszurech- nungfähiggelten?Sielebt mit der Mutter zusammen;Monate langallein- imHausJedermagsichausmalen,wassiethun könnte,umeine alteFrau, dieihrimWegwäre, sachtoderschnellausderZeitlichkeitzuspediren.Wir abersollenglauben, siehabedieMutter aufoffenerStraßeniedergeschossen;.
sichalso,als derThatNächste,verdächtiggemacht.DieMöglichkeitnichter- wogen,daßder Todnicht soforteintreten,«dieSterbende mit Wort oder Ge- berdedieThäterinbezeichnenwerde.Ein Lautnoch,einGeftus,ein Blicknur : Alles verloren.Wirsollen glauben, daßsiediegrausigeThat,einen Mutter- mord,beschlossenundausgeführthabe,alsMamachen sie,widerErwarten, auseinemTheekränzchenabgeholthatte.Motive?Nichtdaswinzigsteistsieht- bar.Haß?MutterundTochterlebteneinträchtigmit einander. Liebe?Fräu- leinMolitor duztedenSchwagernichteinmal;verkehrtemitihmin derZone kühlerKonvenienz.Nichts,waseinen Romanahnen, auchnur denkleinsten Verdachtsschattenaufkommen läßt. Trotzdem:einMädchenam Pranger.
SinddieStützendesSchuldbeweisesetwasoschwach,daßman aneinen Fehlspruchglauben muß?KarlHauwarim November1906 in enger Geld- klemme.HatteLinasMitgiftverthan,ein wienerBankhausumvierhundert PfundzuprellengetraehtetundbesaßnurnochungefährneuntausendMark.
Nichtvielfür Einen,dermitFrauund Kind über denOzeanwill und ge- wohntist,wie einDollarmillionärzu leben. Der dieFraumitDiamanten behängt,vonfeilenPaschasOsmanenordenerhandeltund denLeutenvorlügt,.
erwerde alsDelegirterderVereinigtenStaaten mitCoatesaufdiehaager Friedenskonferenzgehen.Er könnteVerwandte anpumpen; käme dann aber um seinenNimbus. Drübensäckelterwohlwieder wasein.Immerhin nicht soschnell,wie derdeutscheSpießbürgerglaubt,demvonProfessurundAd- vokatur,vonRiesengeschäftenmit derrussischen,peruanischen,türkischenRe- girungdieOhrensausen.EinSolicitorundAgent,wie eszwischenPacisic- undAtlantisküsteHundertegiebt.EineAcquisition,Parteivertretungoder AgentenleistungbringteinschönesStückGeld;vonzehnSchiffen,diegierige- Hoffnungausschickt,scheiternachtaberstetsvordemHafen.EinPrahlhans,, derdenNabobspielt,einMädchenausgutem Hausentführt,inden romanti- schenPlaneinesDoppelfelbstmordesgeschwatzt,angeschossen,nurunterdem Zwangharter Drohung geheirathetund demKinddieserEheSyphilisver-
Hau.
erbthat.Dernur nochzweitausendDollarsbesaßunddemeinCheckschwin- delmißlungenwar. Panzert desWesenshehreReinheitsolchenManngegen jedenVerdacht?Er konntedasVermögenderSchwiegermutter,denErbtheil derFrauüberschätzen; konntehoffen,diesorgloseSchwägerinwerdeihm,Lina zuLiebe,dasErerbteinsrentableGeschäftgeben.Oft habenminderstarkeMo- tive zu MordundTotschlaggetrieben.Weiter.AmsechstenNovemberistFrau Molitor in Baden-Baden getötetworden.AmsechstenNovemberwar Karl Hauin Baden-Baden. HeimlichSeinerFrauhatteerdasZielderReisever-
borgen;sieverpflichtet,keinemMenschenzusagen,daßeraufdem Kontinent sei. FürdieFahrt KopfundWangenmitfalschemHaarbedeckt. Indieser Vermummungwurdeerbei der Stätteundin der Stunde des Mordesgese- hen.ErhatsichamTelephonfüreinenPostbeamtenausgegebenund die krän- kelndeFrauMolitor,gegenihren Willen,zu demWege genöthigt,vondem sienichtwiederkam. Gleichnachdem Mord istermit demnächstenZugweg- gefahren;hatdenKlebebart abgerissen,Perrücke,HutundMantel in den Aermelkanal geworfen.(EinpaarTagevorher hatteerdie alteDame,deren krankemHerzenjäheAufregungverhängnißvollwerdenkonnte,miteinerge- fälschtenAlarmnachrichtbeiNachtundNebelnach Parisgelockt.)Alserver- haftet wird,stelltersichwahnsinnig,leugnetdannAlles undläßtsicherstvon derNothwendigkeitzuhalbem Geständnißdrängen.DasAllesist erwiesen.
Motiv?Liebe. Ein mitallenYankeesalbengeschmierterAgentfährtvonLon- donmaskirtindenSchwarzwald,um vonderheimlichAngebetetenAbschied zunehmen. Erkönnteihrauflauern, sie ausdemWegzumVespertheean-
sprechen.Nein.ErscheuchtihreMutter ausdemHaus.Willerhinein?Der Dienerwürdeihn erkennen;mindestensdie Maskerade merken.UndOlga wäreindersWohnungnichtzufinden.Abernehmenwir an,erfändesie.Sein Plangelänge.ErsprächemitOlga,währendFrauMolitorimPostbureau ist.Dorterführesie,daßkein Beamterfie gerufenhabe; auch,wie derMann aussah,dersichihramTelephonfüreinen Beamten gab.MitdieserKunde kämesiezurück:undmüßtevonOlgahören,daßderVermummte ihrlieber Schwiegersohnwar.Das Fräulein hättenichtdengeringstenGrund, diefreche Täuschungder Mutter zuverschweigen.(ZwiefacheTäuschung:denn derTe- lephonfälscherwar nunjaauchalsDepeschenfälscherentlarvt.)DiePostdi- rektion würde denVorgangderStaatsanwaltschaftanzeigen.Paragraphen 132und 36011 desStrafgesetzbuches.Anmaßungeines Amtes und Grober Unfug.VernehmungderDamenMolitor. Skandal,derdas süßeGeheimniß inAllerMundund den verliebtenFantinsGefängnißoderHastlokalbrächte.
312 DieZukunft-
Somußteeskommen,wenn derPlangelang;mußte.DazuPerrückeund Mastixbart?Dassollenwirglauben?DemLuetiker,deramfünftenNovember- abend, wenigeStunden vordernersehntenWiedersehen,denHotelportiernach Lustmädchenfragt, zutrauen,keuscheHerzenswallunghabeihnüber den Kanal gejagt?DiesesläppischeMärcheneinerGouvernantenseelesollunsbethören?
EinJndizienbeweiskann kaumstärkerseinals der inKarlsruhe erbrachte.
Monate lang haterAllengenügt.Drei derFamilieMolitor Ange- hörigehielten,inverschiedenenStädten,ohnedieMöglichkeiteinerVerstän- digung,Hauvonvorn herein fürdenThäter.Dasalleingäbezu denken.
Ueberlegt,wie dasWeseneinesSchwagersauf Euchgewirkthabenmüßte, demJhr,ehenochirgendwelcheJndiziengegenihnzeugen, dieErmordung seinerSchwiegermutterzutraut. FrauLinawarvonHausSchuldüberzeugt«
DeremsigeVertheidigermöchteunseinreden,daßsieihrenKarlfüreinentreu- losenEhemann,niemals aberfüreinen Mördergehalten habe;schriebsin einen zurVeröffentlichungbestimmtenBrief.(Bpist01anon erubescit, hat ein bessererJuristgesagt.)DieBehauptungist unhaltbar.Linadrängteden angeklagtenMannzum Selbstmord.Weilergetändelthatte?Deshalbwollte dieseFrau,derenUmsichtundWesenstüchtigkeitvonjedemWortihrerBriefe undihres Testamentes erwiesenwird,nur deshalbihnin eineThattreiben, diedenletztenZweifelanseinerMörderschuldbeseitigenundihremKind,einem krankenMädchen,denVater nehmen mußte?Linabat dieSchwester,vorGes richtnichtauszusagen.Warum,wenn sieden Mann nicht fürschuldighielt?
JndemselbenBriefderFraustehtderAngstruf:»Wennernur umGottes willennichtdenSchußgesteht!«Sieweiß:erhat geschossen;hofftaber noch, -derBeweiswerdenichtzuführensein.Drei Monate nachderThat;alssie Karl imGefängnißgesehenundgesprochenhat.EifersuchtigaufOlga?So eifersüchtigwiemanchemit krankem Uterus alterndeFrauausdiejüngere Schwester,derenLeibfrischer,derenGeistbeweglicherist.Dafälltwohlein- mal einspitzesWort.(Ueberlegt,liebeDamen,othr nie zu Eurem Männ- chengesagthabt: »DiegefälltDirwohlbesseralsich?MitDer lasseichDich nichtallein.Der machstDujaganzhöllischdenHof«Ueberlegt,obsfurcht- barernst gemeintwarundwie in derAkustikeinesSchwurgerichtssaalesdie Wiedergabewirkenwürde.)VonleidenschaftlicherEifersuchtkannnichtdie Redesein.DerRivalin,vordersieausdemLebenflieht,würde eineFrau nieihrKindvermachen.LinasletzterWillebestimmt:OlgasolldesKindes Mutter sein;das KindsolldenNamen desVaters ablegen,nie in derFa- milieHau leben,aber denVerurtheilten,.wenn ernachfünfzehnJahrenaus
Hau. 313 demGefängnißkomme,mit kleinenBeträgenunterstützen.(Daß Hausich mit demRestseinerKraftgegendieVetlesungdiesesTestamentes wehrte,ist leichtzuverstehen.)LinasletztesWortsprachderSchwesterOlgaherzlichen Dankaus.Genügts?Linahatsichvergiftetundertränkt,weilsieinihrem ManndenMörderihrerMuttersahundnichtdenMuth fand, »dieSchmach zuüberstehen,die übermichundmeinKindgebrachtwordenis«. Dasistbe- wiesen. MagsderoptimistischeMarxist nochsolautleugnen.
Nochmehrwarderwiesen.FünfMonate nachdem Mordhieltenzwei zumGutachtenberufenePfychiater, hieltauchderVertheidigerdenAnge- klagtenfürschuldig.Als imGerichtssaal behauptetwurde, HerrDr.Dietz habeam zwölftenApril Haus Sache fürausfichtloserklärt,weil das Gut- achtendesProfessorsHochedieHoffnungenttäuschthabe,kam derRechts- anwalt aus»demHäuschen.Unerhört!DiesesGutachten habeerja erstam fiebenzehntenMaierhalten;konntealsoamzwölftenAprilnochnichtSchlüsse daraus ziehen.Wirklich nicht?AmzwölftenApril hateranFrauLange- schrieben:»DasGutachtendesGeheimrathesHochewird,wieermirbereiis mittheilte, dahinausfallen, daßerKarlHaufürvollständigzurechnungfähig halte;undichkannnur hoffen, daßdievonunszusammengetragenenMo- mentein derVerhandlungsovielergeben,daßeineverminderteZurechnungs fähigkeitangenommen werdenkann,wobeiich auf ProfessorAschaffenburg rechne,unddaßdannentwederdieGeschworenendieUeberlegungverneinen, so daß nichteineVerurtheilungzumTode, sondernnur zu einerFreiheit- strafeerfolgenkann,oderdochwenigstensdersichereBodenfüreineBegna- .digunggeschaffenwird.«HerrDr.Dietzhat alsoeinewahre Thatfachege- leugnet.AmletztenVerhandlungtagsagteer,seinKlient habe auf jedenErb- .anspruchverzichtetunddürfeschondeshalb nichtals eingeldgierigerMörder verurtheiltwerden.WannhatHau verzichtet?SechsMonatenachdem Mord;
alserimUntersuchungsgefängnißsaßundseineSachefürverlorenhielt.Am selben TagerzähltederVertheidiger,ProfessorAschaffenburghabe niemals, nichteine Minute lang,anHaus Unschuldgezweifelt.ProfessorAschaffen- burg hatamzwölftenApril, alsoimfünftenMonat derUntersuchunghaft,
an FrauLinageschrieben:»EswürdefürSiezweifelloseineaußerordent- licheErleichterung sein,wenn SieanIhrenMann mit demBewußtsein zurückdenkenkönnten,daßerdiefurchtbareThatinFolgefeinergeistigenEr- krankungbegangenhat-«AlserdiesenBriefschrieb,hatte ProfessorAschaffen- burganHaus Schuld alsokeinenZweifel.AmzweiundzwanzigstenJulinannte iderVertheidigerdieAnklageeinjämmerlichesKartenhaus,das derschwächste