Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 12. Jg. 1924, 21 November, Heft 47.

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(1)DIE NATURWISSENSCHAFTEN Zw ölfter J a h rga n g. 2 1 . November 1924. Heft 47. 88. VERSAMMLUNG DER. GESELLSCHAFT DEUTSCHER NATURFORSCHER U N D Ä R ZTE ZU INNSBRUCK VOM 21. BIS 27. SEPTEMBER 1924 *. VORTRÄGE DER ALLGEMEINEN SITZUNGEN UND DER SITZUNGEN DER HAUPTGRUPPEN.

(2) Inhalt: A llgem ein e Sitzungen. Seite Zum Leib-Seele-Problem. Von A . H och e , F r e ib u r g .................................................................. 963 969 K onstitution und Charakter. Von H a n s W . G r u h l e , Heidelberg ................................... Über die Erdbebenkatastrophe in Japan am i. September 1923. Von H. T homs , Berlin 975 Sinnesphysiologie und „S p rach e “ der Bienen. Von K . v. F risc h , Breslau .................. 981 Blütenökologie und Sinnesphysiologie der Insekten. Von F r . K n o l l , P r a g .................. 988 Zukunftsaufgaben der Vogelblumenforschung auf Grund neuesten Tatbestandes. Von O tto P orsch , W i e n ...................................................................................................................... 993 Das A ntlitz der Alpen. Von A lb rec h t P e n c k , B e r l i n ......................................................... 1000 Über die T ektonik der Alpen. Von O tto A m p f e r e r , W i e n ................................................ 1007 Die Naturdenkm äler Südtirols und ihre Erforschung durch deutsche Naturforscher. Von R . V . K le b e ls b e r g , I n n s b r u c k ........................................................................................ 1015 Sitzungen der m edizinischen und naturw issenschaftlichen H auptgruppen. Die Idiosynkrasien. Von R. D oerr , Basel ............................................................................... Die Physiologie der A rbeit. Von W. R. H e ss , Z ü r i c h ............................................................. Berufliche A rbeit als physiologisches Problem. Von E . A t zl e r , B e r l i n ........................... Grundlagen der Quantentheorie und des Bohrschen Atommodelles. Von A. S o m m erfeld , M ü n c h e n ............................................................................................................................................ Die chemischen Eigenschaften der Atom e nach der Bohrschen Theorie. Von H. A. K r a m er s , K o p e n h a g e n ........................................................................................................................................ Molekulareigenschaften und Bandenspektren. Von A. K ra tze r , Münster i. W . . . . Die Quantenregeln in der Photochemie. Von E . W a r b u r g , B e r l i n ................................... Atom e und M olekülstöße und ihre chemische Bedeutung. Von J. F r a n c k , Göttingen Die physikalischen Grundlagen der Sonnen- und H im m elsstrahlung und ihre Anwendung in der Therapie. Von C. D orno , D a v o s ............................................................................... Die Einw irkung des K lim as auf den gesunden und kranken Menschen. Von O tto K e s t n e r , H a m b u r g ............................................................................................................................................ Die kosmischen Einflüsse im Seelenleben. Von W il l y H e l l p a c h , Karlsruhe . . . .. 1018 1031 1039 1047 1050 10 54. 1058 1063 1068 1075 1079. Ein kurzer Bericht über die Abteilungssitzungen ist in den M itteilungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und A rzte Nr. 9/12 (Naturwissenschaften, H eft 46 vom 14. Novem ber 1924) erschienen..

(3) Z u m Leib -Seele-Pro blem . V o n A . H o c h e , F re ib u rg . D e r V o rs ta n d h a t den M u t g e h a b t, das L eib S e ele -P ro b le m als V o rtr a g fü r eine a llgem ein e S itz u n g zu w äh len , un d ich h a b e den größeren M u t g e h a b t — v ie lle ic h t a u ch den L e ich tsin n — den A u ftr a g zur redn erisch en B e h a n d lu n g dieses T h e m a s a n zu n eh m en . V o n vo rn h erein w a r k lar, d a ß es in dem engbem essenen z e itlich e n R a h m e n u n m ö glich sein m u ß te , dem G eg en sta n d in seiner G e sa m th e it a u ch n u r im e n tfern te ste n ge re ch t zu w erden . E s k o n n te sich n u r d a ru m h an d eln , n ic h t das L e ib -S e ele -P ro b lem zu erö rtern , sondern a u s dem uferlosen B e zir k e der G ed a n k en g ä n g e , die um das P ro b le m kreisen , ein ige w en ige h e ra u s zu greifen . M ein A u s g a n g s p u n k t w ird d a b ei vo n zw e i T a tsa ch e n b e stim m t w erd en : ein m a l v o n der, d a ß ich zu ein er V e rsa m m lu n g v o n N a tu rfo rsch e rn un d Ä rz te n un d n ic h t a u f ein em P h ilo so p h e n ta g spreche, un d zw e ite n s d a v o n , d a ß der v o r Ih n en steh en d e R e d n er b e ru fsm ä ß ig g e n ö tig t u n d g e w ö h n t ist, sich m it den E rg eb n issen d er E x p e r i m en te h eru m zu sch lag en , die die N a tu r an m en sch lich e n L eib e rn a n stellt, um die Seele k r a n k zu m ach en . D a s L e ib -S e ele -P ro b lem selb st is t so a lt w ie höheres D e n k en ü b e rh a u p t; es b e ste h t, seitd em m en sch lich e N a c h d e n k lic h k e it v o r dem A n b lic k des S ch la fen d en , des T rä u m e n d en u n d des T o te n w a ch w u rd e ; seitd em is t es in w ech seln d er G e s ta lt ein stä n d ig e r B e g le ite r des M en sch en gesch lech tes gew esen . D a s naive D en ken is t h ie rb e i in den verflo ssen en zw e ita u se n d Jah ren v o n w isse n sch a ftlich en M ei n u n gen v ie l w en iger b e e in flu ß t w ord en , a ls a u f an d eren G eb ie ten , un d d er H a u p tsa ch e n a ch h a t sich a u ch fü r die G eb ild e ten v o n h e u te d a rin w en ig g e ä n d e rt: die Seele fein er an S to ff w ie der L e ib , sein B ew o h n er, in gew issem Sin ne sein H err, fä h ig , a u ß e rh a lb des K ö rp e rs zu e x istie re n un d in diesem F a lle ein erk e n n b a re s A b b ild ih res frü h eren L eib e s. N u r in ein em P u n k te is t die n a iv e M einun g ü b er den Z u sa m m e n h a n g v o n L e ib u n d Seele h eu te gegen frü h er e tw a s en g er un d b e stim m te r gew orden , in sofern als d er en ge R a p p o r t n ic h t zw isch en dem g a n zen K ö rp e r un d dem G eist, sondern z w i schen G eh irn u n d P s y c h e a n g en o m m en w ird . D ie gro ß e R o lle, die der S p iritism u s n och im m er sp ielt, w ü rd e n ic h t d e n k b a r sein, w en n die p o p u lä re M ein un g n ic h t die S o n d erex isten z ein er v o m L e ib e gelö sten Seele als A b b ild ihres frü h eren G eh äu ses in gro ß em U m fa n g e fü r s e lb s tv e rs tä n d lic h h ie lte . (D as w issenschaftliche In teresse am S p iritism u s lie g t n u r in d er F ra g e n a ch dem G e isteszu sta n d d erjen igen , d ie an ihn glauben .). D ie R elig ion e rg ä n zte v o n je h e r die L ü ck e n u n serer E rk e n n tn is m it b u n te n B ild e rn , w ie sie d em u n h eilb aren B e d ü rfn is des M enschen n ach ein er trö stlich e n B e tra c h tu n g s w e is e en tsp rach en . U n a n g en eh m e D en k ergeb n isse w erd en a u f die D a u e r v o n dem D u rch sch n ittsm en sch e n n ich t er tra g e n . In der P h ilo so p h ie h a t der K a m p f d em L eib S e ele -P ro b le m m it der H a rtn ä c k ig k e it, ja zeitw e ise E r b itte r u n g gego lten , die w ir in der R e g e l als das S ig n a l d a fü r ansehen kön nen , d a ß ein im tie fste n G ru n d e u n lö sb ares P ro b lem vo rlie g t. E in e g e sch ich tlich e Z u sa m m en stellu n g der seit m eh r als zw e ita u se n d Jah ren hin un d h ergeh en den p h ilo sop h isch en M einun gen bis h e u te lie g t ga n z a u ß e rh a lb m eines R a h m e n s ; sie w ü rd e a u ch unsere E rk e n n tn is w en ig fördern . E s sind in zah lreich en F o rm u lie ru n g en u n d V e rk le id u n g e n n u r w en ige m ö glich e g ru n d sä tzlich e B e tra c h tu n g sw e isen , m it denen d as P ro b lem zu lösen v e rs u c h t w ird . S p iri tu a lism u s un d M a teria lism u s, D u a lism u s un d M onism us, p sy ch o p h y sisch e r P a rallelism u s, E n e r g e tik usw . e n th a lte n b e i a lle r fo rm alen V ersch ie d en h e it der B e h a n d lu n g im m er dieselben w en igen geg e n sä tzlich e n A n sch a u u n g en , w ie sie d er N a tu r des P ro b lem es je n a ch dem S ta n d p u n k te des B e sch au ers en tsp rieß en . D e r n ic h t sch u lm ä ß ig zu r P h ilo so p h ie E in gesch w o ren e h a t d a b e i tro tz a lle r H o ch a ch tu n g v o r dem a n g ew en d ete n S ch a rfsin n d as u n b eh ag lich e G efü h l, zusehen zu m üssen, w ie m an v e rsu ch t, einen eisern en S c h ra n k o h n e S ch lü ssello ch m it Sch lü sseln zu ö ffn e n ; n och sind bish er d a b ei a lle S ch lü ssel abgeb ro ch en . D ie naturw issenschaftliche Betrachtungsweise is t b esch eid en er; sie s tre b t n ic h t n a ch E in sic h t in die tie fs te n G rü n d e ; sie v e rs u c h t k ein e D e u tu n g e n des d u n k le n S in n es; sie b e sch rä n k t sich a u f die F e s t s te llu n g v o n Tatsächlichkeiten. Jede B e tr a c h tu n g des L eib -S e ele -P ro b lem s g e r ä t a u f eine sch iefe E b e n e , w en n w ir a u ssch ließ lich v o n dem S ta n d p u n k t des m enschlichen S eelen leben s her a u sgeh en ; fru c h tb a re r is t ein e ga n z v o n a u ß en h er an d ie S a ch e h e ra n tre te n d e B e o b a c h tu n g , e tw a vo n dem S ta n d p u n k t eines a u ß e r h a lb des E rd b a lls steh en d en B e sch au ers aus. E r w ü rd e z u n ä ch st b e i gen ü gen d er In tellig en z be w e glich e un d d a u ern d ru h en d e B e sta n d te ile d er E rd o b e rflä ch e w a h rn eh m en ; er w ü rd e a b er v o n au ß en her, a u ch w en n ih m der B e g riff des P s y chisch en g e lä u fig ist, n ic h t ohne w eiteres zu sich e ren M ein un gen d a rü b e r kom m en , w elch e der b e w egte n D in g e b e seelt sind. T a ts ä c h lic h ken n en.

(4) 964. H och e:. Zum Leib-Seele-Problem .. w ir a u ch a ls E rd b e w o h n e r u n b ese elte u n d beseelte B e w e g u n g sv o rg ä n g e , die ä u ß e rlich g a n z g leich aussehen. W e n n P fla n zen sich zu r Son ne k eh ren und n a ch ts ihre B lü te n sch ließ en , w en n Sp erm ato zo e n in ein er F lü s s ig k e it in S ch aren a u f d as m it ein em ch em isch en S to ff g e fü llte G lasrö h rch en h in zu sam m en eilen , w en n die T a u b e n a u f dem M a rk u s p la tz a u f d as A u sw e rfe n ein er H a n d v o ll E rb se n k o n ze n trisch zu sam m en fliegen , w en n K o m m u n isten ein G efä n g n is stü rm en , oder w en n im W e ltk rie g e M illion en h eere sich ge g e n se itig zu tö te n ve rsu ch en , so is t a u s dem ä u ß e re n A n b lic k allein k ein S ch lu ß d a ra u s zu ziehen , ob d a b e i seelisches L e b e n a b lä u ft oder n ich t. M an v e rs te h t, w ie der G ed a n k e a u fta u ch e n k o n n te , d a ß das, w as w ir p sych isch es G esch eh en nennen, ein E p ip hän om en , eine s a c h lich ü b erflü ssige Z u g a b e zu den m a te rie llen V o rg ä n g e n , b e d eu te . A u c h w ir, die w ir m it un serem S e lb s tb e w u ß t sein m itte n im S tro m e des seelisch en L e b e n s d a rin zu steh en m einen, sin d fü r d as, w as in an deren W esen p s y ch is ch gesch eh en m ag, a u f Sch lü sse an g ew iesen . G eg en ü b e r den G esch ö p fen vo n ein er un s gleich en O rg a n isa tio n , den M itm en sch en , is t fü r uns ü b e rzeu ge n d unsere F ä h ig k e it, un s in sie ein zu fü h len , ih r T u n v o ra u sz u sa g e n u n d die M ö g lich k e it ein er V e r s tä n d ig u n g v o n G e is t zu G eist. F ü r alles, w a s an W e sen u n te rh a lb un seres p sych isch en N iv e a u s e x is tie rt, sind w ir a u f A n a lo g ie sch lü sse angew iesen , die um so u n sich erer w erd en , je tie fe r w ir in der R e ih e der S tru k tu r e n a b w ä rts s teig e n . D ie tie fste n F o rm e n , die a b er sch o n m it N e rv e n b a h n en a u s g e s ta tte t sind , zeigen n u r den V o rg a n g des R eflexes, d. h. irg en d ein er R e a k tio n a u f ä u ß eren R e iz. D ie ser R e fle x v o r g a n g b le ib t b is zu den h ö ch sten E n tw ic k lu n g sfo rm e n h in a u f d ie G ru n d la ge a ller S e ele n v o rgä n ge , n u r m it d em U n te r schiede, d a ß sich zw isch e n R e iz u n d R e a k tio n im m er k o m p lizie rte re V o rg ä n g e ein sch ieben . A m ü b e rzeu ge n d sten fü r un s in dem Sin ne, d a ß in einem frem d en W e sen e tw a s P s y ch is ch e s sich a b sp ielt, is t das V o rk o m m en v o n W ahlakten, d. h. die L o slö su n g der F o rm d er R e a k tio n v o n d em äu ßeren R e iz, u n d die B e o b a c h tu n g ein er la n g en N achdauer des R eizes in F o rm v e rz ö g e rte r R e a k tio n . Im gan zen g ilt das G ese tz, d a ß es ein heim liches seelisches L eb e n n ic h t g ib t; alles, was ist, w irkt in irgen d ein er F o rm n a ch a u ß en u n d w ir k t n a ch M a ß g a b e des A u sb a u e s sein er in neren M ö g lich k e ite n . E x is tie r te n ab gesch ied en e G eister der v ie le n M illiard en G esto rb e n e r dieses E rd b a lle s, so w ü rd e n w ir alle un d n ic h t n u r ein ige g lä u b ig e P h a n ta s te n ih re A u sw irk u n g e n fü h len . A u c h d as „ S e u fz e n d er stu m m en K r e a tu r ” is t n u r ein d ich terisch es B ild ; w en n die stu m m e K r e a tu r uns e tw a s zu sag en h ä tte , so w ü rd e sie es tu n . V o n d iesem G e s ich ts p u n k te aus b e d a r f die b e h a u p te te E x is te n z sp rech en d er H u n d e u n d rech n en d er P fe rd e k ein es W o rte s der E rö rte ru n g . D ie F ra g e , toie weit in d er R e ih e der b e le b ten W esen a b w ä rts e tw a s v o n p sy ch isch em G esch eh en. T Die N atur-. [w issenschafteD. an zu n eh m en sei, is t fü r un s u n lö sb a r; w ah rsch e in lich g ib t es ü b e rh a u p t k ein e G ren ze, sondern see lisch es L e b e n ist, w en n a u ch in kü m m erlich ster F o rm , ohn e w eiteres un d im m er m it dem D a sein org an isch er, o rg an isierte r M a terie g e g e b e n ; der A b sta n d , d er zw isch en den S eele n v o rgä n ge n in ein em R e g e n w u rm u n d in dem stra h len d e n G eh irn v o n Im a n u e l K a n t in die E rsch ein u n g t r it t , is t z w a r rie sen g ro ß ; es is t a b e r d o ch n u r die F ra g e d e r Q u a n titä t un d der D ifferen zie ru n g . O b die M ö g lich k e it seelischen L eb en s an d as V o rh a n d en sein bestimmter chemischer Verbindungen g eb u n d en ist, w issen w ir n ic h t; w ah rsch ein lich k o m m t es seh r v ie l m eh r a u f ein e b e stim m te Strukturanordnung des G ew eb es, sp eziell des N e rv en g e w e b es an. F ü r d as m en sch lich e G e is te s leb en zw e ife lt h e u te n iem a n d d a ra n , d a ß es m it d em B e sitz e des G eh irn es u n lö sb a r v e rb u n d e n ist, u n d d a ß im g ro ß en un d gan zen seine in d iv i d u elle F e in h e it u n d V ie lfä ltig k e it in ge setzm äß igen B e zie h u n g e n zu d er p ersö n lich en A r t der H ir n s tru k tu r s te h t. Im p h ilo sop h isch en Sin ne is t d a b ei d as m a te rie lle H irn g esch eh en B edingung, a b er n ich t Ursache des g e istig en L eb e n s. D ie u n b e stre itb a re T a ts a c h e , d a ß u n ter den j e t z t den E r d b a ll b ew o h n en d en W esen der M ensch die am fein sten d ifferen zie rte H ir n s tru k tu r und G e is te s s tru k tu r b e sitz t, d a rf un s n ic h t d a zu v e r fü h ren , zu gla u b e n , d a ß d a m it die M ö g lich k eit der W eiterentwicklung abgesch lossen sei. D e r M enschen g e ist is t d e rz e it K rö n u n g der ge istig en E n tw ic k lu n g , a b e r nicht A b sch lu ß . In d er lan gen , n ach u n ten hin sich im D u n k eln ve rlie re n d en R eih e der E n t w ic k lu n g b e d e u te t der a u g e n b lick lich e M enschen z u s ta n d a u ch n u r eine E p isode, eine S tu fe in ein em F o rts c h re ite n zu höheren E b e n e n , dessen E n d e fü r uns n och w en ige r a b zu seh en ist, als der A n fa n g . D ie se B e tra c h tu n g s w e is e rü c k t den gan zen G e g en sta n d aus d er E n g e h in au s, in den die la n d lä u fig e a n th ro p o zen trisch e A u ffa s s u n g ihn g e s te llt h a t. W e n n es sich n a ch diesen g ru n d sä tzlich en V o r b e m erk u n g e n d a ru m h a n d e lt, fü r den h e u tig e n Z w e c k ein ige F ra g e n a u s dem gro ß en G eb ie te des L e ib -S e ele -P ro b lem s h e ra u szu greifen , so m öge uns z u n ä ch st die E rw ä g u n g b e sch ä ftig e n , inwieweit un d nach welchen R ichtungen das B ild der geistigen u n d der m ateriellen Welt, wie es fü r u n s M enschen sich darstellt, von unserer derzeitigen H irnstruktur ab hängt. D ie E x is te n z dessen, w as w ir u n te r dem N a m en ,,geistige W elt“ zu sam m en fassen , is t uns eine s u b je k tiv e S ich e rh e it; w ir op erieren m it diesem B e g riffe , w ie m it e tw a s G re ifb a re m ; w ir sp rechen v o n „ Z e its tr ö m u n g ” , v o n d er „ S e e le des V o lk e s ” , v o n dem „ G e is t d er A n t ik e ” , v o n dem „ S in n der G e s c h ic h te .” In w elch e r W e ise e x is tie r t diese v o n uns als R e a litä t, als m eß b are, b estim m b a re G rö ß e gen om m en e g e istig e W e lt? Z u n ä ch st e in m a l is t un s m e ist n ich t m it g e n ü gen d er S ch ä rfe g e g e n w ä rtig , e in wie kleiner.

(5) Heft 47.. 1. H. och e:. Zum Leib-Seele-Problem .. 965. 2 1 . 1 1 . 19 24 J. A u ssch n itt der g e istig en W e lt, die ein m a l w ar, uns z u g ä n g lich ist. W a s w ollen diese w en igen J ah rtau se n d e, v o n den en w ir rü c k w ä r ts a lle n fa lls K u n d e h aben , b e d eu te n , gem essen an den v ie l le ic h t J ah rm illio n en b e tra g en d e n Z eiträ u m en , in d enen schon fü r M enschen eine ge istig e W e lt e x istie rte ? S e lb st aus d er n och als h isto risch a n zu sp rech en d en Z e it geben d o rt, w o sie sich in der D ä m m e ru n g d er V o rz e it v e rlie rt, n u r w en ige ra gen d e D o k u m e n te Z eu gn is v o n dem , w as irg e n d w o oder irg en d w an n e in m a l G eistiges fü r M enschen b e d eu te te. U n d a u ch diese B e tr a c h tu n g is t n ich t zu um geh en , d a ß der g a n ze R e ich tu m , den die g e istig e W e lt h a b en m ag, in n ich ts ve rsch w in d en w ird , so b ald d as le tz te H irn eines den k en d en W esens m it dem E n d e des E rd b a lls , g le ich v ie l w ie es erfolgen m ag, a u sge lö sch t sein w ird . U n d a u ch in der Gegenwart is t eine geistig e W e lt vo rh a n d e n n u r ,,insofern a ls“ . N ie m als is t sie als G an zes d a ; im m er u n d ü b e ra ll b e ste h t sie n u r insofern, als sie als B e sitz d er ein zeln en g e is ti gen P e rsö n lich k e it eine E x is te n z fü h r t; im m er e n ts te h t sie neu in n euen G eh irn en un d v e rs ch w in d e t m it ihnen. N u r die T a ts a ch e , d a ß sie in vie len M illionen g le ich g e b a u te r H irn e eine in v ie len P u n k te n ü b erein stim m en d e E x is te n z b e sitz t, b e w irk t, d a ß sie fü r p ra k tisch e Z w e ck e m it gen ü gen d er S ich e rh e it als e tw a s R e a le s gen om m en w erd en k a n n . E s is t ein gran d io ses B ild , w ie diese W e lt des G eistige n ü b er die J ah rtau se n d e hin als G ehirn phänom en ih r eigen es L eb e n fü h rt, v e r m itte lt d u rch W o rt, S ch rift, S y m b o l — Z eichen , d ie a n sich ga r n ich ts b e d eu te n , die im m er n u r fü r einen klein en K r e is v o n M enschen e tw a s b e d eu te n kö n n en u n d kein en ge istig en In h a lt h a b en fü r den, d er sie n ic h t zu d eu ten w eiß . D a s D a sein ein er realen ge istig en W e lt ge h ö rt s o m it zu den gesetzm äßigen Illu sio n en , an d en en un ser D a sein so reich is t : sie is t n irgen d s u n d n iem a ls un d d o ch in je d e m A u g e n b lic k v o r h an d en , so lan g e es M enschen g ib t ; sie is t n ic h t lo k a lisie rb a r un d d o ch w ied er ö rtlic h ge b u n d en ; d en n m eine geistig e W e lt — fü r m ich d er ein zige sichere B e sitz , den ich h a b e — w elch se lt ihre S telle m it m ir; sie w a r gestern a u f dem B o d en see un d is t h e u te in m ir v o r diesem R e d n e rp u lt. D ie F ra g e , w ie w e it eine m aterielle W elt e x i s tie r t u n d w elch e F o rm sie h a b en m öge, ge h ö rt zu den ä lte ste n p h ilo sop h isch en S tre itg e g en stä n d e n und is t v o m n a iv e n M a te ria lism u s bis zu m S o lip sis m u s in ve rsch ied e n e r A r t b e a n tw o rte t w orden . T a ts ä c h lic h zw e ife lt k ein v e rn ü n ftig e r M ensch d a ra n , d a ß die m a te rie lle W e lt n ic h t n u r d arin b e ste h t, d a ß je m a n d sie d e n k t; d ie sch ä rfste e r k e n n tn isk ritisch e B e tra c h tu n g s w e is e k a n n n ur sa g en : ich w eiß n ich t, ich k a n n u n d w erd e nie w issen, w ie sie an sich sein m a g ; ic h k a n n v o n ih r n u r d as w ah rn eh m en , w as m eine S in n eso rgan e e r re gt, un d ich k a n n sie in s y ste m a tis c h e r F o rm n u r n a ch M a ß g a b e der in m ir b e reitlie gen d e n s y ste m a tis ch e n K a te g o rie n (R au m , Z e it, K a u s a li tä t) au ffa ssen . U n ser In teresse h ier im A u g e n b lic k g ilt d er F ra g e , w elch en E in flu ß die uns d e rz e it. zu r V e r fü g u n g steh en d en O rgan e a u f die Gestaltung dessen au sü b en , w as w ir als W e ltb ild bezeich n en ; w ir w ollen a u ch h ierb ei den an th ro p o zen trisch en S ta n d p u n k t verla ssen . V o n a u ß e n h er seh en w ir im W e lta ll ein m a te rielles G esch eh en v o n ein er uns gan z u n ü b erseh b a ren F ü lle v o n B e w e g u n g sfo rm e n oder son stigen V o rg ä n g e n , d eren W esen un s grö ß ten teils ein R ä ts e l ist, d enen d ie P h y s ik m it scharfsin n igen M eth o d en ihre L ö s u n g a b z u tr o tz e n su ch t. D a hin ein r a g t n u n ein m enschliches B ew ußt sein, gebu n d en an eine k ö rp e rlich e O rga n isa tio n , deren O b erflä ch e fü r R e ize v o n a u ß en in e ig en tü m lich e r W eise im L a u fe d er E n tw ic k lu n g e m p fin d lich un d e m p fä n g lich gew o rd en ist, ein e O rg a n i satio n , die m it unseren d e rzeit fü n f S in n eso rgan en die v o rlä u fig e K rö n u n g einer R e ih e p rim itiv e re r F o rm en b e d e u te t. Z u fä llig fü n f F ü h lfä d e n s tre c k t un ser B e w u ß tse in in die A u ß e n w e lt, aus d eren B e w e g u n g sv o rg ä n g e n es sich ein iges w en ige h e ra u s fisch t, un d sich d a ra u s d as zu re ch t m a ch t, w as w ir h e u te W e ltb ild n ennen. S e lb st im R a h m en des e in zeln en sp ezifisch a b g e s tu fte n Sin n esorgan s is t d er fü r uns zu g ä n g lich e A b s c h n itt n u r eine T e il s tre ck e in ein er la n g en R e ih e v o n M ö g lich k eite n ; v o n den S ch all- un d L ic h tw e lle n n ehm en w ir n u r ein e b e stim m te W e llen lä n g e w ah r. F ü r p ra k tis c h e L e b e n sz w e ck e g e n ü g t — m it ein igen V o rb e h a lte n — im gro b en die Ü b e re in s tim m u n g un seres in neren B ild e s m it den äu ßeren D in g e n . W ie u n zu lä n g lich a b er diese Ü b e re in s tim m u n g d o ch ist, z e ig t d er w isse n sch a ftlich e E n tw ic k lu n g sg a n g , der in zu n eh m en d em M aße U n stim m ig k e ite n a u fg e d e c k t h a t. W ir h a b en kein e A h n u n g d a v o n , w elch e S in n es m ö g lich k e ite n uns fe h le n ; w ir kö n n en d a v o n uns so w en ig ein B ild m achen, w ie der B lin d e v o n der L ic h te m p fin d u n g ; es is t d u rch a u s u n w a h rsch e in lich , d a ß die E n tw ic k lu n g der o rgan isch en W e lt b e i un seren z u fä llig fü n f Sin n en H a lt m ach en s o llte ; es is t im G eg en teil w ah rsch e in lich , d a ß irg en d w elch e fern ste E n k e l sieben oder zehn oder w er w eiß w ie v ie l S in n e sq u a litä te n b e sitzen un d d a m it ein seh r v ie l reich eres un d ga n z a n d ers a rtig e s W e ltb ild in sich tra g e n w erden . E s is t diese B e tr a c h tu n g kein esw egs p h a n ta stisch , son dern n u r d as ko n seq u e n te W e ite rv e rfo lg e n einer L in ie in d as U n b e k a n n te hin ein , d eren sich tb a re r T e il v o r un seren A u g e n rü c k w ä r ts e rk e n n b a r ist. D e m naiven D en ken is t diese B e tr a c h tu n g s w eise versch lossen , dem n a iv e n D e n k en , w elch es d u rch B ild u n g n ic h t ausgesch lo ssen w ird , und dem es sch w er a n sch a u lich zu m ach en ist, d a ß L ic h t un d S ch a ll in der A u ß e n w e lt ü b e rh a u p t n ich t existieren , d a ß v ie lm e h r n ur irg en d w elch e B e w e gu n gsV o rg än ge d a sind, die in unserem B e w u ß tse in die s u b je k tiv e n Z u stä n d e v o n L ic h tu n d S ch a lle m p fin d u n g auslösen, ohne d a ß d a m it irg en d e tw a s ü b er die G le ic h a rtig k e it des äu ßeren u n d in n eren G esch eh en s a u sg e sa g t w äre. V o n d ieser E in s ic h t aus s te h t dem g a r n ich ts im W ege, sich O rga n isa tio n e n vo rzu ste llen , fü r w elch e die.

(6) 966. H. och e:. Zum Leib-Seele-Problem .. uns j e t z t als L ic h t erscheinend e W e llen b ew eg u n g eine S ch a lle m p fin d u n g un d d ie j e t z t un sere H örn erve n erregen d en S ch allw ellen eine L ic h te m p fin d u n g e rzeu g ten , G esch öp fe, fü r die e tw a die Sonne ein d a u e rn d er h eller T ro m p e te n to n u n d d er D o n n er ein ra sch fla ck e rn d e r W e ch se l v o n h ell un d d u n k e l sein w ü rd e. E r n st v . B ä r , der E n td e c k e r des m e n sch lich en E ie s, h a t ein m a l in g e is tv o lle r W e ise a u s g e fü h rt, in w iefern eine Ä n d e ru n g unseres T em p o s der W a h rn e h m u n g un ser W e ltb ild b eein flu ssen w ü rd e, w ie w ir b e i d er Ä n d e ru n g in d er einen R ic h tu n g P fla n z e n w ie ein en S p rin g b ru n n e n v o r uns au fsch ieß en sehen w ü rd e n un d bei ein er Ä n d e ru n g in der an deren R ic h tu n g e tw a im L a u fe eines M enschen lebens n ur eine ein zige M o n d p h ase zu sehen b ekäm en , b is w ir b ei w e iterer S teig eru n g s ch lie ß lich T a g un d N a c h t n ur n och als ein h a stig es F lim m e rn w ah rn eh m en w ü rd e n 1). U n sere B e tra ch tu n g sw e ise v o n d er R e la t iv it ä t un serer S in n es q u a litä te n e rg ä n z t dieses B ild n a ch der an d eren S e ite hin . W e r diese B e tr a c h tu n g als eine re izv o lle , ab er d o ch m ü ß ige S p ielerei b e tr a c h te t, k o m m t d o ch an d er an deren ern sten F ra g e n ic h t v o r ü b e r: wie kommt das an ein en O rganism us gebundene B ew u ß t sein überhaupt dazu, die Veränderungen seiner Sinnesorgane a u f etwas außer ihm B efin d lich es zu beziehen ? S ich erlich g ib t es b e i den tie fe n E n tw ic k lu n g s stu fe n B e w u ß tse in sfo rm e n , die n u r d u m p fe W a h r n eh m u n g en v o n Z u sta n d sä n d eru n g en der K ö r p e r o b erflä ch e erleben . E s h a t k ein e S ch w ie rig k eite n , sich a u ch ein h ö h er e n tw ic k e lte s B e w u ß ts e in v o r zu ste llen , das n u r ein en b u n te n W e ch se l v o n V e r ä n d eru n g en sein er P erip h erie w ah rn äh m e, ohn e d a ß d a ra u s ein e A u ß e n w e lt en tstü n d e, ein B e w u ß t sein, w elch es also re g istrie rte , d a ß im A u g e , im O hr, an d er H a u t w ech seln d e Z u stä n d e sich a b sp ie lten un d sich d a m it zu fried en gä b e. A u c h fü r d as B e w u ß ts e in des g e is tig v o lle n tw ic k e lte n M en schen gehen n eb en ein a n d er h e r E in d rü c k e v o n p eriph eren V e rä n d e ru n g en , die w ir a u f ein Ä u ß e re s b ezieh en u n d so lch e, d ie w ir als dem K ö rp e r s e lb st an geh ö rig e V o rg ä n g e zu tre n n en ge lern t hab en . E s is t eine seltsam e V o rste llu n g , die a b er n ich ts in sich W id e rsp re ch e n d es h a t, sich den E r d b a ll b e v ö lk e rt zu d e n k en m it W esen , die z a h l reich en w ech seln d en E in d rü c k e n a u s g e se tzt sind, ohn e d o ch zu ein em W e ltb ild o d er a u ch n u r zu d er V o rs te llu n g v o n W e lt ü b e rh a u p t zu k o m m en . E s w a r ein gewaltiger A bsch n itt in d er Q u a n titä t un d Q u a litä t der a u f dem E r d b a ll sich ab sp ielen d en. D ie N a tu r wissenschaften. [. V o rg ä n g e , als in leben d en W esen ein W e ltb ild e n tsta n d , w eil sie a n fin gen , eigen e Z u sta n d s ä n d eru n g en a u f äu ß eres zu b e zie h en ; d a b e gan n die E n tw ic k lu n g , die in u n en d lich lan gen Z e it rä u m en d a zu fü h rte, d a ß die N a tu r sich aus ihrem eigen en M a te ria l einen S p ieg el ersch u f, ein O rga n zu r A u ffa s s u n g ih rer selb st. E rk lä ru n g s v e rs u c h e fü r diesen B e w u ß ts e in s a k t, den ich als Projektionszw ang bezeich n e, h a b en w en ig Z w e c k ; w ir m üssen die T a ts a c h e hin nehm en u n d d ü rfen w o h l v e rm u te n , d a ß d er Z w an g, g e w isse Z u sta n d sä n d eru n g en d er P erip h erie au f e tw a s Ä u ß e re s zu rü ck zu fü h ren , g le ic h z e itig m it dem A u f tre te n h ö h erer b e w u ß te r V o rg ä n g e erschien. D ie A u ß e n w e lt h a t ja die S in n eso rgan e gesch affen , gew isserm a ß en h e rv o rg e lo c k t aus den S tr u k tu r m ö g lich k e ite n der O rgan ism en . O rga n isie rte K ö r p er h ä tte n v o n sich a u s ohn e d ie äu ßeren R e ize k ein e S in n eso rgan e h e rv o rg e b ra ch t, un d so w ird S c h ritt fü r S c h ritt m it der im m er fein eren D iffe re n zie ru n g d er S in n esen d fläch e a u ch die N ö tig u n g zu r P r o je k tio n n a ch a u ß en en tsta n d en sein. D e r P ro je k tio n sz w a n g , d er un s zur zw e ite n N a tu r gew o rd en ist, v e r s c h a fft uns die fo rtg e s e tzte Illu sio n ein er realen W e lt, ein e Illu sio n , d er sich n u r d as g e sch u lte D e n k en m it M ühe en tzieh en k a n n ; er s c h a fft a b er a u ch die Welt des Geistes kranken, eine ge fä lsch te W e lt, die anders au ssieh t, als die d er M a jo r itä t sein er M itm en sch en . D a s P h än o m en der S in n e stä u sch u n g en der G e is te s k ra n k e n in ih rer Ü b e rz e u g u n g s k ra ft fü r d as B e w u ß tse in des B e tro ffe n e n is t n u r aus dem P r o je k tio n s z w a n g zu v e rste h en . D iese B e tr a c h tu n g s w eise is t w ic h tig , w eil w ir v ie lfa c h p sych o lo g isch e Z u sa m m e n h än ge in d er V e rz e rru n g des K r a n k h a fte n d u rch sich tig e r fin d en , als im n orm alen Z u sta n d e . U n ser B e w u ß tse in , w elch es g e n ö tig t ist, d ie je n ig en R e ize , die uns v o n au ßen tre ffe n , n a ch a u ß e n zu ve rle g e n , kann ga r n ich t anders, a ls diesen A k t a u ch d an n zu vo llzieh en , w en n a u f den ih m ge w o h n te n S in n esb ah n en E in d rü c k e an k om m en , die n ic h t der A u ß e n w e lt, sondern ein em R e izz u s ta n d e der L e itu n g s b a h n selb st ihre E n ts te h u n g ve rd a n k e n . D e r G eistesk ra n k e, der W o r te h ö rt, die n iem a n d gesprochen h a t, h ö rt sie in d erselben ü b erzeu gen d en R e a litä t w ie ein G eistesg esu n d er die G esp rä ch e oder Z u ru fe seiner U m g eb u n g , un d er b e s itz t n ic h t ein m al, w en n er in te llig e n t oder e in sich tig ge n u g ist, seinen Z u s ta n d k r itis c h zu b e u rteilen , irg en d eine H a n d h a b e, u m a u s seinen s u b je k tiv e n W a h rn e h m u n g en selb st eine U n te rsch e id u n g rea ler u n d s u b je k tiv e r N a c h ric h te n zu v o llzieh en . E r ka n n a lle n fa lls — u n d d as g e sch ie h t au ch , n a m e n tlich im B e g in n i) Der während der Innsbrucker Tagung vorgeführte v o n G eistesstö ru n g e n — a u f dem W e g e der S c h lu ß Pflanzenfihn der Badischen Anilin- und Sodafabrik fo lg e ru n g aus anderweitigen b e g leite n d e n U m s tä n brachte das Barsche Phantasiebild in höchst über den d a zu gelan gen , sein e T ru g w ah rn e h m u n g en raschender W eise zur Anschauung: photographische nicht zu ve rw e rten , sie n ic h t in sein W e ltb ild e in Aufnahmen wachsender Pflanzen in Abständen von z u tra g e n ; a b er die T ru g w a h rn e h m u n g selbst u n te r io Minuten, kinem atographisch zusamm engedrängt, sch e id e t sich nicht v o n d er R e a litä t. ließen vor unseren Augen Pflanzen keimen, wachsen, W ir h a b en in d iesem P ro je k tio n sz w a n g einen blühen und welken — eine höchst anschauliche A u f d u rch a u s elem en taren , a llg em ein en und bis zu r hebung der Zeit..

(7) Heft 47. 1 21. I I . I924J. H oche:. Zum Leib-Seele-Problem .. U n e n trin n b a rk e it zw in gen d en V o rg a n g v o r uns, d er in seiner stre n g ste n G e s ta lt z u n ä ch st n u r fü r die L e itu n g der S in n esw ah rn eh m u n gen g ilt. E s w äre m e rk w ü rd ig , w en n w ir ih m bei der w eitgeh en d en A n a lo g ie zw isch en den versch ied en en g e istig en V o rg ä n g e n in uns n ic h t a u ch so n st begegn eten . T a ts ä c h lic h tre ffe n w ir P rojektion s drang, Projektionsneigung, oder w ie m an es nennen w ill, überall in un serer P sy ch e. D ie P r o je k tio n un serer D e n k n o tw e n d ig k e ite n in S a ch zu sam m en h ä n g e s c h a fft R a u m , Z e it, K a u s a lit ä t u n d eben so die L o g ik . D ie P r o je k tio n un serer s u b je k tiv e n B ed ü rfn isse in d a sV o rste llu n g sleben s c h a fft die R e ligio n , un d a u f diesem G eb ie te s c h a fft die P ro je k tio n des A n g stg e fü h le s u n d des S ch u tzb e d ü rfn isses v e rle tzlic h e r W esen in d as U n b e k a n n te h in ein die W e lt d er G ö tte r. D ie P ro je k tio n des S e lb ste rh a ltu n g strie b es, dieses ele m e n ta rsten un d h ö ch sten D ran g e s der un b eseelten un d der b eseelten M a te rie in die Z u k u n ft h in ein s c h a fft den U n sterb lich k e itsw u n sch un d den U n ste rb lic h k e itsg la u b e n . D ie P r o je k tio n eines s ta rk e n G efü h ls in die S p h ä re des H a n d eln s s c h a fft den k a teg o risch e n I m p e ra tiv des „ D u s o lls t.” D ie P ro je k tio n unseres B ed ü rfn isses n a ch O rd n u n g in D e n k zu sam m e n h än g e s c h a fft die p h ilo sop h isch en S y stem e , u n d in ih n en w ied e r n ehm en w ir w ah r, w ie die P r o je k tio n d er s u b je k tiv e n S tim m u n g der ein zeln en P h ilo so p h e n ih r S y s te m in sein er E ig e n a r t sch a fft, w ie die trü b e D a u e rstim m u n g S ch o p en h au ers die P h ilo so p h ie des P essim ism u s e r z e u g t ,. un d w ie g lä u b ig er O p tim ism u s an d erer das h e rv o r b rin g t, w as h e u te als W e rtp h ilo so p h ie v e rk ü n d ig t w ird . W ie d eru m zeigen uns krankhafte V erh ä ltn isse d ie b ezw in g en d e W ir k u n g des P ro je k tio n sz w a n g e s a u ß e rh a lb der S in n esb ah n en in ü b erzeu gen d er R e in h e it. B e i b e stim m te n F o rm e n v o n G eistes s tö r u n g is t d as P rim ä re ein v e rä n d e rte s E ig e n g e fü h l des K ra n k e n , d u rch w elch es in w a h n h a fte r W eise die A u ß e n w e lt in ih ren v e rm e in tlich e n B e zieh u n g en zu dem E rk ra n k te n v e rä n d e r t w ird . N o ch an ein em an deren P u n k te tre ffe n die F ra g e n , die d as L e ib -S e ele -P ro b lem u m k reisen , in beson ders ch a ra k te ris tisc h e r W eise zu sam m en , d a s is t die F rage nach dem W esen des Ic h . W e n n v o n ein em Ic h die R e d e ist, so d en k en w ir d a b ei z u n ä ch st an un ser körperliches, in der b ü rg e rlich e n W e lt e x istie re n d e s Ich . D e r u n b efa n g en e M en sch is t ge n eigt, dieses k ö rp e rlich e Ic h als ein e a u f gew isse Z e iträ u m e h in sich gleich b leib en d e G rö ß e zu b e tra c h te n , w en n e r a u ch w eiß , d a ß er im L a u fe d er J ah re die U n su m m e der V erä n d e ru n g en d u rch m a ch t, die ihn v o m K n a b e n zu m G reise w erd en lassen . N ic h t ein m a l fü r k ü rzeste F ris te n is t d as k ö rp erlich e Ic h in sich selb st gle ich b le ib en d . F o rtg e s e tz t w erd en B e s ta n d te ile d u rch A tm u n g , v o n der H a u t, v o m D a rm a b g esto ß e n un d in gew issen Z w isch e n rä u m en in den M a h lze iten w ied e r e rg ä n zt. D ie V e rm u tu n g e n , die in d er L ite r a tu r eine R o lle sp ie . 967. len , d a ß n a ch ein er b estim m ten A n z a h l vo n J ah ren der m en sch lich e O rgan ism us in allen seinen T eile n v o llk o m m e n ern euert sei, is t un gen ü gen d b e g rü n d e t; w ir w issen d a rü b er n ich ts ga n z Sich eres. D ie M ö g lich k eit is t n ic h t zu b estreiten , d a ß ein zelne ch em isch e B e sta n d te ile , chem ische G ru p p en leb e n slä n glich n ic h t au sge w e ch selt w erd en ; dies k a n n ab er n ic h t g e lten fü r d iejen ig en K ö rp e r teile, die in le b h a fte r F u n k tio n begriffen sind. Im gro ßen u n d ga n ze n sin d die V ergle ich e z u tre ffe n d , die un seren K ö rp e r in A n a lo g ie setzen zu ein em W a sserstra h l, zu ein er G asflam m e, zu ein er W o lk e — G ebild e, in d en en bei ä u ß erlich in den U m rissen gle ich b le ib en d er G e s ta lt ein fo r t g e setzte r W e ch se l der B e sta n d te ile s ta ttfin d e t. W ir än d ern uns lan gsam , a b er n a ch ein iger Z e it d o ch sehr m erk b a r, in b e zu g a u f un sere L ä n g e , un ser G e w ich t, unsere F a rb e un d die K o n sis te n z un serer G ew ebe, un d w en n m an sich fra g t, was den n d as ist, w as w ir n a ch ja h rz e h n te la n g e r T re n n u n g an ein em M enschen wiedererkennen* so d ü rfen w ir sich er sein, d a ß in sein er äu ßeren E rsch ein u n g nichts m ehr v o n der M aterie v e rtr e te n ist, die fü r uns frü h er seine E rsch ein u n g zu sam m en se tzte ; w as w ir w ied ererken n en , is t gew isserm aßen die Id ee dieses M enschen, d. h. eine K o m b in a tio n ch a ra k te ris tisc h e r Z ü ge in H a ltu n g , A u sd ru ck , B e w e g u n g , S tim m k la n g usw . E s w ä re eine re iz v o lle A u fg a b e , in der A r t des vo rh in e rw äh n ten P fla n z e n film s v o n ein em M enschen jed e n T a g ein e A u fn a h m e zu m ach en und d a n n seine E n t w ic k lu n g ü b er ein h a lb es J a h rh u n d e rt hin , kin em a to g ra p h isch a u f fü n f M in u ten k o m p rim ie rt, an sich vo rb eizieh en zu lassen. D e r E in d ru c k eines sich gleich b leib en d en kö rp e rlich en Ich s w ü rd e in d er a n sch a u lich ste n W eise a ls Illu sio n e rk e n n b a r w erden . A n diesem d a u ern d en A u s ta u s c h v o n S u b sta n z b e te ilig t sich n a tü r lic h in h e rv o rrage n d em M aße der T rä g e r des g e istig en L eb en s, d as Gehirn. D ie S tru k tu re le m e n te , d ie d as G eh irn in sp e zifisch e r W eise auszeich n en , än d ern sich der Z a h l n a ch v o n den K in d e rja h re n b is zu m T o d e n o rm a ler w eise n ic h t; w o h l kö n n en d u rch k ra n k h a fte P r o zesse N e rv en ze llen zu G ru n d e geh en ; a b er eine N euscha ffung fin d e t, n ach d em die k in d lich e E n t w ic k lu n g a b gesch lo ssen ist, n ic h t m eh r s ta tt. M an s c h ä tz t die Z a h l der G a n g lie n zelle n eines d u rc h s c h n ittlic h a u s g e sta tte te n G eh irn es a u f 600 M illionen, so d a ß ein E h e p a a r zu sam m en fa s t so v ie le G an g lie n zelle n b e s itz t als die E rd e B ew o h n er. In dem G leich b leib en dieser Z e ilen za h l un d der u n gen ü gen d en F ä h ig k e it des G eh irn es zu r N e u s c h a ffu n g b e ste h t ein seh r b e a ch te n sw e rte r U n te r sch ied gegen ü b er a n d eren O rgan en , sp eziell e tw a d er H a u t, o b gle ich g era d e diese e n tw ic k lu n g s g e sch ich tlich den selb en U rsp ru n g h a t, w ie d as N e rv e n sy ste m . N a tü rlic h m üssen w ir ann ehm en , d a ß b e i d em A b la u fe der g e istig en P rozesse eine s ta rk e u n d rasch e A usw echslung der k lein sten B e s ta n d te ile in den H irn zelle n s ta ttfin d e t. W e n n d as G eh irn.

(8) 968. H. och e:. Zum Leib-Seele-Problem .. tro tz d e m in sein er S tru k tu r im gro b en sich g le ich z u b leib e n sch e in t, so is t das dieselb e T äu sc h u n g , a ls w en n ein M ü n stertu rm gen au die gleich en L in ie n n a ch ta u se n d Jah ren n o ch a u fw e ist, a u ch w en n n a ch u n d n a c h zu versch ied e n e n E p o ch e n seine s ä m tlich en S a n d ste in e a u sg e w e ch selt w ord en sind . Je n a ch d er A u ffa ssu n g , die m an v o n den B e z ieh u n g en zw isch en M a terie un d P s y c h e h a t, k a n n m an sich d as geistige I c h eben so w o h l a ls ein S ich g leich b leib e n d e s w ie ein E w ig w ech se ln d e s v o r stellen . D a s n a iv e D e n k en , R e lig io n , P h ilo so p h ie un d E t h ik rech n en m it dem Ic h w ie m it ein er kon stanten Größe. W a s is t d a ra n ? W e n n irg en d w o , so sind w ir fü r die P r ü fu n g des Ic h b e g riffe s a u f un sere S e lb stb e o b a c h tu n g angew iesen , un d n irgen d s sind w ir m eh r Irrtü m ern der B e u rte ilu n g a u sg e se tzt. Z u n ä ch st e n td e ck e n w ir in un s ein Ichgefühl, ein en n ic h t w e ite r zu zerlegen d en T a tb e s ta n d ; dieses Ic h g e fü h l is t der s tä n d ig e B e g le ite r jed e s un serer seelisch en V o rg ä n g e ; es g ib t a llen m einen p sy ch isch en R e g u n g e n die E ig e n s c h a ft, die ich m it dem A d je k t iv ,,m ein “ b e ze ich n e: m ein G efü h l, m eine V o rstellu n g , m ein W ille . S ich er is t dieses a u ch dem u n b efa n g en en D e n k en in b e zu g a u f alle körperlichen Ichgefühle, d ie sich a u s d er Sum m e d er N a ch ric h te n v o n H a u to b e rflä ch e u n d in neren O rga n en zu sam m en setzen . D a s Ich g efü hl geistiger A r t is t n ic h t an sich, lo sgelö st v o n irg en d w elch e n In h a lten , v o rh a n d e n ; seine E x is te n z is t v ie lm e h r in u n tre n n b a rer A m a l g a m ie ru n g ein B e s ta n d te il je d e r A r t g e istig er P r o zesse, m ö gen sie n o ch so v e rs ch ie d e n a rtig sein. D ieses Ic h g e fü h l is t a lso n ic h t g eeig n et, ein Ic h an sich zu bild en . U n te r dem Ic h in diesem S in n e h a b en w ir e tw a s an deres zu v e rs te h e n : ein Ichbew ußtsein, d. h. eine b e w u ß te Z u sa m m e n fa ssu n g a lle r u n serer k ö rp e rlich en u n d g e istig en B e zie h u n g e n zu ein er E in h e it, die d as ein zige ist, w a s uns a u f d er W e lt w irk lic h sich er zu sein sch ein t, die un s als k o n ti n u ierlich u n d der H a u p tsa c h e n a ch a u ch als gle ich b le ib en d ersch ein t. D ieses is t d as e ig en tlich e Ich , m it dem die P h ilo soph ie o p eriert. E s is t n ic h t id e n tisch m it dem B e g riffe des S e lb stb e w u ß tse in s, a u ch n ich t id e n tisch m it dem , w a s w ir a ls C h a r a k te r b ezeich n en , d. h. d er h a b i tu e lle n R e a k tio n s fo rm unseres Ic h a u f ä u ß ere un d in n ere A n stö ß e . D ieses Ic h ist eine Illu s io n , deren E n ts te h u n g seh r w o h l d u rch sch a u t w erd en k a n n . Z u n ä ch st ein m a l is t e rsich tlich , d a ß eine w irk lich e K o n ti n u itä t dieses Ich s n ic h t b e ste h t; O h n m a ch t, R a u sch , e p ile p tisch e r A n fa ll u n d n orm a ler S c h la f u n terb re ch e n sie im m er w ied er. N a m e n tlic h b eim A u fw a c h e n a u s tie fe m S ch la fe k a n n m an b e o b a ch ten , w ie w ir die ein zeln en B e sta n d te ile unseres u n s in zw isch en a b h an d e n geko m m en en Ic h g e w isse rm a ß e n w ied e r z u sa m m e n k ra tze n m üssen, w ie. T D ie N atu r-. l Wissenschaften. w ir z u n ä ch st n ur ein d u m p fes B e w u ß tse in ü b e r h a u p t in uns v o rfin d e n un d erst a llm ä h lich un s un serer P erso n , un serer B e zie h u n g e n zur W e lt, des R a u m e s un d der Z e it un d un serer d e rzeit b e h errsch en d en V o rstellu n g sg ru p p en b e w u ß t w erd en . D ie L ü ck e n , die sich so im m er w ied e r zw isch en d ie ein zeln en A k t e des B e w u ß tw e rd e n s unseres Ich s ein sch ieben , ign o rieren w ir, eben so w ie w ir in d er o p tisch en W a h rn e h m u n g den blin d en F le c k , der die K o n tin u itä t unseres Seh feld es u n terb rich t, ign o rieren . W ir tu n v o r un s selb er so, als ob d a s Ic h rü c k w ä r ts eine g le ich m ä ß ig la u fen d e L in ie w äre, w äh ren d es ta ts ä c h lic h n u r im B ild e ein er L e ite r m it Sp rossen un d Z w isch en räu m en gesehen w erden k a n n . D a s Ic h b e ste h t aus Schichten, d ie a u fein an d e r fo lgen , u n d d ie fü r uns d u rch ein e g e se tzm ä ß ig e T ä u sc h u n g zu ein er E in h e it versch m o lze n w erd en . D ie ein zeln en B e sta n d te ile dieser T ä u sc h u n g sind a u fze ig b a r. Ih re w ic h tig s te is t unsere F ä h ig k e it, frü h ere S eele n zu stän d e in uns wieder zu erwecken und sie a ls un sere eigen en zu erken n en . O hn e diese E ig e n tü m lic h k e it des Gedächtnisses w ü rd e v o n ein em in uns h isto risch gew orden en Ic h ü b e rh a u p t n ic h t d ie R e d e sein. A u c h h ie r lie fe rt uns die P a th o lo g ie ü b erzeu gen d e B e isp ie le ; die N a tu r m a c h t ge le g e n tlich u n te r b e stim m te n V o ra u sse tz u n g e n d as E x p e rim e n t, d a ß sie ein em M enschen geh irn e die F ä h ig k e it n im m t, neue E in d rü ck e fe s tzu h a lte n un d zu rep ro d u zieren (V e rlu st d er „ M e r k fä h ig k e it“ ). S o lch e K ra n k e , bei denen die B e w u ß ts e in s h e llig k e it u n d die In te llig e n z n ic h t w e ite r g e s tö rt zu sein b ra u ch en , leben dem A u g e n b lic k ; w a s v o r zehn M in u ten oder v o r ein er S tu n d e w ar, e x is tie r t n ic h t m ehr fü r sie; ih r Ic h is t das, w a s es im M om en te b e d eu te t. E s h a t fü r d ie V o rs te llu n g k ein e S ch w ie rig k e i ten , eben so w ie w ir im stan d e sind , u n s ein B e w u ß t sein ohn e P r o je k tio n sz w a n g v o rzu ste llen , u n s d as B ild ein es Ic h e n tsteh e n zu lassen, w ie es ohne jeden B esitz der R eproduktionsfähigkeit aussehen w ü rd e . D ieses M o m e n t-Ich w äre ein S p ie lb a ll d es k ö rp e rlich en E m p fin d u n g sg a n z e n m it a ll seinen Q u a litä te n v o n B e h a g e n un d U n b eh ag en , L u s t und U n lu s t; es b e d e u te te die S u m m e d er im A u g e n b lic k v o rh a n d e n en seelisch en Z u stä n d e ohne je d e b e w u ß te N a c h w irk u n g frü h eren geistig en G e schehens un d zw eifello s ohn e ein Ic h b ew u ß tse in im Sin n e d erjen igen , die frü h ere seelische Z u stä n d e in sich w ied e re rw eck en kö n n en . E in e zweite Q u elle d er T ä u sc h u n g lie g t in dem B ekanntheitsgefühl, d as unsere rep ro d u zierten S ee len zu stän d e der V erg a n g e n h e it b e g le ite t; d ieses G e fü h l is t d u rch a u s n ic h t ein selb s tv e rs tä n d lich e r B e s itz ; w ir kö n n en uns O rg a n isa tio n e n d en k en , b ei d enen frü h eres g e istig es G esch eh en b e w u ß t w ird , ohn e d a ß es die Q u a litä t des B e k a n n te n m itb rä ch te . D a ß dieses B e k a n n th e its g e fü h l e tw a s S e lb stä n d ig es un d n ich ts der E rin n eru n g an sich A n h a fte n d e s ist, zeigen die B e o b a ch tu n g e n an K ra n k e n , b e i denen Z u stä n d e , die frü h er n ich t.

(9) Heft 47.. 1. Gruh le:. K on stitution und C harakter.. 969. 2 1 . 1 1 . 19 24 J. vo rh a n d en w aren , als b e k a n n t em pfu n d en und re g istrie rt w erden (,,d ejä v u “ ), ebenso w ie d ie jen ig e n F älle , die m an als S p a ltu n g der P e rsö n lich k e it besch rieben h a t, b ei denen B e w u ß tse in sin h a lte als n ic h t dem eigen en Ic h zu geh ö rig em pfun den w erden . D ie dritte Q uelle d er T äu sch u n g e n lie g t darin , d a ß w ir n ur u n vo llk o m m en die W andlungen b e m erken , die eigen e frü h ere Z u stä n d e im L a u fe der Z e it un d so ga r schon n ach k u rzer Z e it, z. B . w ä h ren d eines N a ch tsch la fe s in uns erfah ren . In ü b e rzeu ge n d e r W eise k o m m t dies dem G esu n d en zu m B e w u ß tse in , w en n er z. B . in e ig en h ä n d igen a lte n B rie fe n m it seinem Ich, d as er fü r g le ich bleib e n d h ie lt, n a ch J a h rzeh n ten k o n fro n tie rt w ird . D ie v o n der N a tu r a n g e ste llte n K r a n k h e its exp erim en te in un serem G eh irn zeigen dies dem A r z te n och sin n fällig er, so w en n v o r un seren A u g e n be i der p ro gressive n P a r a ly s e ein Ic h w eitg e h e n d v e rä n d e r t w ird , ohn e d a ß der T rä g e r d er k ra n k e n G e is te s s tru k tu r e tw a s d a v o n b e m e rk t, oder w enn die P a tie n te n m it z irk u lä ren G eistesstö ru n gen , bei denen geh o ben e un d g e d rü ck te P h asen m it ein a n d er a b w ech seln , so la n g e sie im B e re ich der ein en P h ase steh en , n ich t zu geb en w ollen, d a ß sie je m a ls anders a ls j e t z t gew esen sind. A u c h d as Ic h der Gegenwart is t k u rzfristig en , sta rk e n W a n d lu n g e n u n te rw o rfe n ; es is t v e rs ch ie den zu versch ied e n e n T a g e sz e ite n , im Z u sta n d e d er k ö rp e rlich en oder seelisch en E rm ü d u n g , im F ie b e r, im R a u sch , im T ra u m e , in ep ile p tisch e n D ä m m e rzu stä n d en un d am m eisten ch a ra k te ris tisc h in den zw eifello s vo rk o m m e n d en Z u stä n d e n des d o p p e lten Ic h b ew u ß tse in s. W e r sich selb st zu b e o b a ch te n im stan d e un d. geneigt is t — diese F ä h ig k e it ist kein esw egs A ll ge m e in b e sitz — e rle b t au ch in b e zu g a u f sein eigen es Ic h d ie m e rk w ü rd ig sten Ü b errasch u n gen . W ir alle h a b en d u n k le W in k e l im Ich, w ir h a b en V ersch lä ge, in d ie w ir n u r u n gern h in ein leu ch ten , un d w er w ir sind, erfah ren w ir eig en tlich erst aus unseren H a n d lu n g en , o ft zu u n serer eigenen Ü b e r rasch u n g, je d e n fa lls n ich t a u s unserer blo ßen M ein un g v o n un serem Ich . A lle s in allem g ilt: das Ic h als eine kontinuier lich sich erstreckende, gleichbleibende Größe ist das Ergebnis einer Selbsttäuschung. W ir sind ein Schauplatz, a u f dem sich sch ich te n w eise a llerh an d V o rg ä n g e a b sp ielen , die u n te r e in a n d er ä h n lich und zu m T e il g leich sind, w eil sie m it ein er g leich b leib en d en H ir n s tru k tu r z w a n g s lä u fig v e rk u p p e lt sin d ; die R e p ro d u k tio n b rin g t uns verflo ssen e S ch ich ten des Ic h in die H öh e, un d v e rm ö g e ein er re ge lm äß ige n T ä u sc h u n g h a lte n w ir sie fü r id e n tisch ; das is t alles, w as v o n dem Ic h ü b rig b le ib t. M eine Z e it is t a b g e la u fe n ; es is t n ic h t m öglich , a n d eren P u n k te n des u ferlo sen T h e m as n och n äh er zu tre ten . D ie F o rm u lie ru n g , die ih m h ier z u te il gew orden ist, w a r seh r w eise; die L e ib -S e e le -F ra g e w ird , ,Problem “ bleiben . W ir b efin d en uns d enselben g ru n d sä tzlich en N ö ten gegen ü b er w ie b ei anderen m it H e ftig k e it u m stritte n e n F ra g e n : F re ih e it des W illen s, U n e n d lic h k e it der W e lt, W esen der Z e it u. a. m . A u c h fü r d as L eib -S e ele -P ro b lem w ird m ö glich erw eise, w en n es sich als u n lö sb ar erw eist, die L ö su n g d a rin zu fin d en sein, d a ß die F ra g e s te llu n g falsch w ar.. K o n stitu tio n und Charakter. V on. H. a n s. W.. G. D a s P ro b le m K o n s titu tio n und C h a ra k te r, besser k ö rp erlich e K o n s titu tio n u n d seelische S tru k tu r , is t n ich t n u r ein P ro b lem d er W isse n s ch a ft, sondern in beso n derem G ra d e eine F ra g e des g e b ild ete n L a ie n . Ih m is t die Seele d as W e s e n t lich e, a b er sie is t n ic h t sich tb a r, n ich t fa ß b a r. U n d so su ch t er n a ch H ilfsm itte ln , sie d o ch zu fassen, u n d g re ift zu der A n s ch a u u n g : im K ö rp e r m üsse sich d o ch die Seele g leich sa m w id ersp iegeln . E s is t d as a lte P ro b le m der M e n s ch e n k e n n tn is : d ie S y m b o lik d er m en sch lich en G e s ta lt, die P h y sio gn om ik. In je d e r W issen sch a ftsp h a se s te llt sich d as P ro b lem neu. W a s s a g t die h e u tig e N a tu r w isse n sch a ft d a z u ? 1) D ie F o rsch u n g h a fte t n ic h t an der ä u ß e re n m en sch lich en G e s ta lt, sie in te re ssie rt sich eben so fü r den in n eren B a u , fü r den C h em ism u s des K ö rp e rs. U n d dieser le tz te re w a r das erste O b je k t, a u f das die N a tu rw isse n sch a ft, s o w e it uns die G esch ic h te A u fs c h lu ß g ib t, e in g e ste llt w ar. W ir x) Hinweise und Literaturangaben sind einer späteren, ausführlichen Arbeit V o rb eh alte n . Nw. 1924.. r u h l e. ,. H e id elb e rg .. d e n k en h e u te b e i den a lte n N a m en d er T e m p e ra m en te an P sy ch isch es, d o ch d e ck te n sie u rsp rü n g lich K ö rp e rlich e s. E s w a r die K ra se n le h re der griech isch en A n tik e , a u f die M isch u n g der S ä fte des K ö rp e rs ge rich te t. A u s fe u c h t u n d tro ck en , k a lt un d w arm , b itte r un d sü ß m isch t sich g le ic h m ä ß ig d as B lu t, — so le h rt als erster im 6. J a h r h u n d e rt v o r C h ristu s A l c m ä o n v . C r o t o n . U n d w en n ein er je n e r A u to re n ein m a l Seelisch es e r w ä h n t, so is t ih m dies n u r ein S y m p to m des K ö rp e rlich e n . T rä g e un d e in fä ltig : d as b e d e u te t sch w a rze r G a lle Ü b e rflu ß ; e n th u s ia s tis ch ta le n t v o ll, h e ftig b e g eh rlich : dies lä ß t a u f ü b erm ä ß ig e gelb e G a lle sch ließen . U n d n eben diesen seelischen S y m p to m e n v e rra te n a u ch M erk m ale des K ö rp e r b a u s den B io c h e m is m u s : H a g e rk e it, d u n k le H a u t, d ü ste rer o d er leid en d er B lic k , dies d e u te t n ach G a le n a u f ein m elan ch o lisch es T em p e ra m en t (150 n. C h r.). D ie a ra b isch en Ä rz te , d as M itte l a lte r b rin ge n n ich ts w esen tlich N eues. A b e r v o n d a a b v e rs c h ie b t sich a llm äh lich der A k z e n t: d as Seelische in te re ssie rt un d d as K ö rp e rlich e d ie n t als 128.

(10) 970. G ruh le:. K on stitution und Charakter.. H ilfs m itte l, d as erstere zu fix ie re n . S ch w a rzes h a rte s H a a r, d u n k le A u g e n , g e lb b ra u n e H a u t, m ä ß ig e F ü lle , gro ße F e s tig k e it des F leisch es, sch a rfe u n d a u sd ru ck sv o lle G e s ic h ts z ü g e : das alles c h a ra k te ris ie rt n a ch G a l l (1758 — 1828) den C h o lerik er, d. h. j e t z t n ic h t m eh r die so u n d so g e a rte te K ra s is , sondern ein b e stim m te s 'psychisches T e m p e ra m e n t: R e izb a rk e it, L e b h a ftig k e it, T ä t ig k e it, E n tsch lo sse n h e it usw . A lso ein er b e stim m te n K ö rp e rfo rm ist ein b e stim m te s seelisches N a tu re ll zu g e o rd n et. D ies w ird d an n in der F o lg e sehr k o m p lizie rt: K a r l G u s t a v C a r u s (1789 — 1869) h a t 17 seelische K o n stitu tio n e n un d 6 T e m p e ra m en te. W a s h ä lt h ie rv o n n och der K r itik m odern er F o rsch u n g s ta n d ? E in e L eh re, die einen großen T e il d er h e u tige n F o rsch e r b e h errsch t, la u te t, d a ß K ö rp e rfo rm oder K ö rp e rch em ism u s o d er beid es dem M enschen a n gebo ren sei, als ein so h in zu n eh m en d es S ch ick sa l. E s g e lte n un, die en tsp rech en d en seelischen V e r fassu n gen zu finden , m ögen diese n un F o lg e sein, oder B e g leite rsch e in u n g en . W e n n m an diese M ein u n g fürs erste ein m a l a n n im m t: welche K ö rp e r b a u ty p e n lie fe rt d a n n die K o n stitu tio n sfo rsch u n g ? D ie M einun gen gehen n och w e it ausein an der. E in e r gew issen A n e rk en n u n g erfreu en sich die T y p e n S ig a u d s : Ü b e rw ieg en d er M u sk eln : T y p e m u scu laire, der V e rd a u u n g so rg a n e : t. d ige stif, d er B r u s t: t. resp irato ire, des K o p fe s : t. cerebral, die le tz te n beid en T y p e n w erd en als lep to som er T y p u s a u ch zu sa m m en g e fa ß t. W ie n ah e lie g t nun der p o p u lä re S ch lu ß , d a ß sich d er M u scu laire fü r gro b e A rb e it interessiere, ro h u n d w en ig d ifferen zie rt sei u sw ., d a ß der d ig e s tif d em B a u ch e frön e usw . — , a b er d as sind A n a lo g ien , denen m an in kein em F a lle n ach ge b en d a rf. W ir w issen n och n ich ts n äh eres ü b e r solche E n tsp re ch u n g en . V i o l a u n d N a c c a r a t i h a b en v e rs u ch t, ein e ä h n lich e E in te ilu n g in N o rm o sp lan ch n ik er, M ikro- und M a k ro sp la n ch n ik e r zu g e b e n : d er erste v o n m it t leren V erh ä ltn issen , der zw e ite m it B e to n u n g der V e r tik a le , der d r itte T y p u s m it b re item R u m p f, b e to n te r H o riz o n ta le u n d k lein en G lied ern . A b e r d er V ersu ch , B e zie h u n g e n zu r In te llig e n z h e ra u s zu fin d en , in dem Sinne, d a ß die In te llig e n z m it dem V e rh ä ltn is vo n G r ö ß e : G e w ich t g le ich sin n ig w ach se, b e g e g n e t n och seh r le b h a fte n Z w eife ln . M an h a t zw a r die E n tw ic k lu n g d er S p ra ch e zu H ilfe ge n om m en und n ach zu w e ise n v e rs u c h t: w en n eine Sp ra ch e die E d le n des R e ich e s als die „G roßen * zu b ezeich n en p flege, so ste ck e d a h in te r m eh r als ein Z u fa ll: der k ö rp e rlich G ro ß e sei n ic h t n u r der ä u ß e rlic h Im p o n ieren d e, sondern ta ts ä c h lic h a u ch d er M ä ch tig e re im G eist, un d n ic h t u m so n st h ä tte n d e u tsch e S tä m m e o ft den k ö rp e rlich G rö ß te n zu m H e rz o g g e w ä h lt. A b e r d as alles is t n ic h t m eh r als ein fre u n d lich a n m u te n d er E in fa ll un d e n tzie h t sich e x a k te r N a ch p rü fu n g . W e n n m an v ie lm e h r je n e n ab n o rm en B ild u n g e n n a ch fo rsch t, d ie m an a ls eu n u ch o id en H o ch w u ch s b e ze ich n et, so fin d e n sich z w a r o ft an In te llig e n z u n d im C h a r a k te r m a n ch erlei A n o m a lien , n iem a ls a b er irg en d ein e. [. Die N a tu r wissenschaften. E in h e itlic h k e it g e p a a rt. U n d w en n m an im G eg en s a tz d a zu die ech ten Z w erge, d. h. k o rre k t g e fa ß t die N a n o so m ia p rim o rd ialis, b e tr a c h te t, so is t ihre g e istig e E n tw ic k lu n g o ft w ed er in fa n til n och debil. D a s G leich e g ilt v o n den ch o n d ro d y stro p h isch e n Z w ergen . A b e r n och v o n an d eren G esich tsp u n k ten her w u rd e n K ö rp e rb a u ty p e n g e fo rm t. Ü b e rsie h t m an ein m al, w ie u n b estim m t B a r t e l s T y p u s h y p o p la s ticu s un d dessen U n terfo rm , P a l t a u f s s ta tu s th y m ic o ly m p h a tic u s ist, g la u b t m an an S t i l l e r s H a b itu s a sth e n icu s a ls K o n stitu tio n sp h ä n o m e n , te ilt m an v o r lä u fig e in m a l n ic h t F r i e d r i c h M ü l l e r s S k ep tizism u s, d a ß der p h th isisch e H a b itu s g rö ß te n teils die F o lg e un d n ic h t die V o rb e d in g u n g der T u b e rk u lo se sei, so sp rin g t aus allen diesen T y p e n n o ch n ich ts fü r unser P ro b le m h e ra u s: n iem an d k a n n ein igerm aß en üb erzeu gen d es M a te ria l b eibrin gen , d a ß diesen K ö r p e rty p e n b e stim m te see lisch e V erfa ssu n g e n en tsp rech en . W en n T a n d l e r b e h a u p te t, B o t i c e l l i sei H y p o to n ik e r gew esen un d d a h e r a u ch M aler des H y p o to n isch e n , M i c h e l A n g e l o H y p e r to n ik e r un d d a h er a u ch n o tg ed ru n gen S ch ö p fer des H y p erto n isch e n , so is t das n ich ts w e ite r als ein lieb en sw ü rd iges bon m o t. A b e r v o n ein em A u to r sin d Z u sa m m en h än ge a u fg e d e ck t w ord en , d ie p o sitiv e E n tsp re ch u n g en e n th a lten . K r e t s c h m e r fa n d ein ü b e ra u s h ä u fig e s Z u sa m m en tre ffe n (K o rre la tio n + 0,841) v o n einem b e stim m te n K ö rp e rb a u , d en er als p y k n is c h bezeich n et, m it ein er b e stim m te n h eilb aren G e m ü tsk ra n k h eit, dem m an isch -d ep re ssive n Irresein . U n g e fo rm t sch w erfä llig e r R u m p f m it v ie lem F e t t , vo lu m in ö se K ö rp e rh ö h len , tie fe r B r u s tk o rb , k lein er d ick er H a ls, also ein T y p u s , d er am eh esten dem S iga u d schen T y p u s a p o p le cticu s un d d ig e stiv u s, V io la s M a k ro sp lan ch n icu s u n d B a u e r s arth ritisch e m H a b itu s e n tsp rich t. In d em nun K r e t s c h m e r das G e g e n s tü ck d er beid en gro ß en en dogen en P s y c h o sen, die Sch izo p h ren ie, a u f ih ren Z u sa m m en h an g m it K ö rp e rb a u fo rm e n b e tra c h te te , ste llte sich ih m heraus, d a ß z w a r h ier k ein ein h e itlich er T y p u s v o rla g , d a ß a b er im m erh in d er p y k n isch e so g u t w ie ga n z fe h lte u n d s t a t t dessen d y sp la stisch e, m u sk u lä re (ath letisch e), v o r allem a b er a sth en isch e G e sta lte n v o rh e rrsch ten . In so w e it w äre n u r die N e ig u n g gew isser K ö rp e rfo rm e n zu gew issen P sy ch o se n w ah rsch e in lich gew orden , K r e t s c h m e r a b er g in g w e ite r u n d g la u b te n u n au ch seinen beiden G ru p p en ein en en dogen en Charakter z u sp rech en zu k ö n n e n : D e m P y k n ik e r (ewxoAo?) so zia l p o sitiv e N e ig u n g e n : gesellig, gu th erzig , fre u n d lich , g e m ü tlich , — d em A sth en ik er, M u sk u lären (dvoxoXos) so zia l n e g a tiv e T e n d e n z e n : u n g e sellig, ab so n d erlich , h u m orlos, e rn sth a ft, still, z u rü ck h a lte n d . D ie se le tz te re n B e zie h u n ge n z w i schen K ö rp e rb a u u n d C h a r a k te r sind n och u m s trit ten , w en iger a u f der p y k n is ch e n S eite als beson ders a u f d er sch izo id en S e ite . J ed e n fa lls e n td e ck te K r e t s c h m e r S a c h v e rh a lte , die n u n der D e u tu n g b ed ü rfen . U n d ein e dieser D e u tu n g e n is t die M einun g, d er T ü b in g e r F o rsch e r h a b e w en iger P e rs ö n lic h k e itsty p e n als vie lm e h r jRassetypen b e .

(11) Heft 47. 1. Gruh le:. K onstitution und Charakter.. 971. 21. II. I924J. sch rieb e n : sein P y k n ik u s sei d er H o m o alpin us, un d in seinen S ch izo id en ste c k te n im w esen tlich en n ordische, d in arisch e u n d so n stige E lem en te. In d e r T a t e n th a lte n jen e G eb ie te, in denen K r e t s c h m e r selb st u n d die v o n ih m A n g ereg te n u n te r su ch ten , beson ders v ie l a lp in en E in sch la g , u n d eine säch sisch e N a c h p rü fu n g erg a b w esen tlich w en iger k la re V e rh ä ltn isse. A b e r a u ch d a n n w ären die K retsch m e rsch e n U n tersu ch u n g en in te re ssa n t un d p o s itiv zu b e w e rten , w en n sie die B e zie h u n g des H o m o a lp in u s zu einem b e stim m te n T e m p era m e n t u n d ein er P sy ch o se a u f g e d e ck t h ä tte n . A u c h d er E in flu ß des A lte rn s a u f die sich w a n d e ln d e K ö rp e rfo rm is t n och n ic h t e rgrü n d et. D ie s alles is t n och n ic h t v ö llig g e k lä rt, im m e r h in g ib t es zu d en k en , d a ß eine der H a u p t b e stä tig u n g e n jen es Z u sa m m en h an ges w ied eru m a u s S ü d d eu tsch em G e b ie t s ta m m t: d er o rig in ale fein e In n sb ru ck er G y n ä k o lo g e M a t h e s g a b die e rste E rg ä n z u n g n a ch der S e ite d er w eib lich en T y p e n : seine Z u k u n ftsfo rm (H o ch w u ch s m it m ä n n lich em E in sch la g ), sein S ta tu s h y p o p la s tic u s h a b en z w a r keine re ch t k la re n seelischen E n tsp re ch u n g en , sein S ta tu s a sth e n ico -p to ticu s un d T y p u s in te rsex u a lis h a b en w en ig sch a rf h e ra u sg e a rb e ite te M ischu n gen v o n h y sterisc h en un d sch izo p h ren en Z ü gen , ab er seine „ p r a lle J u g e n d fo rm “ e n tsp rich t w eitg e h e n d d em K retsch m e rsch e n P y k n ik e r : k le i n er W u ch s, tie fe r R u m p f, B e ck e n s ta r k gen eigt, k u rz e r H a ls, sch m a ler S ch u lte rg ü rte l, p ra lle w eiche e la stisch e H a u t. D a b e i ein s o zia l-p o sitiv e r C h a r a k te r : gesellig, ta k tv o ll, u n p ro b lem a tisch , harm on isch regsa m , le ich t e rz ü rn t — le ich t b e ru h ig t. E s is t n och n ic h t v ie l P o sitiv e s, w as die F o r sch u n g fan d , u n d die D e u tu n g e n d er B e fu n d e sch w an k e n n o ch h e ftig , a b er es is t d o ch ein A n fa n g . K e in A n fa n g ein er n euen M eth o d e, d en n d ie a lte un d ä lte s te M edizin v e rfu h r a u ch p rin zip iell n ich t anders, a b er d o ch ein A n fa n g in m o d ern er k ritisch e r B e h a n d lu n g des P ro b lem s. I n t u it iv g e sch a u ten K ö r p e r ty p e n w ird ein e seelische S tr u k tu r z u ge o rd n et. D ies w a r a u ch d as V e rfa h re n L o m b r o s o s (18 3 6 — 1909), w en n g leich er sich a u ch d er U n te r su ch u n g e in zeln er M erkm ale b e d ien te. A u c h er g la u b te an eine s ch ick sa ls m ä ß ig gegeb en e K ö rp e r k o n s titu tio n des V erb rech ers, also an eine E n t sp re c h u n g zw isch en K ö rp e rb a u un d v e rb re c h e risch er Seele. A b e r seine L eh re w a r w ed er th e o re tisch n och e m p irisch gen ü gen d fu n d ie rt. Sie k r a n k te v o r a lle m an der A n n a h m e ,,d e s“ V e r brech ers a ls ein es irg en d w ie e in h e itlich en T y p u s . D o ch diesen g ib t es n ich t, u n d so sind seine T h e o rien h e u te im Z u sa m m e n h an g d e r W issen sch a fte n so g u t w ie bed eu tu n g slo s. D ie P a th o lo g e n , In te r n iste n , P s y c h ia te r , G y n ä k o lo g e n , tre ffe n h eu te zu sam m en a u f dem G eb ie te dieser T y p e n fo rsch u n g , un d sie e rh a lten n och einen eig en a rtig e n Z u w a ch s v o n g a n z u n e rw a rte te r S e ite : der L e ip zig e r G e r m a n ist S i e v e r s tr ä g t als E rg e b n is ein er la n g en R e ih e v o n F o rsch u n g sja h ren eb en fa lls die L eh re v o r : S ch ick s a ls m ä ß ig is t v o n G e b u rt an der M ensch n gew isse B a n d e gezw u n gen , die ih m sein e. K ö rp e rk o n s titu tio n a u ferlegt. A b e r er, der S p ra ch forscher, sieht diesen K ö rp e rb a u n ich t, sondern er hört aus d er versch ied en en A r t der A u ssp rach e, w elch e r T y p u s v o r lie g t. D ie G eistigk eit, die in jed e m gesch rieb en en un d also fü r die S p rach e b e stim m te n S a tze s te c k t, bed ien te sich im A k t dieser sp ra ch lich en S ch ö p fu n g eines b estim m ten R h y th m u s , eines T o n fa lls , ein er Sp rachm elodie, oder w elch en A u s d ru c k m an im m er gebrauch en m öge. A b e r dieser K o m p le x v o n F u n k tio n e n w a r an geb o ren k ö rp e rb a u m ä ß ig b e d in g t. V e rfü g e ich als N ach erleb en d er, als N a ch sp re ch er n ich t über den gleich en F u n k tio n s k o m p le x in fo lg e gleichen K ö rp e rb a u s, so k a n n ich jen e S p ra ch g eb ild e nur sch le ch t, unfrei, gep reß t, n ic h t ü b erzeu gen d a u s sp rech en . So s te llt S i e v e r s 3 G e n e ra lty p e n der S p rech w eisen auf, die er P e rso n a lk u rv e n n en n t un d als das K o n sta n te s te b ezeich n et, w as es ü b e rh a u p t b eim d en k en d en u n d h an d eln d en M enschen g ib t, ja S i e v e r s g ib t a u ch A u s b lick e a u f eine ra ssen m ä ß ige B e d in g th e it dieser P e rso n a lty p e n . E s is t e ig en a rtig, d a ß d er geleh rte P h ilo lo g e hierin zu ein er T h eo rie k a m , zu d er sich in ga n z ä h n lich er F o rm u lie ru n g sch lie ß lich d er k g l. b a ye risch e Z o ll in sp e k to r J o s e f R u t z (gestorben 1895), ein v ö llig er A u to d id a k t, d u rch g eru n gen h a tte . U n d dieser und sein Sohn O t h m a r h a b en d an n die L eh re dieser an gebo ren en K ö rp e rh a ltu n g e n a u ch zu d er L eh re v o n den T em p e ra m en ten in B e zie h u n g g e b ra ch t. D ie K r it ik w a r a u ch diesen G ed a n k en gä n ge n gegen ü b er a u f dem P o sten , sie h a t m an ch e der n eu esten L eh ren S i e v e r s ’ als seltsam e A u sw ü ch se ein er ü b e rw ertig en Id ee b ezeich n et, a b er sie k a n n n ich t leugn en , d a ß au ch diesen R u tz -S ie v e rssch e n T h eorien w irk lich e E n tsp re ch u n g en zw isch en K ö r p er un d Seele zu G ru n d e liegen , E n tsp re ch u n g en , die h ier um so b e d eu tsa m er an m u ten , a ls sie im W e rk der S p rach e, der S p ra ch k u n st ih ren N ie d e r sch la g gefu n d en h a b en un d also n och u n b eg re n zte Z e it n ach dem T o d e des S ch öp fers R ü ck sch lü sse a u f seine K ö rp e rlic h k e it erlau b en sollen. E n d lic h k o m m t n och ein g ä n zlich anders o rie n tie rter F o rsch e r zu d em Con gressus h in zu , der dem gem ein sam en P ro b lem e g ilt: W a l t e r J a e n s c h , a n g e re g t d u rch die F o rsch u n g en seines B ru d ers, g in g der F ra g e n ach , ob ein b eso n deres V e r h a lte n im W a h rn eh m en u n d E rin n ern e in k ö rp erlich es K o rr e la t h abe. E . R . J a e n s c h ste llte bei J u g e n d lich en eine re c h t versch ied en e F ä h ig k e it fest, ein soeben geseh en es O b je k t aus der E rin n eru n g b a ld m it d em Z eich en der L e ib h a ftig k e it neu zu beleb en , b a ld n ur n och s c h a tte n h a ft, v o rs te llu n g s m ä ß ig rep ro d u zieren zu kö n n en (A n sch au u n gsb ild er u n d V o rste llu n g s b ild er). U n d je n a ch d er A r t dieser E rin n eru n gs b ild er — die E in ze lh eite n kö n n en hier n ich t a u s ein a n d e rg ese tzt w erd en — lie g t eine versch ied en e K ö rp e rk o n s titu tio n zu G ru n d e : der teta n o id e , der b a sed o w oid e u n d der kretin o id e (oder m y x ö d e m a töse) T y p u s ; T . B . und K . T y p u s. A lso ein b e stim m ter B io ch e m ism u s un d z w a r ein V e rh a lte n der T h y re o id s to ffe r ze u g u n g soll h ier die G ru n d la g e der.