Sonnabend; 17. Februar. JW Ti.
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Die Verfassung
Wochenhlan siir
das Wolle-.,
t·dnSonnabend. Preis vierteljährlichbeiallenPreuß. Postanstalten 472 Sgr., beidenaußetpreui
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Ichåtgr.,leiiieBerlin beiallenZeitungs-Spediteureuincl.
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Sks Jnscrate
Wieviel Steuern werden unsereKinder zahlenmüssen?
Beidemriesenhaften AnwachsenunseresBudgetsist
eswohlan derZeit,aucheinmal an dieZukunftzu denkenund zusehen;was wohlunsere Nachkommen einstanSteuern werden aufbringen,müssen,wenn die FinanzverwaltungunseresStaates nichtunikehrtszdem früherenSystem. Eine solcheBetrachtungwird viel Zahlenenthalten,und Zahlen sind,daswissen»wir wohl, für-manchenLesersehr uninterefsant,aberZahlen beweisen auch,unddieLehren, welcheman aus solchen- Zahlen ieht,lassenichdurchkeineSophiftik fortdispu- tireu. eßhalbmüenwir unsere Lesern bitten, uns heuteinmalmiteinigerAufmerksamkeit»durcheineReehe
von Zahlen,vondenen wirsowenigwie möglichansah-
keu wollen,zufolgen,das Resultat derBetrachtungen wird ihnenzeigen,daßinihnendieernsteLehreent- halten ist,innezuhaltenaufderBahnderfortwahrend
steigendenAusgaben »
VekgkekchmwirzUIIächst,Um einen Ausgangspunkt zuhaben,dasBudgetvom Jahre1849 mit den Vor- anschlagdesBudgets für1866. Damals betrugendie Staatsausgaben941Xs Million Thaler«),fürdasJahr 1866sindsiebisauf157V4 Million veranschlagt.Das ergiebtfür18JahreeineSteigerung von 67Pro- ent, währendin derselbenZeit dieBevölkerung
gesStaates nur um 17 P·,roz.zugenommen hat.
WelchenEinfluß dieseVerschiedenheitinderSteigerung aufdieLast hat,welchedereinzelneBürgerzu tragen hat, zeigtdieVergleichungder Durchschnittssummen,.
welchevor18JahrenaufdenKopfderBevölkerung, resp.aufdieFamiliekamen und welcheheut aufden- selbenkommen. Jm Jahre1849 kamenaufdenKopf 53X4Thlr.,d.h«an dieFamilie 283X4Thlr.Staats- ausgaben,im Jahre 1866 kommen deren aufden Kopfst-«d.h.aufdieFamilie 4172 Thie.Das ergiebteineSteigerung von 4372Proz.
In) Wir gebenierdieZahlenderEinsa eitweennur inmöglichstrunden UMMEIL chh i?
"
Jn diesen wenigenZahlen habenwir dieDaten, um zuberechnen,was unsereKinderin18Jahrenan
Steuern»und»Abgabenzahlen müssen,wenn dieSteige- rung gleichmaßigweiter gehenwürde. Es würde als-
danndasBudgetabermals uin 67Proz. gestiegensein, wahrenddieZunahmederBevölkerungnur 17 Proz·
betragenwird,unddarauswürdesicheineweitere Stei- gerungderLastenderEinzelnenum4372Proz. ergeben.
WirwollendieseRechnung jetzt ausführen,aberwir werden späterzeigenmüssen,daßdasBudget,wenn möglich,nochhöhersein wird,als essichausjenen Rech- nungen ergebenwird.
Es wirddanachimJahre 1883 fürdenFall,daß die»Finanz,verwaltungganzinderbisherigen Weise fort- gefuhrt wird,dasBudget aufetwa 283379Millionen Thalerangewachsensein,währenddieBevölkerungdes preußischenStaatesalsdann 2272Millionen betragen wird. Eswurden alsoalsdann dieStaatsausgabenpro Kopfetwa»122-aThlr., d.h.proFamilie 612XaThlr.
betragen,eine gewißnicht allzukleineSumme·
AberwirhabendiePflicht unserenLesernzuzeigen, daßalsdann dieLasten, welchedieStaatsbürqerzu tra- genhaben werden, noch größerseinwerden«Wirhaben dasBudgetpro1883zu»2833-sMillionenangenommen, indem»wireine dersetztublichengleicheSteigerungvor- ausgesetzthaben.Wenn wir aber bedenken,daß sich seitJahrenimmer deutlicherdas Bedürfnißbewung stellthat, auch aufandern Gebieten als aufdem des
Militär-Etatseinebedeutende SteigerungderAusgaben eintretenzulassen,daßesmitjedem Jahre dringender wird,dieGehälter der Subalternbeamten und der Lehrerdurchgehend zu verbessern, sowie auchdenSold der»Unteroffiziereund Gemeinen
zuerhöhen,sowird man einsehen,daß dadurcheine nicht geringeSteigerungderAusgabenbedingtwird, Wirwollen hierbeiganzabsehendavon-, daßdieregel- mäßigenjährlichenAusgabenfür die,Marine wahr- scheinlichindennächstenachtzehnJahren sehrbedeutend steigenwerden,weil wir wohlmitRecht annehmenkön- nen, daßeinWachsthumdes Militär-Etatsindem Umfange,wiediesin denletztenJahren-·stattgefunden
at, nichteintretenwird,unddaß deshalbMilitär- und arme-Etat zusämnienkeinegrößereSteigerung zeigen werden, als in denvergangenen Jahren. Aber die VermehrungderAusgabenfürdieErhöhungderBe- amten-Gehalte,fürdie SolderhöhungderGemeinen
undderUnterossiziere. sowie dieAusgabenfürwissen- schaftlicheZwecke darfman »wohl,inHinblickaufdie Verhandlungenin der vorigen Session über diesen Gegenstand,auf etwa 16"bis 17 Millionen Thlr.
annehmen-) » «
Dadurch wurde sichderEtat fürdasJahr 1883 aufrund300 Millionen Thlr. erhöhen,aberwir
sindleiderdamitnoch nichtamEndeunsererRechnung Wir wissenaus denAngabenderRegierung,daß indennächstenJahren sehrbedeutende Mittel zueiner Vermehrung der Sieemacht nothwendigsind, diesel- benbelaufensichfürdienächstenzehn Jahreaußerden Ausgaben,dieaufdenlaufendenEtat gesetztwerden, auf50 Millionen Thaler. Hierzukommt dieAnlage einesKriegshafensaufRügenoder beiDanzig,den die Regierungselbstbei derErrichtungeinesKriegshafensin Kielwahrscheinlichnochfürwünschenswerthhalten,und der mit denBefestigungenetwa die Summe von 20Mill.
Thalernkostenwird. HierzukommtdieSumme von 1272Millionen,welchedieRegierungzum Baudes Nord- Ostsee-Kanalszusteuernwillundaußerdem8Millionen fürdenZweigkanal nachKieL Das sind zusammenin runder Summe 90 Millionen Thaler, die»durcheine Anleihe aufgebrachtundverzinstwerden müssen.Rech- net man, nachden augenblicklichenGeldverhältnifsen gewißnichtzuungünstig,daß dieseAnleiheohne Kapi- talsverluftmit472WojährlichenZinsenca. 1.0--"0Til- gung nntergebrachtwerden kann, soergiebtdieseine jährlicheBelastungdesBudgetsmit572 Millionen.
Wir würdenalsoimJahre1883 einBudgetvon 30572Million Thlr. habenbeieinerEinwohnerzahlvon 2272Million,d.h.eskämenauf jeden Einwohnerdes Staates jährlich15«’-«:.,auf jede Familie jährlich79Thlr.
Staatsausgaben Wirdenken,dasist eineMahnung, innezuhalten aufdembetretenen Wege.
Man wirduns einwenden, daßwirdie Bud etstei- gerungvielzuhochangenommen hätten,essei nichtzu erwarten, daßdieVermehrungindemselbenMaßefort- schreitenwerde,als diesindenletzten Jahren stattge- funden. Allerdings istdiesnichtzuerwarten, eswird ebenan derUnmöglichkeitscheitern«so hoheAusgaben aus den Einnahmenzu decken. Wir meinen aber,es sei besserdieGrundsätzederFinanzverwaltnngzuändern, so langeman esnochfreiwilligthun kann,alszuwar- tenbis dieNoth dazu zwingt. Daßaber,wenn nicht einegründlicheAenderungimSystemeintritt,unsere Annahmen fürdieSteigerung,wiesiedenjetzt geltenden Prinzipien nacheintretenmuß, nichtzuhoch gegriffen sind,daszeigteinBlick aufdievielen und großen Summen, welchewahrscheinlichschonindernächsten Zeit füralsganznothwendigbezeichneteDinge gefordert t)AlleindieSolderhöhungvontäglichlSgr.fürdieGes- nteinenmacht jährlich 272 Millionen Thaler
werden. Wir nennen danebennur dieErweiterun der Festungen,denUmbauderHäer unserer Handelstädte an derOstsee,dieAnlagevon Chausseen,dieRegu- lirungderStröme u.s. f. Das sindallesAusgaben, welchegroßeSummen inAnspruchnehmen,und wir wissen nicht,wieman sieausdenlaufendenEinnahmen decken will wenn man nichtdieAusgabenfür das Militår ganz wesentlich vermindert und gleichzeitig durchVerringerungdesstehendenHeeresdieSteuer- kraftdesLandes erhöht.
Politische Wochenschan.
Preußen.Das Abgeordnetenhaus hatinderver- gangenenWochemehrere Sitzungen gehalten.JnderSitzung
am8.d. M. legtederHandelsministereinenGesetzentwurf, betreffenddieAusdehnung des Verkehrs der preu- ßischenBank aufnichtpreußische, deutsche Plätze, welchersichvondemim Vorjahre verworfenennur dadurch unterscheidet,daß dieTheilnahmeder Aktionärebeider Bank nin 5Millionen Thlr.erweitert, derReservefondsaberauf 30 Proc.beschränktwerden»soll.— Die Vorlage gehtan dieum 7Mitgliederzuverstarkende Handel-Kommission
Es folgt daraufdieJnterpellationdesAbg. Wachs- muth, betreffenddenErlaß voneinigen Verordnungenans Grund des Art.63derVerfassungDerKriegsminister beantwortet dieJuterpellation, indemerdenNothstandals durchinternationale Verpflichtungen erzeugt, hinstellt,und diebaldige VorlagederVerordnungen versprach.
Auf dieJnterpellation desAbg.v.Bonin wegen Vor- legnng eines Gesetzentwurfes, betreffend dieNatural- leistun en für die bewaffnete Macht währenddes Friedenstandesund derenVergütungantwortete derKriegs- minifter, daßdieRegierungdasDiinglichederAngelegen- heit erkenne, doch seizu denVorarbeiten so viel Zeit erfor- derlich, daßderenBeendigung nochvorSchluß dieserSesston zweifelhaft sei.
DenSchlußderSitzungbildete dieBerathungüber eine Petitiondes Berliner Arbeitervereins um Erlaß eines neuen, den AnforderungenderGegenwart entsprechendenundallen Staatsbürgern gleiche Rechte gewährendenPaßgesetzes.
Dag HausÜbetWies die Petition demMinisteriumzurBe-
rücksichtigung- .
Jn denbeiden Sitzungen, welchedasAbgeordnetenhaus
am9.nnd10d.M.hielt, beschäftigteessichmitdein An- trag desAbg.HoverbeckundGenossen, welchereinenPro- testgegendenPlenarbeschlußdesObertribunals überdie AuslegungdesArtikel84derVerfassung ausspricht.·Der Raum unseresBlattes gestattetnns leidernicht-»Nka sp interessantenVerhandlungeninihrer ganzen»Austhrlichkeit zugeben,undda wirfürchtenmüssen,·denEmdkllck,welchen sie machen, durcheinezugroßeVerstnmmelungdesBerichts abzuschwächen,sobegnügenwiruns hierdamit,nurdasRe- sultat,dieAnnahmedesAntragesFMt263gegen Stim-
men,mitzntheilen,besprechenaberdieseAngelegenheitm»em»em besonderenArtikel unseresBlattes nocheinmal ansfuhkllch Die Verhandlungen selbstwerden dem gesamintenVolke durcheinesehrbilligeAMICI-ederselbenzugängllchgemacht werden,undhoffentktchfindenne dieallgemeinsteVerbreitung
Jn der Sitz-Unsam 13.d.M. legteder Handels- miuistek zwei Gesetz-Entwürfevor. Dererste betrifftdie Aufhebung der §§181,182 und 183derGewerbe- Ordnuiig«- derzweitedieAufhebung des GanP- geldes. BeideGesetzentwiirsewerdeneinerbesonderenKom- missionzurBerathungüberwiesen«
Das Haus«nahmdaraufeinenAntra auf Einstellung desgerichtlichenVerfahrensgegendenA g- Duncket an.
Nur dieKonservativenstimmten dagegen.Esfolgte darauf dieVerathungüber denAntragdesAbg.Jung- betreffend das MnisterlalreskriptüberdieWiederentziehungdes bereits ertheiltenBerechtiguugsscheines zum einjäh- rigsfreiwilligen Dienste. ReferentS»t·a»venhagen beleuchteteausführlichdie- Art,»WledleMIlltsWUshebUUg
vor sich geht,und wie
nothwendigderErlaßeinesRekru-
tirungsgesetzeg sei· Er»empfteh»tdem Hause folgenden Antrag:»DasHausmogeerklarem .Dasam 11.Juni erlasseneResteiptdesMinisters desKriegesunddesInnern, wonachdenoberenProvinzial-Behördendas Rechteingerauint wird, solchen Militärpflichtigen,diebereiss«im Besitzedes BerechtigungsscheinszumeinjährigenMilitardienstesind,letz-
teren wiederum zuentziehen,enthalt Bestimmungen,dienur auf demWegederGizsetzgebungfestgestellkwerden konnten, undist deshalb unverbindlich.«— NachlangererDiskussion wird beschlossen,denAntrag nochmalsan dieKommis-
sion zuverweisen. ·
-Der Kriegsminister überreichtdaraufdieunter dem 6.Januar fürdasJadegebiåtsoktroyirtenGesetze zurnach- trä lienveraunsmä ien utimmung·.»« »
gDcliisHausfbfischiiftigtksichdarauf nochmiteinigenPetitionen.
Das Herrenhaus hieltam 8.d.Mis. eineSitzung-
m eine Aenderun in der Geschäftsokdnung·be-
Zchcibhsseenworden, über-reichtederHandelsminister einen GesetzentwurßbetreffenddieErwerbs- undwirthschaft- lichenGenossenschaften, von denen bereitsetwa400 mitzahlreichenMitgliedern bestehen,aberohne daß siedas Recht hätten,GeschäftealsVereinzumachen,dasieweder in dieKategorieder Aktiengesellschaften,nochder stillen Genossenschaften fielen. Das bezweckt, nachdenAusfüh- rungen desMinisters, derGesetzentwurf,durchdenauch zugleichbezwecktwerde, möglichenMißbrauchzuhindern.
AußerdemlegteereinenGesetz-Entwurfvor,welchereinTheil derimvorigen Jahre berathenen Wege-Ordnungist.
Von denKommissionsberathungender vorigen Woche sind besonders die derBudget-Kommission zubeachten.
Jn einer derselbenverlas derArg. Virchow den ersten Theilseines Vorberichts, dereinehistorischeDarstellung derEntwickelungderLagedesVudgetsmitRücksicht»auf dieEntstehungdesVerfassungskonfliktsenthält.DieAntrage, welcheindiesemVorberichtgestelltwerden, stehenin enger Ver- bindungmit den imvorigenJahre beschlossenenResolutionenbei Gelegenheitder Debatteüber denGeneralberichtderBudgetkomis- sion.JnBeziehungauf dieversaffungsmaßigeBudgetbehandlung wirddiePflichtderStaatsregierungzur rechtzeitigenVorle- gung desEtatsgesetzcssdleVetuutwpttllchkeitderStaatsre-
ieruiig fürdasZustandekommeneines Etatsgesetzesüber-
haupt,unddiecivilrechtliche,aus Att« 104,unddiestraf- rechtliche,ausArt.61derVerf. sich ergebendeVerantwort- lichkeitderMinisterbeieinerVerwaltungohneEtatsgesetz betont.— JnBezug aufdenAntheil,den die Faktorender
esetzgebendenGewalt an derFeststellung«desEtatsgesetzes
gaben,wirdnamentlichdiePflichtderRegierung konstatitt- MitdemAbgeordnetenhausedenEtatsentwuifzu vereinbaren UndseineAUUAhMFimHerrenhausezuvertreten. Fürden Fall- daßdieVekembakUUgmitdemAbgeordnetenhausenicht zU Stande komme,habedieRegierungentwederdenEtats- entwurfzurückzuziehenundumzuarbeiten,oder dieAuflösung undNeuwahldesAbgeorduekeuhauses,odereineAenderung imMinisteriumzuveranlassen. Gegenüberderin voriger Sessionvom Finanzmiiiister aufgestelltenVudgettheorie,wird derRegierungdiePflichtzugesprochen,einvon beidenHäu-
seriidesLandtagesangenommenesBudgetgefeßdemKönige zur Vollziehungvorzulegenund beiihmu vertreten. —
Schließli«werdendieimvorigen JahrebeschlossenenReso- lutionen imWesentlichenwiederholt. "
Der Abg.Twesten hateinen ausführlichmotivirten Antrag aufVerwerfnng des Budgets gestellt.
DieErklärungdes
Abgeordneteiihausesvom
10.Ferunr. ,
BekanntlichhatderhöchsteGerichtshofdesLandes,hat dasKöniglicheObertribunal am29.Januar d. J. dein Ar- tikel84derVerfassundieneueAuslegunggegeben,daßdie AbgeordnetenwegenilsrerReden imAbgeordnetenhaufeauch von denGerichtendesLandeszurRechenschaftezogenund demnächstzuGeld-undGefängnißstrafeverurtheiltwerden
können. Dieser Artikel lautetwörtlich-
»Sie (die MitgliederdesAbgeordneten-unddesHerren- hauses)könnenfiirihre Abstimmungen inderKam- mer niemals, fürihredarin ausgesprochenen Meinungen nur-innerhalb der Kammer auf denGrund derGeschäftsordnung(Art. 78)zur Re- chenschaftgezogen werden.
Bisherhattekein einziger GerichtshofdesLandes diesenArtikelanders verstanden,alswirihnheute nochver- stehen. JaimJahre1853 undnochimJahre1865hatte das Obertribunal selbstentschieden,daßkeinAbge- ordneter wegenseinerindeinAbgeordnetenhausegehaltenen Redenvon denGerichtenzurUntersuchunggezoenwerden dürfe.DieselbeUeberzeugunghattedashöchstkonservative AbgeordnetenhausdesJahres1857,dieselbehattederjetzige Justizininist er undmitihmdas ganzejetzigeStaats- ministerium noch imJahre1863ineinemSchreibenan dasAbgeordnetenhaus klarunddeutlichausgesprochen.Aber derJustizminister Graf zur Lippe hatzweiJahre späterdieentlgegengesetzteMeinun geltendmachenlasen, dennerhatim vorigenJahredenStaatsanwältenausge-
tragen, gegendie beiden Abgeordneten Twesten und FrentzeleineAnklagewegen ihrer iuiAbgeordneten- hause gehalten-enReden bei dein Berliner Stadtgericht zuerheben.Ja,im weiteren Verfolge dieserAnklaenhat sogar,wiewir schonerwähnt,derhöchsteGerichtshofdes
Landes seine frühere Meinung geändert und an ihrer Stelle diejenige Meinungangenommen, welchedie Staats- anwaltschaftinAusführungdesministeriellenAuftragesaus- gesprochenhat.
Wir wollen hiervnicht untersuchen,inwelchen Fällen undaus«welchenGründenverständigeundredliche Männer ihreMeinungenändern können undauchwohl nachge- wissenhafterUeberlegungändern müssen. Wirwollenauch nichterörtern,wie eineBehördezu einersolchen Meinungs- anderung dadurchkommenkann, daßsie ganzodertheilweise ausandernPersonen zusammengesetzttWlkdialsausBellen siefrüherbestand.Wirstellennur fest,daß diejenigeMei- nungsveränderung,vonderwir»jetztsprechen,beiverhältniß- mäßignur wenigen PersonenimLandestatt gefunden hat.
Dieungeheure Mehrzahlderdenkendeii Männer imVolke Ift noch heutederUeberzeugung,daßder Artikel 84der Verfassung esden Gerichten desLandes gerade- zuverbietet, einen Abgeordneten wegen seiner im Abgeordnetenhause gehaltenen Reden in irgend einer Form und aus irgend einem Grunde zur- RechenschaftzUZiehen-
Wir hattendiesenGegenstand schonimvorigenJahre indiesenBlätternzweiMalbesprochen,zuerstindem Artikel
»Dasfreie Wort tinAbgeordneteiihause« vom 2,
Juni,.,nnd·darinindeinArtikel ,die Bedrohung der freienRed e«imAbgeordnetenhausetvom 16.-Sep- tember1865. Alsaber dieletzte·Entscheidungdes Ober- tribunals im ganzenLande diegrößte Aufregungund die tiefste Besorgnißhervorrief,damußtenwirnothwendig auf denselben Gegenstandwieder zuruckkonimemWir brachten
daherinderersten AuflageuneresBlattes vom 3.Februar einendritten ArtikelmitderUeberschrift:»Ein Angrin aufdieUnverletzlichkeit derAbgeordneten·«. Wir le tenindemselbennocheinmal dieJRechtsüberzeugungdar, wie sieim Volkelebendigist.Wir haben nichts gesagt, alswas unserePflichtwar, undnichts,was,nach unserer Ueberzeugung,dieGesetzedesLandes zusagenverbieten.
Gleichwohl hatdiePolizeiesfür nothwendig gehalten, unser gedrucktesWortnichtvor dieAugen unserer Leserkom- men zulassen.Sie hatdas Blatt mitBeschlag belegt.
Dochdas,waswirinjenemArtikelgeschriebenhaben, ist sehrvielausführlicherunddabeivielbesser,vielschärferund viel eindringlichervon unserenfreisinnigen Abgeordneten in, den Tagendes9.und10.Februar gesagtworden. Jhre Worte sind schon durchdasganzeLandgedrungenundNie- mand, wederFreundnochFeind, kann undwirddiesenWor- tensein Ohr verschließen.
Schondarum hättenwirnicht nöthig,dieGründe zu widerlegen,welchedieangeblich ,,konservativen«Redner des AbgeordnetenhausesgegendassonnenklareRechtdesLandes vorebrachthaben.AberdieseGründe sindauchansichselbst
xoschwach,enkenden Menschendaß siegardennichtgerin stenim StandeEindrucksind.auf einenzu machen.ruhig NureineneinzigenEinwand wotenwiretwasnäher beleuch- ten. EsistderEinwand, dendieMinister selbsthervor- gehobenhaben, aber,wohlgemerkt,nichtum zubeweisen, daßdasObertribunal rechtentschiedenhabe, sondernnur, umdenAbgeordnetendarzuthun,daß sie nichtdasRecht hätten, einen Beschluß desObertribunals ihrer Beurtheilung zuunter iehenund denselben für
»rechtsungültig« zuerk ären.
Am10.Februarhat nämlichdasganze Abgeordneten- hausmit alleiniger Ausnahme derFeudalen und einiger Ultramontanen, mit derüberwältigendenMajo- rität von 263 gegen nur 35 Stimmen diein unserer vorigenNummer mitgetheilte Erklärungangenommen.
GegendieseErklärung habennun dieMinisterimLaufe der Debatte denEinwand erhoben, daß siegegendenAb- schnittdesArtikels 86derVerfassung verstoße,welcheralso lautet:
»dierichterlicheGewaltwird imNamen desKönigs durch unabhangige, keiner andern Autorität als derbdesGesetzes unterworfene, Gerichte aus-
eüt.« ,
Auchwirhaben diesenArtikelim
vorågenJahreinun-
seremBlatte vom 15.Juli besprochen. irhabendamals daraufhingewiesen,daßineinemLandenur dannRechtund Gerechtigkeit ohne AnsehenderPers-Mgeübt werden kann, wenn denRichter-nniemand befehlendarf,wiesieinStraf- undandern Prozessenurtheilen dürfen.Wir fügten
hinzu,
daßder Artikel86aberno mehrfordere,als»nur dies. Fr sordere nämlich,daßdie Riterauchinihreraußeren Stel- lun niemals abhängigsein sollenvonderGunstoder Un-
gun derRegierungundderzeitweiligim Lande errschendeii Partei. Denn,sagten wir, wenn sieindieserAbhangigkeit sich besinden,dann kannesleichtschwacheGemniherunter ihnen geben, welcheden MachtigenzuGefallendasRecht
beugen. Ein Richter-aber, derschcii soweitgesunken ist, daßer;jedesMalso urtheilt,wiedieherrschendePartei- ansichtesvon ihm verlangt,derbrauchtnur noch einen Schrittweiterzuthun,underistebenso gutmitGeldzii bestechen,wie
sovieleRichterindenLändern,derenBe-
wohner nochan einerniedrigen Kulturstufe stehen-«
Jndeßvon dieserSeite habendieMinisterbeidenVer- handlungenüberden Obertribunals-Beschlußdie Sache nicht angesehen.Sie sagtennur, was an sich auchganz richtig·ist, daßdieUnabhängigkeitderGerichtshöfeesmit sich bringe, daßkeineandereBehörde, daß selbstderKönig nicht,unddaß natürlich auchdasAbgeordnetenhausnicht das Mindestean einemrichterlichenBeschlusseändern oder den- selben garaufhebenkönne«Denn, sagen sie,dieGerichte sindja nachArt.84keiner andern Autorität als der desGesetzes unterworfen.
Ganz gewiß!AberdieGerichte müssen»der Autorität des Gesetzes«sich auch wirklich ,unterwerfen.«DenGe- richtenschreibtdasGesetzebenso gutwiejederandernBe- hordevor, inwelchenDingen siezuentscheidenhaben,und in welchennicht« EntscheideteineBehördeüberDine, überwelezuentscheidensiegesetzlichbefugt ist,dann hgai
kein Menchundkeine andreBehördedasRecht, ihrdarein
Mreden. Bestimmtzum Beispielinletzter Instanzder inisterdesInnern, daßdieWochenmärktein Berlinoder inKöln oderinKönigsbergam DienstagundamFreitag abgehaltenwerdensollen, sokanndasAbgeordnetenhausdiese Bestimmung, auchwenn sie noch so unzweckmäßigsein sollte, nicht für»rechtsungültig«erklären.
Wollte der Ministerdaegenüber eineSchuldklageent- scheiden,sowäreeine foleEntscheidunganundfür sich
»rechtsungültig«unddas Abgeordnetenhaus,dem dieKon- trole über die gesanimte Staatsverwaltung zu- steht, wäre wohl berechtigt,diese-,,Rechtsnngültigkeit«durch eineErklärun·zubestätigen. Ebenso rechtsungültigwäre aber auchaus;der andern Seite einBeschlußdesOber- Tribunals, derdieWo enmärktefeststellen wollte,weildas Ober-Tribunal eben ni tdieBefugniß hat, Marktpolizeizu üben. Ebensowenig hat(umvon demKleinsten sofort auf dasGrößtezukommen)das Ober-Tribunal oderirgendein GerichtshofinderWelt,dasRecht,denKönigwegenseiner Handlungenzur Verantwortungzuziehen,dennArtikel43 derVerfasunglautet: »die Person desKönigs istun- verletzli .«Thäte,was freilich garnichtdenkbar ist,dasOber-Tribunal esdennoch,nun,sowürden die Mi- nister selbstkeinenAnstandnehmen, diesen Beschlußfür
»rechtsungültig«zuerklären, eben weil derGerichtshofdie ihm durchdasGesetzgezogenenGrenzen nicht innegehalten hätte.Ja, dieMinisterwürdensichmit einersolchen»Er- klärung«nicht begnügen; siewürden vieluiehr,dekStaats- anwaltschaftsofortdenAuftrag ertheilen,dleRkchkeksWelche einen solchen Beschluß efaßt hätten,·entwederwegenUn- fähigkeit zuihrem Zimtezug-Dlsztplmaruntersuchung, oder wegen einervorsätzlichVerubten Ungerechtigkeixs
wenn nichtgarwegenversuchtenHochverrathes, zur Kri- minaluntersuchungzustehen«
UndderArtikel84»derVerfassungistmitdemselbenEide beschworen,wiederArtikel 43.
Briefkaften.
HerrnRedakteur F.in U. Wir dankenfürdieNach- richt.Wenn wirJhnen Bescheid geben sollen, müssenSie unsdenArtikelgenauerangeben.
DrucknndVerlagvonFranz Dnncker inBerlin — VermitwortlicherRedakteurundherausgebmDi-.G.Lewinstetn inBerlin