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Die Aufstände in Deutsch-Ostafrika 1888 und 1906, der Hererokrieg in Deutsch-Südwestafrika I904-I90Ó

Das große Anklagekapitel gegen die deutsche Kolonialpolitik

Der einzige größere Kolonialkrieg, den wir seit dem Besitze unserer Schutzgebiete geführt haben, war der Herero- und Hottentottenkrieg in Deutsch - Südwestafrika in den Jahren 1904—1906. Der Aufstand in Deutsch-Ost 1888 kann kaum als Krieg in eigentlichem Sinne gerechnet werden, noch weniger der von 1906. Die Deutsch-Ostafrikanische Gesell­

schaft hatte die Verwaltung der Küste und der Zolleinnahmen vom Sultan von Sansibar übernommen, was in stärkster Weise in das Handelsleben der an der Küste ansässigen Araber eingriff. Deren Haupterwerb war nämlich der Sklavenraub und Sklavenhandel, der nun rücksichtslos unterdrückt wurde. Nicht wenig trug dazu die Tätigkeit des französischen Kardinals Lavigerie bei, der einen internationalen Kreuzzug gegen den Sklavenhandel predigte. Wohl gab es Übergriffe und Mißgriffe der Beamten der Gesell­

schaft, die als Agitationsmaterial von den Arabern benutzt wurden. Aber der Hauptgrund des Aufstandes lag in der Unterbindung des Sklaven­

handels. Der Aufstand griff auch nicht auf die acht Millionen von Negern im Innern über. Er beschränkte sich auf die Küstengebiete, wo die arabischen Sklavenhändler ihren Sitz und ihr Einflußgebiet hatten und auf die Stämme, die Profit und Vorteil aus dem Sklavenhandel zogen. Unter den beiden Araberführern Buschiri und Bana Heri brach der Aufstand aus. Daß er nicht nur gegen die deutsche Schutzherrschaft als solche gerichtet war, sondern gegen eine eindringende Zivilisation, die dem Wesen nach der Sklaverei entgegentrat, bewies die Ermordung von drei Missionaren in Pugu bei Daressalam, die vergebens auf ihre Beliebtheit unter den Ein­

geborenen vertraut hatten. Ebenso wurde der englische Missionar Brooks (1889) ermordet. Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft war fast ganz auf die Hilfstruppen des Sultans von Sansibar angewiesen. Aber nur der kleinste Teü derselben griff auf seifen der Deutschen ein, während die andern zu den Aufständigen übertraten. Vom Reich wurde jetzt der be­

Das große Anklagekapitel gegen die deutsche Kolonialpolitik 151 rühmte Afrikaforscher Hermann von Wißmann als Reichskommissar von Deutsch-Ost bestellt. Er warb 650 Sudanesen und 350 Zuluneger an, die mit 100 Askaris und 200 deutschen Offizieren und Mannschaften die ganze

„Kriegsmacht“ bildeten. Zu diesen kamen im Laufe der Zeit noch ungefähr 600 angeworbene Neger. Mit dieser geringen Truppenmacht wurde der Aufstand niedergeworfen, und dies in einem Gebiet, das von Millionen von sehr kriegstüchtigen Negern bewohnt war. Hätte der Aufstand auf diese Massen übergegriffen, so wären statt der 200 Deutschen einige Divisionen erforderlich gewesen. Ein zweiter Auf stand brach 1905 in Deutsch-Ostafrika unter den Matumbi im Gebiete von Kilwa an der Küste aus, wo der kleine Militärposten Liwale erobert wurde. Hier in der Nähe war es, wo der deutsche Bischof Kassian Spieß mit zwei Missionsschwestern und zwei Laienbrüdern von einer Bande grausam niedergemetzelt wurde, als er im Vertrauen auf seine friedliche Sendung auf dem Wege ins Innere war. Ein kleines in Baumrinde gehauenes Kreuz verewigt noch heute die Erinnerung an den Tod der Friedensboten. Auf größeres Gebiet griff der Aufstand, der nach wenigen Monaten beigelegt wurde, nicht über.

Mehr noch als der Aufstand in Deutsch-Ost wurde uns der Herero- und Hottentottenaufstand in Deutsch - Südwestafrika zum Vorwurf gemacht.

Wir können ruhig zugeben, daß wir selbst Mitschuld hatten an dem Aus­

bruch desselben unter dem herrischen, selbstbewußten und freiheitslieben­

den Volke der Herero, die sich als die eigentlichen Besitzer des Landes be­

trachteten, das sie in grausamen Vernichtungskämpfen mit den eingesessenen Stämmen und dem kräftigen Eroberervolk der Hottentotten an sich ge­

bracht hatten. Die Zahl der Herero, Hottentotten und der anderen Stämme betrug ungefähr 200 000.

Die Ursachen des Aufstandes, wegen deren unserer Regierung ohne eine objektive Überprüfung und Kritik im Reichstage die schlimmsten Vorwürfe gemacht wurden, wodurch wir dem Ausland das größte Anklagematerial gegen unsere Kolonialpolitik selbst geliefert haben, erwähnt der gründliche Kenner unserer Schutzgebiete, Professor Hans Meyer, in seinem zwei­

bändigen Werke „Das deutsche Kolonialbuch“. Einmal war es die Ver­

letzung heiliger Bräuche, so des heiligen Feuers, des „Okuruo“ und des Zauberstabes des „Otjia“.

Hans Meyer schreibt: „Wehe dem Weißen, der ahnungslos die Hand nach diesem Otjia ausgestreckt oder an der Glut des Okuruofeuers seine Pfeife sich angezündet hätte! Und doch gibt es noch viele, die in diesen Vor­

stellungen eines Naturvolkes nur Schnurrpfeifereien sehen, die nicht ahnen,

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wie wichtig für den Kolonisator die Kenntnis auch uns absurd erscheinen­

der Einrichtungen und Bräuche des Volkes ist, dessen Vertrauen er sich vor allem sichern muß, um friedlich festen Fuß fassen zu können, um sich später nicht die beste Kraft zu verscherzen, auf die er bei seiner Arbeit an­

gewiesen ist. Hätte man die Ahnenverehrung der Herero gekannt und gewürdigt, man hätte ihr nicht mit dem Abholzen eines heiligen Haines und mit der Anlage einer Baumschule auf dieser unnahbaren Grabstätte Kat- jamuahas auf Okahandja ins Gesicht geschlagen, hätte sich erinnert, daß es ausdrücklich im Schutzvertrage gerade mit Maharero hieß: ,Die deutschen Staatsangehörigen und Schutzgenossen sollen in dem dem Maharero ge­

hörigen Gebiet die bestehenden Sitten und Gebräuche respektieren.' Nicht böser Wille, sondern beschränkte Geringschätzung fremder Eigenart, mit dem Wohlgefühl unserer kulturellen Übermacht gepaart, hat uns die elementare Gewalt eines Naturvolkes, das um seine Freiheit von jeher eifer­

süchtig besorgt war, völlig im unklaren gewiegt, bis die Katastrophe von 1904 uns weckte.“

Aber der Hauptgrund des Aufstandes war die Zurückdrängung der Herero von den guten Weidegründen, auf denen ihre riesigen Rinderherden grasten.

Darüber schreibt Hans Meyer:

„Doch es wäre falsch, in den Übergriffen einzelner gewissenloser Weißer eine solche Bedrohung des eingeborenen Wirtschaftslebens zu sehen, daß das Volk hätte zu den Waffen greifen müssen. Eine viel tief ergreif ende allgemeine Schädigung ihrer Wirtschaft sahen die Herero in der Verletzung ihrer Eigentumsrechte an das Land, d. h. ihres Besitzrechts an Weide und Wasser. Das Land ist nach Hererorecht Eigentum des gesamten Volkes, jedermann zur Nutznießung der Weide und des Wassers freigegeben; nur wo durch eigene Arbeit ein Stück Landes für Gartenbau urbar gemacht, oder wo Wasser erschlossen wird, sondert sich die Nutznießung als Vorrecht eines einzelnen ab. Aber über die Nutznießung hinaus läßt sich kein Recht an irgendeinem Stück Land erwerben; sobald es verlassen wird, fällt es der Allgemeinheit zurück, es ist samt allem, was darauf gebaut wurde, unver­

käuflich. Selbst Missionare, alsWohltäier des Volkes willkommen geheißen, konnten Landeigentum nicht erwerben; und die es redlich nach europä­

ischen Begriffen auf dem Wege des Kaufes durchzusetzen suchten, wurden als verdächtig des Landes verwiesen. Zu Lehen, nicht als Eigentum, trat Maharero uns Land ab. Nur unsere Unkenntnis des Hererorechtes, dann die unbeholfene Einsicht, daß auf seiner Grundlage sich nicht kolonisieren ließe, hatte zur Folge, daß von dem Zustandekommen des grundlegenden

Anlegeplatz der Woermann-Linie in Daressalam, das 1912 einen Handelsumsatz von 35 Millionen Mark hatte

Beim Diamantenwaschen in Deutsch-Südwest

Englisdie und indisdic Offiziere

Reidier Herero als Viehhändler

Das große Anklagekapitel gegen die deutsche Kolonialpolitik 153 Schutz- und Freundschaftsvertrages vom 21. Oktober 1885 ab bis in die ernsteste Konfliktszeit jede uns geläufige Eigentumserwerbung von Grund und Boden durch einen Weißen dem, Herero als Rechtsbruch erscheinen mußte. Wir hielten an diesem bewußten oder unbewußten Mißverständnis um so fester, als der berüchtigte, von uns dem Volke widerrechtlich auf- gezwungene Häuptling Samuel diese Rechtsbrüche seinerseits durch immer weiter ausgedehnte Landverkäufe sanktionierte, obwohl er genau wußte, in welchem krassen Gegensatz er sich hier, um seinen Geldbeutel zu füllen, zu den Anschauungen des Volkes stellte.“

Ein gut Teil der Schuld ist auf das Konto von Gesellschaften zu setzen, die aus dem Landerwerb und Landbesitz Spekulationsgeschäfte machten, auch zum Schaden der deutschen Ansiedler und Farmer daselbst.

Der Aufstand brach überraschend schnell aus, zu einer Zeit, wo das Hereroland fast gänzlich von den wenigen Schutztruppen entblößt war, die in dem Gebiete der Bondelzwarts-Hottentotten zur Beilegung von Unruhen weilten. Der Aufstand begann mit einem Massaker, in dem von den 5000 Weißen 43 Farmer, 37 Kaufleute, 7 Buren, 8 Handwerker, 10 Beamte, 13 Schutztruppen-Soldaten und 5 Frauen ermordet wurden (1904). Darauf­

hin wurde in Berlin die Entsendung einer Expeditionsabteilung nach Süd­

west beschlossen. Es kamen ungefähr 1000 Mann in Frage. Die Hereros, die ausgezeichnet bewaffnet waren, richteten sich zu einem Buschkrieg ver­

zweifeltster Art ein. Sie hatten bis dahin in großer politischer Selbständigkeit gelebt, die ihnen jetzt zum Vorteil, aber auch zum Verderben ward. Die Deutschen ahnten zum ersten Male, was es heißt, einen Kolonialkrieg zu führen. Ausrüstung, Transport und Verpflegung in dem ungeheuren Lande, sowie der Nachschub in das wasserarme Wüstengebiet der Kalahari und der Namib erforderten ungeheure Anstrengungen von den Truppen und schwere Gelder aus der Heimat. Die Strapazen der an das Tropenklima nicht gewöhnten Truppen waren unsagbar schwer. Zuletzt standen in Süd­

west über 10 000 Mann. Die Hereros wurden am 11. August 1904 am Water­

berg entscheidend geschlagen und in die wasserlose Namib gedrängt, wo sie sich endlich ergaben. Durch die Bemühungen der evangelischen Missionare hatten sich über 10000 Hereros freiwillig unterworfen. Während der Hereroauf stand am Verebben war, brach der Auf stand unter den halb­

zivilisierten Hottentottenstämmen aus, die zuerst auf unserer Seite gestan­

den hatten. Im Dezember 1906 wurde mit ihnen der Friede zu Ukamas geschlossen. Von den Hereros lebten nach dem Kriege ungefähr noch 20—30 000. Die in Kamerun angesiedelten Hottentotten wurden 1913

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wieder in ihre Heimat überführt, weil sie das Klima in Kamerun nicht er­

tragen konnten. Die Deutschen hatten an Gefallenen und dem Tropen­

klima Erlegenen 1400—1500 Mann. Die Kriegskosten betrugen über 300 Millionen Mark.

Während des Hererokrieges wurde uns der Vorwurf einer grausamen und barbarischen Kriegsführung gemacht und daraus der Schluß unserer Unfähigkeit und Unwürdigkeit gezogen, Kolonialländer zu besitzen und zu verwalten. Ein Abgeordneter verstieg sich sogar zu dem Ausspruche: „Ist ganz Südwestafrika ein blühendes deutsches Menschenleben wert?“ Beson­

ders die Kriegsführung des Oberkommandierenden in Südwest wurde heftig angegriffen. Daß er einen Befehl herausgegeben, keine Gefangenen unter den Hereros zu machen, war sicher nicht human. Und die Preise auf die Köpfe des Hottentottenführers Hendrik Witboy und seiner Unterführer erinnerten an längst veraltete und überwundene Kriegsmethoden. Gewiß ist es zu bedauern, daß es überhaupt zu dem Hererokrieg gekommen ist, der auf beiden Seiten so schwere Opfer gekostet hat. Mehr noch ist es zu be­

dauern, daß auch von unserer Seite Veranlassung zum Auf stand gegeben wurde. Am allermeisten zu bedauern ist jedoch die Grausamkeit, womit der Krieg wie jeder Krieg geführt wurde. Aber alle Schuld allein den Deutschen zuzuschreiben, geht über jedes verständige Maß hinaus. Als der Aufstand durch die Niedermetzelung wehrloser Männer und Frauen von Seiten der Herero hervorgerufen war, da ging es einfach um Sein oder Nichtsein. Das Leben von Tausenden stand auf dem Spiel. Wenn der Engländer Clive seinen Krieg gegen den Nawab von Bengal vor dem englischen Parlament damit verteidigte, daß das Leben von zwei Engländern auf dem Spiele stand, die zudem Agenten einer Verschwörung gegen den rechtmäßigen Herrscher waren, denen übrigens kein Haar gekrümmt worden war, durften dann die Deutschen das Leben von Tausenden nicht verteidigen?

Zudem hätten die Hereros auf legalem Wege ihr Recht suchen können.

In den Missionaren, die immer furchtlos für die Rechte der Eingeborenen eintraten, hätten sie erfahrene Anwälte gefunden, und im Reichstag zu Berlin wären ihnen beredte Verteidiger entstanden. Die Verhandlungen in Berlin haben es bewiesen, daß dieser Weg nicht aussichtslos geblieben wäre.

Die letzten Jahre vor dem Kriege haben es ebenfalls dargetan, daß die Hereros sich ganz gut auf friedlichem und legalem Wege mit den Deutschen verständigen konnten, nicht zu ihrem Schaden. Im Kriege haben sie sich, man könnte es fast ein Wunder nennen, durchaus loyal gegen die Deut­

schen verhalten. Wenn der Krieg 1904—1906 so unerbittlich geführt wurde,

Das große Anklagekapitel gegen die deutsche Kolonialpolitik 155 war es nicht die Schuld der Deutschen. Die Stämme der Neger stören sich nicht an humane und moderne Kriegsübereinkommen.

Die Herero waren von jeher in ihrer Kriegsführung barbarisch und grau­

sam, wie es die Hottentotten und die andern Stämme stets erfahren mußten.

Wessen sich die Deutschen zu versehen hatten, das zeigt eine Tatsache, die Hans Meyer berichtet:

„Man kann sich bei der abgöttischen Liebe des Herero zu seinen Rindern den glühenden Haß vorstellen, der die Herero gegen die viehraubenden Hottentotten erfüllte; er riß sie zu bestialischen Grausamkeiten hin. Ein Herero, der den Zug gegen Hendrik Witboi auf Hoornkranz mitgemacht hatte, berichtete kaltblütig: ,Auf dem Rückweg fanden wir noch einige Hottentotten, die wir natürlich töteten. Bei einem habe ich geholfen. Wir schnitten ihm erst die Ohren ab und sagten: ,Du sollst keine Damara- Ochsen mehr brüllen hören.* Dann schnitten wir ihm die Nase ab und sagten: ,Du sollst keine Damara-Ochsen mehr riechen*. Dann stachen wir ihm die Augen aus und sagten ihm: ,Du sollst keine Damara-Ochsen mehr sehen*. Darauf schnitten wir ihm die Lippen ab und sagten: ,Du sollst auch keine Damara-Ochsen mehr essen.* Zuletzt schnitten wir ihm die Kehle ab.’ “

Das war die Kampfesart, deren sich die Deutschen zu versehen hatten.

Daß der Kampf von Seiten der Soldaten aber trotzdem durchaus human geführt wurde, bezeugt uns kein Geringerer als der große Ankläger unserer Kolonialpolitik, Bebel, der im Reichstage erklärte:

„Nun ist mir und meinen Parteigenossen niemals eingefallen, den Män­

nern, die dort, das muß ich anerkennen, ihr Leben und ihre Gesundheit, wie ich meine, einem Wahn zum Opfer brachten, irgendwie zu nahe treten zu wollen. Es muß auch der größte Gegner der Kolonialpolitik anerkennen, daß diese Männer mit einer Ausdauer und Opferfreudigkeit, die geradezu bewundernswert genannt werden muß, in jenem Lande, wo alles fehlt, was irgendwie an zivilisatorische Einrichtung heranreichen kann, in solcher Weise ihr Leben in die Schanze schlagen.“

Man kann dieses Kapitel nicht gründlich genug behandeln. Aus ihm ist der Hauptbeweis gegen unsere Kolonialtätigkeit geschmiedet und in der ganzen Welt verbreitet worden. Dann muß es uns aber auch erlaubt sein, Vergleiche zu ziehen. Und diese Vergleiche beweisen schlagend, daß die­

jenigen, die uns die Fähigkeit zum Kolonisieren absprechen möchten, gar keinen Grund dazu haben, uns die Schutzgebiete zu nehmen. Denn was sie uns vorwarfen, das tun sie selbst heute noch! Denken wir einmal an den Krieg im Rifgebiet. Im Vergleich zu diesem Rifkrieg war unser Hererokrieg

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eine kleine Episode. Bei uns standen höchstens 14 000 Mann im Felde, während im Rif 300 000 Mann gegen 50 000 Kabylen kämpften, hier natür­

lich „im Namen der Zivilisation“.

Wegen der Preise, die Trotha in dem Hottentottenaufstand auf die Köpfe der Anführer setzte — für Hendrik Witboi waren es 5000 M. —, ist es sehr lehrreich, was im Jahre 1925 der Mohammedaner Amir Ali in der eng­

lischen Zeitung „The Manchester Guardian Weekly“ am 25. September schreibt. Er erinnert daran, daß die Rif-Kabylen „seit 12 Jahren oder noch länger gegen eine gewaltige Übermacht zur Verteidigung ihrer Unabhängig­

keit kämpfen und daß sie jetzt einer Armee von 200 000 Franzosen und 100 000 Spaniern mit Luftfahrzeugen gegenüberstehen, die unbarmherzig Menschen und Ernten vernichten und zugleich mit den kämpfenden Män­

nern den Frauen und Kindern gräßliche Wunden beibringen“. Dann fährt Ali fort: „Wären die Rifleute und ihre Kameraden Europäer, hätten ihre heldenhaften Anstrengungen und ihr nicht zu brechender Mut sowie ihre Entschlossenheit, für ihr Vaterland zu sterben, ohne Zweifel die Bewunde­

rung jedes Freundes von Freiheit und Unabhängigkeit in Europa hervor - gerufen. Unglücklicherweise wohnt das Volk, dessen Sache ich hier führe, in einem Winkel von Nordwestafrika; ein bergisches und ödes Land ist es, von dem man sagt, daß es Mineralreichtümer besitze. Es ist die alte, alte Geschichte! Dazu sind sie ihrem Glauben nach Mohammedaner. Natür­

licherweise erweckt ihr Schicksal in der Welt des Westens wenig oder gar kein Interesse. Einige Zeit vorher wurden wir auf gute Autorität hin infor­

miert, daß die Friedensbedingungen der Franzosen und Spanier dem Rif- Fürsten nicht mitgeteilt wurden. Alles, was die Rifleute verlangen, ist die Unabhängigkeit ihres kleinen Staates, die ihnen mit einer angemessenen Grenzberechtigung garantiert werden sollte. Bis zuletzt waren sie willig, so höre ich, die geistliche Oberhoheit des Sultans von Marokko anzuerkennen.

Aber eine Botschaft von Melilla, die von Paris nach London telegraphiert wurde, stellt fest, daß der Sultan eine halbe Million Franken auf den Kopf des Rifführers, lebend oder tot, gesetzt habe. Wenn solch ein Preis aus­

gesetzt wurde, ist es unmöglich, zu glauben, daß es mit der Kenntnis und der Zustimmung von zwei ritterlichen Nationen, wie es die Franzosen und Spanier sind, geschehen sein könnte. Denn es ist kaum anzunehmen, daß sie zu solchen Methoden ihre Zuflucht nehmen, um Rache an einem Feinde zu nehmen, den sie nicht in ehrlichem Kampfe bezwingen können. Solch eine Preisaussetzung würde sicher einen unversöhnlichen Geist erzeugen.

Auf den Streit zwischen Frankreich und den Rifleuten will ich nicht näher

Das große Anklagekapitel gegen die deutsche Kolonialpolitik 157 eingehen. Das reiche Tal des Flusses Wergha, das sozusagen die Getreide­

kammer der kleinen tapferen Nation bildet, ist in diesem Falle der Wein­

berg des Naboth. Wenn einmal ein Streit begonnen hat, werden Einfälle auf beiden Seiten unvermeidlich. Der Rif-Fürst hat verschiedentlich jede Absicht in Abrede gestellt, französische Besitzungen, selbst wenn er die Macht dazu hätte, sich anzueignen. Seine Absicht ist einfach, Angriffe ab­

zuwehren. Dieser Zweck könnte leicht erfüllt werden durch einen Schieds­

vertrag ohne unnötige Zerstörung von Menschenleben. Aber für Frankreich ist es eine Prestigefrage geworden, dieses Grab von Idealen! Ein tödlicher Streich kann den Feind verkrüppeln, aber er läßt eine Erbschaft von bitte­

rem Haß zurück, die nicht zum Frieden führt. Die Spanier beanspruchen die sogenannte Zone, die von einem Volke in Todesangst bewohnt ist, auf einer Basis, die die Teilungslinie genannt wird. Diese sogenannte Teilungs­

linie ist rechtlich ein toter Buchstabe, da die Spanier nie eine effektive Kon­

trolle über das ihnen zugesprochene Gebiet erlangt hatten. Wäre solch eine Teilungslinie gegen ein europäisches Volk zustande gekommen, würde sie von der zivilisierten Welt verdammt worden sein wie die Aufteilung von Polen. Die Rifleute ,Rebellen4 zu nennen und ihnen den Eintritt einer Roten- Kreuz-Mission zu verweigern, von der doch Tausende von spanischen Gefan­

genen Hilfe erlangt hätten, das wird in der Geschichte fortleben als ein Stück von sinnloser Inhumanität. Sie sind so wenig Rebellen wie die schottischen Geschlechter, die gegen die Plantagenets fochten, so wenig wie die Griechen,

genen Hilfe erlangt hätten, das wird in der Geschichte fortleben als ein Stück von sinnloser Inhumanität. Sie sind so wenig Rebellen wie die schottischen Geschlechter, die gegen die Plantagenets fochten, so wenig wie die Griechen,