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Zeigt schon die Kolonialkarte vor dem Kriege, daß Deutschland in dem Ringen um die koloniale Expansion eine nur bescheidene Rolle gespielt hat, daß es wirklich niemand in den Schatten stellte, als es seinen Platz an der Sonne forderte, so beweist die Kolonialkarte der Nachkriegszeit erst recht, daß wir wirklich in den Schatten gedrängt worden sind, nicht die anderen Staaten. Deutschland hatte vor dem Kriege in Europa ein Ländergebiet von 540 000 qkm; heute zählt es 469 000 qkm. Die Revölkerungszahl hat fast die der Vorkriegszeit erreicht, 63 gegen 68 Millionen. Heute hat die Sowjet-Repu­

blik Rußland noch 20 Millionen qkm mit 130 Millionen Bewohnern. An asiatischem Besitz hat Rußland fast gar nichts eingebüßt. Sein Riesengebiet mit unerschöpflichen Reichtümern erstreckt sich noch immer vom baltischen Meer bis zum Stillen Ozean. Holland und Portugal haben ebenfalls ihren großen und wertvollen Kolonialbesitz gewahrt. Nur Deutschland hat heute nicht einmal eine Hand breit Erde außerhalb seiner Grenzen. Sein Übersee- Besitz ist hauptsächlich in dem ungeheuren Kolonialreich Englands aufge­

gangen. Kleinere Stücke erhielten Frankreich, Belgien, Japan und Portugal.

Ebenso ist der große Besitz der Türkei in Ägypten, in dem gewaltigen Sudan, in Kleinasien, in Arabien und im Irak unmittelbar oder mittelbar an England gefallen, das wie immer den Löwenanteil erhalten hat. Unser Schutzgebiet in der Südsee ist an Australien und Neuseeland gefallen mit Ausnahme der kleinen, aber für Japan wichtigen Karolinen und Marianen, sowie der Mar­

schall-Inseln. Kiautschou fiel an Japan, das es auf Drängen der Mächte China zurückgeben sollte. Alles andere ist englischer Besitz geworden. Der ganze Erdteil Afrika mit dem gewaltigen Umfange von 30 Millionen qkm hat nur zwei selbständige Staaten; alles andere ist, wie folgende Statistik . zeigt, unter Europas Mächte verteilt

Abessinien...

BrandunginSüdwest-Lüderitzbudit

Verschiebung der kolonialen Machtverhältnisse 25

Die französischen Statistiken teilen dem englischen Besitz den größten Um­

fang zu, während englische Statistiken das größere Gebiet Frankreich zu­

sprechen. Dies liegt vielleicht daran, daß weite Gebiete in Afrika immer noch unerforscht und die Grenzen noch nicht sicher bestimmt sind. Aber dem Wesen nach stimmen die Berechnungen, nach denen über zwei Drittel des riesigen Erdteils unter Englands und Frankreichs Herrschaft stehen. Der Erdteil zerfällt in zwei Teile. Der Nordwesten bis tief in das Innere hinein gehört zu Frankreich. Der ganze Osten von der Mündung des Nils bis zum südlichsten Kap ist englischer Machtbereich. Jede dieser beiden Mächte be­

herrscht eine Ländermasse, die größer ist als die ganz Europas, das euro­

päische Rußland eingerechnet. Und doch haben beide Staaten noch nicht Platz genug, wie der Kampf um das kleine Rifland und ihre Gegnerschaft gegen das Vordringen Italiens in Afrika beweisen.

Noch gewaltiger wirkt die kolossale Macht des weltbeherrschenden Albion, wenn wir die Karte des 44 Millionen qkm großen Erdteils Asien betrachten.

Auch in diesen Ländermassen gibt es mit Ausnahme von Russisch-Asien und Japan kaum ein Land, das nicht direkt unter Englands Oberhoheit stände oder indirekt Englands dominierendem Einfluß unterläge. Asiens Karte ist ungefähr folgende:

China...

Japan (nebst Mandat über die Karolinen und Marianen) 12 000 000 qkm 300—400 000 000

unter englischem

26 Verschiebung der kolonialen Machtverhältnisse

Amerika: Größe Einwohner

Philippinen... 300 000 qkm 12 000 000

Hawai und Samoa .... 16 000 „ 200 000

England:

Indien... 5 000 000 „ 320 000 000 Malayen-Staaten... 500 000 „ 10 000 000

Pachtgebiet von Hongkong 1021 „ 600 000

Pachtgebiet von Weihaiwei 746 „ 150 000

Palästina (Mandat 1922) . 60 000 „ 1 000 000 Mesopotamien (Irak-Mandat) . 371000 „ 3 000 000

Außerdem stehen unter englischem Einfluß:

Iran-Persien... 1 600 000 Tibet... 2 000 000 Arabien... 3 000 000

Man kann Asien in zwei große Teile zerlegen, deren

10 000 000 6 000 000 6 000 000 c-j f , Tz . , „ - - ■ --- Teilungslinie vom Sudufer des Kaspischen Sees nach Osten hin bis zur Insel Sachalin verläuft.

Der nördliche Teil über dieser Linie ist russisches Gebiet, der südliche, be­

ginnend mit Kleinasien nebst dem Gebiet des 3 Millionen qkm umfassenden und 5 Millionen Einwohner zählenden Arabien, Iran-Indien und die Län­

dergebiete bis tief in den Osten hinein, unterstehen direkt englischer Ober­

hoheit oder englischem Einfluß. So wichtig wie die Besitzungen in Nord- und Ostafrika sind England die kleinasiatischen Besitzungen für den Weg nach Indien und dem Osten. Darum sein Kampf um den Irak und Mossull Die Bahn nach Bagdad soll nur unter englischer Kontrolle stehen. Diese Gebiete sichern aber England auch das weite Hinterland von Arabien, das es die Küste entlang bis ins Innere mit den heiligen Städten Mekka und Medina und bis zum Persischen Golf mit gehorsamen Regierungen und Fürsten ausgestattet hat. Die Reiche von Hedschas, Yemen, Asir, Nedschd, Oman und die persischen Golfstaaten sind alle mehr oder weniger Schöpfungen Englands. In Persien hält England immer noch seinen Einfluß aufrecht, trotz der bolschewistischen Agitation Rußlands. Eine Verbindung der Bagdadbahn mit Persien liegt in Englands Plan. Trotz des Krieges von 1919 gegen Afghanistan wird sich dieses nur schwer Englands Machtsphäre entziehen können. Im Norden von Englands indischem Besitz liegt der Himalaya, der als größtes Reich das nominell nach Indien gehörige Tibet mit 2 Millionen qkm Umfang und 7 Millionen Einwohner umfaßt. Heute ist Tibet vollständig unter englischem Einfluß. Seine Annektion durch England wird in dem Augenblick erfolgen, wo Rußland oder Chiria sich anschicken.

Verschiebung der kolonialen Machtverhältnisse 27 dort eine aktive Politik zu treiben. Der Herr von Tibet ist der englische

„Resident” in der Hauptstadt des Dalai Lama, in Lhasa.

So ist ganz Asien in zwei Teile gespalten; den Norden beherrscht Ruß­

land, den Süden England. Wirklich selbständige Staaten gibt es außer Japan im Osten und der Türkei im Westen gar keine mehr. Das große China ist in Interessengebiete aufgeteilt, die durch England, Amerika, Japan und Frankreich „vertreten” werden. Der ganze Kampf der letzten Jahre in China mit seinen Wirren, die es nicht zur Ruhe kommen lassen, dreht sich darum, ob China, wie es sein Ziel ist, die Macht aufbringen kann, in Zukunft sich von diesen „Interessenten” freizumachen, um seine Unabhängigkeit wieder zu erlangen und zu behaupten.

Daß wir Deutschen als Machtfaktor in diesem Kampfe ausgeschaltet sind, ist ein wahrer Segen, da wir als ehrliche, vollkommen gleichberechtigte Part­

ner mit China in rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer und internationaler Beziehung als Volk zu Volk auf gleichem Fuße verhandeln können, ein Idealzustand, dem kein Mißklang von Säbelgerassel beigemischt ist. Solange dieser Idealzustand von einem wirklich ehrlichen, friedlichen Wettbewerb der Nationen, der weißen wie der farbigen, nicht verwirklicht wird, können wir von einer wahren Kolonisation nicht sprechen. Und gerade hier haben wir Deutschen einen beträchtlichen Aktivposten in den Ländern der Ost­

meere in Rechnung zu stellen, wenn auch heute kein Fleck der politisch­

geographischen Landkarte mehr deutschen Besitz verzeichnet.

D asErwachen des Kolonialgedankens